zur Hauptseite Zusammenfassung 1999
Bundesdeutsche Flüchtlingspolitik und Aufgrund einer Streiterei in der
Gemeinschaftsküche eines Flüchtlingsheimes im niedersächsischen Bad
Oeynhausen ruft ein Bewohner die Polizei. Die
Beamten erscheinen Stunden später, als die Menschen schon schlafen. Auch die
Tür des Mannes, der die Polizei rief, ist verschlossen. Die Beamten klettern
daraufhin durch das Fenster und wecken den Mann mit Tränengas. Dieser rennt,
zu Tode erschreckt, zur Zimmertür, und als es ihm endlich gelingt, diese zu
öffnen, steht er vor noch mehr Polizisten, die ihn auch mit Tränengas
besprühen. Dann legen sie ihn auf den Boden und traktieren ihn mit
Faustschlägen und Fußtritten – auch auf Kopf und Bauch. Er wird in
Handschellen gelegt und mitgenommen. Er merkt, daß er nicht laufen kann, weil
sein Fuß verletzt ist und dick anschwillt. Auf
der Polizeiwache werden ihm nicht nur die Handschellen, sondern auch die
Kleidung abgenommen – dann wird er in eine Zelle gesperrt. Da er große
Schmerzen im Fuß hat, macht er solange auf sich aufmerksam, bis endlich ein
Arzt kommt. Aufgrund dessen Anweisung wird er aus der Haft entlassen. Am
nächsten Tag bringen ihn Freunde ins Krankenhaus. Polizeiübergriffe 1999 4. Januar 99 Brandstiftung in einem
Flüchtlingsheim in Wetzlar. Von den 40 meist türkischen BewohnerInnen
versuchen sich 20 Menschen auf dem Dach in Sicherheit zu bringen. Bei
Sprüngen vom Dach und bei Versuchen, sich an Bettlaken abzuseilen, erleiden
drei Personen Knochenbrüche. Bei drei weiteren Menschen werden
Rauchvergiftungen festgestellt. Zwei
Tage später wird ein erneuter Brandanschlag auf das inzwischen geräumte
Wohnheim verübt. FR 5.1.99; FR 7.1.99; JWB 13.1.99 4. Januar 99 Der Kurde Berzan Öztürk (genannt
"Murad") erliegt im Bundeswehrkrankenhaus Koblenz seinen schweren
Verletzungen, die er sich am 1. November 98 bei einem
Selbstverbrennungsversuch zugezogen hat. (siehe dort) Eine
Trauerkundgebung am 6. Januar, die 2500 KurdInnen vor der JVA
Stuttgart-Stammheim abhalten wollen, wird vom Stuttgarter Oberbürgermeister
Schuster verboten. Auch ein Autokonvoi, der den Sarg von Berzan Öztürk
begleitet, wird gestoppt. Auch
in der Türkei wird versucht, die Trauerfeierlichkeiten zu unterbinden. Eine
Delegation von KurdInnen begleitet den Sarg von Frankfurt über Istanbul, Van
nach Agri. Schon an der Stadtgrenze von Van werden die meisten Trauergäste
festgenommen. Diejenigen, die weiterfahren dürfen, erreichen nach mehreren
Militärkontrollen mit stundenlangem Warten die Ortschaft Agri, in der Panzer
postiert sind und die Soldaten Spalier stehen. Die Militärs haben
Benzinkanister in die Mitte des Dorfes gestellt und drohen, alles zu
verbrennen. Die Trauergäste und die Familie werden massiv bedroht und
beleidigt. "Die Soldaten sind in unser Haus gestürmt und haben schier
getanzt vor Freude darüber, daß mein Sohn gefallen ist", so Cemile
Öztürk am 9. Januar, dem Tag der Beisetzung ihres Sohnes. ND 4.11.98; FR 6.1.99; FR 8.1.99; FR 9.1.99; JWB 13.1.99 AZADI informationen Nr. 13 Januar-März 1999 4. Januar 99 Ein 43-jähriger Kurde
protestiert vor dem Rathaus von Bielefeld gegen die drohende Abschiebung
seines jüngeren Bruders in die Türkei. Er hat seine Bekleidung intensiv mit
Benzin getränkt, hält in der linken Hand einen Benzinkanister und in der
rechten ein Feuerzeug. Er droht, sich anzuzünden, wenn er nicht eine
schriftliche Zusage bekommt, daß sein 28 Jahre alter Bruder, der in
Abschiebehaft in der JVA Büren sitzt, nicht abgeschoben wird. BeZ 4.1.99 5. Januar 99 Der 39 Jahre alte Ali Berro,
abgelehnter Asylbewerber aus dem Libanon, wird frühmorgens aus seinem Zimmer
am Jerusalemer Tor in Büdingen von der Polizei abgeholt und über Frankfurt
nach Beirut abgeschoben. Ali Berro wird festgenommen und dreieinhalb Stunden
lang verhört. Dann darf er für eine Nacht zu seiner Frau und seinen vier
Kindern, bis er erneut verhaftet wird. Es wird vermutet, daß der Grund für
die Verhaftung ("fehlende Ausweispapiere") ein Vorwand der
syrischen Besatzer ist, um Ali Berro zu seinen politischen Aktivitäten vor
seiner Flucht in die BRD vor acht Jahren zu verhören. Ein Freund Berros war
damals in einem syrischen Gefängnis "verschwunden" und ein
Verwandter nach Syrien verschleppt worden. FR 6.1.99; FR 11.1.99 8. Januar 99 Fünf kahlgeschorene Jugendliche
– Springerstiefelträger – gehen gezielt auf einen 35-jährigen Vietnamesen vor
dem "Plus"-Markt in der Louis-Lewin-Straße in Berlin-Hellersdorf
zu, bedrohen ihn und fordern von ihm Zigaretten. Er flieht in den
Einkaufsmarkt. Als er nach einiger Zeit wieder herauskommt, warten die Skins
schon auf ihn. Er flieht erneut in den Markt, wird diesmal aber von den
Tätern verfolgt. Mit Gummiknüppeln und Baseballschlägern schlagen sie auf ihn
ein. Sein Versuch, sich mit einer Schnapsflasche zu wehren, schlägt angesichts
der Übermacht fehl. Auch als er am Boden liegt, treten sie weiter auf ihn
ein. Als er sich trotzdem noch einmal erhebt, zieht ein 20-jähriger Angreifer
ein Messer und sticht es ihm in die rechte Brust. Durch diese
Lungenverletzung in Lebensgefahr wird der Vietnamese ins Krankenhaus gebracht
und kann auch drei Tage später noch nicht von der Polizei vernommen werden. Von
den Tätern werden vier Jugendliche nach vorübergehender Festnahme unter
Auflagen wieder auf freien Fuß gesetzt. Der Messerstecher bleibt in
Untersuchungshaft. BeZ 9.1.99; BeZ 11.1.99; taz 11.1.99; taz 13.1.99; JWB 13.1.99 9. Januar 99 Prenzlau in Brandenburg. Eine
Asylbewerberin aus Kenia wird in einem Bus von einem jugendlichen Deutschen beschimpft
und beleidigt. Der Angreifer reißt ihr die Mütze vom Kopf und zieht ihr an
den Haaren ihren Kopf hin und her. BeZ 16.1.99; Ethnische Säuberungen in Berlin und Brandenburg 1999, S. 19 12. Januar 99 H. Merkebu Getachew,
äthiopischer Flüchtling aus dem nordrhein-westfälischen Uedem, erhängt sich
in der Abschiebehaft in Lübbecke. IMEDANA (AAPO) 16.
Januar 99 Am Nachmittag wird ein
18-jähriger pakistanischer Flüchtling in Frankfurt (Oder) von ca. 10 Unbekannten
angegriffen und geschlagen. Als ihm zwei Pakistani zu Hilfe kommen, schlagen
die Angreifer auch auf sie ein. Ein 33-jähriger Pakistani wird durch ein
Messer am Rücken verletzt. Die Polizei teilt zwei Tage später mit, daß sie
einen mutmaßlichen Schläger festgenommen hat. BeZ 18.1.99; BeZ 16.2.99; ALB (dpa, adn, MAZ, BM); Konkret 10/00, S. 17 16. Januar 99 Ein Asylbewerber aus Marokko
wird am späten Abend in der Bahnhofshalle von Frankfurt (Oder) von ca. 35
Angreifern zu Boden gestoßen und durch Tritte der Springerstiefel tragenden
Deutschen mißhandelt. Die
Polizei nimmt 16 Verdächtige fest, läßt sie am nächsten Morgen wieder frei.
Ein 14-jähriger Angreifer wird sechs Wochen später zu zwei Wochen Dauerarrest
verurteilt. BeZ 18.1.99; BeZ 2.3.99; FR 2.3.99; ALB (dpa, adn, ap, MAZ) 20. Januar 99 Zwei Zivilbeamte der Berliner
Polizei suchen morgens um 8.30 Uhr in der Werner-Stephan-Oberschule in
Berlin-Tempelhof nach dem 17-jährigen Murat E., um ihn festzunehmen und abzuschieben.
Murat E. ist alleinlebender kurdischer Flüchtling, dessen Asylantrag noch
nicht rechtskräftig abgeschlossen ist. Als
der Rektor sich den Polizeibeamten entgegenstellt, bekommt dieser eine
dreifache Anzeige wegen Strafvereitelung und unterlassener Hilfeleistung. Die Welt, 22.1.99; BeZ 23.1.99; Die Welt 23.1.99 28. Januar 99 Von neun Flüchtlingen, die aus
dem Transitbereich des Rhein-Main-Flughafens in
Frankfurt ausbrechen, gelangen acht ins Landesinnere der BRD. Ein
afghanischer Flüchtling wird gefaßt. FR 1.2.99 30. Januar 99 Erneut versuchen Flüchtlinge aus
dem Transitbereich des Rhein-Main-Flughafens in
Frankfurt in die BRD zu fliehen. Sie schrauben ein Fenster ab und
klettern von dort aus über ein Zwischendach aufs Airport-Betriebsgelände.
Dort werden 18 von ihnen (16 Algerier und zwei Libyer) von BGS-Beamten wieder
gefaßt – lediglich ein Algerier kann kurzfristig entkommen. Alle
19 Menschen werden dem Haftrichter vorgeführt und in diverse
Abschiebegefängnisse gebracht. Ihre Asylanträge wurden allesamt als
"offensichtlich unbegründet" abgelehnt. FR 1.2.99 31. Januar 99 Der 28 Jahre alte E.
L. von den Philippinen erhängt sich in der JVA München an seinem Hosengürtel. Bayerischer
Landtag Drucksache 14/3299; IMEDANA 26.10.00 Januar 99 Der 24 Jahre alte
Militärdienstverweigerer, der Kurde Süleyman Aksoy, der vor drei Monaten nach
abgelehntem Asylantrag in der BRD in die Niederlande geflohen war, wird von
hier aus – aus der Abschiebehaft heraus – in die Türkei abgeschoben. Die
Flughafenpolizei überstellt Herrn Aksoy an die Militärbehörden in Ankara.
Hier verliert sich seine Spur. Erst im Juli erhalten die Eltern
von Süleyman Aksoy die Mitteilung, daß ihr Sohn sich das Leben genommen haben
soll. Entgegen dem Verbot der Staatsanwaltschaft öffnen die Eltern den Sarg
und finden den Leichnam "verstümmelt und völlig zerstört" vor. Eine
Obduktion wird den Eltern verweigert, weil die Todesursache nach den Worten
der Staatsanwaltschaft schließlich bekannt sei. jW 21.7.99; ND 21.7.99; AZADI informationen Nr. 15 Juni-Juli 1999; FR 3.3.00 3. Februar 99 Der 20-jährige Idris Yusufoglu,
kurdischer Flüchtling aus der Türkei, stürzt sich aus dem vierten Stock des
Zentral-Krankenhauses St. Jürgen, um sich das Leben zu nehmen. Dabei zieht er
sich eine schwere Wirbelsäulen-Verletzung zu. Idris
Yusufoglu war zwei Tage zuvor in Bremen bei einer Polizeikontrolle
festgenommen und in Abschiebehaft nach Oslebshausen gebracht worden. Vor dem
Haftrichter im Amtsgericht Bremen erlitt er einen Schwächeanfall, zog sich
beim Sturz von den Treppen eine Gehirnerschütterung zu und war so ins
Krankenhaus gekommen. Idris
Yusufoglu war bereits vor einem Jahr nach abgelehntem Asylantrag in die
Türkei abgeschoben worden. Er wurde festgenommen und gefoltert. Sein Bruder
sitzt eine 12-jährige Haftstrafe wegen
Unterstützung der PKK ab, seine in Deutschland lebenden Verwandten haben
größtenteils Asyl bekommen, und Idris Y. stand die Abschiebung bevor.
"Idris war verrückt vor Angst", sagte sein Cousin. IMRV Bremen; FR 5.2.99; taz 5.2.99 5. Februar 99 Im brandenburgischen
Eisenhüttenstadt werden zwei Kinder aus Afghanistan nach ihrem "unerlaubten"
Grenzübergang mit Unterkühlungen aufgegriffen. BT-Drucksache
14/1850 5. Februar 99 Ronnburg im Main-Kinzig-Kreis in
Hessen. Kurz nach Mitternacht wird der 27 Jahre alte äthiopische Flüchtling
von drei Deutschen aus einer Telefonzelle herausgezerrt, mit einem Schlagring
niedergeschlagen und noch mehrmals getreten. Dann fliehen die Täter in einem
roten Opel Kadett. Der
Äthiopier muß seine Verletzungen mehrere Tage im Krankenhaus behandeln
lassen. FR 19.2.99 5. Februar 99 Die vor sechs Jahren in die BRD
geflüchteten Eheleute Frau und Herr Nayir und ihre drei Kinder werden nach
Izmir abgeschoben, nachdem Herr Abdülhalim Nayir am Vortage in der
Ausländerbehörde Osnabrück festgenommen worden war. Der BGS übergibt den
türkischen Polizeibeamten einen Koffer mit belastendem Material, in dem unter
anderem Telefonlisten und Fotos von einer Demonstration enthalten sind. Herr
Nayir wird noch am Flughafen festgenommen und der Anti-Terror-Abteilung
überstellt. Hier erfolgen die Verhöre unter schwerer Folter und
Todesandrohungen, bis Herr Nayir Aussagen macht und sich bereit erklärt, als
Spitzel für den türkischen Staat zu arbeiten. Nach seiner Freilassung hält er
sich mit seiner Familie versteckt. Wegen Unterstützung der PKK
wird gegen Herrn Nayir Anklage vor dem Staatssicherheitsgericht Izmir
erhoben. Am 27.4.99 erfolgt überraschend ein Freispruch. Da auch in diesem
Falle der Flüchtlingsrat Niedersachsen zusammen mit dem türkischen
Menschenrechtsverein (IHD) das deutsche Generalkonsulat informierte, ist zu
vermuten, daß der Freispruch u.a. auch durch diplomatische Interventionen
erfolgte. Der Familie Nayir gelingt
im Mai 99 die Flucht nach Griechenland; erst im März 2000 treffen sie in Köln
ein. Hier werden Herr Nayir und zwei seiner Söhne vom BGS festgenommen und in
die Abschiebehaftanstalt Büren gebracht. Seine Frau und die anderen Kinder
werden nicht in Haft genommen. Am 3. Juni 2000 wird Herr
Nayir als Flüchtling gemäß der Genfer Flüchtlingskonvention anerkannt,
während die Asylanträge seiner Frau und die seiner fünf Kinder abgelehnt
werden. Trotzdem erhalten alle Familienmitglieder Aufenthaltsbefugnisse. Als
jedoch der älteste Sohn Seymuz volljährig wird, droht ihm die Abschiebung,
und es ist fraglich, ob er seine Mauerlehre abschließen kann. Dokumentation vom FRat NieSa und Pro
Asyl, Juni 1999; Dokumentation vom FRat NieSa und Pro
Asyl, Mai 2000; Familientrennung durch Abschiebung –
Dezember 2004 7. Februar 99 Der abgelehnte Asylbewerber
Ferit K. reist nach zweijährigem Aufenthalt ohne gütige Papiere in die
Türkei, um seine Heiratsformalitäten zu regeln. Bei dem Versuch, seine
Geburtsurkunde im Standesamt von Karliova / Bingöl abzuholen, geschieht seine
Festnahme. Nach Verhören und Folter
wird er dem Strafgericht in Bingöl vorgeführt, wo er sein – unter Folter
erzwungenes – Geständnis widerruft. Am 11. März erhebt die Staatsanwaltschaft
vor dem Statssicherheitsgericht Diyarbakir Anklage gegen Herrn K. wegen
Mitgliedschaft in der PKK gemäß § 168 TStGB. Ihm
wird vorgeworfen, als Kurier der PKK zwischen Deutschland und der Türkei
gearbeitet, sich an Aktivitäten der Organisation beteiligt und Geld gesammelt
zu haben. Zudem soll er "mit Deutschen, die mit dem Ziel der Provokation
zu dem in der Türkei verbotenen Newroz-Fest und zu den Wahlen geschickt
wurden, Geld für die Familien getöteter Terroristen in die Türkei geschickt
haben." Ferit K. wird schließlich
von den Vorwürfen freigesprochen. Dokumentation vom FRat NieSa, Juli 2002 13. Februar 99 Guben in Brandenburg – Ortsteil
Obersprucke. Farid Gouendoul (alias Omar Ben Noui), Asylbewerber aus
Algerien, verblutet morgens um 5 Uhr im Hausflur des Mehrfamilienhauses
Hugo-Jentsch-Straße 14. Er wurde 28 Jahre alt – seine Freundin erwartet ein
Baby. Er
war zusammen mit zwei Freunden vorher von 10 bis 15 Rassisten mit Autos durch
die Straßen Gubens gehetzt worden. Diese skandierten aus den Autos heraus:
"Türken raus! Türken raus! Krankenhaus!" oder "Wir kriegen
Euch! Haß! Haß! Haß!" Mit ihm gejagt wurden Khaled Ben Saha und der 17-jährige
Issaka Kaba aus Sierra Leone. Sein
Landsmann Khaled Ben Saha wurde von drei Gubenern zu Fuß verfolgt. Als er
stürzte, schlugen sie ihn zusammen und traten mit ihren Stiefeln auf ihn ein.
Er wurde durch die Mißhandlung am Kopf und Oberkörper verletzt. Farid
Gouendoul und Issaka Kaba suchten Schutz in dem Wohnhaus. In seiner Angst
trat Farid Gouendoul die Glasscheibe der Haustür ein, riß sich dann beim
Durchsteigen die Schlagader seines rechten Knies auf. Er bat seinen Freund,
ein Taxi zu holen, doch vor der Tür warteten noch die Verfolger. Als diese
mit quietschenden Reifen durchstarteten und – wie Issaka Kaba annahm –
wegfuhren, floh er wieder aus dem Haus, hielt ein Taxi an und ließ sich zum
nächsten Bistro fahren, um die Polizei zu alarmieren. Die Glatzköpfe
verfolgten das Taxi und warteten dann vor dem Bistro, nachdem die Wirtin
ihnen den Zutritt zur Gaststätte verweigert hatte. Farid Gouendoul war
inzwischen seiner Verletzung erlegen. Issaka
Kaba wird noch in der Gaststätte von der Polizei verhaftet. Ihm werden die
Hände auf dem Rükken mit Handschellen gebunden, und er muß derart gefesselt
bis mittags um 13 Uhr in der Polizeiwache Guben auf seine Vernehmung warten.
Der Grund für diese "Behandlung" ist eine Anzeige wegen "des
Verdachts der Beteiligung an einer Körperverletzung", die seine
Verfolger gegen ihn gestellt haben, als sie vor dem Bistro auf ihn warteten. An
dem Sterbeort von Farid Gouendoul, der zu einer Mahn- und Gedenkstelle geworden
ist, werden zwei Tage nach der Tat Hakenkreuze, SS-Runen und Parolen
entdeckt. Die
staatsanwaltlichen Recherchen ergeben, daß die Hetzjagd der Skinheads mittels
Handies und unter dem Motto "Neger-Suchen" organisiert war. Die
Jagd war als Rachefeldzug gedacht, weil während einer Auseinandersetzung
zwischen Deutschen und einem Ausländer vor der Diskothek "Dance
Club" ein Deutscher an der Hand leicht verletzt worden war. Die
Deutschen leiteten dann mit der Parole, ein Deutscher sei von dem Ausländer mit
einer Machete "aufgeschlitzt" worden, die Hetzjagd ein. Sechs
Tage später sind 11 an der Hetzjagd Beteiligte ermittelt worden. Ein
am 17. Juli 99 aufgestellter Gedenkstein der Antifa Guben ist schon zwei Tage
später mit Hakenkreuz und SS-Runen beschmutzt. Beschädigungen dieser Art
werden bis zum Prozeßende mindestens sechsmal wiederholt. Khaled
Ben Saha hat durch die Hetzjagd ein schweres Trauma erlitten, erhält aber
erst im Herbst 2000 und nach monatelangen Querelen zwischen Innenministerium
und Potsdamer Stadtverwaltung eine Aufenthaltsbefugnis, um sich in der BRD
therapieren lassen zu können. Einer
der Täter, der zu 200 Stunden gemeinnütziger Arbeit verurteilt worden war,
beteiligt sich am 26. Dezember an einem rassistischen Überfall auf einen Deutschen.
Dieser wird durch einen Messerstich verletzt. Am
13. November – 81 Tage nach Prozeßbeginn – werden drei der Täter vom
Landgericht Cottbus wegen fahrlässiger Tötung zu Haftstrafen von zwei bis drei
Jahren verurteilt; zwei von ihnen jedoch wegen Taten, die mit der
geschilderten nichts zu tun haben. Sechs Täter erhalten Bewährungsstrafen
zwischen einem und zwei Jahren; zwei der Täter werden nur verwarnt. Gegen
diese Urteile gehen sowohl die Angeklagten als auch die Nebenkläger in
Revision. Die
5. Strafkammer des Bundesgerichtshofes in Leipzig wertet in der
Revisionsverhandlung die Beteiligung von sechs Tätern am Tod von Farid
Gouendoul als versuchte Körperverletzung mit Todesfolge. Das Strafmaß wird
damit bestätigt. Im Januar 2003 sitzt noch keiner der Täter wegen dieser Tat
in Haft. Einige nutzten die Zeit für neue Straftaten. Lediglich einer der
Beteiligten wurde wegen anderer zusätzlicher Körperverletzungen verurteilt. Auch
im Januar 2004 haben die beiden Überlebenden der Hetzjagd, Khaled Ben Saha
und Issaka Kaba, noch kein dauerhaftes Bleiberecht erhalten. TS 14.2.99; BeZ 15.2.99; FR 15.2.99; taz 15.2.99; Neue Presse 15.2.99; TS 15.2.99; TS 16.2.99; BeZ 16.2.99; FR 16.2.99; BeZ 17.2.99; FR 17.2.99; BeZ 18.2.99; BeZ 21.2.99; BeZ 24.2.99; ND 2.6.99; BeZ 4.6.99; BeZ 22.9.99; BeZ 27.9.99; FR 29.9.99; jW 29.9.99; BeZ
29.9.99; BeZ 19.10.99; BeZ 13. 11.00; BeZ 14.11.00; IRR European Race Bulletin Nr. 35
Dec. 00 / Jan. 01; BeZ 19.4.02; taz 10.10.02; FR 5.7.03 18. Februar 99 Familie Demir wird in die Türkei
abgeschoben. Noch auf dem Flughafen Istanbul wird Herr Demir von der
türkischen Polizei zusammengeschlagen und seiner gesamten Ersparnisse
beraubt. Leipziger VZ 21.5. 99 19. Februar 99 Mihail M. aus Weißrußland steht
im Foyer des Verlagshauses Springer in Berlin-Kreuzberg und schreit:
"Ich bin politisch verfolgt, kein Verbrecher......Ihr gebt mir kein
Asyl, ihr schiebt mich ab! Die töten mich, lieber sterbe ich hier!" Herr
M. ist blutüberströmt, hält sich ein 20 cm langes Messer an die Brust und
eine Rasierklinge an den Hals und droht, sich umzubringen. Zweieinhalb
Stunden später wird er von einem Sondereinsatzkommando der Polizei
überwältigt und in ein Krankenhaus gebracht. BZ 20.2.99; taz 20.2.99 20. Februar 99 Eiche im Landkreis Bernau in
Brandenburg. Einem 27-jährigen vietnamesischen Flüchtling wird von drei
deutschen Männern auf dem Gelände eines Kaufparks aufgelauert. Er wird vom
Fahrrad gezerrt. Dann schlagen und treten sie ihn, halten ihm eine
Schreckschußpistole an den Kopf und rauben ihm 100 DM. Als der Überfallene zu
fliehen versucht, hetzt einer der Täter seinen Bullterrier auf ihn. Das Tier
erwischt beim Angriff "nur" die Jacke des Vietnamesen. Die gerufene
Polizei verhindert einen neuerlichen Angriff. Der
Vietnamese muß seine Verletzungen im Krankenhaus ambulant behandeln lassen. Nach
Aussage der Ermittlungsbehörden handele es sich bei den Tätern "nicht um
Rechtsradikale", und Anhaltspunkte für einen ausländerfeindlichen
Hintergrund gäbe es auch nicht. Am
22. Februar werden gegen die drei Täter Haftbefehle erlassen. MAZ 22.2.99; BeZ 22.2.99; FR 22.2.99; RA 23.2.99; BeZ 23.2.99; ALB (dpa, BM, MOZ) 22. Februar 99 Morgens um 7 Uhr kommen Beamte
des Bundesgrenzschutzes in eine Reinickendorfer Wohnung in Berlin, nehmen den
12-jährigen Adnan B. und seine 22-jährige Schwester mit und schieben beide
nach Sarajewo ab. Seine durch den Krieg traumatisierte Mutter hielt sich zum
Zeitpunkt der Festnahme der Geschwister versteckt; der Vater hatte ein Jahr
lang vergeblich versucht, in Bosnien eine Wohnung und Arbeit zu finden und
war wieder nach Berlin zurückgekehrt. BeZ 23.2.99; BeZ 5.5.99 24. Februar 99 Die 39 Jahre alte Fatme E.
entbindet ein kleines Mädchen im Virchow-Klinikum in Berlin-Wedding. Am
nächsten Tag verläßt die Mutter das Krankenhaus und läßt das Baby zurück. Sie
ist türkisch-bulgarischer Herkunft und lebt seit einem Jahr ohne Papiere in
der Stadt. Als
die Polizei Fatme E. zwei Wochen später findet, werden Ermittlungsverfahren
wegen "Verletzung der Fürsorgepflicht" und – weil sie den
Klinikaufenthalt nicht bezahlt hat – wegen "Leistungsbetrug" gegen
sie eingeleitet. Sie kommt in Abschiebehaft. BeZ 12.3.99 25. Februar 99 Hennigsdorf an der Oberhavel in
Brandenburg. Der 36 Jahre alte Mohammad Azam, Asylbewerber aus Pakistan, ist
auf dem Weg in seine Heimunterkunft Stolpe-Süd, als er um 20.40 Uhr auf einer
Havelbrücke von zwei kahlköpfigen Männern angegriffen wird. Während einer der
Täter ihn festhält, schlägt der andere auf ihn ein. Sie werfen ihn zu Boden,
treten mit ihren schweren Stiefeln und beschimpfen ihn heftig. Als nach ca.
10 Minuten ein Zeuge vorbeikommt, lassen die Schläger von ihrem Opfer ab,
steigen in ein Auto und fahren schnell weg. "Wäre der Kurde nicht
vorbeigekommen, sie hätten mich wohl totgeschlagen", sagt Mohammad Azam
eine Woche später. Er liegt mit drei schweren Kopfplatzwunden, einer
Gehirnerschütterung und zahlreichen Prellungen immer noch im Krankenhaus. Ein
Backenzahn wurde ihm ausgetreten und ein Schneidezahn abgebrochen. Opferperspektive; MAZ 27.2.99; TS 28.2.99; BeZ 2.3.99; RA 22.4.99; BeZ 25.4.99; ALB (dpa, ap) 26. Februar 99 Guben in Brandenburg. Der
kenianische Asylbewerber Dawis M. ist auf dem Weg vom Bahnhof zur Bushaltestelle,
als ein ihm entgegenkommender roter sportlicher Wagen die Fahrspur wechselt,
direkt auf ihn zufährt und ihn auf dem Gehweg verfolgt. Herr M. rettet sich
hinter die auf dem Gehweg stehenden Bäume und sieht noch, wie der Fahrer des
PKW mit der Hand über seine Kehle fährt und M. den "aufrechten"
Finger zeigt. BeZ 2.3.99; ND 16.3.99 27. Februar 99 Sembten bei Guben in
Brandenburg. Vor dem Flüchtlingsheim in der Forster Straße fahren nachts
einige Autos auf. Jugendliche Deutsche steigen aus, stellen sich an den
zweieinhalb Meter hohen Stacheldrahtzaun und skandieren: "Komm raus,
komm raus!" Der
bei der Hetzjagd in Guben zu Tode gekommene Farid Gouendoul war Bewohner
dieses Heimes, und auch vor diesem Hintergrund werden die Flüchtlinge durch diese
Drohgebärden in panische Angst versetzt. (siehe auch: 13. Februar 99) BeZ 2.3.99; ND 16.3.99 27. Februar 99 Sicherheitstrakt des BGS im
Flughafen Schönefeld in Berlin – 12.50 Uhr. Zwei Beamte des
Bundesgrenzschutzes haben Alice B. (Name geändert) mit sechs Fesseln an eine
Holzbank gekettet. Die Hände sind unterhalb der Oberschenkel
zusammengeschlossen, Fuß- und Handfesseln mit weiteren
Hartplastikverbindungen gesichert. Jede Viertelstunde kommen Beamte herein
und überprüfen den korrekten Sitz der Fesseln. Die
19-jährige Alice B., die 1997 aus dem Sudan in die BRD floh, soll nach
Nigeria abgeschoben werden, weil das nigerianische Konsulat ein
Paßersatzpapier ausstellte, wodurch eine Abschiebung nach Nigeria für
deutsche Behörden möglich wird. Sicherheitstrakt
des BGS im Flughafen Schönefeld in Berlin – 14 Uhr. Zwei BGS-Beamte lösen die
Verbindungsschellen zwischen Alice B. und der Holzbank und schieben ihr eine
Holzstange zwischen die zusammengebundenen Unterarme und Oberschenkel. Mit
der einen Hand tragen die Männer die Stange, mit der anderen stützen sie die
Gefesselte und balancieren ihre Last zum Transportfahrzeug, das sie zu einer
Maschine der TAROM bringt. Alice B. wird in das noch leere Flugzeug gebracht
und von vier BGS-Beamten in einen Sitz gedrückt und – an Händen und Beinen
gefesselt – noch mit dem Sicherheitsgurt fixiert. Alice B. schreit und weint
so laut, daß Vertreter der Fluggesellschaft den Beamten vorschlagen, die
Sitzplätze in der letzten Reihe einzunehmen, bevor die regulären Flugpassagiere
kommen. Alice
B., immer noch an Händen und Füßen gefesselt, versucht sich mit aller Kraft
zu wehren, als sie den Gang hinunter geschleppt wird und die Beamten erneut
versuchen, sie an den Sitz mit Sicherheitsgurt zu fixieren. Eine Beamtin versucht
Alice B. mit einem "Festhaltegriff", der im Gesicht der Betroffenen
angesetzt wird, den Kopf nach hinten zu drücken. Alice B. beißt der Beamtin
in ihrer Angst in die Hand, worauf diese ihr mit der freien Hand ins Gesicht
schlägt und ihre Kollegen Alices Kopf nach hinten reißen und ihr die
Strickjacke der Beamtin ins Gesicht drücken. Die
Flugzeugbesatzung entscheidet daraufhin, daß sie an der Abschiebung nicht
teilnehmen werden, und bitten den BGS, die Maschine zu verlasssen. Zum
Verlassen des Flugzeuges werden Alice B. die Fußfesseln abgenommen, und die
Hände werden auf dem Rücken gefesselt. Sie kommt in ein Transportfahrzeug und
befindet sich weiterhin in panischer Angst vor der Abschiebung. Sie weigert
sich dann, das Fahrzeug wieder zu verlassen, woraufhin ein Beamter den
Schlagstock gegen sie einsetzt. Dann wird sie wieder in den Gewahrsamsraum
des Flughafens Schönefeld gebracht, ihre Füße wieder mit Stahlfesseln an die
Holzbank gekettet. Die Hände bleiben auf dem Rücken gefesselt. Nach
eineinhalb Stunden wird sie in das Abschiebegefängnis zurückgebracht. Dort
kommt sie in solch einem desolaten Zustand an, daß der diensthabende
Wachleiter in ihrem Namen eine Strafanzeige wegen "Gefährlicher
Körperverletzung im Amt" gegen die BGS-Kollegen erstattet. Die offenen
Wunden der Fesselungen und Hämatome der Schläge sind noch Tage nach dem
Abschiebungsversuch deutlich sichtbar. Der
BGS erstattet daraufhin Strafanzeige wegen Widerstands gegen
Vollstreckungsbeamte. Dem
Anti-Folter-Komitee des Europarates (CPT) gegenüber erklären die
Grenzschutzbeamten, daß die Anwendung des oben beschriebenen
"Festhaltegriffes ......durchaus üblich" sei. Bei
"afrikanischen Staatsbürgern" verfehle der Griff teilweise sogar
seine Wirkung, "da sie über eine ausgeprägte Unempfindlichkeit gegenüber
Schmerzen verfügen", so die Beamten. Das Strafverfahren gegen sie wird
eingestellt. (siehe auch: 13. März 99) Freitag 10.12.99; Imke Juretzka – Rechtsanwältin; FRat Berlin; CPT Dez. 00 Februar 99 Der 29 Jahre alte kurdische Flüchtling
Yavus Banzancir wird nach abgelehntem Asylantrag in die Türkei abgeschoben.
Bereits am Flughafen Istanbul wird er von der Polizei festgehalten und
intensiv nach seinem 7 Jahre währenden Aufenthalt in der BRD befragt. Vier
Monate später wird Yavus Banzancir, der bei Verwandten Unterkunft gefunden
hat, nachts von der Anti-Terror-Polizei aufgesucht, festgenommen und in ein
Gefängnis außerhalb der Stadt gebracht. Dort erleidet er während einer Woche
schwere Folterungen. Allein zwei Tage lang wird ihm verboten, sich
hinzusetzen, dann wird er mit eiskaltem Wasser unter Hochdruck abgespritzt
und mit Elektroschocks gequält. Die Verhöre drehen sich um seinen Aufenthalt
in der BRD. Erst gegen die Bestechungssumme von 5000 DM durch seine Familie
wird er aus der Haft entlassen. Zwei
Tage später wird er erneut von der Polizei aufgesucht und bedroht. Yavus Banzancir taucht
unter und flieht über die Tschechische Republik in die BRD. Sein
Asylfolgeantrag, den er am 30.9.99 in Bremen stellt, wird am 12.10.99 abgelehnt
mit der Begründung, das geltend gemachte Verfolgungsschicksal stehe "mit
dem seinerzeitigen Asylverfahren in keinerlei kausalem Zusammenhang".
Seine Abschiebung in die Tschechische Republik wird angeordnet – sofort
vollziehbar. KMii, Rundbrief 10; Nov. 99; Pro Asyl
10.11.99; FR 11.11.99; ARAB – IMRV-Bremen
16.11.99 2. März 99 Ein Sonderkommando der Berliner
Polizei dringt um 4.15 Uhr in das Zimmer 37 im Flüchtlingsheim
Trachenbergring in Berlin-Marienfelde ein. Maskierte Beamte zerren den 67-jährigen bosnischen Rom Musto
Alimanovic an den Füßen aus dem Bett in den Flur und fesseln ihn. Mehrere
Männer knien sich auf seinen Rücken. Nach einer knappen Stunde lassen die
Beamten von ihm ab, nachdem sie feststellen, daß sie eigentlich einen 50
Jahre jüngeren Mann festnehmen wollten. Neben
einer Kopfverletzung und tiefen Einschnitten an der linken Hand leidet Herr
Alimanovic auch an einem Trauma. Noch eine Woche nach dem Überfall liegt er
aufgrund seiner Verletzungen im Krankenhaus. BeZ 6.3.99; taz 9.3.99 2. März 99 Mehmet Kilic, 28-jähriger
kurdischer Flüchtling, wird aus der Abschiebehaft heraus in die Türkei
abgeschoben. Der türkischen Polizei zufolge ist er dort direkt den
Militärbehörden übergeben worden. Ihm droht als Militärdienstverweigerer der
türkischen Armee eine Gefängnisstrafe von bis zu fünf Jahren. Mehmet
Kilic war am 17. Februar im Zusammenhang mit den Protesten gegen die
Entführung Abdullah Öcalans festgenommen worden, und in den türkischen
Zeitungen Hürriyet und Sabah war die bevorstehende Abschiebung des
"PKK-Anhängers Mehmet K." angekündigt worden. BeZ 3.3.99; BeZ 4.3.99; FR 4.3.99; taz 4.3.99; jW 5.3.99; ND 8.3.99 3. März 99 Das Ehepaar Dogan und Sultan Irmak,
kurdische Flüchtlinge, die seit 10 Jahren in der BRD leben, werden in die
Türkei abgeschoben. Frau Irmak war im Januar in die Haftanstalt Vechta in
Abschiebehaft gekommen, Herr Irmak in die JVA Lingen. Aus
Protest gegen die geplante Abschiebung trat Herr Irmak fünf Wochen zuvor in
den Hungerstreik und muß – aufgrund seines körperlichen Verfalls – mit dem
Rollstuhl bewegt werden. Seit der Abschiebung verlieren sich ihre Spuren. Ihre
sechs Kinder blieben sich selbst überlassen. Am 1. April bitten sie bei der
Ausländerbehörde um Hilfe und bekommen zur Antwort, daß sie verschwinden
sollen und daß auch sie bald abgeschoben werden würden. FRat NieSa Heft 60/61 Mai/Juni 1999 3. März 99 An eine Wohnungstür eines mit
100 Flüchtlingen bewohnten Hauses in Göttingen wird Brandbeschleuniger
geschüttet und entzündet. Ein 32 Jahre alter Kosovo-Albaner erleidet eine
Rauchvergiftung und muß ins Krankenhaus gebracht werden. FR 4.3.99; IRR European Race Bulletin Nr. 31,
S. 18 (jW 4.3.99) 3. März 99 Der 28 Jahre alte kurdische
Asylbewerber Ali Salih Parlak wird um 20.45 Uhr vom Flughafen Frankfurt-Main
mit einer Maschine der Lufthansa in die Türkei abgeschoben. Direkt nach der
Ankunft in Istanbul wird Herr Parlak verhaftet. Herr
Parlak war am 16. Februar im Zusammenhang mit kurdischen Demonstrationen vor
und im griechischen Generalkonsulat in Leipzig zusammen mit 72
DemonstrantInnen verhaftet worden. Es gelang seinen Angehörigen und Freunden
nicht, seinen Verbleib herauszubekommen. Er galt als verschwunden, denn weder
seine Angehörigen noch die Rechtsanwälte wurden über die Verhaftung
informiert. Erst
vier Stunden vor seiner Abschiebung gelingt es ihm, sich telefonisch zu
melden, viel zu wenig Zeit, um rechtliche Gegenmaßnahmen erfolgreich
einzusetzen. Die Interventionsversuche von Freunden bei der Lufthansa und bei
dem Piloten des Fluges LH 3450 blieben erfolglos. Sofort
nach der Landung der Maschine wird er verhaftet und der Istanbuler
Flughafenpolizei überstellt. Am nächsten Tag wird er der Staatsanwaltschaft vorgeführt,
und es ist zu befürchten, daß ihm der Prozeß vor einem
Staatssicherheitsgericht gemacht wird. FR 5.3.99; jW 5.3.99; Kurdistan-Rundbrief Nr. 5, Jg. 12, 10.3.99 5. März 99 Bremen. Herr S. ist auf dem Wege
von seiner Flüchtlingsunterkunft zum Supermarkt in der östlichen Vorstadt,
als er von drei Polizeibeamten nach seinem Ausweis gefragt wird. Herr S.
fragt nach dem Grund der Kontrolle, und er bittet die Polizisten, ihn in Ruhe
zu lassen, weil er starke Schmerzen wegen einer zwei Tage zuvor
durchgeführten Operation am rechten Auge hat. Herr
S. wird daraufhin mit der rechten Körperhälfte gegen das Polizeifahrzeug
gestoßen und dann aufgefordert, in den Wagen einzusteigen. Ein
hinzusteigender Polizist rammt ihm seinen Ellenbogen in die Seite. Auf der
Polizeistation muß Herr S. sich komplett ausziehen und wird körperlich
durchsucht. Er weint vor Demütigung und Schmerzen. Als
er zu seiner Unterkunft zurückkommt, stellt er fest, daß er auf dem frisch
operierten Auge nicht mehr sehen kann. Aufgrund der Prellung am rechten Auge
ist es zu einer Einblutung in die vordere Augenkammer gekommen. Polizeiübergriffe 1999 7. März 99 Eisenhüttenstadt im Lande
Brandenburg. In der Nähe einer Bushaltestelle in der Poststraße wird der
35-jährige Kithaka Kamerou, Flüchtling aus Kenia, nachmittags gegen 16 Uhr
von mindestens fünf Rechtsradikalen angehalten, umringt und
zusammengeschlagen. Er muß seine Wunden ambulant behandeln lassen. Opferperspektive; MAZ 9.3.99; BeZ 9.3.99; taz 9.3.99; jW 9.3.99; FR 9.3.99; SZ 9.3.99; MAZ 10.3.99; Ethnische Säuberungen in Berlin und Brandenburg 1999, S. 33; ALB (dpa, adn) 8. März 99 Landkreis Märkisch-Oderland.
Fünf deutsche Männer umringen den 28-jährigen vietnamesischen Flüchtling
Thang N. vor einem Supermarkt in Rüdersdorf, verfolgen ihn bis in den Laden
und traktieren ihn dort mit Schlägen und Tritten. Er erleidet Prellungen und
Platzwunden am Kopf. Drei
Täter werden noch am Tatort festgenommen und kommen in Haft wegen gemeinschaftlicher
gefährlicher Körperverletzung und Bedrohung. Opferperspektive; TS 11.3.99; BeZ 11.3.99; Ethnische Säuberungen in Berlin und Brandenburg 1999, S. 25 10. März 99 Eine 25 Jahre alte Asylbewerberin
aus Uganda setzt ihren einjährigen Sohn in der Münchener S-Bahn nach
Gröbenzell aus. Sie ist in Eisenhüttenstadt gemeldet und lebt seit einigen
Wochen bei Bekannten in München. Sie gibt der Polizei an, daß sie das Kind in
einer Kurzschlußhandlung und aus Verzweiflung über ihre derzeitige Situation
ausgesetzt hat. BeZ 18.3.99 11. März 99 Die 24-jährige Somalierin Safiyo
Khalif Abdi wird aus Frankfurt mit einer Lufthansa-Maschine nach Äthiopien(!)
abgeschoben. Sie ist mittellos und ohne Medikamente. Sie befindet sich in
einem erbarmungswürdigen Gesundheitszustand. Sie ist schwer krank und wiegt
bei einer Körpergröße von 1,65 m nur noch 31 kg; sie leidet an
Lymphknoten-Tuberkulose und an einem Darmparasiten. Aufgrund ihres schlechten
Gesundheitszustandes hatte sich die Fluggesellschaft Ethiopian Airlines
zweimal geweigert, die Frau gegen ihren Willen mitzunehmen. Als
Frau Safiyo Abdi vor vier Wochen in Frankfurt am Main ankam, wurde sie direkt
aus dem Flughafentransit in die Universitätsklinik Frankfurt und anschließend
in das St. Katharinen Krankenhaus verlegt und behandelt. Die dortigen Ärzte
überweisen sie schließlich zurück an den Bundesgrenzschutz "in deren
weitere Betreuung". Der medizinische Dienst des BGS erklärt sie für "reisefähig",
und auch die im Eilverfahren angerufenen Richter sehen keine Bedenken, daß
Safiyo Abdi den Flug nicht überleben würde. Aus
der Ablehnung des Asylantrags nach Pro Asyl: "Im übrigen begründe auch
die dringende Behandlungsbedürftigkeit von Asylsuchenden im Flughafentransit
keine Verpflichtung der Bundesrepublik, die Einreise zu gewähren. Es sei
Aufgabe des jeweiligen Heimatstaates (Somalia!) dafür zu sorgen, daß auch
Mittellosen eine medizinische Versorgung zukommt." Vor
einem Jahr waren ihre Eltern, die der Ethnie Ashraf angehörten, von
Angehörigen der rivalisierenden Habar-Gidir-Gruppe im Norden Somalias
erschossen worden. Ihr selbst gelang die Flucht zu einer Tante. Im Januar
geschah erneut ein Überfall, bei dem ihre Tante getötet wurde. Frau Abdi
gelang daraufhin die Flucht nach Kenia. In dieser Zeit wurde sie
wahrscheinlich vergewaltigt. Über Nairobi floh sie schließlich in die BRD, wo
sie im Transitbereich des Flughafens Frankfurt am
13. Februar Asyl beantragte. Der Asylantrag wurde als "offensichtlich
unbegründet" abgelehnt. Sie hatte große Angst, bei ihrer Rückkehr
vergewaltigt und getötet zu werden. Nach
der Abschiebung nach Äthiopien verliert sich ihre Spur in Kenia. Es war
engagierten ÄrztInnen des IPPNW nicht gelungen, eine Weiterbehandlung
sicherzustellen. Pro Asyl 26.8.99; jW 30.8.99; FR
31.8.99; Gegenwehr Sommer 1999; Informationsdienst des Frankfurter Flüchtlingsbeirats in: Asyl-Nachrichten Nr. 98 August 1999; FRat NieSa Heft 68 März 2000 12. März 99 Der 17-jährige kurdische
Flüchtling Emin Acar wird nach abgelehntem Asylantrag in polizeilicher
Begleitung von Stuttgart nach Istanbul abgeschoben und der dortigen Polizei
übergeben. Bei
der politischen Polizei wird er vier Tage lang schwersten Folterungen
unterzogen, bis er ohne Bewußtsein in das Gefängnis Ümraniye gebracht wird.
Die Gefangenen dort verfassen eine gemeinsame Erklärung und fordern die
"kritische Öffentlichkeit auf, ihre Stimme zu erheben, um zu verhindern,
daß sich der Fall Emin Acar wiederholt". Sie
schreiben: "Durch die Folter, die unser Freund erlitten hat, hat er
keine Kontrolle über seine Hände. Er hat Schwierigkeiten beim Atmen, seine
Genitalien sind angeschwollen und sein Körper ist durch die Stockschläge
voller Blutergüsse. Er leidet unter Schlaflosigkeit und führt
Selbstgespräche". Emin
Acar wurde folgender Folter unterzogen: "Palästinenserhaken"
(Aufhängen an den Armen), Elektroschocks, Bastonade (Schläge auf die
Fußsohlen), Einsperren in einem dunklen Raum, stetes Abspielen von
faschistischen Märschen, Scheinerschießungen, Abspritzen mit kaltem
Hochdruck-Wasserstrahl. Emin
Acar unterschreibt ein "Geständnis", das die Grundlage zur
Anklageerhebung wegen Unterstützung der PKK bildet (Beteiligung an
Protestdemonstrationen in Mannheim gegen die Festnahme von A. Öcalan). Am
27.5.99 spricht das Staatssicherheitsgericht Istanbul Emin Acar aus Mangel an
Beweisen zunächst frei. Am 20.8.99 wird er jedoch erneut festgenommen und vor
dem Staatssicherheitsgericht Diyarbakir wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen
Vereinigung angeklagt. Emin Acar wird zu 12 Jahren Haft verurteilt und bleibt
im Gefängnis in Diyarbakir. In
einem Brief vom 7.4.99 beschreibt Emin A. seine Mißhandlungen durch
BGS-Beamte während der Abschiebung: "... zuerst schlugen sie mir mit der
Faust auf die Nase. Nachdem ich hingefallen war, traten sie mich gegen Rücken
und Beine." IMK Wocheninfodienst Nr. 10 im Protokoll; Özgür Politika 19.3.99; FRat Berlin 24.3.99; AZADI, 25.3.99; FRat Berlin 30.3.99 FRat Berlin 14.4.99; Dokumentation vom FRat NieSa und Pro
Asyl, Juni 1999; Dokumentation vom FRat NieSa und Pro Asyl, Mai 2000; Dokumentation vom FRat NieSa, Juli 2002 13. März 99 Sicherheitstrakt des BGS im
Flughafen Schönefeld in Berlin. Die 19 Jahre alte Alice B. aus dem Sudan soll
nach Nigeria abgeschoben werden. Während sie sich bei einem vorhergehenden
Abschiebeversuch in panischer Angst vehement gegen die Abschiebung zu wehren
versuchte und von den BGS-Beamten schwer mißhandelt wurde, befindet sie sich
jetzt in einem apathischen Zustand. Einer Sozialarbeiterin des
Flug-hafensozialdienstes gelingt es nur schwer, Alice B. überhaupt zu wecken.
Es liegt der Verdacht nahe, daß Frau B. gegen ihren Willen Beruhigungsmittel
verabreicht worden sind. Ohne Zwangsmaßnahmen und ohne Fesseln gelingt an
diesem Tag die Abschiebung. Seitdem
gibt es keine Nachricht mehr von Alice B., die sich nach ihrer Ankunft in
Nigeria telefonisch bei ihrer Anwältin in Berlin melden wollte. Freitag 10.12.99; Imke Juretzka – Rechtsanwältin 16. März 99 Menduh Bingöl, kurdischer
Flüchtling und abgelehnter Asylbewerber, wird nach 18-tägiger Abschiebehaft
in Büren in die Türkei abgeschoben. Nach einem Verhör durch die
Flughafenpolizei Istanbul kommt er am nächsten Tag zunächst frei, wird
allerdings zwei Tage später in Edirne erneut festgenommen. Auf der
Polizeiwache wird er unter schwersten Schlägen, Stromfolter und permanenter
Tötungsandrohung gezwungen, ein "Geständnis" zu unterschreiben.
Daraufhin kommt er ins Gefängnis von Edirne, von wo aus er zwei Wochen später
ins Gefängnis Ümraniye nach Istanbul überstellt wird. Am 19.4.99 erhebt die
Staatsanwaltschaft Anklage gegen Menduh Bingöl wegen Mitgliedschaft in der
PKK und politischer Aktivitäten in Deutschland. Herr Bingöl war vor seiner
Flucht in die BRD als vermeintlicher PKK-Unterstützer fünf- bis sechsmal in
der Türkei festgenommen und gefoltert worden. Sein Asylantrag wurde vom
Bundesamt mit der Begründung abgelehnt, daß "unsubstantiierte und vage"
Sachverhalte darauf hindeuten würden, daß zumindest Teile der
Verfolgungsgeschichte "frei erfunden" seien. Nach Angaben seiner
Rechtsanwältin gelang es Herrn Bingöl, wieder in die BRD zu fliehen. Ein
weiterer Asylantrag wird auch diesmal abgelehnt. Dokumentation vom FRat NieSa und Pro
Asyl, Juni 1999; Dokumentation vom FRat NieSa und Pro
Asyl, Mai 2000 17. März 99 Ein 23 Jahre alter tamilischer
Flüchtling wird von der Kreisverwaltung Kusel vorgeladen und im Amt verhaftet.
Ohne gültige Personalpapiere wird der Flüchtling dann über Frankfurt nach Sri
Lanka abgeschoben. Direkt auf dem Flughafen in Colombo kommt der Mann für
eine Woche in Polizeigewahrsam. Nachdem er aus Deutschland Geld erhält, kann
er seine Entlassung durch Bestechung erreichen. Seither lebt er
"vogelfrei" und versteckt in Colombo. Rheinpfalz Online 13.10.99 17. März 99 12 Flüchtlinge aus Guinea, zwei
aus Sierra Leone und eine Person aus Nigeria sollen mit einer Maschine der
Charter-Gesellschaft "Germania" von Düsseldorf nach Guinea
abgeschoben werden. Sie werden von 41 BGS-Beamten (!) und fünf Bezirksbeamten
begleitet. Issiaga
Camara wird schon am Flughafen von BGS-Beamten "an mehreren
Körperstellen blutig geschlagen". An Händen und Füßen gefesselt wird er
später zur Maschine geschleppt, ein Motorradhelm wird ihm übergestülpt, er
wird in die Maschine getragen, sein Kopf wird ca. 20 Minuten zwischen seine
Knie gedrückt, so daß Herr Camara Atemnot bekommt. Sechs
weitere Flüchtlinge werden ebenfalls am Flughafen Düsseldorf "mit
Polizei-Stöcken auf Kopf, Rücken und Beine geschlagen". Einige bekommen
"Schläge ins Gesicht, sowie Boxhiebe von vorne und seitlich". Viele
sind während des 16-stündigen Fluges dann gefesselt, "die meisten noch
mit dem Sitzgurt durch die Gürtelschleifen ihrer Hosen", berichtet
Ousmane Sow. Alle Gefangenen müssen zur Toilette getragen werden, wo sie die
Hosenverschlüsse von BGS-Beamten geöffnet bekommen. Einem Gefangenen ist
während des gesamten Fluges die Möglichkeit der Toilette ganz verweigert
worden. Andere Gefangene, die sich nicht von ihren Peinigern füttern lassen
wollen, müssen hungern. Die
BGS-Beamten beschimpfen und demütigen die Gefangenen fortwährend:
"Nigger, haut ab, was habt ihr in unserem Land zu suchen",
"Niggerschweine", "von Euch ist Deutschland jetzt
gesäubert" und als das Flugzeug über Conakry kreist: "Wie schade,
daß wir nicht eine Klappe öffnen können, um sie schon hier abwerfen zu
können." Diese
Geschehnisse werden nur dadurch bekannt, daß die Gefangenen letztendlich
wieder zurück nach Deutschland geflogen werden, weil die guineischen Behörden
die Einreise aller Gefangenen aufgrund fehlender Ausweispapiere auf dem
Flughafen Gbessia von Conakry verweigerten. Die Staatsanwaltschaft Düsseldorf
nimmt die Ermittlungen auf. Das
Leiden der Flüchtlinge ist damit nicht zu Ende. Die endgültige Abschiebung
erfolgt am 30. Juni 99. Für einige ist es die Abschiebung in den Tod. Hilfe für Menschen in Abschiebehaft Büren; IGFM; FR 25.6.99 17. März 99 Bernau in Brandenburg. Der
15-jährige Flüchtling aus Afghanistan wird am Busbahnhof von zwei Nazis
beschimpft und beleidigt, getreten und geschlagen. Als er in den wartenden
Bus flieht, versuchen die Angreifer, ihn aus dem Fahrzeug zu zerren. Sie
zerren ihn an den Haaren, schlagen ihm mit Fäusten ins Gesicht und treten auf
ihn ein. Der Junge muß seine Verletzungen behandeln lassen. Die
vielfach vorbestraften Täter werden wegen gemeinschaftlich begangener
Körperverletzung zu drei Jahren bzw. zwei Jahren und zwei Monaten
Jugendstrafe verurteilt. Opferperspektive; RA 20.3.99; MAZ 20.3.99; MAZ 4.8.99; RA 4.8.99; ALB (ap, dpa,
rtr, BM); Bürgerrechte & Polizei/CILIP 64/1999 21. März 99 Im sächsischen Erlabrunn, nahe der
deutsch-tschechischen Grenze, werden zwei Flüchtlinge bei ihrer Festnahme
durch Grenzschutzbeamte von einem Zollhund gebissen und verletzt. Sie haben
keine Identitätspapiere bei sich. BT-Drucksache
14/1850 22. März 99 Zwei Inder werden in Greifswald in
Mecklenburg-Vorpommern am hellichten Tag in einem Park von drei 15-jährigen
Mädchen und einem 15-jährigen Jungen rassistisch beschimpft, dann geschlagen
und getreten. Während einem von ihnen die Flucht vor den SchlägerInnen
gelingt, wird sein Begleiter, ein 25-jähriger Asylbewerber, weiter attackiert
und am Auge verletzt. Am
folgenden Tag läuft die Duldung des Flüchtlings ab, und er kommt in
Abschiebehaft. BeZ 24.3.99; SZ 24.3.99; jW 24.3.99; FR 24.3.99; jW 25.3.99; ZDF "Kennzeichen D" 31.3.99 23. März 99 Veluppilai Balachandran, ein
tamilischer Flüchtling, erhängt sich in der Abschiebehaft Moers. Er hatte
große Angst vor Folter und Ermordung durch das Militär in Sri Lanka und hatte
deshalb den Behörden und Gerichten mehrmals seine Selbsttötung bei drohender
Abschiebung angekündigt. In der Abschiebehaft in Moers in Nordrhein-Westfalen
trat er in den Hungerstreik, um auf seine verzweifelte Situation aufmerksam
zu machen – dieser endete mit der Selbsttötung. Veluppilai Balachandran wurde
39 Jahre alt. Die
Deutsche Botschaft in Colombo (Sri Lanka) verweigert seiner Frau und seiner
7-jährigen Tochter ein Visum in die BRD, wodurch die beiden nicht an der
Beerdigung teilnehmen können. IMRV Bremen 7.4.99; FRat NieSa Heft 63 Mai 1999 23. März 99 Bei einem Schlagstockeinsatz der
Justizbeamten in der JVA Volkstedt wird ein Gefangener verletzt. taz 25.3.99 23. März 99 Der abgelehnte
kurdische Asylbewerber Oguz Ciftci (Mehmet C.) wird für ihn und seine Familienangehörigen
völlig überraschend festgenommen und von Berlin-Tegel nach Istanbul
abgeschoben. Ein BGS-Beamter übergibt dem Piloten der Maschine einen
Briefumschlag, in dem sich belastendes Material über Herrn Ciftci befindet.
Herr Ciftci bittet verzweifelt eine Stewardeß, den Umschlag zu vernichten.
Diesen Vorgang berichtet daraufhin die Stewardeß der Flughafenpolizei in
Istanbul, die Oguz Ciftci festnimmt und dann der Anti-Terror-Abteilung
übergibt. Unter Folter erklärt Herr Ciftci sich bereit, als Spitzel für den
türkischen Staat zu arbeiten. Er wird freigelassen, taucht unter und begibt
sich in Behandlung in die Menschenrechtsstiftung. Zehn Tage nach seiner
Abschiebung sind neben den Folterspuren durch türkische Beamte auch noch die
Einschnitte der Handschellen erkennbar, die ihm die deutsche Polizei angelegt
hatte. Am 24. Juli 99 gelingt Oguz
Ciftci erneut die Flucht in die BRD, wo sein Asylfolgeantrag am 10. Dezember
1999 nach § 51 des
Ausländergesetzes anerkannt wird. Am 20. November wird Herr
Ciftci vom Amtsgericht Annaberg im Erzgebirge wegen "illegaler"
Einreise in die BRD zu einer Geldstrafe von 3000 DM verurteilt: "Der
Angeklagte ist schuldig der unerlaubten Einreise nach Abschiebung in
Tateinheit mit unerlaubtem Aufenthalt nach Abschiebung." Dokumentation vom FRat NieSa und Pro
Asyl, Juni 1999; Dokumentation vom FRat NieSa und Pro
Asyl, Mai 2000; Pro Asyl 2.2.01; jW 9.2.01 25. März 99 Der kurdische Flüchtling Hüseyin
Öztürk wird nach abgelehnten Asyl- und Asylfolgeanträgen aus bayerischer
Abschiebehaft heraus in die Türkei abgeschoben. Auf dem Flughafen Istanbul
wird er sofort der Flughafenpolizei übergeben, kommt dann zur
Anti-Terror-Abteilung und wird dort zwei Tage lang schwer gefoltert. Nur
dadurch, daß ein anderer Abgeschobener aus der BRD und selbst Gefolterter,
der Kurde Mehmet C., Augenzeuge der Folter an Hüseyin Öztürk wird, wird
überhaupt bekannt und kann recherchiert werden, was nach der Abschiebung
passierte. Hüseyin Öztürk bleibt in der
Haftanstalt Ümraniye in Istanbul. Am 28.4.99 erhebt die Staatsanwaltschaft
vor dem Staatssicherheitsgericht Malatya Anklage gemäß § 125 Türkisches
Strafgesetzbuch. Die Fakten, mit denen Herr Öztürk seine Asylanträge in der
BRD begründet hatte (Zwangsrekrutierung durch die PKK als 16-Jähriger,
Selbstverstümmelung und Flucht vor der PKK, Haftbefehl durch türkische
Justiz), die die deutschen Behörden und Gerichte mit den Worten
"ausweichend und wirr" abgelehnt hatten, sind jetzt Gegenstand der Anklage
(Separatismus und Hochverrat). Die Gerichtsverhandlung wird auf den 15.
September festgelegt. Am 29. Februar 2000 wird Herr Öztürk freigesprochen,
nachdem er sich bereit erklärt hat, den Militärdienst abzuleisten und das
Reuegesetz in Anspruch zu nehmen. Nach seiner Freilassung
wird er noch mindestens zweimal festgenommen und jedesmal geschlagen und
bedroht. Er hält sich in Istanbul versteckt. Dokumentation vom FRat NieSa und Pro
Asyl, Juni 1999; BeZ 23.6.99; Dokumentation vom FRat NieSa und Pro
Asyl, Mai 2000; Dokumentation vom FRat NieSa, Juli 2002 27. März 99 Schwedt in Brandenburg. Der
29-jährige palästinensische Flüchtling aus dem Libanon, Jasser Nejim, wird
von einem deutschen Rassisten aus "reinem Ausländerhaß" mit einem 25 cm langen Messer niedergestochen.
Die Wucht ist so groß, daß die Klinge an der rechten Schulter abbricht und
steckenbleibt. Jasser Nejim bricht bewußtlos zusammen und wird – in
Lebensgefahr schwebend – ins Krankenhaus eingeliefert und dort notoperiert. Der
19-jährige Täter hatte Herrn Nejim und seinen Begleiter vom Balkon seiner
Wohnung aus vorbeigehen gesehen, war mit den Worten "Die Türken stech'
ich jetzt ab" in die Küche gerannt, um sich dort ein Messer zu suchen,
war dann auf die Straße gelaufen und hatte wortlos von hinten auf Herrn Nejim
eingestochen. Bei seiner Festnahme gibt er an, daß er auch den Begleiter noch
niedergestochen hätte, wenn nicht das Messer abgebrochen wäre oder wenn er
eine zweite Waffe gehabt hätte. Im
September wird der Täter wegen versuchten Mordes vom Landgericht Frankfurt
(Oder) zu sechs Jahren und sechs Monaten Freiheitsentzug verurteilt. BeZ 29.3.99; FR 29.3.99; taz 29.3.99; MAZ 29.3.99; RA 29.3.99; BeZ 30.3.99; FR 30.3.99; ND 30.3.99; taz 30.3.99; MAZ 30.3.99; ND 31.3.99;
MAZ 20.4.99; Berl. Kurier 4.9.99; BeZ 22.9.99; BeZ 23.9.99; MAZ 23.9.99; RA 23.9.99 28. März 99 Im sächsischen Lodenau, direkt
an der deutsch-polnischen Grenze, wird ein afghanischer Flüchtling verletzt,
als das Auto, in dem er sich befindet, bei der Verfolgung durch den BGS verunglückt. BT-Drucksache
14/1850 30. März 99 Die Kurdin Ilhan O.
wird – zusammen mit ihren drei Kindern – nach abgelehntem Asylantrag in die
Türkei abgeschoben. Auf dem Flughafen Istanbul werden alle 30 Stunden lang
festgehalten. Sowohl Frau O. und auch die Kinder werden bedroht und
mißhandelt, weil ihnen vorgeworfen wird, ein Poster von A. Öcalan in einer
Schultasche transportiert zu haben, von dem die Familie allerdings nichts
weiß. Frau O. und die Kinder
kommen frei und halten sich aus Angst vor weiterer Verfolgung und Mißhandlung
versteckt. Bei den 10- und 12-Jährigen wird eine "akute
Belastungsstörung", bei dem 22 Monate alten Kind eine
"generalisierte Angststörung" festgestellt. Im Mai 2000 befindet sich
Frau O. wieder in Deutschland, weil sie mit ihrem bleibeberechtigten Mann
leben will. Sie hat einen Asylfolgeantrag gestellt. FRat NieSa Heft 60/61 Mai/Juni 1999; Dokumentation vom FRat NieSa und Pro
Asyl, Juni 1999; Dokumentation vom FRat NieSa und Pro
Asyl, Mai 2000 30. März 99 Zittau in Sachsen. Bei dem
Versuch, einer Kontrolle zu entgehen, durchbricht der tschechische
Fluchthelfer mit dem Skoda eine BGS-Kontrollstelle. Bei der Verfolgungsjagd
kommt es bei hoher Geschwindigkeit zu einem Zusammenstoß mit einem Fahrzeug
des BGS. Die vier asiatischen Flüchtlinge aus dem Skoda kommen verletzt ins
Krankenhaus. BeZ 31.3.99; ND 31.3.99 März 99 Berlin. Nachdem einem bosnischen
Kriegsflüchtling und seiner Familie die Abschiebung nach Kroatien angedroht worden
war, versucht er, sich das Leben zu nehmen. Der
Mann hatte im Krieg in kürzester Zeit zehn Familienangehörige verloren und
war unter anderem zur Beseitigung von Leichen eingesetzt worden. Diese
traumatischen Erlebnisse konnte er offenbar solange unter Kontrolle halten,
solange er in Deutschland als Bauarbeiter arbeiten durfte. Als ihm im Januar
99 die Arbeitserlaubnis entzogen worden war, hatte er das erste Mal versucht
sich umzubringen. Nach
seinem zweiten Suizidversuch beginnt er eine Therapie in der
psychotherapeutischen Beratungsstelle für politisch Verfolgte XENION. Seine
schwere Traumatisierung, Depression und Suizidalität wurden von FachärztInnen
dreier verschiedener Institutionen bestätigt. Trotzdem
ordnet die Ausländerbehörde zum 3. Dezember eine Festnahme im Rahmen einer
Abschiebung zur Zwangsvorführung beim Polizeiärztlichen Dienst an. Diese
Festnahme fand nur deshalb nicht statt, weil der Bosnier versucht hatte, sich
vorher ein drittes Mal umzubringen. Er kommt in stationäre Behandlung. Fluchtpunkt. Nr. 1, Februar 2000 5. April 99 Im bayerischen Scheuereck im
Landkreis Regen werden fünf irakische Flüchtlinge verletzt aufgegriffen. Bei
ihrem Grenzübertritt in die BRD haben sie sich Erfrierungen an den
Unterschenkeln zugezogen. BT-Drucksache
14/1850 7. April 99 Ibrahim Kourouma, politisch
Verfolgter aus Guinea und abgelehnter Asylbewerber und Gefangener im
Abschiebegewahrsam Berlin-Köpenick, protestiert mit einem Hungerstreik und in
den letzten Tagen auch mit einem Durststreik gegen seine drohende
Abschiebung. Am 16. Tag des Streikes betreten 6 oder 7 Beamte seine Zelle und
fordern ihn auf, seine Sachen zu packen. Als
der Gefangene sich weigert, ein Polizeifahrzeug zu betreten, wird er von
Beamten geschlagen. Ein anderer Beamter faßt ihn am Nacken und schlägt seinen
Kopf gegen den Wagen. In Handschellen gefesselt wird er zum Flughafen
Schönefeld gefahren, wo ihm mitgeteilt wird, daß er abgeschoben werden soll.
Die Beamten entfesseln ihn, und als er ins Flugzeug einsteigen soll, zieht er
sein T-Shirt aus und versucht, laut um Hilfe rufend, zu fliehen. Die
Uniformierten überwältigen ihn und fesseln ihn erneut. Im Polizeifahrzeug
wird er unter fortwährenden Beschimpfungen erneut geschlagen und getreten,
und ihm wird gezielt ins Gesicht geboxt. Er wird auf einen Sitz mit dem
Oberkörper nach unten gezwungen, und ein Beamter kniet sich mit beiden Beinen
auf seinen Rücken. Im Flughafengebäude wird er in gefesseltem Zustand an den
Schultern seines entblößten Oberkörpers gefaßt und über den Boden in einen
Raum geschleift. Hier wird er auf dem Rücken liegend mit Händen und Füßen mit
Stahlfesseln auf einen ein Meter breiten Tisch fixiert. Ein Beamter bedeckt
sein Gesicht mit einem vom Regen nassen T-Shirt, so daß er Luftnot bekommt.
Durch heftige Kopfbewegungen gelingt es ihm, das Hemd aus dem Gesicht zu
entfernen. Erst nach drei Stunden wird diese Maßnahme gegen ihn beendet. Er
kommt zurück in die Abschiebehaft, wird dann zwei Tage später wegen
Haftunfähigkeit entlassen. Antirassistische Initiative Berlin; BeZ 10.4.99; FR 15.4.99; TS 15.4.99; ai Report 2000 8. April 99 Der Flüchtling Kemal D. wird in
die Türkei abgeschoben. Bei seiner Einreise wird er festgenommen und erlebt schwere
Mißhandlungen und Folter durch Staatsangestellte. Am 16. April bittet er beim
deutschen Generalkonsulat um Wiedereinreise in die BRD, die ihm gewährt wird. Antirassistische Initiative Berlin 9. April 99 Es ist der dritte
Versuch, die kurdische Familie K. abzuschieben. Der Vater übergießt sich mit
Benzin und droht den Beamten, sich selbst zu verbrennen. Auch der 16-jährige
Ali Murat wehrt sich heftig gegen die Abschiebemaßname. Die Polizeibeamten
brechen die Abschiebung ab. (siehe auch: 15.
März 00) FRat NieSa 10. April 99 Bundesstraße 14, am Ortsrand des
bayerischen Waidhaus, nahe der deutsch-tschechischen Grenze. Ein Flüchtling
aus Moldawien erleidet bei seiner Festnahme durch den BGS eine Platzwunde am
Kopf. BT-Drucksache
14/1850 11. April 99 Der 32 Jahre alte staatenlose
Flüchtling Saan Stan A. wird auf dem Bahnhofsvorplatz des brandenburgischen
Hennigsdorf rassistisch beschimpft und tätlich angegriffen. Dank des
Eingreifens von Angestellten und Gästen eines türkischen Imbisses wird der
Angegriffene nur leicht verletzt. Auch ein Helfer kommt zu Schaden. Zehn
Tage später wird gegen die zwei 27 und 28 Jahre alten Täter der Haftbefehl
vollstreckt. Opferperspektive; BeZ 22.4.99 12. April 99 Nördlich von Görlitz an der
deutsch-polnischen Grenze wird eine ertrunkene Person aus der Neiße geborgen.
Sie kann nicht identifiziert werden. BT-Drucksache
14/1850 16. April 99 Der Leichnam von Kubat Hamasediq
Abdullah wird unter einer Brücke entdeckt und geborgen. Kubat H. A. wurde 45 Jahre alt. Im
Nord-Irak wurde Kubat H. A. verfolgt und gefoltert – zwei seiner Brüder waren
in irakischen Gefängnissen hingerichtet worden. Nachdem
seine Frau zusammen mit zwei Söhnen schon vor drei Jahren in die BRD geflohen
war, gelang Kubat Hamasediq Abdullah erst viel später die Flucht. Auf seinem
Weg durch die Türkei wurde er erneut gefoltert und mußte dann seine beiden Töchter
zurücklassen. Er erreichte – schwer traumatisiert – die BRD im April 1998. Sein
Asylantrag wurde – im Gegensatz zu denen seiner Frau und seiner Söhne –
abgelehnt. Die
Familie wohnt in Dessau und erlebt Terror durch die Nachbarschaft. Die
Wohnungstür wird beschmiert, die Fahrräder werden zerstört, Drohungen werden
ausgestoßen. Am
Nachmittag des 1. März 99 verläßt Kubat H. A. die Wohnung, wird nachmittags
noch von einem Bekannten gesehen – dann verliert sich seine Spur. Als
seine Frau am nächsten Morgen zur Polizei geht, wird ihr mitgeteilt, daß sie
bei einer möglichen Suchaktion die Kosten selber tragen müsse. Zudem wird die
Suche abgelehnt mit der Begründung, daß ihr Mann wahrscheinlich "wie
viele abgelehnte Asylbewerber untergetaucht oder in ein anderes Land
weitergereist sei". Drei
Tage nach seinem Verschwinden erhält die Familie einen Drohbrief mit
folgendem Wortlaut: "He, Ihr Kanaken, macht daß Ihr hier raus kommt,
denn Ihr werdet Eures Lebens nicht mehr sicher sein, schert euch dahin, wo
Ihr her kommt. Ansonsten setz ich Euch eine Bombe in die Bude. Also paßt auf." Dessen
ungeachtet schließt die Polizei den Fall ab und entscheidet, daß Kubat
Hamasediq Abdullah sich selbst getötet hat. Antirassistische Initiative Berlin 18. April 99 Im bayerischen Schirnding an der
deutsch-tschechischen Grenze erleidet ein bulgarischer Flüchtling durch einen
Diensthund des BGS eine Bißverletzung am Gesäß. BT-Drucksache
14/1850 20. April 99 Brandanschlag auf das
Flüchtlingsheim "Freiberger Hof" in Freiberg in Sachsen. Um 0.30
Uhr wird das Feuer entdeckt, das von den BewohnerInnen und der Feuerwehr
schnell gelöscht werden kann. Drei iranische Flüchtlinge und die Heimleiterin
werden mit Rauchvergiftungen ins Krankenhaus gebracht. Die übrigen 69
HeimbewohnerInnen, meist Flüchtlinge aus Jugoslawien und Albanien, kommen mit
dem Schrecken davon. Obwohl
vor einem Jahr schon einmal ein Anschlag – unter anderem von Rechtsradikalen
– verübt worden ist, obwohl schon Unterschriften in der Nachbarschaft gegen
die Flüchtlinge gesammelt wurden, obwohl der NPD-Kreisverband 70 Mitglieder
zählt und trotz des Datums des Brandes (Hitlers Geburtstag) ermittelt die
Polizei auch gegen die HeimbewohnerInnen. orb "Abendjournal" 20.4.99; taz 21.4.99; FR 21.4.99; jW 22.4.99 20. April 99 Eine Chartermaschine
mit 35 Flüchtlingen, ca. 60 BGS-Beamten in Zivil und einem deutschen Arzt
startet um 20 Uhr am Flughafen Düsseldorf in Richtung Angola. Die Gruppe der
Gefangenen besteht aus 32 angolanischen Flüchtlingen, darunter zwei oder drei
Frauen und ein 12-jähriges Kind. Zusätzlich werden zwei Nigerianer und ein
Zairer abgeschoben. Die Flüchtlinge waren Tage
vorher aus mehreren Bundesländern und aus den verschiedenen
Abschiebegefängnissen geholt und in einer BGS-Kaserne auf dem
Flughafen-Gelände gesammelt worden. Der Weg vom Transportwagen ins Flugzeug
ist eng gesichert von einem Großaufgebot von BGS-Beamten und deren Hunden.
Die Flüchtlinge leisten Widerstand oder schreien laut. Sie haben Todesangst.
Einige bekommen daraufhin – zusätzlich zu Plastikband-Handfesseln – die Beine
mit Klebeband verbunden, so daß sie nur hüpfen können. Einigen wird Klebeband
über den Mund geklebt; anderen werden Helme angelegt. Die Gefangenen werden
von den Beamten zum Teil mit Gummiknüppeln geschlagen, gestoßen, zu Boden
gedrückt und getreten. Viele erleiden Verletzungen. Sie weigern sich jedoch,
sich von dem mitreisenden Arzt behandeln zu lassen, weil sie auch ihn als
Täter sehen. Auch während des Fluges schreien die Menschen weiter. Eine Frau
ist psychisch zusammengebrochen und weint stundenlang. Den Flüchtlingen – es sind
poltisch aktive Oppositionelle oder Verfolgte der angolanischen Regierung –
werden Flaggensymbole der Regierungspartei MPLA (Movimento Popular para
Libertação de Angola) auf die Brust geklebt. Als sie nachfragen, wird ihnen
gesagt, daß es nur zu ihrer "Sicherheit" sei. Während des gesamten
Fluges mit Zwischenstop in Malta bleiben die Menschen gefesselt. Erst kurz
vor der Landung in Luanda, morgens um 6.45 Uhr, werden den Flüchtlingen die
Fesselungen durchgeschnitten. Die Nigerianer und der
Zairer dürfen in Luanda nicht aussteigen, sie bleiben im Flugzeug, das 30
Minuten später wieder startet. Die angolanischen Flüchtlinge werden von den
BGS-Beamten in einen großen Raum im Flughafengebäude geführt. Der deutsche
Botschafter mit vier Botschaftsangestellten und Angehörige der DEFA (Direçcão
da Emigraçao e Fronteiras de Angola), einer Abteilung der angolanischen
Staatssicherheit für Emigration und Grenzkontrolle, bilden das
"Empfangskomitee". Die Deutschen überreichen ein Geschenk an die
DEFA-Angehörigen und tauschen Freundlichkeiten aus. Ein junger Abgeschobener,
der als Minderjähriger nach Deutschland geflohen war, fragt den Botschafter
auf deutsch, ob er für die Sicherheit der Gefangenen garantieren könne. Er
wird unwirsch von DEFA-Angehörigen zurechtgewiesen. Die Flüchtlinge werden in
einen anderen Raum gebracht und sehen sich jetzt Angehörigen der DNIC
(Direçcão Nacional para Investigacão Criminal), der politischen Polizei,
gegenüber. Sie werden alle registriert, einzeln fotografiert und schließlich
gezwungen, ein DNIC-Formular zu unterschreiben, ohne es lesen zu können. Die
DNIC-Angehörigen sind in Besitz von Partei-Mitgliedskarten, die einige
Flüchtlinge bei ihrem Asylantrag in Deutschland als Beweis für ihre oppositionelle
Tätigkeit abgegeben hatten. Anhand dieser Karten werden politisch auffällige
Gefangene aussortiert. Es wird beobachtet, daß
mindestens folgende Personen von der großen Gruppe getrennt werden: Frau A., eine Aktivistin
des militärischen Armes der FLEC-FAC (Frente para Libertação do Exclave de
Cabinda), die sich für die Unabhängigkeit der angolanischen Exklave Cabinda
engagiert; Herr B., ein
Mitglied der MAKO (Movimento para Auto-Determinação de Bakongo), der sich für
das Selbstbestimmungsrecht des Bakongo-Volkes einsetzt; Dinga C., Mitglied
der UNITA (União Nacional para Independencia Total de Angola), dem
Hauptkriegsgegner der Regierungspartei. Noch auf dem
Flughafengelände wird der 33 Jahre alte Dinga C. zehn Stunden lang von
unterschiedlichen Beamten-Gruppen unter Bedrohungen und Einschüchterungen
verhört. Er soll politische Freunde und Bekannte aus Deutschland nennen. Um
ca. 17.30 erfolgt sein Transport in einem verdunkelten Wagen in das
Staatssicherheitsgefängnis von Luanda in der Nähe der Zitadelle. Auch in der
folgenden Zeit wird Dinga C. mehrmals verhört und mit dem Tode bedroht. Nach
vier Wochen erfolgt seine Verlegung in das berüchtigte "Comarca de
Luanda", einem DNIC-Gefängnis in der Nähe des Großmarktes "Roque
Santeiro". Hier beginnt für ihn eine unbeschreibliche Tortur. Er wird
jetzt fast täglich zu Verhören abgeholt, bei denen geprügelt und systematisch
mißhandelt wird. Er wird täglich mit dem Tode bedroht. Zu diesem Zeitpunkt glauben
seine Familie in Angola und seine Freunde in Deutschland, daß er nicht mehr
lebt, weil inzwischen mehrere Wochen seit der Abschiebung vergangen sind und
die angolanischen Behörden der Familie gegenüber bestreiten, daß er überhaupt
in Angola angekommen ist. Trotzdem suchen sie weiter und erfahren über eine
Putzfrau des Gefängnisses, daß er noch am Leben ist. Mit sehr viel Geld
gelingt es der Familie nun, acht Wochen nach der Abschiebung, ihn
freizukaufen. Als nach eineinhalb Wochen
vier DENIC-Beamte ihn Zuhause aufsuchen und ihn wieder verhören, taucht er ab
und hält sich ein Jahr lang in Angola versteckt. Als er erfährt, daß er per
Haftbefehl gesucht wird und immer häufiger Staatsangestellte seine
Angehörigen belästigen, flieht er im Oktober 2000 außer Landes. Noch im Januar 2001 hat
Dinga C. deutliche Narben von den Plastik-Fesseln an seinen Handgelenken und
eine Narbe an der rechten Schläfe von einer Platzwunde, die entstand, als
BGS-Beamte ihn mit Wucht auf den Asphalt des Düsseldorfer Flugfeldes stießen. Obwohl die Gefangenen
während der Abschiebung ihre Namen und Adressen ausgetauscht haben, hat Dinga
C. während der nächsten eineinhalb Jahre nur zwei von ihnen wiedergesehen.
Einer von ihnen, Matima D., ist infolge der erlittenen Traumatisierungen
während der Abschiebung aus Deutschland heute psychisch schwer krank. Der
andere Flüchtling erzählte ihm, daß am Tag nach der Abschiebung alle
Abgeschobenen in einen Bus einsteigen mußten und ihnen gesagt wurde, daß sie
in ein sogenanntes Lager zur sozialen Integration gefahren würden. Die
Existenz derartiger Lager ist allerdings niemandem in Angola bekannt. Die FLEC-FAC-Angehörigen,
Makiese E. und Frau A., sind "verschwunden". Mindestens noch
folgende Personen gelten ebenfalls als "verschwunden": Teka F.,
Paulo G. und Arlindo H. Antirassistische Initiative Berlin; I.A.A.D.H. 21. April 99 Ein kurdisches
Ehepaar, dessen fünf Kinder sowie drei weitere Familienangehörige, die alle
im baden-württembergischen Magstadt leben, sollen abgeschoben werden. Als die
Polizei das Zimmer betritt, springt der 29 Jahre alte Familienvater aus dem
Fenster und bricht sich bei dem Fall aus dem ersten Stock beide Fersenbeine.
Seine Frau erleidet einen Nervenzusammenbruch und muß ebenfalls ärztlich
versorgt werden. Die Abschiebung wird vorerst ausgesetzt. Die Polizei-Aktion geschah
für die Familie völlig überraschend, weil sie vor kurzem eine
Aufenthaltsgestattung bekam, die bis zum 23. August datiert ist. Zudem ist
eine Klage auf Aufenthaltsgenehmigung vor dem Verwaltungsgericht noch nicht entschieden,
die für den staatenlosen Familienvater mit über zehnjährigem Aufenthalt in
der BRD gute Aussicht auf Erfolg hat. StN 22.4.99; Gäubote 22.4.99 22. April 99 Ein 25 Jahre alter Flüchtling aus
Indien wird am Busbahnhof der brandenburgischen Stadt Spremberg von einem
Deutschen angepöbelt und mit dem Messer angegriffen. Da der Inder sich mit
einer Eisenstange wehren kann, wird er nur leicht verletzt. Opferperspektive 23. April 99 Taunusstein im
Rheingau-Taunus-Kreis. Ein 31-jähriger Asylbewerber wird von einem Deutschen
zusammengeschlagen. Dieser rächt sich, indem er 10 Tage später den Täter,
dessen Bekannten und einen Unbeteiligten in einer Gaststätte niederschießt. FR 3.5.99 23. April 99 Moussa Moussaoui, politisch
Verfolgter und abgelehnter Asylbewerber, soll im zweiten Versuch über
Frankfurt am Main nach Algerien abgeschoben werden. In dem Warteraum des
Flughafen beginnt er dann, seine sämtlichen Kleider zu zerreißen. Als die Polizisten
ihn abholen wollen, finden sie ihn splitternackt vor und brechen die
Abschiebung ab, denn auch das Gepäck vom Herrn Moussaoui ist schon
eingecheckt. Auf
dem Weg in die Abschiebehaftanstalt Offenburg werden im Polizeiwagen
sämtliche Fenster geöffnet. Es ist morgens um halb acht Uhr, die Hände sind
dem Gefangenen auf dem Rücken zusammengebunden, er ist immer noch nackt –
eine Decke bekommt er nicht. Er wird von dem männlichen Beamten
ununterbrochen beschimpft. In
Offenburg wird die "moralische Strafe" (seine Worte) für ihn dann
weiter fortgesetzt: er muß – immer noch unbekleidet und unbedeckt ca. 100
Meter zum Polizeirevier auf der sehr belebten Straße gehen und kommt dann in
die Wache, wo sich auch viele Menschen befinden. (siehe auch: 1. Oktober 99) FRat Bayern, Infodienst 03 juli/august 04 25. April 99 Mit einer Benzinlunte und im
Treppenhaus ausgegossenem Benzin versuchen Unbekannte, das Flüchtlingsheim in
Fulda in Brand zu setzen. Das Feuer der Lunte erlischt vor dem Erreichen des
Hauses. FR 26.4.99 30. April 99 Aus einem Auto heraus werden
Brandsätze in das Flüchtlingsheim in Zerbst in Sachsen-Anhalt geworfen. Diese
entzünden sich jedoch nicht, so daß die BewohnerInnen mit dem Schrecken
davonkommen. FR 3.5.99 April 99 Brand im Flüchtlingsheim von
Gielow in Mecklenburg-Vorpommern. 15 BewohnerInnen kommen unverletzt und mit
dem Schrecken davon. IRR European Race Bulletin Nr. 31, S. 19 (BeZ 23.4.99) 2. Mai 99 Schorndorf in Baden-Württemberg.
Der Dachstock eines vorwiegend mit AussiedlerInnen und Flüchtlingen bewohnten
Hauses brennt morgens um 4 Uhr lichterloh. In Panik springen einige
BewohnerInnen aus den Fenstern auf das Dach des Nachbarhauses und erleiden
dabei Knochenbrüche, andere müssen mit Rauchvergiftungen oder Brandverletzungen
ins Krankenhaus. Insgesamt werden 16 Erwachsene und sieben Kinder zum Teil
schwer verletzt. ARD "tagesthemen" 2.5.99; StN 2.5.99; Die Presse 2.5.99 3. Mai 99 Polizeibeamte des
Polizeireviers Schwäbisch Gmünd und des Polizeipostens Böblingen erscheinen
morgens um 7 Uhr an der Wohnung der kurdischen Familie Enen in der Böblinger
Remsstraße, um die Abschiebung zu vollstrecken. In Panik springt die 39
Jahre alte Bedriye Enen aus dem Fenster des Badezimmers der im ersten Stock
gelegenen Unterkunft 3,50 Meter in die Tiefe und flieht. Ihr Ehemann Nuredin Enen
wird zusammen mit den sechs Kindern – das jüngste ist 7 Monate alt – von der
Polizei zum Stuttgarter Flughafen transportiert. Um 11.55 Uhr erhebt sich die
Maschine der Turkish Airlines in Richtung Istanbul. Als Angehörige später in
die Wohnung der Familie gehen, stellen sie fest, daß die Badezimmertür
eingetreten ist. Bedriye Enen wird einige
Tage später in die Stauferklinik in Mutlangen eingeliefert. Sobald sie trotz
ihrer Verletzungen "transportfähig" ist, wird auch sie abgeschoben
werden, so ein Sprecher der Polizei. AK Asyl
Ba-Wü 3.5.99; Rems-Ztg 4.5.99; Gmünder Tagespost
4.5.99; Gmünder Tagespost 5.5.99; Gmünder
Tagespost 6.5.99; Gmünder Tagespost 8.5.99 3. Mai 99 Potsdam in Brandenburg. In der
innerstädtischen Fußgängerzone wird ein sudanesischer Flüchtling von einem
Deutschen rassistisch beschimpft und gestoßen. Ein nicht im Dienst
befindlicher Polizeibeamter schreitet ein. Der
Flüchtling war bereits am 14. November 98 von einem Deutschen aus
rassistischen Gründen angegriffen worden. (siehe dort) Ethnische Säuberungen in Berlin und Brandenburg 1999, S. 65; ALB (PPN) 7. Mai 99 Auf dem Weg zum Bahnhof wird ein
17-jähriger tunesischer Flüchtling in Leipzig von einer Gruppe jugendlicher
Deutscher überfallen und mit Messerstichen schwer verletzt. Die Täter
schreien dabei "Ausländer raus!" Gegen
vier mutmaßliche Hauptbeteiligte wird Haftbefehl wegen gefährlicher
Körperverletzung erlassen. taz 8.5.99; FR 26.5.99 8.
Mai 99 Hennigsdorf an der Oberhavel.
Ein deutscher PKW-Fahrer hält neben einem auf dem Fahrrad fahrenden
iranischen Flüchtling und sagt ihm, daß dieser seine Freundin in Ruhe lassen
solle. Nachdem der Angesprochene sagt, daß er die Frau gar nicht kenne,
spuckt ihn der Deutsche an und versucht, ihn mit dem Wagen zu überfahren. Der
32-jährige Iraner rettet sich mit einem Sprung vom Fahrrad. Opferperspektive (Berlin-online 9.5.99); MAZ 10.5.99; Konkret 10/00, S. 17 10. Mai 99 Der 26 Jahre alte kurdische
Flüchtling und Wehrdienstverweigerer Galip Aslan wird morgens um 7.30 Uhr von
Polizeibeamten aus seiner Wohnung geholt. Er soll in die Türkei abgeschoben
werden, nachdem sein Asylantrag zum wieder-holten Male abgelehnt wurde. Auch
daß seine Freundin im siebten Monat schwanger ist, hat keinen Einfluß auf die
Entscheidung des Regierungspräsidiums. Auf
dem Flughafen Stuttgart weigert Galip Aslan sich, die Gangway zu der Maschine
der Turkish Airlines hinaufzugehen. Fünf BGS-Beamte fesseln ihn daraufhin und
schleppen ihn im Polizeigriff die Gangway hinauf. Dabei stößt ein Beamter mit
voller Wucht sein Knie ins Gesicht des Kurden. Galip
Aslan blutet daraufhin so stark, daß sich der Pilot weigert, den Verletzten mitzunehmen.
Die Abschiebung wird abgebrochen. Nach
einem Tag auf der Intensivstation in der Paracelsus-Klinik in Ostfildern wird
Galip Aslan auf eine normale Station verlegt. Er nutzt die Gelegenheit zur
Flucht bevor die Behandlung abgeschlossen ist. "Die Nase ist jetzt
krumm, aber das ist besser als in der Türkei zu sein," sagt er später. Im
Januar 2003 lebt er immer noch ohne gültige Aufenthaltspapiere und muß
täglich mit Festnahme und Abschiebung rechnen. Galip
Aslan war bereits im Jahre 1996 aus der BRD in die Türkei abgeschoben worden,
wo er noch auf dem Flughafen in Haft kam und vier Monate lang mißhandelt
worden war. (siehe auch: Im Jahre 1996) StN 26.5.99; FR 3.9.99; jW 3.9.99 10. Mai 99 Würzburg in Bayern.
Der 30 Jahre alte Alabamou Mamah aus Togo springt von der 'Brücke der
Deutschen Einheit' in den Main und ertrinkt. Dies geschieht drei Tage,
nachdem ihm sein Anwalt die Gerichtsentscheidung über die endgültige
Ablehnung seines Asylantrages mitgeteilt hat. Vier Jahre hatte er um seine
Anerkennung als politischer Flüchtling gekämpft – vergeblich. Anfang der 90er Jahre war
die Hoffnung auf einen politischen Wandel in der ehemaligen deutschen Kolonie
Togo groß. Alabamou Mamah kehrte aus Schweden, wo er Informatik studiert
hatte, zurück und engagierte sich sofort in der Union des Forces de
Changement (UFC), der Vereinigung der Kräfte für einen Wandel. Doch die
Hoffnung auf Demokratisierung hielt nicht lange, und UFC- Mitglieder wurden
von der Einheitspartei RPT, der Armee und der Polizei bedroht und verfolgt.
Am 6. Mai 92 wurde Alabamou Mamah verhaftet, für zweieinhalb Jahre im
Gefängnis Landja in Kara inhaftiert, misshandelt und gefoltert. Sein Haus
wurde währenddessen teilweise zerstört und sein Eigentum beschlagnahmt. Im Dezember 94 wurde er mit
der Auflage entlassen, sich regelmäßig bei der Polizei zu melden. Wegen
ständig drohender erneuter Verhaftung riet ihm ein Rechtsanwalt der UFC zum
Untertauchen. Mitte März 95 floh er über Benin und Moskau nach Düsseldorf und
beantragte in der BRD Asyl. Alabamou Mamah war einer der 500.000 Bewohner
Togos, die das Land seit dem Militärputsch 1963 verließen, und einer der
wenigen Tausend, die es schafften, nach Europa zu gelangen. Nach sieben Monaten in
einer sogenannten Erstaufnahme-Einrichtung in Würzburg, wo er sofort wieder
politisch aktiv wurde, um auch im Exil für Veränderungen in Togo zu kämpfen,
wurde er nach Amberg umverteilt, wo er isoliert und in der politischen Arbeit
eingeschränkt war. Im November 95 teilte ihm das Bundesamt für die Anerkennung
von Flüchtlingen mit, daß er nicht Asyl, aber Abschiebeschutz – auch
"kleines Asyl" genannt – erhalte. Damit hätte er eine
Aufenthaltsbefugnis, einen Flüchtlingspaß und eine uneingeschränkte
Arbeitserlaubnis erhalten müssen und wäre nicht mehr der Residenzpflicht
unterworfen. Doch einen Monat später
bekam Alabamou Mamah die Mitteilung, daß der Bundesbeauftragte für
Asylangelegenhei-ten Klage gegen die Gewährung des kleinen Asyls eingereicht
hatte, der vom Verwaltungsgericht Regensburg stattgegeben wurde. Der
Widerspruch seines Anwalts wurde im Sommer vom Verwaltungsgerichtshof in
München abschlägig beschieden. Jetzt blieb ihm nur noch die Möglichkeit,
seine exilpolitischen Aktivitäten nachzuweisen und einen Asylfolgeantrag zu
stellen. der ebenso abgelehnt wurde wie ein zweiter Folgeantrag vom April
1998. In seinem Abschiedsbrief
schreibt Alabamou Mamah: "Sag meinem Richter in Regensburg, daß ich vor
ihm gehe. Ihm soll bewußt sein, daß die Welt niemandem gehört..." Sechs Tage
nach der Selbsttötung wird sein Leichnam in Margetshöchheim aus dem Main
geborgen. Volksblatt, 25.5.99; Ökumenisches Kirchennetzwerk Bayern; IMEDANA
26.10.00; Herzog/Wälde: "Sie suchten das
Leben" 11. Mai 99 Durch einen Eilantrag seines Anwalts
und dadurch, daß der Flugkapitän den Start der Turkish-Airlines-Maschine auf
dem Stuttgarter Flughafen abbricht, wird die Abschiebung des 30-jährigen staatenlosen Kurden
Mehmet Korkmaz in buchstäblich letzter Sekunde verhindert. Schon
an Bord der Maschine wurde Herrn K. der Mund zugehalten. Er wurde mit auf dem
Rücken gefesselten Händen durch das Knie eines BGS-Beamten in den Sitz
gedrückt. Einige Passagiere protestierten gegen diese brutalen Maßnahmen. Nachdem
Mehmet Korkmaz dann aus dem Flugzeug herausgebracht wird, beginnt die Tortur
erneut und schlimmer. Er wird mit auf dem Rücken gefesselten Händen
bäuchlings in den Polizeibus geworfen. Vier BGS-Beamte setzen und knien sich
auf seinen Rücken, beschimpfen ihn, ziehen an den Haaren, schlagen und treten
ihn in Nacken, Schulter und auf die Beine. Mehmet Korkmaz bekommt kaum noch
Luft. In
einer Karlsruher Klinik werden mehr als 20 Blutergüsse gezählt, die Herr
Korkmaz sich laut BGS selbst zugefügt haben soll. Trotzdem werden drei Beamte
vom Dienst bei Rückführungen suspendiert. Noch
vor Abschluß der Ermittlungen gegen die Beamten wird Herr Korkmaz, der
Hauptbelastungszeuge und Nebenkläger ist, am 31. August in seiner Gaggenauer
Sammelunterkunft abgeholt und nach Istanbul abgeschoben. Er war wegen
Militärdienst-Verweigerung aus der Türkei ausgebürgert worden. FR 21.5.99; IPPNW 1.6.99; FR 3.9.99; jW 3.9.99; ND 3.9.99;
taz 4.9.99 11. Mai 99 Rheinland-Pfalz. In Nenningmühle
bei Reitzenhain kollidiert ein Auto mit "unerlaubt" eingereisten
Flüchtlingen mit einer Eisenbahn. Vier Menschen aus Sri Lanka erleiden
leichte Verletzungen. BT-Drucksache
14/1850 12. Mai 99 Der 25 Jahre alte Ferzent Ucar,
kurdischer Flüchtling und abgelehnter Asylbewerber, wird in Krefeld von der Polizei
zwecks Abschiebung festgenommen. Als er in Polizeihaft einen epileptischen
Anfall bekommt, der ihn zu Boden zwingt, boxt ein Polizeibeamter ihm mit der
Faust auf die Nase und gibt ihm anschließend eine Ohrfeige. Ferzent Ucar
blutet stark, denn sein Nasenbein ist gebrochen. Ein anderer Polizist zieht
seine Arme nach hinten, wobei seine Hände gefesselt werden. Immer noch im
Anfall werden Herrn Ucar dann auch noch die Arme und Füße mit Fußfesseln und
Handschellen fixiert. Diese
Fesseln werden bei der Übergabe an BGS-Beamte in Plastikbänder ausgewechselt.
In gefesseltem Zustand wird der Gefangene am Flughafen Düsseldorf in eine
Maschine der rumänischen Fluggesellschaft TAROM gebracht. Auch hier wird er
noch geschlagen und mit Elektroschocks an den Beinen und am Hals verletzt.
Die Fußfesseln werden während des gesamten Fluges über Rumänien bis zum
Istanbuler Atatürk-Flughafen nicht gelöst. IHD 17.5.99; AK Asyl Nordrhein-Westfalen 26.5.99; ZDF "Kennzeichen D" 9.8.99; AG3F 8.6.01 13. Mai 99 Pfingstmarkt in der Hansestadt
Rostock. Nach einer zunächst verbalen und später tätlichen Auseinandersetzung
zwischen ca. 15 Deutschen und sieben armenischen Asylbewerbern müssen sich
drei Deutsche im Krankenhaus stationär behandeln lassen. BeZ 13.5.99; BeZ 14.5.99; taz 15.5.99 14. Mai 99 Im baden-württembergischen Kehl
an der deutsch-französischen Grenze wird ein Flüchtling aus der Türkei nach
seinem Grenzübergang in die BRD mit Schmerzen im Brust- und Bauchbereich
aufgegriffen. BT-Drucksache
14/1850 14. Mai 99 Der 39-jährige N. N. aus
Bangladesch begeht in Abschiebehaft in der JVA Mannheim einen
Selbsttötungsversuch und kommt daraufhin in die psychiatrische Abteilung des
Justizvollzugskrankenhauses Hohenasperg. Herr
N. hatte sich aufgrund unhygienischer Bedingungen in seiner Heimunterkunft in
Kehl "einige unheilbare" Krankheiten zugezogen. Er ist auch
psychiatrisch unheilbar erkrankt. Das
Heim wurde nach einer Überprüfung im Juli 96 geschlossen. Herr N. soll
abgeschoben werden. Antirassistische Initiative Berlin 15. Mai 99 Im bayerischen Schirnding an der
deutsch-tschechischen Grenze erleidet ein rumänischer Flüchtling bei seiner
Festnahme Bißverletzungen am rechten Oberarm und am linken Knie durch einen
Diensthund des BGS. BT-Drucksache
14/1850 17. Mai 99 Mit einem Knüppel schlagen
Unbekannte im brandenburgischen Ludwigsfelde auf einen 24-jährigen Flüchtling
ein. Er versucht zu fliehen, stürzt und verletzt sich an der rechten Hand. Opferperspektive (BeZ 19.5.99) 18. Mai 99 Abschiebegefängnis
Berlin-Köpenick. Am 11. Tag seines Hungerstreiks aus Protest gegen seine
geplante Abschiebung wird der angolanische Flüchtling Antonio Patricio-Ngonga
von einem Beamten aufgefordert, unverzüglich vom Doppelstockbett zu steigen
und mitzukommen. Als der Gefangene der Aufforderung wegen seiner
Kreislaufstörungen und starken Magenschmerzen nicht gleich nachkommt und um
etwas Geduld bittet, beschimpft ihn der Beamte und zerrt ihn mit Gewalt
herunter, so daß Antonio P.-Ngonga zu Boden stürzt. Dann schlagen zwei Beamte
mit Fäusten auf ihn ein, während ein Dritter ihn festhält. Bei
dem Sturz fällt der Angolaner auf sein linkes Bein, das er sich schon einmal
beim Sprung aus dem 3. Stock der ZAA-Berlin schwer verletzt hatte. (siehe
auch: Herbst 97) Am
31. Mai, nach 25 Tagen Hungerstreik, wird Antonio P.-Ngonga ins Krankenhaus
gebracht und aus medizinischen Gründen aus der Abschiebehaft entlassen. Seine
Abschiebung ist für den 4. Juni geplant und Herr Ngonga taucht unter. Antirassistische
Initiative Berlin; FR 27.5.99 19. Mai 99 Niedersachsen. Etwa zehn schwarz
maskierte, mit Baseballschlägern, Latten und einem Revolver bewaffnete
Deutsche überfallen abends um 23 Uhr ein Zweifamilienhaus in Kutenholz-Aspe bei
Stade, in dessen Obergeschoß Flüchtlinge aus Sierra Leone untergebracht sind.
Sie
dringen in die erste Etage vor, zertrümmern Fenster und
Einrichtungsgegenstände, werfen Stühle und einen Heizkörper aus dem Fenster –
und sie brüllen dabei "Nigger raus". In ihrer Angst retten sich
vier Männer aus Sierra Leone durch Sprünge aus den Fenstern und verletzen
sich leicht. Eine
deutsche Mieterin, die sich den Tätern in den Weg stellen will, wird mit der
Pistole bedroht. Auf dem Rückweg versperrt ein Mann ihnen den Weg. Auch er
wird mit der Pistole bedroht. Dann flüchten die Täter mit drei Autos. Schon
in der vergangenen Woche hatten Unbekannte rassistische Parolen und
Hakenkreuze an das Heim gesprüht und Fensterscheiben zerstört. Die
Polizei nimmt am 20. Mai drei Skins im Alter von 19 bis 22 Jahren als
Tatverdächtige fest. Am
30. Mai 2000 wird ein Täter zu 18 Monaten Gefängnis verurteilt, während die
übrigen vier mit Bewährungsstrafen davonkommen. Dem
24-jährigen Lars H. werden am 18. Dezember 2001 in der Berufungsverhandlung
vom Landgericht Stade zwei Monate seiner Haftstrafe erlassen, weil er
"Besserung gelobt" habe und das Gericht seinen "Willen zur
Umkehr" belohnen will. Der
19 Jahre alte Mittäter Marcus M. erhält wegen zwei weiterer gewalttätiger Angriff
auf AusländerInnen im Februar 2002 vom Jugendschöffengericht Stade ein
drittes Mal eine Haftstrafe auf Bewährung. BeZ 21.5.99; jW 21.5.99; FR 21.5.99; taz 21.5.99; FP 21.5.99; Bürgerrechte & Polizei/CILIP 63/1999; FRat NieSa Heft 69/70, Aug.-Sept. 2000; JWB 2.1.02; ND 19.2.02 20. Mai 99 Die 51-jährige schwer herzkranke
Romni Munevera Redizic, die seit mehr als fünf Jahren mit ihrer Familie in
Berlin lebt, wird in der Ausländerbehörde von Zivilfahndern festgenommen und
in die Moabiter Abschiebehaft in der Kruppstraße gebracht. Auch ihrem Sohn
und ihrer achtjährigen Enkelin droht die Abschiebung nach Bosnien. BeZ 22.5.99 20. Mai 99 Abschiebehaft in der JVA
Mannheim in Baden-Württemberg. Der 30-jährige sudanesische Flüchtling Aamir
Omer Mohamed Ahmed Ageeb wird nach einem Haftprüfungstermin zurück in seine
Zelle gebracht. Hier randaliert er, verletzt sich an der Stirn und versucht,
sich "mit einer in Streifen zerrissenen Decke zu strangulieren".
(siehe auch: 28. Mai) BeZ 24.6.99; FRat NieSa Heft 63 Mai 1999; BMI – Bericht an den Innenausschuß des Deutschen Bundestages 22. Mai 99 Eine Person russischer
Nationalität wird nach ihrem "unerlaubten" Grenzübertritt im
rheinland-pfälzischen Hundsbach durch Bisse von Diensthunden des BGS am Fuß
und an der Schulter verletzt. BT-Drucksache 14/5613 23. Mai 99 In der bayerischen Stadt Selb,
nahe der deutsch-tschechischen Grenze, wird ein Flüchtling aus Moldawien bei
seiner Festnahme durch den BGS von einem Diensthund verletzt. BT-Drucksache
14/1850 25. Mai 99 Brandenburg an der Havel. Drei
Deutsche dringen in der Nacht in eine Wohnung ein, finden dort einen zu
Besuch weilenden Vietnamesen und traktieren diesen mit einer Eisenstange,
einem Holzknüppel und einem Messer. Der 28 Jahre alte vietnamesische
Asylbewerber muß seine Prellungen und Gesichtsverletzungen im Krankenhaus
behandeln lassen. Zwei
der drei Tatverdächtigen werden nach vorübergehender Festnahme wieder auf
freien Fuß gesetzt. MAZ 27.5.99; BeZ 27.5.99; FR 28.5.99; BeZ 28.5.99; ALB (dpa); Konkret 10/00,
S. 17 28. Mai 99 Der 30 Jahre alte Aamir Omer
Mohamed Ahmed Ageeb soll aus der Abschiebehaft in der JVA Mannheim vom
Flughafen Frankfurt am Main über Ägypten in den Sudan abgeschoben werden.
Ageeb hat panische Angst vor der Rückkehr in den Sudan. Auf
dem Weg zum Flughafen Frankfurt schlägt er – an Händen und Füßen gefesselt –
verzweifelt seinen Kopf gegen die Fensterscheibe des Fahrzeuges. Deshalb
stülpen ihm die Beamten einen Motorradhelm über den Kopf. Im
BGS-Trakt des Flughafens wird dann mit massiver Fesselung versucht, den
Widerstand von Aamir Ageeb zu brechen. Um ca. 11 Uhr werden ihm
Plastikfesseln an Händen und Füßen angelegt, die anschließend mit einem
zusätzlichen Plastikband rücklings miteinander verbunden werden, während sich
der Gefangene in Bauchlage befand (Schaukelfesselung). In einer Einzelzelle
und auf einer Matte liegend muß Aamir Ageeb diese Fesselung 75 Minuten
aushalten. Als auch nach dieser Schikane sein Widerstand nicht gebrochen ist,
erfolgt um circa 13 Uhr die endgültige Fesselung (siehe später), und ihm wird
wieder ein Integralhelm aufgesetzt. Um
ca. 14 Uhr wird er von den BGS-Beamten in den Airbus A 300-600
"Rosenheim" zum Flug LH 588 getragen. Er wird dann auf den
Mittelsitz einer Dreierreihe im Flugzeug angeschnallt, "wobei aus
Sicherheitsgründen weder die Fesselung noch der Integralhelm abgenommen"
werden. Beim Start der Maschine um 15.07 Uhr versucht sich Ageeb trotz der
Fesselung aus dem Sitz zu stemmen und schreit: "Ich kriege keine
Luft!" Daraufhin stemmen ihn alle drei Beamte in den Sitz, drücken
seinen Oberkörper nach vorne auf die Knie und zusätzlich seinen Kopf
nach unten. Weil der Gefesselte weiter jammert, legen sie Kissen um seinen
Kopf – bis er ohnmächtig wird. Als die BGS-Beamten Ageeb um 15.27 Uhr dann
wieder in die aufrechte Position bringen, ist er erstickt. Die
Lufthansa-Maschine landet daraufhin außerplanmäßig in München. Bei der ersten
Untersuchung Amir Ageebs stellt ein Mediziner "Überdehnungsnarben"
an den Oberschenkeln und sechs gebrochene Rippen fest. Zahlreiche Ein- und
Unterblutungen sind für ihn ein "gravierendes Indiz für einen
Erstickungsmechanismus". Als
Reaktion auf den gewaltsamen Tod des Flüchtlings Ageeb werden vorerst alle
Abschiebungen ausgesetzt. Ab 25. Juni 99 wird dann allerdings der
"Aussetzungserlaß mit sofortiger Wirkung aufgehoben" –
makabererweise mit dem Hinweis: "Bei Rückführungen ist unbedingt darauf
zu achten, daß die freie Atmung des Rückzuführenden gewährleistet ist".
Auf Integralhelme soll in Zukunft bei Abschiebungen verzichtet werden. Im
Juni 2001 teilt das Hessische Innenministerium dem Bundesinnenministerium
mit, daß die Todesursache von Aamir Ageeb in dem "massiven
Niederdrücken" durch die drei BGS-Beamten zu sehen ist. Tatsächlich entstand der
"Erstickungs-Overkill" (C. Metz) folgendermaßen: § Laut BKA-Fesselungsprotokoll
waren ein Motorrad-Integralhelm, elf Plastikfesseln, vier Klettbänder und ein
fünf Meter langes Seil im Einsatz. § Einengung des Brustkorbes durch
zirkuläre Fesselung mit einem Klettband um den Brustkorb. § Einengung des unteren
Brustkorbrandes durch zirkuläre Fesselung unter Einbeziehung der Unterarme,
die nach hinten mit vier miteinander verbundenen Plastikfesseln hinter dem
Rücken zusammengezurrt und vor der Magengrube an den Handgelenken mit zwei
Kabelbindern und einem Klettband zusammengebunden wurden. § Zusätzlich wurden die Hände bei
erzwungener Rumpfbeugung mit erheblicher Hebelwirkung zwischen Oberkörper und
Oberschenkel in die Magengrube gepreßt, so daß bei der rechtsmedizinischen
Rekonstruktion die Atmung je nach Beugewinkel bis auf Null zurückging. § Offensichtlich wurde der
Helmkinnbügel so heftig auf die beidseits je drei erreichbaren obersten
Rippen gepreßt, daß diese entlang des Kinnbügelrandes sechsfach brachen und
die obere Brustbeinverbindung eine "abnorme Beweglichkeit" erhielt. § Dabei schien der
Verschlußmechanismus des Helmes gegen die Halsvorderseite gepreßt worden zu
sein, so daß dort sechs geometrische Striemen entstanden sowie am Halsansatz
ein 4 x 5 cm großer Bluterguß. § Zusätzlich war über die Beine
und Arme zur Tarnung der Fesselung eine Decke gebreitet, mit der Gefahr der
Visier-Abdichtung beim Herunterdrükken des Kopfes vom Vordersitz aus. § Zusätzlich wurde nach Aussage
der beiden nächstsitzenden Zeuginnen ein Kissen zur Dämpfung des Schreiens
vor Amir Ageebs Gesicht gehalten. Speichelspuren belegen dies. § Fast alle ZeugInnen hatten
Ageebs Schrei und seine Stöhn- und Röchelgeräusche gehört – nach bzw. während
derer die Beugehaltung beibehalten wurde. § Nach überwiegenden
Zeugenaussagen hatten sich die drei BGS-Beamte trotz ärztlicher Aufforderung
geweigert, die Fesseln zu lösen, um eine effektive Wiederbelebungslage auf
dem Bordboden zu ermöglichen. § Bis auf eine einzige
Zeugenaussage von einer Stewardeß schien ein Notfallkoffer mit Atembeutel
nicht zur Verfügung gestellt worden zu sein. Diese Stewardeß hatte die
erstbehandelnde Ärztin (Anästhesie-Fachärztin) begleitet. § Keine der Flugbegleiterinnen
berichtet, bei der Wiederbelebung behilflich gewesen zu sein oder die
BGS-Beamten aufgefordert zu haben, Ageeb abzuschnallen. Selbst die den
Notfallkoffer bereitstellende Stewardeß berichtet, sie sei direkt danach ins
Cockpit gegangen. Die drei BGS-Beamte wurden niemals vom Dienst suspendiert,
haben allerdings seither nicht mehr bei Abschiebungen "mitgewirkt".
Nach dreijährigen Ermittlungen wird am 15. Februar 2002 Anklage wegen fahrlässiger Tötung gegen
sie erhoben. Keine Anklage wird erhoben gegen die vorbereitenden Fessler,
gegen die Ausbilder und Vorgesetzten – auch nicht gegen die die Hilfe bei der
Wiederbelebung durch drei anwesende Ärzte verweigernden Flugbegleiter und die
Lufthansa-Crew. Am
2. Februar 2004 beginnt der Prozeß gegen die drei beteiligten BGS-Beamten im
Amtsgericht Frankfurt am Main. Hier wird unter anderem deutlich, daß sowohl
der Flugkapitän, als auch die Crew Aamir Ageeb für einen "Verbrecher und
Mörder", "dreifachen Mörder" oder "Mörder und
Vergewaltiger" gehalten hatten. Welcher BGS-Beamte ihnen diese eindeutig
falschen Informationen gegeben hatte, kann nicht mehr geklärt werden. Am
22. März, dem elften Verhandlungstag, verweist der Richter den Prozeß an das
Landgericht, weil er zu dem Schluß gekommen ist, daß als Tatbestand auch Körperverletzung
mit Todesfolge in Frage kommt, die mit Gefängnis nicht unter drei Jahren
bestraft werden müßte. Am
18. Oktober 2004 werden die drei BGS-Beamten vom Landgericht Frankfurt wegen
Körperverletzung mit Todesfolge in einem minderschweren Fall zu je neun
Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. Das Gericht bleibt damit unter der
gesetzlich vorgeschriebenen Mindeststrafe von einem Jahr und ermöglicht den
Angeklagten damit die ungestörte Fortsetzung ihrer Beamtenlaufbahn. "Die
Zukunft der Angeklagten wäre zerstört worden, während
ihre Vorgesetzten zum Teil weiter aufgestiegen sind", sagte der
Vorsitzende Richter Gehrke. Er nannte erneut Amtsleiter Hansen, der jetzt
Präsident des Grenzschutzpräsidiums Ost ist. Dem Bundesgrenzschutz wirft er
schwere Versäumnisse bei der Ausbildung der für die Abschiebungen
eingesetzten Beamten vor. Er kritisiert heftig die Praxis des BGS, Menschen
zusammenzuschnüren. Unter Anspielung auf US-Folterer im Irak sagte Gehrke:
"Abu Ghraib läßt grüßen." Das
Ermittlungsverfahren wegen des Verdachtes auf Körperverletzung im Amt, das
die Bundesarbeitsgemeinschaft Pro Asyl gegen vier weitere Beamte wegen der
Schaukelfesselung (siehe oben) anstrengte, stellt die Staatsanwaltschaft des
Landgerichtes Frankfurt am 8. Mai 2005 ein. Schaukelfesselung
wird in Teilen der Welt als Foltermethode benutzt – in anderen Teilen ist sie
wegen der Gefährlichkeit verboten. Die
Staatsanwaltschaft zu dieser Fesselungsmethode ("Hogtie"-Methode):
"Eine solche erfüllt die Körperverletzungs-Tatbestände der §§ 223 ff
StGB im Sinne einer körperlichen Mißhandlung immer dann, wenn sie zu einer
nicht nur erheblichen Beeinträchtigung des körperlichen Wohlbefindens und /
oder der körperlichen Unversehrtheit führt." Sie sieht deshalb bei Amir
Ageeb keinen ausreichenden Tatverdacht hinsichtlich einer Körperverletzung. Claus Metz – AK
Flüchtlinge Frankfurt; FRat NieSa Heft 63 Mai 1999; BMI – Bericht an den Innenausschuß des Deutschen Bundestages; Spiegel 30.7.01; Claus Metz in Asylnachrichten Nr. 113 Dez.
2001; NRW Hessen-Info Januar 2002; jW 10.2.04; JWB 11.2.04; FR 16. 2.02; BeZ
16.2.02; FR 18.2.02; FR 19.2.04; FR 27.2.02; FR 2.6.03; Spiegel 6.10.03; FR 5.2.04; ND 23.2.04; ddp 8.3.04; Aktionsbündis gegen Abschiebungen Rhein-Main 16.3.04; ap 22.3.04; taz 23.3.04; taz 18.10.04; Yahoo!Nachrichten
18.10.04; taz 19.10.04; SZ 19.10.04; Prozeßbeobachtungsgruppe; Pro Asyl 28.7.05 Ende Mai 99 Der 17-jährige Mehmet Polat,
kurdischer Flüchtling aus der Türkei, wird mit Gewalt abgeschoben und nach seiner
Ankunft in der Türkei von der Polizei verhaftet und mißhandelt. (siehe auch:
29. Juli 99) jW 27.8.99 Mai 99 Müncheberg in Brandenburg. Aus Angst vor der
Abschiebung in die Türkei übergießt sich ein kurdischer Flüchtling mit Benzin und zündet sich an. Er kommt mit einem
Notarztwagen ins Krankenhaus. Der
durch Verfolgung, Folter und Gefängnisaufenthalte in der Türkei schwer
traumatisierte Mann wird anschließend vier Stunden von der Polizei zu seinem
Selbstverbrennungsversuch verhört.
Antirassistische Initiative Berlin Mai 99 Der 22 Jahre alte
Fuat Orak, kurdischer Flüchtling und abgelehnter Asylbewerber, wird in die
Türkei abgeschoben. Nachdem er in seinen Heimatort Bawurne im Kreis Nusaybin
zurückgekehrt ist, wird er von Soldaten festgenommen. Er wird so schwer
gefoltert, daß er in der Universitätsklinik von Diyarbakir behandelt werden
muß. Anschließend muß er zum Militär, wird hier monatelang "auf das
Schlimmste erniedrigt" und lebt in ständiger Todesangst. Er desertiert
zweimal. Als Soldaten am 12. Februar 2000 sein Haus umstellen, um ihn erneut
zum Militär zurückzubringen, erschießt sich Fuat Orak mit dem Gewehr seines
Vaters. Özgür politika 22.2.00; jW 3.3.00; FR 3.3.00; jW 11.3.00; jW
12.3.00; AZADI informationen Nr. 18 Februar/März
2000; 2. Juni 99 Ein kurdischer Asylbewerber
übergießt sich und einige Autos mit Benzin, hält ein Feuerzeug in der Hand
und droht, sich anzuzünden. Ein Sondereinsatzkommando der Polizei kann ihn
von seinem Vorhaben abbringen. BeZ 5.6.99 5. Juni 99 Lohfelden-Vollmarshausen in
Hessen. Abends um 23 Uhr wird Herr C. an einer Bushaltestelle in der Kasseler
Straße von einem Deutschen mit den Worten "Na, Du Scheiß-Ausländer"
beleidigt und dann geschlagen. Dann greifen sieben weitere Rassisten ein, die
Herrn C. festhalten, auf den Kopf schlagen und, als er am Boden liegt, noch
mit Springerstiefeln auf ihn eintreten. Der Angegriffene erleidet eine
Gehirnerschütterung mit einer kleinen Blutung im Gehirnraum, eine drei
Zentimeter lange Rißwunde an der Augenbraue und eine Prellung des linken
Auges. Er muß seine Verletzungen 14 Tage lang im Krankenhaus behandeln
lassen. Das seelische Trauma dieses Überfalls quält ihn noch Jahre später. Im
April 2001 droht dem inzwischen mit einer Deutschen verheirateten Mann die
Abschiebung in den Kosovo. indymedia 29.4.01 (Petition an den Hessischen Landtag) 7. Juni 99 Ludwigsfelde im Kreis
Teltow-Fläming in Brandenburg. Auf dem Weg per Fahrrad in ihre Heimunterkunft
werden nach-einander ein 34-jähriger Flüchtling aus Zaire und ein 50 Jahre
alter vietnamesischer Asylbewerber von vier Skinheads rassistisch beschimpft
und dann mit Knüppeln und einer Eisenstange geschlagen. BeZ 10.6.99; FR 10.6.99; taz 10.6.99; MAZ 29.6.99; BeZ 29.6.99; JWB 7.7.99; ALB (adn, dpa, BK, BM); Bürgerrechte & Polizei/CILIP 63/1999 7. Juni 99 Stolpe-Süd an der Oberhavel in
Brandenburg. Bei einem Brand im Flüchtlingsheim wird ein Wachmann mit einer Rauchgasvergiftung
schwer verletzt. Die BewohnerInnen können rechtzeitig evakuiert werden. Eine
37-jährige Vietnamesin wird unter dem Verdacht der schweren Brandstiftung
festgenommen. BeZ 8.6.99 9. Juni 99 In Rostock auf dem Hauptbahnhof
wird ein 19 Jahre alter Flüchtling aus Ruanda von 10 deutschen
Rechtsradikalen angegriffen und als "Nigger" beschimpft. Er wird
von einem der Angreifer mit einem Messer leicht verletzt, wehrt sich dann
auch mit einem Messer und kann den Angreifer durch einen Stich in dessen
Oberschenkel abwehren. BeZ 11.6.99; FR 11.6.99; Bürgerrechte & Polizei/CILIP 63/1999 9. Juni 99 Um 20 Uhr werden zwei Iraner auf
dem Bahnhofsvorplatz von Hennigsdorf in Brandenburg von drei Deutschen
angegriffen und zusammengeschlagen. Während der 44-jährige Iraner mit dem
Verdacht auf innere Verletzungen, Kiefer- und Jochbeinbruch ins Krankenhaus
gebracht wird, kann der 42 Jahre alte Asylbewerber
Mohamed C. seine Gesichtsverletzungen ambulant behandeln lassen. MAZ 11.6.99; FR 11.6.99; BeZ 11.6.99; TS 12.6.99; BeZ 12.6.99; Berl Ztg 14.6.99; Opferperspektive (MAZ 15.6.99); ALB (dpa, ap, BK) 10. Juni 99 Hamburg. Die
psychisch kranke kurdische Asylbewerberin Nigar S. und ihre drei Töchter werden
morgens um 6.00 Uhr aus dem Bett geklingelt und von sechs Polizisten und
Mitarbeitern der Ausländerbehörde zur Abschiebung abgeholt. Ihr werden Hand-
und Fußschellen angelegt, und die Beamten schleppen sie barfuß und im Pyjama
zum Polizeiwagen. Ein Polizist schlägt sie. Im Auto darf sie sich notdürftig
anziehen, die Schuhe bekommt sie erst nachmittags am Flughafen. Drei Tage
zuvor hatte Frau S. bei der Ausländerbehörde eine sechswöchige Duldung
bekommen, weil sie sich aufgrund ihrer schweren Depressionen in Behandlung
befindet und diese – laut Zusage des Leiters der Ausländerbehörde – solange
fortgeführt werden könne, wenn sie auf jegliche Hilfe zum Lebensunterhalt
verzichte. Trotz einer von ihren
behandelnden Fachärzten attestierten Reiseunfähigkeit wurde sie durch die bei
der Innenbehörde im Dienst stehende Ärztin für "reisefähig"
erklärt. Auf dem Flughafen
Fuhlsbüttel versucht Frau S. noch zweimal, die Waffe eines Polizei-Beamten zu
ergreifen, um sich damit umzubringen. Am Nachmittag wird sie mit ihren
Kindern in die Türkei abgeschoben. Am Flughafen Istanbul werden sie
festgehalten und viele Stunden lang verhört. FR 14.6.99; Soligruppe; FRat NieSa Heft 68 Mai 2000 10. Juni 99 Abschiebegefängnis Berlin-Moabit
in der Kruppstraße. Der 16-jährige Hardep Singh aus Indien befindet sich am
38. Tag im Hungerstreik. Er wurde inhaftiert, um seine Abschiebung nach
abgelehntem Asylantrag vorzubereiten. Sein seelischer und körperlicher
Zustand wird von einem unabhängigen Arzt der Allgemeinmedizin mehrmals als
kritisch beurteilt. Der Jugendliche bricht den Hungerstreik ab und wird am
26. Juni aus der Haft entlassen. BeZ 19.3.99; FRat Berlin 10.6.99; Andreas Günzler – Rechtsanwalt 11. Juni 99 Cottbus in Brandenburg. Eine
Gruppe deutscher Rassisten sammelt sich an der Straßenbahn-Haltestelle
"Gelsenkirchener Allee" im Stadtteil Sachsendorf. Sie erwarten die
Straßenbahn Linie 4, und nachdem sie grölend eingestiegen sind, beginnen sie
die Fahrgäste und insbesondere elf kenianische Flüchtlinge zu beschimpfen,
mit Bierdosen zu bewerfen und mit Faust- und Fußtritten zu traktieren. Als
ein Fahrgast die Notbremse zieht, steigen die Schläger aus und werfen
Bierdosen in die Bahn. Dabei treffen sie eine schwangere deutsche Jugendliche
in den Bauch, die zur Beobachtung stationär im Cottbusser Carl-Thiem-Klinikum
bleiben muß. Es werden sieben Flüchtlinge verletzt; drei Männer erleiden
Kopfverletzungen, die stationär behandelt werden müssen. Die
Polizei ermittelt elf Tatverdächtige, von denen sich am 25. Juni sechs in Untersuchungshaft
befinden. Die
Täter werden im Dezember 2000 vom Amtsgericht Cottbus zu Bewährungsstrafen
verurteilt. Zwei Rassisten erhalten lediglich Verwarnungen; ein Mann erhält
17 Monate Haft ohne Bewährung. taz 12.6.99; MAZ 14.6.99; RA 14.6.99;
BeZ 14.6.99; BeZ 18.6.99; BeZ 19.6.99; MAZ 19.6.99; ZDF "Kennzeichen D" 23.6.99; BeZ 26.6.99; MAZ 3.8.99; RA 3.8.99; BeZ 3.8.99; TS 3.8.99; BeZ 15.11.99; BeZ 16.11.99; jW 16.11.99; FR 23.12.00 12. Juni 99 In Wismar in Mecklenburg-Vorpommern
wird ein 24 Jahre alter Asylbewerber aus der Ukraine von drei Skinheads
überfallen, niedergeschlagen und mit Fußtritten auch gegen den Kopf schwerst
verletzt. Er erleidet viele Knochenbrüche, Schädel- und Hirnverletzungen und
ist einige Tage bewußtlos. Er wird dauerhafte Schäden behalten. Sein
Begleiter, ein 18-jähriger Ukrainer, kommt mit einem Bluterguß am Auge davon. Die
Täter wollten – nach Angaben der Staatsanwaltschaft Schwerin – eine Gruppe
von drei jüngeren Asylbewerbern "wegen ihrer Ausländereigenschaft"
körperlich mißhandeln. Sie werden vom Gericht wegen versuchten Mordes zu
Freiheitsstrafen verurteilt. BeZ 12.6.99; taz 15.6.99; jW 1.10.99; BeZ 16.10.99 15. Juni 99 Der 42 Jahre alte
Kurde Hüseyin Soydut, der schon vor zehn Jahren in die BRD geflohen war, wird
mit seinen beiden minderjährigen Söhnen in die Türkei abgeschoben. Bereits am
Flughafen Istanbul werden sie festgenommen und drei Tage lang verhört. Nach
ihrer Freilassung wird Hüseyin Soydut noch auf dem Flughafen-Gelände von zwei
Zivilpolizisten erneut gefangen genommen. Als sein 14 Jahre alter Sohn ihm zu
Hilfe kommen will, wird dieser verletzt. Herr Soydut wird mit
verbundenen Augen an einen unbekannten Ort gefahren, dort in einer
fensterlosen Zelle einge-sperrt und zwei- bis dreimal in der Woche zum Verhör
geholt. Während der Verhöre wird er schwer mißhandelt. Er erleidet einen
Bruch des Ellenbogengelenkes, der nicht behandelt wird. 45 Tage nach seiner
Verschleppung wird er in einem Istanbuler Park freigelassen. Seine beiden 13- und
14-jährigen Söhne findet er bei ihrem Onkel in Narli wieder, der sie
inzwischen aufgenommen hatte. Aus Angst vor weiterer Verfolgung gelingt es
Vater und Söhnen mit Hilfe von Fluchthelfern erneut, in die BRD zu flüchten. Frau Soydut, die zusammen
mit ihren beiden minderjährigen Töchter nicht abgeschoben worden war, ist
aufgrund erlittener sexueller Folter psychisch schwer erkrankt und
suizidgefährdet. Aus Angst vor einer Abschiebung waren Mutter und Töchter die
letzten zwei Jahre in der BRD untergetaucht. AZADI informationen Nr. 21
September/Oktober 2000; FR 10.10.00 19. Juni 99 Stuttgart. Der 37 Jahre alte
Mustafa Bayat, politisch verfolgter Kurde und abgelehnter Asylbewerber, soll
in Abschiebehaft genommen werden. Als morgens um 6 Uhr die Polizei vor der
Tür steht, springt er aus dem Fenster des im zweiten Stock liegenden Zimmers.
Ihm gelingt die Flucht, wenn auch schwer verletzt. Noch ein halbes Jahr
später zieht er sein Bein nach, denn eine korrekte medizinische Behandlung
der Verletzungen war für ihn, der keine gültigen Aufenthaltspapiere mehr hat,
nicht möglich. StZ 3.11.99; KMii-Stuttgart 1.12.99 24. Juni 99 Berlin Köpenick –
Abschiebegefängnis. Aufgrund seines desolaten Gesundheitszustandes wird der
20 Jahre alte Lema Keto nach 17 Tagen Hungerstreik aus der Abschiebehaft
entlassen. Lema
Keto war als 12-Jähriger mit seinem Bruder in die BRD geflohen, nachdem die
Eltern in Lubumbashi, der Provinzhauptstadt von Shaba im damaligen Zaire,
ermordet worden waren. Antirassistische Initiative Berlin 24. Juni 99 Im bayerischen Schirnding an der
deutsch-tschechischen Grenze erleidet ein rumänischer Flüchtling bei seiner
Festnahme eine Verletzung am rechten Arm durch den Biß eines Diensthundes. BT-Drucksache
14/1850 29. Juni 99 Der in der JVA
Nürnberg in Abschiebehaft einsitzende Sudanese Abdallah Fathelrahman wird vom
leitenden Anstaltsarzt für "nicht reisefähig" erklärt. Damit werden
verschiedene ärztliche Gutachten über den Gesundheitszustand des
sudanesischen Flüchtlings bestätigt, und er kommt nach elf Monaten
Abschiebehaft frei. Als DUP-Aktivist war der
27-Jährige aus dem Nordsudan mit Schlägen, Elektroschocks und sexuellen
Mißhandlungen schwer gefoltert worden, bevor er im März 98 in die BRD floh.
Am 3. August kommt er nach "offensichtlich unbegründetem" und damit
abgelehntem Asylantrag in Abschiebehaft, aus der heraus am 8. August, am 27.
Oktober und am 12. November Abschiebeversuche stattfinden. Bei jedem Versuch
wehrt er sich vehement und wird zum Teil auch mißhandelt, so daß die
Fluggesellschaften jedesmal den Transport verweigern. Seinen Zustand nach elf
Monaten Haft und in der ständigen Erwartung der beginnenden Abschiebung
beschreibt der Journalist Bernd Siegler wie folgt: "Abdallah
Fathelrahman kauert in seiner Zelle am Boden, schlägt seinen Kopf gegen die
Wand und kratzt sich am ganzen Körper. Sobald er Schritte und das Klappern
der Schlüssel der Wärter hört, zieht er seinen ganzen Körper schmerzverkrümmt
zusammen. Schweißausbrüche, Zittern an Händen und Beinen, dazwischen immer
wieder mit leerer Stimme der Satz: ‚Sie wollen mich töten.' " Kurz vor Ablauf der Duldung
wird Abdallah Fathelrahman am 9. November 99 erneut in Abschiebehaft
genommen. Zum zweiten Mal gelingt es UnterstützerInnen, eine Entlassung und
eine Aussetzung der Abschiebung zu erreichen. Mit Hilfe einer Empfehlung
des UNHCR erhält Abdallah Fathelrahman am 15. Mai 2000 in den USA Asyl. taz 26.6.99; taz
28.6.99; taz 30.6.99; taz 1.7.99; Off
limits Nr. 27 1999; ND 13.11.99; IMRV Bremen; ai Report 2000; Herzog/Wälde: "Sie suchten das
Leben" 29. Juni 99 Morgens um 6 Uhr stürmen rund 90
Polizeibeamte die Flüchtlingsunterkunft im Stadtteil Fallersleben in Wolfsburg.
Unter ihnen sind vermummte Mitglieder einer Spezialeinheit, die sich mit
Maschinenpistolen im Anschlag durch das Gebäude bewegen. In 28 Räumen werden
die Türen eingetreten und die Zimmer durchwühlt – auch in Räumen, in denen
Mütter mit kleinen Kindern wohnen. Spürhunde werden durchs Haus gejagt. Ergebnis
des als Drogenrazzia proklamierten und von der Presse begleiteten Überfalls
auf schlafende Männer, Frauen und Kinder: 14 Flüchtlinge werden in
Handschellen abgeführt, es werden 20 g Marihuana und eine angeblich
gestohlene alte Schreibmaschine beschlagnahmt; wie sich allerdings
herausstellt, ist die Schreibmaschine ein Geschenk des Hausmeisters an einen
der Flüchtlinge. Polizeisprecher
Klaus-Dieter Stolzenburg unbeirrt zu dem Skandal: "Das Ergebnis sagt nur
aus, daß wir an einem bestimmten Tag kein Kokain gefunden haben." jW 21.7.99; Polizeiübergriffe 1999 29. Juni 99 Kaba Camara, Flüchtling aus
Guinea und Abschiebegefangener in der JVA Büren, versucht sich das Leben zu
nehmen, fügt sich in Selbsttötungsabsicht schwere Verletzungen an Oberkörper
und Armen zu. Seine stark blutenden Wunden werden medizinisch nicht versorgt.
Am nächsten Tag wird Herr Camara abgeschoben. IGFM; mfm 30. Juni 99 Heidenau in Sachsen – nahe der
deutsch-tschechischen Grenze. Ein algerischer Staatsangehöriger springt aus
dem fahrenden Zug ab und wird von einem entgegenkommenden Zug erfaßt und
verletzt. Seine medizinische Behandlung erfolgt im Haft-Krankenhaus (!) in
Leipzig. BT-Drucksache 14/5613 30. Juni 99 14 Flüchtlinge aus Guinea und
Sierra Leone werden über den Düsseldorfer Flughafen mit einer Maschine der
Air Holland abgeschoben. Auch auf diesem Flug sind, nach Aussage eines
Betroffenen, alle Gefangenen während des gesamten Fluges gefesselt. (siehe
auch: 17. März 99) Schon
in der Vorbereitung dieser Abschiebung, am 6. Mai, reiste der
Polizeikommissar von Conakry, Mamadou Camara, in die BRD ein, verhörte die
Gefangenen einzeln und bedrohte sie in ihren Landessprachen. Als deutsche
Beamte nicht im Raum waren, nahm der Konsul Fofana Einsicht in die
Asylunterlagen. Deutsche
FlüchtlingsunterstützerInnen baten Mitglieder der guineischen
Menschenrechtsorganisation "Organisation guinéenne des Droits de
l'Homme" (OGDH) und örtliche Journalisten schon vor der Abschiebung, die
Ankunft der Gefangenen zu beobachten. Unter
dem Risiko, selbst ins Visier der Verfolger zu geraten, kann der guineische
Journalist I.S. Barry dann erkunden, daß alle abgeschobenen Flüchtlinge aus
der Maschine unmittelbar nach der Ankunft in Conakry Einzelverhören
unterzogen und dann mit Militärfahrzeugen an unbekannte Orte gebracht werden.
"Seitdem wurde keiner mehr von ihnen gesehen, sie sind auch bisher nicht
bei ihren Familien angekommen." Unter
den Verschollenen sind auch sechs Männer, die schon Mitte März seelische und
körperliche Torturen durch BGS-Beamten bei einem ersten Abschiebeversuch
erleben mußten. (siehe hierzu 17. März 99) Einer
der Gefangenen, Herr Thierno Yanoussa Baldé, wird einige Tage nach seiner
Abschiebung aus der Haft entlassen, darf sich aber zu den Umständen seiner
Gefangenschaft und seiner Freilassung nicht äußern. Zwei
Monate später fliegen eine Vertreterin von IGFM und ein Journalist von mfm
nach Guinea, um nach den abgeschobenen Flüchtlingen zu suchen. Es
gelingt ihnen nach undurchschaubarem Hin und Her mit Regierungsvertretern,
Kaba Camara, Amadou Diallo (1) und Sekou Toure zu treffen. Die drei sind
verängstigt und geben keinerlei Auskunft über ihren derzeitigen
Aufenthaltsort. Die deutschen UnterstützerInnen schließen aus verschiedenen
Gegebenheiten, daß diese drei Männer wahrscheinlich nur kurzfristig für
dieses Treffen "freigelassen" wurden. Sekou Toure kann eine
detaillierte Beschreibung des Krankheitsverlaufes von Ousmane Sow geben,
woraus zu schliessen ist, daß die beiden lange Zeit an einem Ort zusammen
waren. Am
19. August 99 wurde Ousmane Sow in das Krankenhaus "Ignace Deen" in
Conakry gebracht und erlag eine halbe Stunde später einem Leberkoma. Ousmane
Sow hatte am Tage seiner Abschiebung aus der BRD eine
"Beruhigungsspritze" intravenös verabreicht bekommen. Schon während
des Fluges sagte er ständig "...sie haben mich vergiftet", und
einige Tage später klagte er über zunehmende Übelkeit, konnte keine Nahrung
bei sich behalten, bekam Durchfall und Erbrechen und fiel ins Koma. Trotz
intensiver Recherchen vor Ort bleibt das Schicksal folgender Menschen völlig
ungeklärt – sie sind unauffindbar: Mamadou Ciré Sow (aus Sierra
Leone), Abdoulaye Diallo, Kemoko Kourouma, Amara Camara, Amadou Diallo (2),
Mamado Alinou Diallo, Alpha Oumar Diallo, Ibrahim Barry und eine weitere
Person. Nach Informationen von OGDH-Mitgliedern, die sich auf Informationen
der Familien stützen, sind drei von ihnen nicht mehr am Leben. Auch
einer der abgeschobenen anonym bleiben wollenden Flüchtlinge erklärt einige
Monate später an Eides statt, daß zwei mit ihm abgeschobene Personen, Diallo
(Vorname unklar) und Barry, mit denen er über einen Monat im Gefängnis saß,
in diesem Gefängnis gestorben sind. Das
Medienbüro für Menschenrechte (mfm) erstattet am 22. Oktober 99 Strafanzeige
gegen unbekannt, weil "unbekannte Verantwortliche aus dem Bereich der
örtlich zuständigen Ausländerbehörde, des Bundesamtes für die Anerkennung
ausländischer Flüchtlinge sowie des Landes- und Bundes-Innenministeriums in
rechtswidriger Weise eine Abschiebung von abgelehnten Asylantragstellern aus
Guinea geduldet, angeordnet, unterstützt oder eingeleitet haben, anläßlich
derer die abgeschobenen Personen körperlich mißhandelt, verschleppt und
......getötet worden sein können." Hilfe für Menschen in Abschiebehaft Büren; IGFM; mfm; Brief junger guineischer Abschiebehäftlinge der JVA Büren
9.6.99; FR 4.9.99; ND 21.10.99; Depeschen Sept./Okt. 99; mfm 23.12.99; BT-Drucksache 14/2613; Depeschen März/April 2000; Depeschen aus Westafrika Mai 00 Juni 99 Ein Flüchtling wird bei einem
rassistisch motivierten Überfall in Göttingen mit einem Messer verletzt. Karawane – Bremen Sommer 99 Niedersachsen. Neonazis über fallen
ein Flüchtlingsheim bei Buxtehude, verwüsten es und jagen die BewohnerInnen
in die Flucht. HAZ 19.12.99 Anfang Juli 99 JVA Cuxhaven. Aus Angst vor der drohenden
Abschiebung versucht der Armenier J. K., sich in der Zelle zu töten. Durch
einen Zufall wird er gerettet. Am
7. Juli wird Herr K., der in Besitz einer Aufenthaltsbewilligung für die
Niederlande ist und dessen Asylverfahren in Holland noch nicht abgeschlossen
ist, von deutschem Boden aus nach Armenien abgeschoben. Herrn
K., seiner Frau und den beiden Kindern war es vor längerer Zeit gelungen,
nach abgelehntem Asylantrag von der BRD in die Niederlande zu fliehen und
dort erneut einen Antrag zu stellen. An der deutsch-niederländischen Grenze
wurde er dann später vom BGS festgenommen und in Abschiebehaft genommen. Sein
Geld war ihm für die geplante Abschiebung abgenommen worden, und er bekam
lange Zeit keine Möglichkeit, sich bei seiner in Holland lebenden Familie zu
melden. Nach
dem Selbsttötungsversuch bleibt er weiter Opfer des Zuständigkeitswirrwarrs
und der Willkür bundesdeutscher Behörden. Zur medizinischen Erstversorgung
kommt er ins Krankenhaus Cuxhaven. Von dort erfolgt die Weiterverlegung in
die Psychiatrie Debstedt, in die Forensik des Landeskrankenhauses Lüneburg
(Sicherheitsverwahrung für psychisch kranke Straftäter), in die
psychiatrische Abteilung des Haftkrankenhauses der JVA Hannover, und
schließlich wird er als "haftfähig" in die JVA Stade verlegt. Herr
K. ist durch die häufigen Ortswechsel in Gefangenschaft, durch die immer neuen
Aufnahmegespräche, die immer neuen Menschen und vor allem durch die vielen
Transporte, bei denen er jedesmal damit rechnen mußte, abgeschoben zu werden,
völlig verunsichert und derart mißtrauisch geworden, daß selbst sein Anwalt
unverrichteter Dinge wieder abfahren muß. Während dieser ganzen Zeit gelingt
es seiner in Holland lebenden Frau nicht, Kontakt zu ihm zu bekommen. Am
7. Juli wird Herr K. aus der Abschiebehaft Stade nach Armenien abgeschoben –
ohne seine Familie, die sich noch in Holland befindet. FRat NieSa Heft 63 Sept. 1999 1. Juli 99 In der Nähe der bayerischen
Ortschaft Wittschau erleidet ein Flüchtling aus Moldawien durch
"Anwendung unmittelbaren Zwanges im Zusammenhang mit einem unerlaubten
Grenzübertritt" Schürfverletzungen am Arm. BT-Drucksache
14/1850 3. Juli 99 Beetzendorf in Sachsen-Anhalt.
Zwei Asylbewerberinnen aus Jamaika und aus Sambia und ein Flüchtling aus
Mosambik werden von rund 30 rechten Jugendlichen überfallen, beschimpft und
geschlagen. Ihnen gelingt die Flucht; zwei von ihnen müssen ihre Verletzungen
ambulant behandeln lassen. jW 4.7.99; FR 5.7.99 3. Juli 99 In der Nähe der
deutsch-tschechischen Grenze, im sächsischen Georgenfeld, wird ein Flüchtling
aus Moldawien durch die Bisse eines Diensthundes verletzt. BT-Drucksache 14/5613 5. Juli 99 Der Kurde Murat
Polat wird in die Türkei abgeschoben. Schon am Flughafen Istanbul holt ihn
ein Sonderkommando aus Ankara ab, weil er wegen Unterstützung der PKK
landesweit zur Festnahme ausgeschrieben ist. Er kommt in die Haftanstalt
Ulucanlar und wird dort auch gefoltert. Das 1.
Staatssicherheitsgericht Ankara erhebt am 12. Juli 1999 Anklage wegen
Vergehen gegen Art. 8 Anti-Terror-Gesetz, Gesetz Nr. 3713. Am 19.8. wird er
aus Mangel an Beweisen freigesprochen und entlassen. Nach Angaben der Föderation
Kurdischer Vereine in Deutschland e.V., Yek-Kom, fehlt auch ein Jahr später
noch jede Spur von ihm. Murat Polat war im August
1998 in die BRD geflohen und hatte hier Asyl beantragt, weil er aufgrund
seiner Weigerung, in der Türkei als Dorfschützer zu arbeiten, von Polizisten
geschlagen und mit dem Tode bedroht worden war. ND 21.7.99; jW 3.3.00; Dokumentation vom FRat NieSa und Pro
Asyl, Mai 2000 8. Juli 99 Zwölf abgelehnte Asylbewerber werden
nach Guinea abgeschoben. Guineische Zeitungen berichten, daß die Flüchtlinge
auf dem Rückflug nach Conacry an ihre Sitze gefesselt gewesen sind. Einige
hätten Entzündungen an den Handgelenken. Nach
Angaben des guineischen Außenministeriums werden die Abgeschobenen nach ihrer
Ankunft von der Polizei befragt und anschließend freigelassen. FR 9.7.99 8. Juli 99 Ein 30 Jahre alter Flüchtling
aus Aserbaidschan nimmt in der Oldenburger Ausländerbehörde seinen Anwalt als
Geisel, bedroht ihn mit einem Schraubenzieher, übergießt sich mit einer
brennbaren Flüssigkeit und fordert, daß seine Frau aus der Abschiebehaft
entlassen wird. Nach
drei Stunden wird er von einem Sondereinsatzkommando der Polizei überwältigt. JWB 4.7.99 9. Juli 99 In Altenberg, nahe der
deutsch-tschechischen Grenze, wird ein indischer Flüchtling nach Verfolgung
durch BGS-Beamte durch einen Diensthund gebissen und verletzt. BT-Drucksache 14/5613 10. Juli 99 Zwei unbekannte Täter verüben einen
Brandanschlag auf das Flüchtlingsheim in Wolfsburg-Westhagen. Sie versuchen,
Brandsätze durch ein geöffnetes Fenster im ersten Stock zu schleudern,
verfehlen allerdings das Ziel. jW 21.7.99; jW 26.7.99; FR 26.7.99 11. Juli 99 Die 14 Jahre alte Elena N., die
vor einem Jahr nach Berlin floh, wird nach abgelehntem Asylantrag nach
Bukarest abgeschoben. Das Mädchen, das schon mit 11 Jahren von seiner Mutter
ständig mißhandelt und zum Stehlen geschickt wurde, hat niemanden in
Rumänien, wo es leben kann, und wird nach seiner Abschiebung völlig alleine
auf der Straße leben müssen. taz 14.7.99 11. Juli 99 Am brandenburgischen Keuner Wehr
wird ein abgetrennter Unterschenkel "mit Schuhwerk" aufgefunden.
Aus dem Fund des Leichenteils wird "auf einen Ertrinkungstod
geschlossen". BT-Drucksache
14/1850 12. Juli 99 Ockenheim im Kreis Mainz-Bingen
in Hessen. Nach einem Brand in einem Wohn- und Geschäftshaus, in dem auch
bosnische Flüchtlinge untergebracht sind, findet die Feuerwehr bei den
Löscharbeiten drei Benzinkanister und die Parole an einer Flurwand:
"Ausländer raus". Eine
fünfköpfige bosnische Flüchtlingsfamilie konnte sich retten, weil Nachbarn
den Brandgeruch wahrgenommen hatten und Alarm schlugen. Es entstand ein
Sachschaden von 200 000 DM. jW 13.7.99; FR 13.7.99 15. Juli 99 Im sächsischen Nieder Neundorf
an der deutsch-polnischen Grenze wird am Grenzstein 172 ein Mann algerischer
Herkunft tot aus der Neiße geborgen. Als Todesursache des 22-Jährigen wird
Ertrinken vermutet. Polizei Görlitz;
SäZ 9.11.01; BT-Drucksache
14/1850 17. Juli 99 Bundesland Bayern. Auf die
Flüchtlingsunterkunft in Neuburg an der Donau wird ein Brandanschlag mit
mehreren Molotow-Cocktails verübt. Die Küche und Vorhänge fangen Feuer in dem
Haus, in dem zu dieser Zeit acht Erwachsene und 14 Kinder schlafen. Während
ein Feuer von alleine erlischt, gelingt es einigen von dem Lärm erwachten
BewohnerInnen, den Küchenbrand selbst zu löschen. Verletzt wird niemand. Erst
sieben (!) Jahre später, am 9. Mai 2006, gelingt es der Polizei, drei
Tatverdächtige in Tapfheim, Neuburg und Burgheim festzunehmen. Ein vierter
Tatverdächtiger wird im nordrhein-westfälischen Unna festgenommen. Die Männer
sind geständig. Sie waren nach einer Geburtstagsfeier des 17-jährigen Markus
M. zu einer Tankstelle gefahren, hatten leere Bierflaschen als Brandbomben
präpariert und waren dann zum Flüchtlingsheim gefahren, um das Heim
abzubrennen. Sie
waren zur Tatzeit zwischen 17 und 26 Jahre alt und gehörten alle der rechten
Szene an. Am
8. November 2006 müssen sie sich wegen versuchten Mordes und schwerer
Brandstiftung vor dem Landgericht Ingolstadt verantworten. Das Gericht
verurteilt drei der Angeklagten zu Jugendstrafen zwischen vier und
viereinhalb Jahren und den ältesten Täter zu fünf Jahren und zehn Monaten
Haft. Bis auf einen Angeklagten sind alle Männer mehrfach vorbestraft. ddp 10.5.06; br 10.5.06; JWB 18.5.06; AA 7.11.06; afp 8.11.06; AA 8.11.06; redok 30.11.06 19. Juli 99 Im sächsischen Bad Elster an der
deutsch-tschechischen Grenze wird ein indischer Flüchtling nach seinem
"unerlaubten" Grenzübertritt von einem Zollhund gebissen und
verletzt. BT-Drucksache
14/1850 23. Juli 99 Fürstenwalde im Oder-Spree-Kreis
in Brandenburg. Ein 32-jähriger Deutscher schlägt
einem 20 Jahre alten jugoslawischen Asylbewerber mit der Faust ins Gesicht.
Aus diesem Angriff entwickelt sich eine größere Auseinandersetzung zwischen
drei hinzukommenden Flüchtlingen und zwei weiteren Fürstenwaldern. Am
Ende der Schlägerei nimmt die Polizei den 32-jährigen Täter und sein 20 Jahre
altes Opfer in Gewahrsam. RA 26.7.99; MAZ 26.7.99; BeZ 26.7.99 23. Juli 99 Im sächsischen Spitzkunnersdorf,
nahe der deutsch-tschechischen Grenze, wird ein Flüchtling aus dem Irak nach
seinem Grenzübertritt bei der Festnahme von einem Zollhund gebissen und
verletzt. BT-Drucksache
14/1850 24. Juli 99 Brand in einem Flüchtlingsheim
in Bad Kreuznach. Erst nach Abschluß der Löscharbeiten werden in der
hintersten Ecke eines Flures die bis zur Unkenntlichkeit verbrannten Leichen
einer 28 Jahre alten Frau aus Vietnam und ihrer beiden kleinen Kinder im
Alter von dreieinhalb und sechs Jahren gefunden. Drei weitere BewohnerInnen
und sieben Feuerwehrleute werden verletzt. Das Gebäude wird fast völlig
zerstört. FR 26.7.99; BeZ 26.7.99; Rheinpfalz Online 26.7.99 25. Juli 99 Abschiebegefängnis Berlin
Grünauer Straße – Haus 2 – 6. Etage. Ein 23 Jahre alter Kosovo-Albaner – von
seinen Mitgefangenen "Seita" genannt – spricht einen Schließer an
und äußert die Bitte, zu Freunden an das andere Ende des Zellentraktes
verlegt zu werden. Nachdem der Schließer dies mürrisch ablehnt, wiederholt
der Gefangene die Bitte. Daraufhin packt der Schließer "Seita" am
Hals, drückt ihn zurück in die Zelle und verprügelt ihn dort. Mithäftlinge,
die dieses beobachten, erstatten Anzeige. Sie werden dann alle in andere
Trakte verlegt. Initiative gegen Abschiebehaft Berlin 26. Juli 99 Der 24 Jahre alte Justin John
aus Südafrika soll mit einer holländischen Linienmaschine von Hamburg über Amsterdam
nach Johannesburg abgeschoben werden. Während des Fluges schneidet sich der
Mann mit einer Rasierklinge die Halsschlagader und beide Pulsadern auf. Die
holländischen Beamten verweigern daraufhin die Weiterführung der Abschiebung,
so daß Justin John nach Hamburg zurückgebracht werden muß. Nach einem
stationären Aufenthalt im Krankenhaus St. Georg in Hamburg kommt Herr John
ins Gefängnis Holstenglacis – wieder in Abschiebehaft. Nach
dem Verschwinden seiner Mutter kam Justin John vor sieben Jahren in die BRD,
um bei seinem Vater zu leben, der inzwischen die deutsche Staatsangehörigkeit
hatte. Auch seine Adoption durch die deutsche Frau des Vaters kann eine
Abschiebung des durch schwere Gewalterfahrungen als Straßenkind psychisch
sehr labilen jungen Mannes juristisch nicht verhindern. Die
Abschiebung aus Hamburg ist für den 2. August um 14 Uhr angeordnet. Ein
leitender Arzt einer psychiatrischen Abteilung des Krankenhauses Ochsenzoll
attestiert, daß Justin John "reisefähig" sei. Erst eine Eingabe beim
Petitionsausschuß der Hamburger Bürgerschaft bewirkt schließlich die
Aussetzung der Abschiebung. Justin John wird vorerst aus der Haft entlassen. taz 31.7.99; taz 2.8.99; jW. 3.8.99;
taz 3.8.99 29. Juli 99 Freiburg in Baden-Württemberg.
In den frühen Morgenstunden erscheinen vier Polizeibeamte an der Wohnung
eines anerkannten Asylbewerbers, um dessen 12-jährigen Neffen, den kurdischen
Flüchtling Sükrü Polat, zur Abschiebung abzuholen. Der Onkel verweigert der
Polizei den Zutritt zur Wohnung und gibt zugleich an, daß Sükrü zur Zeit
untergetaucht sei. Sükrüs
Mutter war vor vier Jahren gestorben. Sein Vater, Ömer Polat, politisch aktiv
in der Türkei wie in der BRD, Verfolgter und Mißhandelter in der Türkei,
stellte 1992 einen Asylantrag, der allerdings abgelehnt wurde. Seither muß er
sich versteckt halten. Sükrüs
Bruder, 17 Jahre alt, wurde Ende Mai mit Gewalt in die Türkei abgeschoben,
dort von der Polizei verhört und mißhandelt. Am
12. Oktober 99 wird Ömer Polat in den Räumen des Standesamtes Markdorf am
Bodensee von Polizisten in Zivil verhaftet und am Nachmittag in die Türkei
abgeschoben. Die
Festnahme von Ömer Polat war behördenübergreifend vorbereitet worden. Dem
evangelischen Dekan Freiburg gegenüber hatte das Regierungspräsidium
zugesichert, daß keine polizeilichen Maßnahmen für den Weg zum Standesamt
erfolgen würden. Nur aufgrund dieser Zusage hatte Ömer Polat sein Versteck
verlassen, um die Vorbereitungen seiner Heirat mit seiner Freundin zu regeln.
Im Amt schnappte dann die Falle zu. SAGA 4.8.99; jW 27.8.99; SAGA
12.10.99; ND 16.10.99; jW 25.10.99; ND 26.10.99 29. Juli 99 Am Ende einer viertägigen
Menschenjagd vom Bundesgrenzschutz, der Landespolizei, Hubschrauber und
letztendlich mit Hilfe der Denunziation von Anwohnern auf dem Bahnhof Neutrebbin
werden zwei illegal eingereiste Moldawier eingefangen. Sie waren mit einem
Schlauchboot nahe Lebus im Kreis Märkisch-Oderland über die Oder gekommen.
Sie werden umgehend nach Polen zurückgebracht. BeZ 31.7.99 Juli 99 Vier jugoslawische Flüchtlinge
versuchen mit dem Zug in die BRD einzureisen. Sie sind alle in einem sehr
schlechten Allgemeinzustand. Zwei Kinder befinden sich vorübergehend in
Lebensgefahr. BT-Drucksache
14/1850 Juli 99 Brand in der Flüchtlingsunterkunft
in Glashütten. 85 Flüchtlinge kommen unverletzt davon, müssen allerdings
aufgrund der Brandschäden umquartiert werden. IRR European Race Bulletin Nr. 31,
S. 19 (FR 19.7.99) 3. August 99 Der 22 Jahre alte kurdische Flüchtling
Mehmed Özgül soll in die Türkei abgeschoben werden. Die Polizei erscheint an
seinem Arbeitsplatz, einer Beckumer Großschlachterei. Herr Özgüls dringende
Bitte, seinen Anwalt anrufen zu dürfen, wird nicht erfüllt. Er wird in seiner
mit Schweineblut bespritzten Schlachterkleidung und in Gummistiefeln im
Umkleideraum in Handschellen gelegt und dann direkt in den Polizeiwagen
verfrachtet. Herr
Özgül hat panische Angst vor der Abschiebung in die Türkei, in der er vor
Jahren schwere Folter erleiden mußte. Zudem sind vor kurzem sieben Mitglieder
seiner Familie in der Türkei verhaftet worden. Er sagt sich :"Lieber
gleich sterben, und schnell." Auf
dem Weg von Ahlen zum Düsseldorfer Flughafen, auf der Autobahn bei
Recklinghausen, gelingt es dem immer noch mit Handschellen Gefesselten, sich
mit einem Feuerzeug selbst zu entzünden. Als die Kunststoff-Baumwoll-Kleidung
lichterloh brennt, bremsen die Beamten den Wagen, öffnen die Tür, und Herr
Özgül wälzt sich auf dem Boden, um die Flammen zu löschen. Die Beamten
versuchen erst jetzt, die Handschellen zu lösen; jetzt sind sie allerdings
glühend und nicht mehr zu öffnen. Herr Özgul wird ohnmächtig. Er
erleidet schwerste Verletzungen an der Brust, am linken Oberschenkel und am
linken Arm und muß mit einem Hubschrauber in eine Gelsenkirchener
Spezialklinik geflogen werden, in der die nächsten zehn Wochen seine
Brandverletzungen behandelt werden. Sein
Antrag auf politisches Asyl in der BRD, den er am 1. Mai 96 gestellt hatte, war
abgelehnt worden. Das Ermittlungsverfahren gegen ihn wegen versuchter
Brandstiftung wird nach zwei Monaten eingestellt. StZ 4.8.99; FR 4.8.99; taz 4.8.99; BeZ 4.8.99; jW 5.8.99; taz
2.11.99; AZADI informationen Nr. 16
August-Oktober 1999 6. August 99 Luckenwalde – Landkreis Teltow-Fläming
in Brandenburg. Ein 30-jähriger Asylbewerber aus Jugoslawien wird an einem
Kiosk in der Bahnhofshalle von vermutlich vier Männern und zwei Frauen
angegriffen, verletzt und seines Geldes beraubt. Er kommt mit
Kopfverletzungen ins Krankenhaus. BeZ 7.8.99; ALB (dpa, BM) 8. August 99 In Rugiswalde in Rheinland-Pfalz, nahe der
deutsch-französischen Grenze, wird ein vietnamesischer Flüchtling auf der
Flucht vor der Polizei von einem Diensthund gebissen und verletzt. BT-Drucksache 14/5613 10. August 99 Flüchtlingsunterkunft
im baden-württembergischen Schopfheim. Morgens um 8.45 Uhr stehen
Polizeibeamte vor dem Zimmer des Algeriers Khaled B. und fordern ihn auf,
seine Sachen zu packen, denn er soll abgeschoben werden. Der 21-Jährige kommt der
Aufforderung zunächst nach, greift dann plötzlich ein Messer und sagt, daß er
sich augenblicklich erstechen würde, wenn die Beamten nicht den Raum
verließen. Dann verbarrikadiert er das Zimmer und droht, sich aus dem Fenster
zu stürzen, sobald ihm jemand nahe kommen sollte. Erst durch Hinzuziehung von
psychologisch geschulten Beamten, durch den Abbruch der Abschiebeaktion und
durch das Abziehen der massiven Polizeikräfte, kann Khaled B. beruhigt
werden. Die Abschiebung ist
vorläufig ausgesetzt, so daß Khaled B. die Möglichkeit bekommt, sich
anwaltliche Hilfe zu holen. Er war aus Algerien
geflohen, weil er nicht den Militärdienst ableisten wollte. Er lebte fast ein
Jahr in Spanien, und weil seine Arbeitserlaubnis dort nicht verlängert wurde,
kam er vor sechs Monaten in die BRD. Hier beantragte er Asyl. Vor drei Monaten ist sein
Vater in Algerien ermordet worden, weil er den Aufenthalt seines Sohnes nicht
verraten wollte. BaZ 11.8.99 10. August 99 Der kurdische Militärdienstverweigerer
Zeki Sahin wird in einem dritten Versuch über Frankfurt am Main in die Türkei
abgeschoben. Seitdem fehlt von ihm jede Spur. Bei seinem ersten
Abschiebeversuch vor zwei Monaten hatte er sich gewehrt und wurde daraufhin
von Polizei-Beamten zusammengeschlagen. Nach dem zweiten Abschiebeversuch kam
er ins Gefängnis im saarländischen Ottweiler. Hier protestierte er mit einem
Hungerstreik gegen die Haft und die drohende Abschiebung. Mit 20 kg
Gewichtsverlust wurde er schließlich entlassen und kehrte in seine Unterkunft
in Laibach zurück. Von hier aus erfolgte schließlich die Abschiebung. Özgür politika 14.8.99; AZADI informationen Nr. 16
August-Okrober 1999 12. August 99 Der 40 Jahre alte Thanividirasa Manikam
aus Sri Lanka erhängt sich an einem Baum in der Nähe seines Wohnortes, der
niedersächsischen Ortschaft Esterwegen. Erst am 31. August wird sein Leichnam
gefunden. Vor seinem Verschwinden hatte er Selbsttötungsabsichten geäußert. Der
abgelehnte Asylbewerber hatte vom 24. März bis zum 2. August in der JVA Büren
in Abschiebehaft gesessen. Mit einem Eilantrag beim Verwaltungsgericht
Osnabrück, dem stattgegeben wurde, war es dann seiner Rechtsanwältin
gelungen, eine Überprüfung des Asylantrages zu erwirken. Thanividirasa
Manikam war aus der Haft entlassen worden und hatte eine
Aufenthaltsgestattung erhalten. Eine
Einreise in die BRD für seine Frau und seinen ältesten Sohn zu seiner
Beisetzung am 6. September wird nicht erlaubt. Hilfe für Menschen in Abschiebehaft Büren; Anne Feßenbecker – Rechtsanwältin 16. August 99 Bei einem Brand in der
Flüchtlingsunterkunft in Elsdorf bei Köln erleiden acht BewohnerInnen
Rauchvergiftungen; 30 Menschen kommen unverletzt
davon. Der Brand entstand aus ungeklärter Ursache in einem Stapel Altpapier,
der in einem Abstellraum des hölzernen Treppenhauses gelagert wurde. Das Haus
ist anschließend einsturzgefährdet. BeZ (Ticker) 17.8.99 18. August 99 Brandanschlag mit
Molotow-Cocktails auf das Flüchtlingsheim im sächsischen
Jöhstadt. Nur durch Zufall entdecken BewohnerInnen das Feuer frühzeitig, so
daß niemand von den ca. 70 Menschen des Heimes verletzt wird. Erst im April 2003 werden
neun Tatverdächtige aus der Region Annaberg-Buchholz ermittelt, von denen
einige auch an einem Brandanschlag auf dieses Heim drei Jahre später
beteiligt sind. (siehe 29. Juni 02) Als Motiv geben die Täter
eine rechtsextremistische Gesinnung und Haß auf Ausländer an. JWB 17.7.02; LKA Sachsen 26.7.02; SäZ 27.7.02; taz 16.4.03; LR 17.4.03 20. August 99 Bernburg im Kreis Dessau in
Sachsen-Anhalt. Nachts um 1.50 Uhr schleudern zwei Männer Brandflaschen gegen
das Flüchtlingswohnheim – anschließend flüchten sie in einem roten Mazda. Ein
Wachmann entdeckt das Feuer und kann es zusammen mit einigen BewohnerInnen
frühzeitig löschen. Die 117 in dem Gebäude wohnenden Flüchtlinge aus
afrikanischen Staaten, Vietnam und China kommen mit dem Schrecken davon. jW. 21.8.99; TS 21.8.99; taz
21.8.99 21. August 99 Abschiebegefängnis
Berlin-Köpenick. Der algerische Gefangene Jamal Heichour wird in Gegenwart
seiner deutschen Verlobten in der Besucherzelle von einem Beamten geschlagen,
getreten, gewürgt und wütend beschimpft. Auf
dem Rückweg in seine Zelle wird Jamal H. von dem Beamten mit großer Wucht gegen
eine Wand gestoßen und ins Gesicht geschlagen. Antirassistische
Initiative Berlin 22. August 99 Schützenfest im
brandenburgischen Luckenwalde. Als einige indische Asylbewerber einem
türkischen Flüchtling helfen wollen, der von zwei Deutschen beleidigt wird,
kommt eine Frau hinzu und ruft "Ausländer raus" und "Warum
seid ihr hier". Die
Deutschen holen daraufhin Verstärkung, und als diese Gruppe von 15 bis 20
Menschen zu den Flüchtlingen zurückkommt, fliehen diese. Einer von ihnen, der
22-jährige Harjit Singh, wird von drei deutschen Männern und einer Frau
gestoppt und niedergeschlagen. Auch als er am Boden liegt, wird weiter auf
ihn eingetreten. Er
muß mit angebrochener Rippe und Prellungen ins Krankenhaus. BeZ 22.8.99; BeZ 23.8.99; FR 23.8.99; RA 23.8.99; MAZ 23.8.99; MAZ 24.8.99; FR 24.8.99; BeZ 24.8.99; BeZ
27.8.99; RA 27.8.99; Opferperspektive; ALB (dpa, adn, afp, Reuters, ap,
MAZ) 22. August 99 "Randower Festtage" in
Eggesin in Mecklenburg-Vorpommern. Der 24-jährige Asylbewerber Phong N. und
sein 29-jähriger in Eggesin lebender Bekannter Quoc Vien Thran, beide aus
Vietnam, verlassen um 4 Uhr morgens das Festzelt, um nach Hause zu gehen.
Zehn jugendliche Deutsche lauern ihnen auf, bewerfen sie mit Steinen und
hetzen sie durch den Ort. An einem Maschendrahtzaun holen die Angreifer ihre
Opfer ein und beginnen, auf sie einzuschlagen, bis die Vietnamesen am Boden
liegen; dann treten sie mit Springerstiefeln auf sie ein. Daniel S., mit 20
Jahren der älteteste von ihnen, beginnt dann mit seinen Stahlkappen besetzten
Springerstiefeln, auf den Kopf von Vien Thran zu springen. Die Rassisten
brüllen dabei "Ausländer verrecke" und "Ausländer raus".
Als eine Passantin näher kommt, lassen die Schläger von ihren Opfern ab und
gehen weg. Die Vietnamesen bleiben schwer verletzt liegen. Kurze
Zeit später kehren sieben Täter zum Tatort zurück. Mit der Bemerkung "Du
lebst ja noch" treten sie erneut auf den noch röchelnden Vien Thran ein.
Sein Freund Phong N. hört dies, stellt sich "tot" und entgeht so
wahrscheinlich noch schwereren Verletzungen. Drei
Frauen kommen an dem Tatort vorbei und holen Hilfe; eine schreit die Täter
an: "Hört doch auf, ihr Schweine." Aber erst herbeieilenden Wachleuten
gelingt es, die Täter von den beiden Schwerverletzten zu trennen. Der
Mann, der nach der Rückkehr der Täter ein zweites Mal mißhandelt wurde, ist
durch mehrere Berstbrüche der Schädeldecke und eine Gehirnblutung in
Lebensgefahr und wird mit einem Rettungshubschrauber in das Klinikum
Neubrandenburg geflogen. Erst elf Tage nach dem Überfall erwacht er aus dem
Koma. Fünf
Tage nach dem Überfall ist gegen sechs der Angreifer Haftbefehl erlassen
worden. Die Täter sind Mitglieder oder mindestens Sympathisanten der Gruppen
"Nationaler Widerstand Eggesin" und "Arischer Widerstand
Eggesin". Diese
Neonazi-Gruppen können sich auch nach den Mordanschlägen auf die Vietnamesen
ungehindert in zwei Garagen treffen, die ihnen die Gemeinde vermietet hat. Zwei
Angreifer, denen die Tötungsabsicht nicht nachgewiesen werden kann, werden
lediglich wegen Körperverletzung angeklagt. Am 23. September wird das
Verfahren gegen fünf weitere Täter von der Generalbundesanwaltschaft
übernommen, und im Januar wird gegen diese fünf Täter Anklage beim
Oberlandesgericht Rostock erhoben: wegen versuchten gemeinschaftlichen Mordes
und gefährlicher Körperverletzung. Am
11. April 2000 werden nach einem sechs Wochen dauernden nicht öffentlichen
Prozeß Haftstrafen gegen die 16 bis 20 Jahre alten Täter
zwischen vier und sechseinhalb Jahren ausgesprochen. NK 24.8.99; FR 24.8.99; jW 24.8.99; BeZ 24.8.99; jW 25.8.99; FR 25.8.99; BeZ 25.8.99; SZ 26.8.99; BeZ 27.8.99; FR 27.8.99; TS 27.8.99; BeZ 28.8.99; BeZ 31.8.99; BeZ 1.9.99; taz 1.9.99; taz 2.9.99; FR 6.10.99;
FR 18.10.99; FR 21.10.99; ARD "Kontraste" 9.12.99; BeZ 20.1.00; FR 20.1.00; FR 1.2.00; FR 21.2.00; BeZ 22.2.00; FR 22.2.00; FR 14.3.00; ND 14.3.00; BeZ 12.4.00; FR 12.4.00; taz 12.4.00; ND 29.5.00; BT-Drucksache 14/2012 23. August 99 Abschiebegefängnis
Rottenburg. Der Gefangene Noureddine Saadat verschluckt eine Rasierklinge,
als er erkennt, daß seine Abschiebung nach Algerien unmittelbar bevorsteht.
Der Anstaltsarzt erklärt ihn trotzdem für reise- und transportfähig und
Noureddine Saadat wird auf ein Polizeirevier in Reutlingen gebracht. Um 22 Uhr bekommt er so
starke Bauchschmerzen, daß die Beamten ihn in das Kreiskrankenhaus Reutlingen
fahren. Der dort behandelnde Arzt, der eine stationäre Aufnahme des
Gefangenen und eine Entfernung der Rasierklinge am nächsten Tag, mindestens
aber eine Verlegung in das Gefängniskrankenhaus Hohenasperg vorschlägt, kann
sich gegen die Polizei nicht durchsetzen, denn Noureddine Saadat kommt noch
in der Nacht zurück nach Rottenburg. Hier bekommt er in den
folgenden sechs Tagen ausschließlich Sauerkraut zu essen. In dieser Zeit
erfolgt eine Blutdruckmessung und eine Blutentnahme des Gefangenen, obwohl er
immer wieder über Bauchschmerzen klagt – und sogar damit droht, weitere
Rasierklingen zu schlucken, wenn er nicht in ein Krankenhaus gebracht werde. Am 6. September beginnt er
zusammen mit anderen Gefangenen einen Hungerstreik, um auf die verzweifelte
Situation aufmerksam zu machen. Als "Rädelsführer" wird Noureddine
Saadat daraufhin drei Tage später in das Gefängnis nach Waldshut-Tiengen
verlegt. Noureddine Saadat hat
panische Angst vor der Rückkehr nach Algerien. Sein Bruder verbüßt wegen des
Verdachts der Mitgliedschaft bei der FIS (Front Islamique du Salut) eine 10-jährige
Haftstrafe, und die Beamten in Rottenburg hatten beim Abschiebeversuch gegen
seinen ausdrücklichen Willen die Unterlagen seines Asylverfahrens und ein
Buch über die oppositionelle FIS in das Reisegepäck gelegt. Bereits vor dem
Selbstverletzungsversuch mit der Rasierklinge war zweimal versucht worden,
Noureddine Saadat abzuschieben. Aufgrund seiner heftigen Gegenwehr wurde er
dabei jedesmal von den BGS-Beamten so schwer mißhandelt, daß die Abschiebung
beide Male abgebrochen werden mußte. SchT 21.5.99; Bündnis gegen Abschiebehaft Tübingen
Okt.-Nov.-Dez. 1999; Der Schlepper Nr. 11/12 Juni 2000 25. August 99 Feuer im Flüchtlingsheim in
Fürstenwalde im Kreis Oder-Spree. Zwei Räume der Baracke brennen aus,
verletzt wird niemand. Die Ursache gilt als unklar. BeZ 26.8.99 28. August 99 Brandanschlag auf die
Flüchtlingsunterkunft im sächsischen Steinbach. Unbekannte schlagen nachts
ein Kellerfenster ein und gießen Brandbeschleuniger in den Keller. Der
Hausmeister entdeckt das Feuer, das dann von der Feuerwehr schnell gelöscht
werden kann. Von den 70 im Hause wohnenden Flüchtlingen wird niemand
verletzt. jW 30.8.99; BeZ 30.8.99; FR 30.8.99; LR 30.8.99 28. August 99 Bei einem Brand in einem
Flüchtlingsheim in Hannover wird ein Bewohner leicht verletzt. Rhein. Ztg 31.8.99 30. August 99 Rachid Sbaai, 19-jähriger
Flüchtling aus Marokko, stirbt in einer brennenden Zelle in der JVA Büren an
Rauchvergiftung. Rachid
Sbaai, der seit dem 9.3.99 in Abschiebehaft saß, wurde am 30.8. im Rahmen
einer gefängnisinternen "Disziplinarmaßnahme" zu einer Arreststrafe
von sieben Tagen in einer Isolationszelle (offizieller Begriff:
"Schlichtzelle") im Keller verurteilt. In diesem "Gefängnis im
Gefängnis" herrschen folgende Bedingungen: 8,5 m² Grundfläche, ein nicht
zu öffnendes Fenster, fest montiertes Mobiliar, ein Notfall-Alarm-Knopf.
Verbot von Büchern, Zeitungen, Fernsehen und Radio, absolutes Rauchverbot.
Bei Ankunft: Kleiderwechsel und Abnahme aller persönlichen Dinge. Eine Stunde
Hofgang am Tage – allein. Als
der Mitgefangene R., der in einer der Nachbarzellen arrestiert ist, Rachid
Sbaais Rufe "Anquithouni! Anquithouni!" ("Rette mich! Rette
mich!") hört und den Brandgeruch wahrnimmt, betätigt er sofort den
Alarmknopf in seiner Zelle. Später wird festgestellt, daß auch in Rachid
Sbaais Zelle der Alarmknopf gedrückt war. Beamte der JVA treffen allerdings
erst nach 15 Minuten bei der brennenden Zelle ein – und zwar auf ihrem
standardmäßigen Rundgang. Die
staatsanwaltlichen Ermittlungen ergeben, daß das Büro, in dem die Not-Signale
ankommen, nicht besetzt war – und es auch keine Dienstanweisung für eine
permanente Besetzung gab. Obwohl der Anwalt der Familie Sbaai an zwölf
Punkten nachweist, daß die Ermittlungen zum Tode Rachid Sbaais fehlerhaft
geführt wurden, wird das Ermittlungsverfahren im Herbst 2000 eingestellt. Hilfe für Menschen in Abschiebehaft Büren – Sommer 99; FR 1.9.99; taz 2.9.99; SZ 7.9.99; ND 2.10.99; jW 5.10.99; Hilfe für Menschen in Abschiebehaft Büren 12.10.00; NW 17.10.00; Hilfe für Menschen in Abschiebehaft Büren 26.8.01 August 99 Der aus der BRD
abgeschobene 22 Jahre alte kurdische Flüchtling Savas Cicek, der direkt nach
der Rückkehr zum Militärdienst eingezogen wurde, wird mit einer
Schußverletzung an der linken Schläfe tot aufgefunden. Die offizielle Version
"Selbstmord" wird nicht nur von seiner Familie, diesmal auch vom
Militärstaatsanwalt angezweifelt. jW 3.3.00 Anfang bis Mitte
September 99 Der 25 Jahre alte
kurdische Flüchtling Ismet Aslan wird in seiner Flüchtlingsunterkunft im rheinland-pfälzischen
Daun, Kreis Steineberg, erhängt aufgefunden. Ismet Aslan, der vor dem
Militärdienst in der Türkei geflohen war, hatte im April in der BRD um
politisches Asyl gebeten. Durch die Lebensbedingungen und die ständige Angst
vor Abschiebung war er in eine schwere psychische Krise geraten. Deshalb war
er einige Zeit im Krankenhaus behandelt worden. Özgür politika 14.9.99; AZADI informationen Nr. 16
August-Oktober 1999 1. September 99 Steinen bei Lörrach in
Baden-Württemberg. Morgens um 7.30 Uhr kommt die Polizei in die Unterkunft in
der Köchlinstraße, um die algerische Flüchtlingsfamilie B. zur Abschiebung
abzuholen. Die Eheleute bekommen die Gelegenheit, einige persönliche Sachen
einzupacken. Plötzlich
wird Herr Mokthar B. durch zwei Schüsse niedergestreckt, die ein Polizist auf
ihn abfeuerte. Mokthar B. wird in den Unterleib getroffen, bricht in seinem
Blut zusammen. Er wird mit einem Rettungshubschrauber ins Kantonsspital in
Basel gebracht. Die
Abschiebung seiner Frau und der 7-jährigen Zwillinge sowie eines 4-jährigen
Kindes wird für diesen Tag abgesetzt. Trotzdem darf seine Frau nicht zu ihrem
schwerverletzten Mann. Zudem wird sie über seinen Zustand und Aufenthaltsort
im Unklaren gelassen. Für
die Abgabe der Schüsse werden verschiedene Versionen bekannt. Das zuständige
Regierungspräsidium gibt an, daß Mokthar B. sich in bedrohlicher Weise mit
einem Messer der Polizei gegenüber verhalten hat. Die Polizeibehörde vor Ort
gibt an, daß Mokthar B. sich aus dem Fenster stürzen wollte und mit den
Schüssen – in "Nothilfe" – an einem Selbsttötungsversuch gehindert
wurde. Mokthar
B. erklärt dazu, daß er zu keinem Zeitpunkt die Polizei bedroht hat – im
Gegenteil, er sei von einem Polizisten zunächst mit einer Pistole geschlagen
worden, dann wurde auf ihn geschossen, und anschließend wurde er weiter
mißhandelt. Familie
B. ist seit 1992 in der BRD, weil Herr B. sich in Algerien akut bedroht
fühlte. Er war von einem Gericht in Oran zu einer 10-jährigen Freiheitsstrafe
verurteilt worden, weil er – als Angestellter des Blutspendedienstes –
erpreßt worden war, Blutspenden und Medikamente bei der FIS (Front Islamique
du Salut) abzuliefern. Dieses Urteil, das beim Asylverfahren vorgelegt werden
konnte, hatte das Frei-burger Verwaltungsgericht als Fälschung bezeichnet und
als Beweis nicht gelten lassen. Am
18. Dezember 2000 wird eine Eröffnung des Hauptverfahrens gegen den vom
Rechtsanwalt des Opfers wegen schwerer Körperverletzung angezeigten
Polizisten vom Amtsgericht Lörrach abgelehnt. Das
Ermittlungsverfahren gegen den polizeilichen Schützen wird am 11. Januar 2001
eingestellt. SAGA 2.9.99, SAGA 5.9.99, SAGA 6.9.99; StZ 2.9.99; BeZ 2.9.99; FR 3.9.99; BeZ 3.9.99; BaZ 3.9.99; Südwestdeutsche Ztg 6.9.99; StZ 8.9.99; jW 5.10.99; Arbeitskreis Miteinander 2.1.01; Pro Asyl Infoservice Nr. 43 –2001 Februar; morgengrauen April/Mai 01 3. September 99 Euskirchen in
Nordrhein-Westfalen. Morgens um 5 Uhr wird die Familie Toni aus dem Bett
geklingelt. Ihnen wird gesagt, daß sie ihre Sachen packen sollen, weil sie
abgeschoben werden. Zola Toni wehrt sich gegen die Festnahme und droht, sich
und seine Kinder umzubringen. Seine Ehefrau Kiswanga Muilu gerät dermaßen in
Panik, daß ein Arzt sie in die geschlossene Psychiatrie einliefert. Am
nächsten Tag gelingt ihr die Flucht aus dem Krankenhaus, sie bleibt
verschwunden. Ihre Kinder, der 10-jährige Mbudi Zola, der 7-jährige Adolf
Fritz und die 3-jährige Sabine, werden bei einer Pflegefamilie untergebracht.
Zola Toni kommt in Abschiebehaft in die JVA Büren. Zola
Toni war mit seiner Frau Muilu 1991 aus dem damaligen Zaire in die BRD
geflohen, weil er als Mitglied der UDFS (Union für Demokratie und sozialen
Fortschritt) politisch verfolgt wurde. Ihre Asylanträge und auch die der in
Deutschland geborenen Kinder sind alle abgelehnt worden. Am
18. Februar 2000 wird Zola Toni mit seinen Kindern in die Demokratische
Republik Kongo abgeschoben. Weder seiner Rechtsanwältin noch den
UnterstützerInnen gelang es, für die Kinder die Durchführung entsprechender
Impfungen zu erwirken. taz Köln 17.2.00; mfm Afrika-depeschen Mai 2000 5. September 99 Im sächsischen Ebersbach, direkt
an der deutsch-tschechischen Grenze, wird ein Flüchtling aus Moldawien bei
seiner Festnahme durch einen Diensthund des BGS gebissen und verletzt. BT-Drucksache
14/1850 7. September 99 In einem Kölner
Flüchtlingswohnheim brennt am Morgen der Flur im ersten Stock. Bei Sprüngen
aus den Fenstern verletzen sich zwei Bewohner. Weitere 20 Flüchtlinge können mit
Feuerwehrleitern gerettet werden. FR 8.9.99 9. September 99 Zwei jugendliche Deutsche
überfallen in Dresden einen 21 Jahre alten tunesischen
Flüchtling. Sie schlagen und treten auf ihn ein und stoßen ihn gegen eine
Schranke. Er wird verletzt. Die Täter werden nach kurzfristiger Festnahme
wieder auf freien Fuß gesetzt. BeZ 11.9.99; JWB 22.9.99 11. September 99 Rathenow im Kreis Havelland in
Brandenburg. Ein indischer Asylbewerber wird von einem 17-jährigen Deutschen rassistisch
beschimpft und dann dreimal mit der Faust ins Gesicht geschlagen. Nach der
Vernehmung durch die Polizei wird der Täter wieder freigelassen. BeZ 13.9.99; RA 13.9.99; JWB 22.9.99 13. September 99 Morgens um 6 Uhr
erscheinen Polizeibeamte im Flüchtlingsheim der baden-württembergischen
Ortschaft Botnang. Kurz darauf führen sie eine 32 Jahre alte bosnische Witwe
in Handschellen ab. Ihre vier kleinen Kinder im Alter zwischen sieben und elf
Jahren werden getrennt von der Mutter in einem anderen Polizeifahrzeug
abtransportiert. Dann wird die Familie über den Flughafen Frankfurt am Main
nach Sarajewo abgeschoben. Hier wird ihr schon unmittelbar nach der Ankunft
ihr gesamter Schmuck von Polizisten abgenommen. Die Abschiebung kam für die
Frau völlig überraschend, weil ihre Duldungsfrist auf Ende Oktober datiert
war. Zudem hatten die Beamten die an einem anderen Ort lebende Heimleiterin
nachts aus dem Schlaf geholt und um die Schlüssel für das Heim gebeten, um
dann unauffällig in das Heim zu gelangen. Diese
"Nacht-und-Nebel-Aktion" war notwendig, so die Polizei, um den
Schutz der Betroffenen zu gewähren. "Die Frau hat mehrmals gedroht, sich
und die Kinder im Falle einer Ausweisung umzubringen". Auf dem
Nachttisch im Schlafzimmer hätten die Beamten dann auch ein Küchenmesser
gefunden. Die Bosnierin war 1991
hochschwanger nach Stuttgart gekommen, nachdem ihre Familie von Serben
gewaltsam getrennt wurde und ihr Mann vor den Augen der Kinder verschleppt
worden war. StZ 16.9.99 15. September 99 Im sächsischen Reitzenhain wird
ein chinesischer Flüchtling auf der Flucht vor der deutschen Polizei durch
Bisse eines Diensthundes verletzt. BT-Drucksache 14/5613 19. September 99 Abschiebegefängnis
Berlin-Köpenick. Am späten Abend des siebenten Tages seines Hunger- und
Durststreikes wird der sudanesische Arzt Dr. Brier Ibrahim Musa aufgrund
seines lebensbedrohlichen gesundheitlichen Zustandes aus der Haft direkt ins
Krankenhaus Köpenick auf die Intensiv-Station gebracht. Dr.
Brier Ibrahim Musa ist und war aktives Mitglied in der oppositionellen
Democratic Union Party (DUP) im Sudan und hatte auch seine politische Arbeit
in der BRD fortgesetzt. Sein Antrag auf Asyl war abgelehnt worden. Antirassistische Initiative Berlin 20. September 99 17 erwachsene Flüchtlinge aus
Afghanistan und sieben Kinder (das jüngste 3 Jahre alt) werden auf einem
Autobahn-Parkplatz in der Nähe des mittelfränkischen Herrieden festgenommen.
Die Menschen gaben an, seit Tagen nichts mehr gegessen zu haben. FR 21.9.99 21. September 99 Im sächsischen Kurort Jonsdorf,
nahe der deutsch-tschechischen Grenze, wird ein Flüchtling aus Mazedonien bei
der Festnahme von einem Zollhund gebissen und verletzt. BT-Drucksache
14/1850 21. September 99 Im bayerischen Schirnding, an der
deutsch-tschechischen Grenze, werden zwei Flüchtlinge aus Rumänien nach ihrem
"unerlaubten" Grenzübertritt durch Bisse eines BGS-Diensthundes an
Oberarm, Oberschenkel und im Brustbereich verletzt. BT-Drucksache
14/1850 21. September 99 Im sächsischen Waltersdorf, an
der deutsch-tschechischen Grenze, erleidet ein mazedonischer Flüchtling bei
seiner Festnahme eine Bißverletzung durch einen Diensthund des BGS. BT-Drucksache
14/1850 September 99 Potsdam in Brandenburg. Ein 39-jähriger vietnamesischer
Flüchtling wird an einem Imbiß in "aggressiver Art" angesprochen,
sein Basecap herauszugeben. Als der Vietnamese zu fliehen versucht, wird er
verfolgt, geschlagen und getreten. BeZ 8.9.99; MAZ 8.9.99 September / Oktober 99 Während ihres Aufenthaltes im
Krankenhaus Berlin-Neukölln, bei dem sie sich einer gynäkologischen Operation
unterziehen muß, wird die 47 Jahre alte kriegstraumatisierte Bosnierin akut
retraumatisiert und versucht, sich umzubringen. Die Muslimin, die während
des Krieges in Jugoslawien mehrfach vergewaltigt worden war, war seit Mai
1999 "zur Ausreise verpflichtet". Sie hatte bereits zwei Besuche
beim Polizeiärztlichen Dienst (PÄD) zur Überprüfung
ihrer "Reisefähigkeit" hinter sich gebracht und brach beim dritten
zusammen, so daß ihre Befragung abgebrochen werden mußte. Am 29.10.99, also
21 Tage nach der Entlassung aus dem Krankenhaus-Neukölln, machte die
Polizei-Psychologin sogar einen Hausbesuch, weil die Bosnierin sich außer
Stande sah, noch einmal der Ladung des PÄD nachzukommen. Auch dieser Besuch
hatte den Sinn, die "Reisefähigkeit" der Frau festzustellen. Zum 21. Juli 2000 bekam die
Bosnierin erneut eine Vorladung zur polizeiärztlichen Untersuchung. Bei
Nicht-Befolgen würde ihr die Sozialhilfe gekürzt. Eine Flüchtlingsberatungsstelle in Berlin Herbst 99 Bundesland Bayern. Michail
Gorsky, Vater eines zwölfjährigen Sohnes, schluckt 80 Schlaftabletten, weil
ihm die Abschiebung nach Lettland bevorsteht. Er überlebt und im Januar 2000
wird die Familie nach Riga abgeschoben, die zehn Jahre lang in Herrsching
gelebt hatte. SD 1.8.03 1. Oktober 99 Ab heute werden abgelehnte
AsylbewerberInnen aus Algerien schon an der Flugzeugtür auf deutschen
Flughäfen von sogenanntem "spezialisierten Sicherheitspersonal" aus
Algerien in Empfang genommen und dann während der Abschiebung nach Algier,
Oman oder Constantine von diesen bewacht. Damit werden fortan die Verfolgten
den Organen des Verfolgerlandes direkt – und noch auf deutschem Boden –
ausgeliefert. Die Kosten dafür trägt die Bundesrepublik. Dieses
zwischenstaatliche Arrangement ist die praktische Umsetzung des am 14.2.97
beschlossenen Abkommens zwi-schen Algerien und der BRD. Schon während der
Vorvereinbarungen der beiden Länder im Jahre 1997 schrieb das deutsche
Innenministerium an die Innenminister der Länder: "Dies ist angesichts
der stetig zunehmenden Zahl renitenter algerischer Schüblinge von enormer
praktischer und medienöffentlicher Bedeutung." Pro Asyl 2.4.97; FR 3.4.97; Pro Asyl 3.5.99; FR 5.5.99; algeria-watch 25.5.99; taz 1.6.99 1. Oktober 99 Der algerische
Abschiebegefangene Moussa Moussaoui wird nach 74 (!) Tagen im Hungerstreik
aus dem Justizvollzugskrankenhaus Hohenasperg und damit aus der Abschiebehaft
Mannheim entlassen. Der
Anstaltsarzt hatte seinen gesundheitlichen Zustand als "kritisch und
zunehmend kritischer" bezeichnet. Das Landgericht Mannheim hatte den
weiteren Freiheitsentzug mit einer erheblichen Gesundheits- oder gar
Lebensgefahr in Verbindung gebracht. Nachdem
der Sudanese Aamir Ageeb, mit dem Moussa Moussaoui 24 Stunden lang vor dessen
Abholung seine Zelle geteilt hatte, bei der Abschiebung erstickt worden war,
hatte sich Herr Moussaoui an einem Sitzstreik und Protestlärmen der
Gefangenen beteiligt. Daraufhin wurde er am 2. Juli vom Abschiebegefängnis in
eine Isolierzelle im Haupthaus (normaler Strafvollzug) verlegt. Am 20. Juli
begann er dann seinen Hungerstreik. Nach 60 Tagen hatte Herr M. 18 Kilo
Körpergewicht verloren, war "völlig abgemagert" (amnesty
international) und in sehr schlechtem körperlichen Zustand. In dieser
Verfassung wurde am 2. September eine Abschiebung versucht, die daran
scheiterte, daß der Flug nach Algerien ausfiel. Den
Beschwerdeantrag des Flüchtlings gegen die für den 22. September geplante
Abschiebung läßt der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg wegen
"ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der vom Regierungspräsidium
Freiburg angeordneten Abschiebung" zu. Moussa
Moussaoui war vor seiner Flucht aus Algerien als Anhänger der FIS (Front
Islamique du Salut) von Polizei und Geheimdienst verfolgt worden. Sein
Cousin, der bei seiner Familie lebte, war eines Tages festgenommen worden und
ist seitdem verschwunden. AG für Menschen in Abschiebehaft Mannheim 1.8.99; AG für Menschen in Abschiebehaft Mannheim 7.9.99; FR 21.9.99; Bündnis gegen Abschiebungen Mannheim 22.9.99; StZ 23.9.99; StN 23.9.99; AG für Menschen in Abschiebehaft Mannheim 25.9.99; jW 4.10.99; FR 6.10.99; SAGA 26.10.99: AK Asyl Ba-Wü
Oktober-November-Dezember 99 3. Oktober 99 Ein Flüchtlingsheim im
schleswig-holsteinischen Ammersbek bei Hamburg wird am frühen Morgen durch
einen Brand völlig zerstört. Die 26 Erwachsenen und vier Kinder können sich selbst
retten. Die Brandursache ist unklar. FR 4.10.99; BeZ 4.10.99 3. Oktober 99 In der Nacht zum
frühen Morgen brennt die Flüchtlingsunterkunft Hoisbüttel bei Bad Oldesloe in
Schleswig-Holstein völlig aus. Alle 18 BewohnerInnen können sich unverletzt retten.
Noch am selben Tag heißt
es: "Einen fremdenfeindlichen Anschlag schließt die Polizei nach ihren
bisherigen Erkenntnissen ... aus". Der Schlepper Nr. 9 Winter 1999/2000 3. Oktober 99 Vier afghanische Kinder werden zwischen
den sächsischen Ortschaften Cunnersdorf und Heeselicht, nahe der
deutsch-tschechischen Grenze, mit Unterkühlungen aufgegriffen. BT-Drucksache 14/5613 4. Oktober 99 Lörrach in Baden-Württemberg. Um
4.30 Uhr stehen acht Polizisten in der Tür der kurdischen Familie T. in der
Wölblinstraße. Sie fordern die Familie auf, ihre Sachen zu packen; sie würden
jetzt abgeschoben, und das Flugzeug gehe um 11.15 Uhr ab Stuttgart. Frau
T. ist suizidgefährdet, und als ihr jetzt klar wird, daß sie unmittelbar vor
der Abschiebung steht, unternimmt sie einen Selbsttötungsversuch. Sie kommt
schwer verletzt auf die Intensivstation des Krankenhauses Lörrach. Ungeachtet
dieser Verzweiflungstat setzt die Polizei die Abschiebung des Herrn T. und
der Kinder fort. Erst in Stuttgart wird die Maßnahme gestoppt. SAGA 6.10.99; jW 25.10.99 9. Oktober 99 Bernau in Brandenburg. Ein
19-jähriger afghanischer Flüchtling und seine 9-jährige Schwester werden von
15 deutschen Rassisten beschimpft, beleidigt und bis zur Wohnung verfolgt.
Erst als die Polizei eintrifft, geben die Deutschen die Belagerung auf. Opferperspektive 10. Oktober 99 Bad Grund im Kreis Osterode in
Niedersachsen. Sechs bis zehn mit Ninja-Masken Vermummte dringen nachts in
das abseits der Ortschaft im Wald gelegene Flüchtlingsheim ein. Sie reißen
das Telefonkabel aus der Wand und hämmern gegen die verschlossenen
Zimmertüren, um herauszubekommen, wo die Menschen schlafen. Sie zertrümmern
Türen und fast alle Einrichtungsgegenstände. Sie rufen "Wir sind Nazis!" Dann
prügeln sie mit Baseballschlägern auf Bewohner ein. Der 30-jährige Mopela W.
aus Kongo und der 18 Jahre alte Ousmane Bah aus Sierra Leone werden brutal
zusammengeschlagen; einem dritten, dem 28-jährigen Jonas Sawes aus Kamerun,
gelingt die Flucht durch den Sprung aus dem Fenster. Er alarmiert die
Polizei. In
ihrer Angst fliehen dann auch die Schwerverletzten in den Wald und trauen
sich erst nach mehrmaliger Aufforderung der Polizei zurück. Mopela
W. ist lebensgefährlich verletzt und muß im Göttinger Krankenhaus wegen einer
Gehirnblutung notoperiert werden. Sein Zustand ist auch am nächsten Tag noch
"kritisch". Auch Ousmane Bah muß seine Verletzungen stationär im
Krankenhaus behandeln lassen. Aus
Angst vor einem weiteren Überfall schlafen drei Männer aus dem Heim in der
kommenden Nacht freiwillig in den Arrestzellen der Polizei. Die
Polizei vermutet die Täter unter den Einheimischen der 2500 Menschen
zählenden Gemeinde Bad Grund, denn es gab schon mehrere Übergriffe gegen die
Flüchtlinge. Vor einigen Monaten hatte ein Mann in einem BMW versucht, zwei
Bewohner der Flüchtlingsunterkunft auf dem Waldweg zu überfahren. Nur mit
einem Sprung ins Gebüsch konnten sich die Männer retten. Als
Mopela W. im Göttinger Krankenhaus am 14. Oktober das Bewußtsein wieder
erlangt, fragt er nach seinen Freunden aus dem Heim. Die Erlaubnis, die
Ousmane Bah und Jonas Sawes bräuchten, um nach Göttingen zu fahren, wird
ihnen vom Sozialamt verweigert (Residenzpflicht). Als
einer der Flüchtlinge Ende Oktober aus einer Telefonzelle heraus den
Schwerverletzten im Krankenhaus anrufen will, reißen drei Jugendliche die Tür
auf und rufen: "Dieses Telefon ist nicht für dich! Raus!" Beim
Einkaufen im nächsten ALDI-Markt werden die Überfallenen mehrfach
kontrolliert und durchsucht. Sie
beantragen eine Verlegung an einen anderen Ort, weil sie weiterhin bedroht
und beleidigt werden. Der Samtgemeindedirektor Bernd Boysen erwidert ihnen
daraufhin: "Dann geht doch wieder nach Afrika." Erst
Mitte Februar 2000 erhalten die drei Flüchtlinge einen Bescheid: "Um
Ihre Sicherheit gewährleisten zu können, werden Sie .... im öffentlichen
Interesse in die Stadt Wolfenbüttel umverteilt." Das
Flüchtlingsheim Wolfenbüttel liegt neben dem Gelände der Kriminalpolizei und
in unmittelbarer Nähe zur Abschiebehaftanstalt. Auch
zwei Jahre nach dem Überfall sind die Täter nicht ermittelt. Aus den
Ermittlungsakten geht hervor, daß es keinerlei Anfragen oder Ermittlungen zu
neofaschistischen Strukturen vor Ort gegeben hat. Stattdessen werden die
anfänglichen Diffamierungen der Flüchtlinge, es handele sich bei dem Überfall
um eine "Abrechnung unter Drogendealern" von Presse und lokalen
PolitikerInnen weiter zementiert, ohne daß irgendein Beweis dafür vorliegt. (siehe auch: September 01) ND 11.10,99; FR 11.10.99; HAZ 12.10.99; FR 12.10.99; taz 12.10.99; FR
13.10.99; AK Asyl Göttingen 14.10.99; jW 16.10.99; FR 28.10.99; JWB 3.11.99; Karawane – Bremen; Pro Asyl "Tag des Flüchtlings"
September 2000; FRat NieSa Heft 83/84 Jan.. 2002 (Bericht
der Betroffenen) 11. Oktober 99 Um 1 Uhr nachts dringen drei
Deutsche in die Flüchtlingssiedlung in Hamburg-Schnelsen ein, brüllen
"Heil Hitler" und "Sieg Heil", reißen Metallmülleimer aus
der Verankerung, schlagen Scheiben ein, zerstören eine Telefonzelle und eine
Kinderschaukel. Als die Flüchtlinge die Randalierer zur Rede stellen wollen,
zieht einer der Männer eine Pistole und schießt auf die Flüchtlinge. Da diese
nicht wissen, daß es sich um eine Schreckschußpistole handelt, erfahren sie
Todesangst. Alle
drei Täter können von der Polizei festgenommen werden. FR. 12.10.99; BeZ 12.10.99; ND 12.10.99; HM 14.10.99 11. Oktober 99 In der sächsischen Ortschaft Cranzahl, nahe
der deutsch-tschechischen Grenze, wird ein rumänischer Flüchtling bei der
Verfolgung durch den BGS von einem Diensthund gebissen und verletzt. BT-Drucksache 14/5613 12. Oktober 99 Der 32 Jahre alte
iranische Flüchtling Mehran H. befindet sich seit 20 Tagen in der Zentralen
Anlaufstelle für Asylbewerber des Landes Brandenburg in Eisenhüttenstadt. Er
schreibt einen Abschiedsbrief, legt ihn mit anderen persönlichen Sachen in
eine Tasche und sagt seinen Freunden, daß er nach Hamburg fahren wird. Nach einigen Stunden findet
ein Heimbewohner den Koran von Mehran H. am nahegelegenen Ufer des
Oder-Spree-Kanals – in der Nähe wird auch die Tasche gefunden. Nach stundenlanger Suche
birgt die Polizei den toten Mehran H. aus dem Oder-Spree-Kanal. In seinem Abschiedsbrief
steht sinngemäß: Ich bin mit dem Leben nicht zufrieden. Ich habe es mir
anders vorgestellt. Deshalb bringe ich mich um. Antirassistische Initiative Berlin 12. Oktober 99 Im bayerischen Schirnding im
deutsch-tschechischen Grenzbereich wird eine Person aus Rumänien durch einen
Diensthund am rechten Arm verletzt. BT-Drucksache 14/5613 13. Oktober 99 Mindestens fünf jugendliche
Deutsche übersteigen den Zaun des Geländes, feuern Leuchtraketen auf das
Leipziger Flüchtlingsheim ab und werfen mit Steinen mehrere Fenster ein.
Gegen die Täter wird wegen Landfriedensbruchs ermittelt. taz 15.10.99; JWB 20.10.99 14. Oktober 99 Kiel in Schleswig-Holstein. Als
der 15 Jahre alte türkische Flüchtling aus einem Bus aussteigt, wird er zunächst
von fünf Nazis verfolgt. Einer der Verfolger reißt ihn dann zu Boden und
tritt und schlägt auf ihn ein. Als sich Bauarbeiter einmischen, fliehen die
Angreifer. Der 15-Jährige ist an Armen und Beinen verletzt. FR 15.10.99; Was geht ab? Nr. 28 15. Oktober 99 Abschiebegefängnis Glasmoor in
Norderstedt bei Hamburg. Der kurdische Flüchtling Davoud S. schluckt eine
Überdosis Tabletten, um sich umzubringen. Nach einem Aufenthalt im
Vollzugskrankenhaus Ochsenzoll wird er in die Untersuchungshaftanstalt
Holstenglacis überführt, wie es heißt "zur besseren Beobachtung". Vor
zwei Jahren war der heute 20-Jährige und im Iran politisch Verfolgte in die
BRD geflohen. Sein Antrag auf Asyl wurde abgelehnt. Als Davoud S. vor drei
Wochen eine Selbsttötung im Falle seiner Abschiebung ankündigte, wurde er in
das Hamburger Vollzugskrankenhaus gebracht, auf Medikamente eingestellt – und
kam dann zurück nach Glasmoor. taz 19.10.99; jW 28.10.99 Mitte Oktober 99 Zentrale Erstsammelunterkunft für
erwachsene Asylsuchende Hamburg-Neumühlen. Der 17-jährige Nestor Z.
verabschiedet sich von den Wachpförtern des Wohnschiffes mit
"Tschüß", zieht sich auf der Gangway die Schuhe aus und springt in
die Elbe. Die Feuerwehr kann ihn nur noch tot bergen. Nestor
Z. war ohne Eltern aus Burkina Faso geflohen und lebte auf einem der völlig
überbelegten Wohnschiffe. Nach Aussagen einer Sozialarbeiterin wirkte er
"nicht depressiver als die meisten anderen auch". taz 4.11.99 19. Oktober 99 Der 30 Jahre alte Iraker Khaled
E. bedroht den Piloten einer Egypt Air Maschine nach dem Start mit einem
Messer und zwingt ihn, statt nach Kairo nach Hamburg zu fliegen. In
Hamburg-Fuhlsbüttel kann der Luftpirat zur Aufgabe überredet werden und
springt dann freiwillig um 21 Uhr auf die Rollbahn. Er bittet um Asyl. Die
Tatwaffe, das Messer, mit dem die Entführung erzwungen worden sein soll, ist
einen Tag später noch nicht gefunden worden. Bereits
am 5. Oktober hatte Khaled E. die Einreise in die BRD versucht, war dann nach
einer Woche zurückgeschoben worden. BeZ 21.10.99; taz 21.10.99 22. Oktober 99 Ein 22-jähriger nigerianischer
Flüchtling wird von zwei Unbekannten im brandenburgischen Hennigsdorf
festgehalten und mit der Faust ins Gesicht geboxt. Obwohl er versucht, sich mit
einer Wasserflasche zu verteidigen, wird er verletzt. ALB (BM); Opferperspektive (BM 25.10.99); Konkret 10/00,
S. 17 24. Oktober 99 Kurz nach Mitternacht wird ein
Schuß auf das Flüchtlingsheim in Althüttendorf in Brandenburg abgegeben. Das
Projektil durchschlägt die Hauswand und zwei weitere Spanplatten-Wände.
Verletzt wird niemand. ALB (PNN, MOZ, MAZ, BM) 27. Oktober 99 Bei einem Feuer in einem
Flüchtlingsheim im niedersächsischen Langenhagen werden acht Menschen
verletzt. Das Feuer war im zweiten Stock ausgebrochen und breitete sich
schnell auf die anderen Etagen aus. Vier vom Feuer eingeschlossene
Flüchtlinge können mit Drehleitern gerettet werden. Das Heim, in dem 182
Menschen untergebracht sind, brennt völlig nieder. RTL Nachtmagazin 27.10.99; Bild 28.10.99 29. Oktober 99 Ein Brandsatz wird in die
Einfahrt des Flüchtlingsheimes in der sächsischen Ortschaft Torgau geworfen.
Verletzt wird niemand. Was geht ab? Nr. 28 Oktober 99 Flüchtlingsunterkunft im Transitbereich des Flughafens Frankfurt am Main,
Gebäude C 182. Die Asylbewerberin Frau E. aus Algerien sitzt seit 79 Tagen im
Transitbereich, als sie einen Nervenzusammenbruch erleidet. Sie kommt
wiederholt wochenlang in die Psychiatrie und steht unter Psychopharmaka. Nach
mehreren Suizidversuchen im Dezember und Januar, unter anderem durch Trinken
von Reinigungsmitteln, wird sie sieben Tage lang ans Bett fixiert. 179 Tage
nach ihrer Ankunft am Frankfurter Flughafen wird ihr die Einreise gestattet. FSD-Ffm Anfang November 99 Hamburger Abschiebegefängnis
Glasmoor in Norderstedt. Der tunesische Flüchtling Kamel C. schneidet sich in
seiner Zelle die Pulsadern auf und beginnt am gleichen Tag einen vierwöchigen
Hungerstreik aus Protest gegen seine angedrohte Abschiebung. (siehe auch:
Mitte April 00) taz Hamburg 19.6.00 1. November 99 Vor dem Flüchtlingsheim im
sächsischen Torgau provozieren mehrere Nazis, und die Polizei greift erst
ein, als die BewohnerInnen beginnen, sich zu wehren. Was geht ab? Nr. 28 3. November 99 Nürnberg. Morgens um 9.30 Uhr
dringen Polizeibeamte in das Privatzimmer der 28 Jahre alten iranischen
Asylbewerberin Roya Mosayebi ein und bringen sie mit Gewalt in die
Polizeiinspektion am Jakobplatz. Dort fordern sie Frau Mosayebi auf, ein
Kopftuch anzulegen. Als sie erklärt, daß sie nie mehr einen Schleier tragen
werde, wird sie von sechs PolizistInnen niedergerungen und auf einen Stuhl
gezwungen. Sie wird festgehalten, und ein Kopftuch wird ihr mit Gewalt
angelegt. Frau Mosayebi weint vor Schmerzen und Demütigung. In dieser
Verfassung wird sie fotografiert. Frau
Mosayebi erleidet eine Verletzung des linken Schultergelenkes, eine Zerrung
der Rotatorenmanschette und Blutergüsse am rechten Oberarm. Die
Ausländerbehörde Nürnberg hatte die Polizeiaktion veranlaßt, weil die
iranischen Behörden nur Paßbilder akzeptieren, auf denen die Frauen
verschleiert dargestellt sind. Das
Bayerische Verwaltungsgericht billigt im März 2000 in einem Eilverfahren
diese Praxis der Stadt Nürnberg. Karawane
– München
15.11.99; taz 24.3.00 3. November 99 An der Tankstelle Seeberg im
brandenburgischen Märkisch-Oderland gibt ein Polizist in Zivil in den frühen
Morgenstunden Schüsse auf ein ihm verdächtiges Fahrzeug ab. Der PKW wird eine
Stunde später in Berlin-Marzahn mit Einschüssen am Heck aufgefunden – auf der
Rückbank sitzt der lebensgefährlich verletzte Vasile C. Der Angeschossene ist
ein 26-jähriger Rumäne, der zur
Abschiebung ausgeschrieben war. Eine der Kugeln des Polizisten hat seine
Wirbelsäule getroffen und so schwer verletzt, daß Vasile C. lebenslang auf
den Rollstuhl angewiesen sein wird. Der
39 Jahre alte Schütze wird im Juni 2001 vom Vorwurf des versuchten Toschlags
und der schweren Köperverletzung freigesprochen. BeZ 4.11.99; BeZ 5.11.99; UNBEQUEM 12/99; BeZ 22.2.01; BeZ 14.6.01 5. November 99 Zwickau in Sachsen. Morgens um
5.40 Uhr erscheinen drei Polizeibeamte in der Flüchtlingsunterkunft, um die
angolanische Familie Bongo zur Abschiebung abzuholen. Als
dem 36-jährigen Manuel Quiala Bongo die Handschellen angelegt werden, springt
seine Frau vor den Augen ihrer zwei kleinen Kinder aus dem Fenster. Frau
Bongo kommt mit einem Notarztwagen ins Krankenhaus. Herr
Bongo lebte schon zu DDR-Zeiten in Sachsen, und 1991 war ihm seine Frau mit
dem damals 2-jährigen Sohn gefolgt und hatte Asyl beantragt. Ihre heute
8-jährige Tochter wurde in der BRD geboren. Kommentar
des Leiters der Chemnitzer Ausländerbehörde, Konrad Hiersemann:
Selbsttötungsversuche seien insbesondere bei Asylbewerbern aus afrikanischen
Staaten nicht außergewöhnlich. Bei jeder zweiten Abschiebung sei man damit
konfrontiert. ND 6.11.99; JWB 24.11.99; jW 26.11.99 6. November 99 15 Rassisten
überfallen in Essen ein Flüchtlingsheim und stechen sofort auf die Bewohner
ein. Drei Männer werden verletzt. Einer von ihnen, ein 40 Jahre alter
Georgier, befindet sich noch am nächsten Tag in Lebensgefahr. Zehn
Tatverdächtige werden festgenommen. taz 8.11.99 7. November 99 Magdeburg in Sachsen-Anhalt. Vor
dem Hauptbahnhof werden zwei Flüchtlinge aus dem Irak und drei mongolische
Studenten von drei deutschen Rassisten beschimpft, beleidigt und mit Fäusten
attackiert. Die Täter drohen mit einer Schreckschußpistole und hetzen
schließlich einen Stafford shire-Terrier auf die Menschen.
Ein Mongole wird in den Unterarm gebissen – andere erleiden Prellungen. Nach
vorübergehender Festnahme werden die Täter abends von der Polizei wieder auf
freien Fuß gesetzt. BeZ 9.11.99; FR 9.11.99; jW 9.11.99; taz 9.11.99 9. November 99 Kalkhorst in Mecklenburg-Vorpommern.
Ein 14 Jahre alter Deutscher wirft einen Molotow-Cocktail auf das
Flüchtlingsheim. Verletzt wird niemand, weil der Brandsatz einige Meter vor
der Unterkunft zerschellt und abbrennt. Was geht ab? Nr. 28 9. November 99 Bad Säckingen in
Baden-Württemberg. Ein türkischer Asylbewerber wird von zwei jugendlichen
Rassisten überfallen, geschlagen und getreten. Der Mann muß seine
Verletzungen ambulant behandeln lassen. Was geht ab? Nr. 28 9. November 99 Nidderau im Main-Kinzig-Kreis in
Hessen. An einem Döner-Imbiß im Ortskern des Stadtteils Windecken wird ein 15
Jahre alter afrikanischer Flüchtling von einem Deutschen mit einem Beil
angegriffen und am Arm verletzt. Der
Täter, ein 38-jähriger Werkzeugmacher, läuft dann nach Hause, setzt sich ins
Auto und fährt zum Marktplatz der Stadt. Dort attackiert er einen 13-jährigen
und einen 25-jährigen afrikanischen Flüchtling mit dem Beil, verletzt sie an
Kopf und Armen und flieht in seinem Pkw. Der
Täter gibt nach seiner Festnahme an, daß er alle Ausländer, "vor allem
Neger und Türken" hasse. Er hatte das Beil vor der Tat extra geschärft.
Er gilt als psychisch krank und wird in die psychiatrische Fachklinik Haina
bei Frankenberg eingeliefert. FR 11.11.99; FR 12.11.99 11. November 99 Der 22 Jahre alte algerische
Flüchtling Jamal Heichour wird am 15. Tag seines Hungerstreiks aus dem
Abschiebegefängnis Berlin-Köpenick aufgrund seines schlechten
gesundheitlichen Zustandes entlassen. Herr
Heichour saß seit dem 26. Januar, also seit über 10 Monaten in Abschiebehaft, und
obwohl es objektive Abschiebe-Hindernisse gab, war eine erneute Verlängerung
der Haftzeit abzusehen. Antirassistische Initiative Berlin 14. November 99 Zwei deutsche
Rassisten versuchen, das Flüchtlingsheim im sächsischen Eulatal anzuzünden. taz 3.12.99 14. November 99 Luckenwalde im Kreis
Dahme-Spreewald in Brandenburg. Ein 24-jähriger Flüchtling aus Kamerun wird
von vier Deutschen verfolgt, mehrmals ins Gesicht geschlagen und mit Füßen
getreten. Der Verletzte muß sich im Krankenhaus behandeln lassen. BeZ 16.11.99; Die Welt 16.11.99; BeZ 17.11.99; MAZ 17.11.99 14. November 99 Im sächsischen Bad Schandau wird
eine rumänische Person nach Übertritt der deutsch-tschechischen Grenze bei
der polizeilichen Verfolgung durch einen Diensthund verletzt. BT-Drucksache 14/5613 17. November 99 Die 42-jährige Bosnierin Hamida
Mujanovic stirbt drei Monate nach ihrer erzwungenen Rückkehr aus der BRD nach
Bosnien. Sie war mit ihrer Familie 1993 nach Deutschland geflohen und lebte
im rheinischen Velbert. Sie litt seit Jahren schwer unter Asthma, lag oft im
Krankenhaus, und ärztliche Bescheinigungen und Atteste hatten darauf
hingewiesen, daß eine Rückkehr nach Bosnien ohne Lebensgefahr nicht möglich
sei. Nachdem
Frau Mujanovic, ihrem Mann und den zwei Kindern die Abschiebung angedroht
worden war, reisten sie im August 99 "freiwillig" nach Bosnien
zurück. Ihrem
behandelnden Arzt Hamzic Nedreta fehlten in Bosnien die notwendigen
Medikamente, um das Leiden von Frau Mujanovic zu lindern. Er schrieb ihr
Medikamente auf, die sie sich aus Deutschland schicken lassen sollte – doch
dafür fehlte das Geld. Der
Arzt schreibt nach dem Tod seiner Patientin an seine "Sehr geehrten
Kollegen" in Deutschland unter anderem: "Dies schreibe ich Ihnen
aus dem Grund, weil Frau Mujanovic und ihr Leben außerhalb der paraphierten
Verträge zwischen Bosnien und Deutschland lag. Wir sind nicht flexibel. Aber
traurig ist, dass auch Sie als eines der fortschrittlichsten und meist
entwickelten Länder der Welt es auch nicht sind." FR 29.3.00 18. November 99 Als Yenga Manguai bei der
Ausländerbehörde Osterode seine Duldung verlängern lassen will, wird er
festgenommen und kommt in Abschiebehaft in die JVA Wolfenbüttel. Er
verweigert sofort jegliche Nahrungsaufnahme, trinkt wenig, sammelt allerdings
die Beruhigungstabletten, die ihm verordnet werden, und versucht, sich dann
damit das Leben zu nehmen. Yenga
Manguai floh vor acht Jahren aus dem Kongo in die BRD, lebte hier mit seiner
deutschen Freundin und ihren beiden gemeinsamen Kinder. Die Heirat war
vorbereitet. Am
23. November soll Yenga Manguai von Hannover mit der Fluggesellschaft
Eurowings (EW 74) nach Kinshasa in den Kongo abgeschoben werden. Während der
ganzen Autofahrt und auch in der Flughafenzelle sind seine Hände hinter dem
Rücken gefesselt. Aus
Protest gegen die Abschiebung des abgelehnten Asylbewerbers haben sich ca. 40
Personen auf dem Flughafen eingefunden, dreien gelingt es, in die Maschine zu
kommen. Der Pilot verweigert letztendlich aufgrund des desolaten
Gesundheitszustandes die Mitnahme von Yenga Manguai. Am
1. Dezember muß der zweite Abschiebeversuch abgebrochen werden, weil der
immer noch hungerstreikende Yenga Manguai einen Metallgegenstand verschluckt
hat und in die Medizinische Hochschule Hannover eingeliefert werden muß.
Unter Polizeikontrolle kommt er in die Notaufnahme und abends zurück in die
JVA Wolfenbüttel. Seit seiner Inhaftierung verweigert er die Nahrungsaufnahme. Am
8. Januar 2000 schreibt Yenga Manguai einen Abschiedsbrief und verschluckt
anschließend einen Löffelstil. Es erfolgt die Verlegung in die JVA Lingen, wo
er medizinisch betreut wird, bis der Fremdkörper herausgekommen ist. Dann
erfolgt die Rücküberweisung nach Wolfenbüttel, wo Yenga Manguai am 31.
Januar, an seinem Geburtstag, erneut ein Metallstück verschluckt. Es erfolgt
die zweite Einweisung in die JVA Lingen – dieses Mal für ca. eine Woche. Göttinger AK zur Unterstützung von Asylsuchenden; IMRV Bremen; jW 8.2.00 18. November 99 Furth im Wald in Bayern. Drei
moldawische Flüchtlinge, die die tschechisch-deutsche Grenze in den
Unterflurkästen eines Zuges überwunden haben, werden mit Unterkühlungen
aufgefunden. BT-Drucksache 14/5613 18. November 99 Der togoische Flüchtling Koudjo
Atchade lebt schon seit über zwei Jahren im Flüchtlingsheim in Raisdorf bei
Plön in Schleswig-Holstein. Als er um 12.20 Uhr von der Arbeit kommt, findet
er sein Zimmer verschlossen vor. Er hat an diesem Tag einen Termin bei seinem
Anwalt in Hamburg und benötigt dafür wichtige Papiere, die sich im Zimmer
befinden. Er bittet den Hausmeister, die Tür zu öffnen, der das verweigert.
Er geht zweimal zum Rathaus und bittet dort um Hilfe. Auch auf telefonische
Intervention der Beamten verweigert der Hausmeister das Öffnen der Zimmertür.
Nachdem Herr Atchade den Hausmeister erneut persönlich gebeten hat, geht er
zu seiner Tür und versucht, sie zu öffnen. Als er schließlich mit den Füßen
dagegen tritt, kommt der Hausmeister schreiend und wütend auf ihn zu, packt
ihn am Hals und drückt ihm die Kehle zu. Koudjo Atchade gelingt es, eine der
um seinen Hals geklammerten Hände zu lösen und beißt in das Handgelenk. Der
Angreifer läßt los und schlägt dem Afrikaner ins Gesicht. Plötzlich erscheint
die Polizei: eine Polizistin und ihr Kollege. Der
Beamte hilft dem Hausmeister, Herrn Atchade zu überwältigen. Sie klemmen
seinen Kopf zwischen die Beine des Hausmeisters, so daß er keine Luft mehr
bekommt. Um sich zu befreien, beißt er dem Hausmeister ins Bein. Daraufhin
biegt der Polizist seine Arme auf den Rücken und legt ihm Handschellen an. In
dieser wehrlosen Verfassung schlägt ihm der Hausmeister gegen das Kinn, so
daß der Mund blutet. Als Herr Atchade ihm sein Blut ins Gesicht spuckt,
bekommt er einen Trítt gegen die linke Brustseite, der ihn zu Boden streckt.
Er wird dann – auf dem Bauch liegend – unten gehalten, indem der Polizist ihn
mit seinem Gewicht in Brustkorbhöhe niederhält und der Hausmeister auf seinen
Hüften hockt und ihm die Füße festhält. Koudjo Atchade verliert das
Bewußtsein. Als
er wieder zu sich kommt, liegt er immer noch in derselben Position, und nach
ca. einer Viertelstunde ziehen sie ihn hoch und schaffen ihn ins Polizeiauto.
Zusätzlich zu den auf dem Rücken sitzenden Handschellen werden hier jetzt
auch seine Füße festgebunden, und er liegt wieder mit dem Gesicht auf dem
Boden. Er bekommt Sehstörungen – sieht alles doppelt. Auf der Polizeistation
wird er – immer noch in Handschellen – in eine Zelle eingeschlossen. Eine
halbe Stunde später erfolgt dann endlich die Fahrt in das Krankenhaus von
Preetz, damit seine Verletzungen behandelt werden können. Seine
Transport-Haltung im Polizeiwagen: Hände immer noch auf dem Rücken gefesselt
und das Gesicht gegen den Boden. Gegenwind 136 Jan. 00; Der Schlepper Nr.10 Frühjahr 2000 19. November 99 Sammelabschiebung von 40
abgelehnten AsylbewerberInnen von Düsseldorf nach Accra in Ghana. Die
guineischen Flüchtlinge Fode Konate, Ibrahim Kante, Umar Balde und Ibrahim
Camara kommen aus der Abschiebehaft in Büren, die anderen 36 Menschen wurden
aus anderen Bundesländern zusammengezogen. Die
vier Flüchtlinge aus Guinea sollen nach ihrer Ankunft in Accra mit einer
Maschine der Ghana Airlines weiter nach Conakry befördert werden. Nach
Bestätigung des Auswärtigen Amtes sind diese vier Personen nie am Flughafen
Conakry angekommen. Die Suche nach ihnen ist ergebnislos geblieben. mfm 23.12.99; Depeschen Nr. 55, S. 1; ND 31.12.99 24. November 99 Der kurdische
Flüchtling und abgelehnte Asylbewerber Hüseyin Ayhanci wird aus Hessen nach
Istanbul abgeschoben. Am Flughafen wird er festgenommen und sieben Tage lang
festgehalten, beschimpft und bedroht. Nach seiner Freilassung fährt Herr
Ayhanci zunächst nach Mardin, dann allerdings aus Angst vor weiterer
Verfolgung in die westtürkische Stadt Izmir. Dort wird er am 28. Januar 2000
von drei Zivilpolizisten in ein Auto gezerrt und entführt. Unter der Drohung, ihn zu
erschießen, wird er in ein Gebäude gebracht und dort schwer gefoltert. Seine
Füße werden in ein Klemmbrett gespannt und gequetscht. Dann erleidet er
Schläge auf Rücken, Beine, Arme, und schließlich werden Arme und Schultern
unter Strom gesetzt. Die Polizisten befragen ihn nach der Tätigkeit von
kurdischen Vereinen in Deutschland und versuchen, ihn als Agenten zu
gewinnen. Als Herr Ayhanci am
nächsten Tag freigelassen wird, stellt ein Arzt vom gerichtsmedizinischen
Institut in Izmir zahlreiche Blutergüsse an Kopf, Rücken, Armen, Schulter und
auf der Zunge fest. Der Asylfolgeantrag von
Frau Ayhanci, die mit ihren sieben Kindern noch im Main-Kinzig-Kreis lebt,
ist abgelehnt worden. Ihnen droht jetzt auch die Abschiebung in die Türkei. FR
9.2.00; jW 10.2.00; FR 4.3.00; FR 29.4.00; Dokumentation vom FRat NieSa und Pro
Asyl, Mai 2000; Der Schlepper Nr. 10, Frühjahr 2000; Dokumentation vom FRat NieSa, Juli 2002 25. November 99 Zum dritten Mal wird versucht,
den 24-jährigen Flüchtling A. B. nach Algerien
abzuschieben. Während des Transportes aus der Abschiebehaft JVA Leipzig zum
Flughafen Frankfurt am Main sind seine Arme mit Klebebändern oben (!)
fixiert. Zu der ohnehin sehr schmerzhaften Körperhaltung reißen diese Bänder
noch zusätzlich Wunden. Ende
August hatte sich der Abschiebegefangene aus Protest und Verzweiflung wegen
der angedrohten Abschiebung viele Schnittverletzungen an Armen und Oberkörper
zugefügt. Am 28. August wurde er deshalb ins St.-Georg-Krankenhaus
eingeliefert. Als
er am 14. September über Berlin abgeschoben werden soll, empfiehlt ein
Notarzt dringende medizinische Versorgung. Auch diese Abschiebung wurde
abgebrochen. Anfang
des Jahres 2000 wird A. B. mit einer kleinen Chartermaschine nach Algerien
abgeschoben. Abschiebehaft-Gruppe beim FRat Leipzig 26. November 99 Der 17-jährige Issaka Kaba aus
Sierra Leone wird von zwei Deutschen in einer Potsdamer Straßenbahn
beschimpft und bedroht. Als eine Frau sich zu seiner Verteidigung einmischt,
wird auch sie bedroht. Ihr Ehemann zieht daraufhin die Notbremse, und die
alarmierte Polizei nimmt einen der Angreifer gleich in Haft, weil gegen ihn
ein Haftbefehl vorliegt. Issaka
Kaba hatte bereits im Februar in Guben rassistische Gewalt auf brutalste
Weise erfahren müssen ("Hetzjagd"). Er erlebt diese Gewalt jetzt
zur Zeit der Gerichtsprozesse, in denen er als Nebenkläger auftritt, seelisch
immer wieder aufs Neue. Eine
psychologische Betreuung gibt es auch nach diesem zweiten Angriff in Potsdam
nicht. I.A.A.D.H.; BeZ 29.11.99; MAZ 29.11.99 29. November 99 Harthauer Berg bei Chemnitz. In
einer vermeintlichen "Notwehrhandlung nach Angriff auf eine
Zollbeamtin" wird ein rumänischer Mann nach seinem
"unerlaubten" Grenzübertritt durch einen Wadendurchschuß verletzt. BT-Drucksache 14/5613 30. November 99 Der 28 Jahre alte Flüchtling und
abgelehnte Asylbewerber Amir N. aus Ruanda wird bei seiner Abschiebung von
deutschen und niederländischen Polizisten auf dem Amsterdamer Flughafen
mißhandelt. Ein deutscher Beamter nimmt seinen Kopf zwischen die Beine und
steckt ihm ein Kissen in den Mund. Erst als er der Ohnmacht nahe ist, lassen
die Beamten ihn wieder atmen, und erst nachdem die Maschine in der Luft ist,
lassen sie von ihm ab. UNBEQUEM 12/99 (Der Patriot 2.12.99) Anfang Dezember 99 Flüchtlingsunterkunft im Transitbereich des Flughafens Frankfurt am Main,
Gebäude C 182. Nachdem sein Asylantrag im Rahmen des Flughafenverfahrens
abgelehnt ist, versucht sich der Iraner M. umzubringen, indem er in eine
Glasscheibe läuft. Im Krankenhaus, in dem die Verletzungen versorgt werden,
bekommt er Medikamente gegen Depressionen. Dann kommt er zurück in die
Transitunterkunft des Flughafens. Sein Anwalt appelliert dreimal an das
Bundesinnenministerium, den "schwerst suizidgefährdeten" Mann in
die BRD einreisen zu lassen. Die Antwort bleibt aus. Erst
nach der Selbsttötung der Algerierin Naimah Hadjar in der Transitunterkunft
am 6. Mai 2000 wird dem Iraner die Einreise am 9. Mai erlaubt. FR 17.5.00 2. Dezember 99 Flüchtlingsheim
Eulatal in Sachsen. Aus purem Rassismus versuchen zwei Deutsche zum zweiten Mal,
das Gebäude in Brand zu stecken. Die Täter werden gefaßt und kommen in
Untersuchungshaft. taz 3.12.99 3. Dezember 99 Berlin. Ein 47 Jahre alter,
schwer traumatisierter Flüchtling aus Bosnien versucht sich das Leben zu
nehmen, als er zur Zwangsvorführung beim Polizeiärztlichen
Dienst festgenommen wird. Es ist dies sein fünfter Selbsttötungsversuch
im Jahr 1999. TS 9.2.00 3. Dezember 99 Der 24 Jahre alte Adnan Cevik
wird aus der Abschiebehaft Augsburg in die Türkei abgeschoben. Nach seiner
Ankunft wird er zwanzig Tage lang gefangen gehalten und gefoltert. Nach
seiner Freilassung versucht er wieder, die Türkei zu verlassen und nach
Deutschland zu seiner Verlobten zurückzukehren. Dabei kommt er zu Tode. Am
29. März 2001 werden an der türkisch-griechischen Grenze in der Nähe von Arda
bei Nea Vyssa in einem Minenfeld zwei Skelette gefunden. Aus den Dokumenten
der Toten geht hervor, daß es sich um Adnan Cevik und Yusuf Isler aus
Nusaybin handelt. Sie sind wahrscheinlich ein Jahr zuvor infolge von
Beinverletzungen durch Minenexplosionen zu Tode gekommen. Özgür politika 30.3.01; Pro Asyl 11.4.01; FR 19.4.01 3. Dezember 99 Omaru F. soll aus Bremen nach
Gambia abgeschoben werden. Die BGS-Beamten am Flughafen Düsseldorf nehmen ihm
seinen Hosengürtel weg und ersetzen ihn durch ein Plastikband, das so stark
zugezogen wird, daß der Bauch schmerzhaft eingeschnürt wird. Dann werden ihm
seine Arme mit Handfesseln zusammengebunden und mit Plastikbändern an dem
Gürtelband fixiert. Omaru F. kann in dieser Fesselung weder alleine essen
oder trinken noch auf die Toilette gehen. Aber er wird in dieser Fesselung
von Düsseldorf bis nach Ghana mit der "Ghana Airways"
transportiert. Auch nach dem achtstündigen Flug werden ihm die Fesseln nicht
abgenommen. In Ghana eskortieren ihn ghanaische Sicherheitsbeamte in ein
Gefängnis und füttern ihn, weil er auch dort immer noch gefesselt ist. Am
nächsten Tag wird Omaru F. in Begleitung von ghanaischen Beamten nach Banjul
in Gambia weitergeflogen. FR 1.2.00; taz 14.2.00; 3. Dezember 99 AbschiebegefängnisBerlin-Köpenick.
Einen Tag nachdem der guineische Flüchtling Aboubacar Camara aus der
Abschiebehaft Berlin zur Zentralen Ausländerbehörde nach Dortmund geflogen
worden war und dort so unter Druck gesetzt wurde, daß er seine Identität
bestätigte, beginnt er aus Protest gegen seine geplante Abschiebung einen
Hunger- und Durststreik. Der
heute 36 Jahre alte A. Camara war in die BRD gekommen, nachdem er aus einem
guineischen Gefängnis fliehen konnte, in dem er aus politischen Gründen
einsaß. Sein Asylantrag wurde hier abgelehnt. Am
14. Dezember wird er aufgrund seines desolaten Gesundheitszustandes ins
Krankenhaus Köpenick gebracht und dann aus der Haft entlassen. Initiative gegen Abschiebehaft Berlin 4. Dezember 99 Abschiebegefängnis
Berlin-Köpenick. Die gefangenen Flüchtlinge Protus Mbah Mbah (alias Desire
Lumumba) und Elois Tobion Frunjang aus Kamerun und Charley Makah aus Sierra
Leone schließen sich dem Hunger- und Durststreik ihres Zellen-Mitbewohners
Aboubaka Camara an. (siehe 3. Dezember 99) Sie
werden dann am 15., 16. und 17. Dezember aus der Abschiebehaft entlassen. Initiative gegen Abschiebehaft Berlin 5. Dezember 99 Flüchtlingsunterkunft
im Transitbereich des Flughafens Frankfurt am Main,
Gebäude C 182. Ein Flüchtling aus dem Iran versucht sich umzubringen, indem
er mit voller Wucht mit seinem Kopf gegen eine Doppelglasscheibe rennt. Als "Therapie"
gegen seine ständigen Angstzustände werden ihm in der Folgezeit Beruhigungsmittel
verordnet. Am 24. Februar bittet sein
Rechtsanwalt in einem Brief an das Bundesinnenministerium, ihm aus
humanitären Gründen die Einreise in die BRD zu erlauben. Zu diesem Zeitpunkt befindet
sich der Iraner bereits fünf Monate im Transitbereich des Flughafens. Erst nach der Selbsttötung
der Iranerin Naimah Hadjar und einem weiteren Mahnschreiben des
Rechtsanwaltes Anfang des Monats Mai 2000 wird dem Flüchtling nach
siebenmonatiger Gefangenschaft die Einreise in die BRD erlaubt. Pro Asyl 16.5.00 5. Dezember 99 Ein 23 Jahre alter Flüchtling
aus dem Kosovo ist mit zwei Begleitern morgens um 5.30 Uhr auf dem Weg zum
Bahnhof der brandenburgischen Stadt Cottbus. Aus mehreren vollbesetzten Autos
steigen Deutsche aus, von denen einige mit Baseballschlägern bewaffnet sind.
Sie greifen den Flüchtling an, mißhandeln und verletzen ihn am Kopf. MAZ 22.12.99; FR 22.12.99; taz 22.12.99 7.
Dezember 99 Flüchtlingsheim
Stohl bei Dänischenhagen in Schleswig-Holstein. Um 0.10 Uhr greift die
Ausländerbehörde des Landkreises Rendsburg-Eckernförde zu. Mitarbeiter der
Behörde, mehrere Polizisten, Hunde und Sanitäter dringen in die Zimmer der
Familie Chatchaturjan
ein und überraschen die Eltern beim Fernsehen – während die Kinder noch
schlafen. Beide Erwachsene, Nasik und Samuel Chatchaturjan, versuchen sofort,
sich mit einem Messer und einer Glasscherbe das Leben zu nehmen, was dann
durch die Überwältigung und die Fesselung durch die Polizei nicht mehr
möglich ist. Trotz der auf den Rücken gebundenen Hände steht Herr
Chatchaturjan auf und schlägt mit voller Wucht seinen Kopf gegen den
Fernsehschirm, bis er ohnmächtig wird. Er wird barfuß und ohne zusätzliche
Kleidung durch strömenden Regen in einen Polizeiwagen gebracht, wo er zwei
Stunden lang sitzen muß. Frau Chatchaturjan muß mit in Handschellen
gebundenen Händen ihre Sachen packen. Dann
werden die Eltern, die durch Folter in ihrem Herkunftsland schwer
traumatisiert wurden und im Zentrum für die Behandlung von Folter-, Flucht-
und Gewaltopfern in Kiel in Behandlung sind, zusammen mit ihren Kindern, der 16-jährigen Knarik und dem
14-jährigen Johannes, um 10 Uhr morgens über Frankfurt nach Armenien
abgeschoben. Samuel
Chatchaturjan hält sich seither im Untergrund auf und hat wenig Kontakt zu
seiner Familie. REFUGIO – Kiel; KN 22.12.99; Der Schlepper Frühjahr 2000; Pro Asyl
9/00 7.
Dezember 99 Im bayerischen
Schirnding werden bei der Einreise aus der Tschechischen Republik in einem
LKW 43 afghanische Flüchtlinge entdeckt. Sie leiden alle unter Hunger und
Unterkühlung. 23 von ihnen bedürfen medizinischer Behandlung. BT-Drucksache 14/5613 8.
Dezember 99 Um
den letzten Zug noch zu erreichen, überquert ein Mann vorschriftswidrig die
Bahngleise im Bahnhof der niedersächsischen Ortschaft Elze. Eine
Zugbegleiterin sieht dies, verweigert ihm "zur Strafe" die
Mitfahrt, und als er doch in den Zug einsteigen will, stößt sie den Mann aus
dem anfahrenden Zug zurück auf den Bahnsteig. Sie ruft dem afrikanischen
Flüchtling dabei zu: "Neger, ich mach dich tot." Nach dem Stoß
liegt der Mann noch minutenlang verletzt auf dem Bahnsteig, und weder die
Zugbegleiterin noch der Zugführer kümmern sich um ihn. Sechs Monate später lehnt
die Staatsanwaltschaft ein Strafverfahren gegen die Schaffnerin mit der
Begründung ab, daß "ein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung
nicht angenommen werden" kann. FRat NieSa Heft 64/65 Dez.-Jan.
1999/2000; FRat NieSa Heft 69/70 Aug.-Sept. 2000 8. Dezember 99 Die Kurdin Can I.,
die erst seit März 99 in der BRD lebte, wird nach abgelehntem Asylantrag
festgenommen und nach Istanbul abgeschoben. Schon am Flughafen wird sie
festgehalten und zwei Tage lang nach den Gründen ihres Asylantrages in
Deutschland verhört. Dann kommt sie zunächst frei. Als Can I. am 6. Januar
2000 mit ihrer Freundin Nurhayat mit einem Bus nach Istanbul zurückfährt,
werden sie gestoppt und von der Polizei kontrolliert. Sie werden festgenommen
und zur Wache verschleppt – danach kommen sie zur Anti-Terror-Abteilung, wo
ihnen die Augen verbunden werden, und wo sie getrennt werden. Can I. sieht
ihre Freundin Nurhayat danach nie wieder. Frau I. wird unter Folter
verhört. Die Vorwürfe gegen sie sind PKK-Unterstützung oder
PKK-Mitgliedschaft und Beteiligung an "Kirchenaktionen" in
Deutschland. "Da ich die gegen mich gerichteten Beschuldigungen nicht
einräumte, wurde ich am Kopf, an den Augen und an verschiedenen Stellen
meines Körpers geohrfeigt und geschlagen. Daneben machten sie Sachen, die für
Menschen entwürdigend sind ..." Can I. muß sich nackt
ausziehen, sie wird mit sexistischen Sprüchen beleidigt, ihr wird
Vergewaltigung angedroht, sie wird mit kaltem Wasser unter hohem Druck
abgespritzt. Man zwingt sie, Bekenntnisse zu unterschreiben. Am 24. Januar 2000 erhebt
die Staatsanwaltschaft Anklage vor dem Staatssicherheitsgericht Izmir wegen
Unterstützung der PKK. Als Beweis wird ein von Frau I. unter Folter unterschriebenes
"Bekenntnis" vorgelegt. Am 9. März 2000 wird Can I.
aus "Mangel an Beweisen" freigesprochen. Dokumentation vom FRat NieSa und Pro
Asyl, Mai 2000 10. Dezember 99 Braunschweig in Niedersachsen. Der
Physiker Dr. Zdravko Nikolov Dimitrov, bulgarischer Flüchtling und
abgelehnter Asylbewerber, soll in Abschiebehaft genommen werden. Er wird
dabei von einem Sondereinsatzkommando (SEK) der Polizei niedergeschossen und
lebensgefährlich in die Brust getroffen. Der
36 Jahre alte Nikolov Dimitrov leidet aufgrund von Mißhandlungen und
Folterungen durch die bulgarische Polizei und durch Ärzte in einem
psychiatrischen Gefängnis unter einem schweren Foltertrauma und gilt – auch
behördenbekannt – als akut suizidgefährdet. Trotzdem
ordnet die Ausländerbehörde Braunschweig die Festnahme von Herrn Dimitrov an,
um ihn in Abschiebehaft in die JVA Wolfenbüttel zu nehmen. Als
drei Polizeibeamte morgens um 8 Uhr kommen, um den Bulgaren abzuholen,
verbarrikadiert er sich in der Wohnung und droht mit Selbsttötung. Anstatt
die Aktion abzubrechen, wird ein 14-köpfiges Sondereinsatzkommando (SEK)
angefordert, dessen Beamte die Wohnung mit einer Blendgranate stürmen. Dr.
Dimitrov versucht, sich in seiner Panik mit einem Küchenmesser gegen die
Festnahme zu wehren, und wird dann gezielt "in Notwehr" mit zwei
Schüssen niedergeschossen. Während
Herr Dimitrov sich auch 3 Tage später noch in Lebensgefahr befindet, wird
gegen ihn ein Verfahren wegen versuchten Totschlags eingeleitet. Am 21. Dezember stirbt er im
Städtischen Klinikum Braunschweig, ohne das Bewußtsein wiedererlangt zu
haben. Der
niedersächsische Flüchtlingsrat stellt Strafanzeige gegen den Leiter der
Braunschweiger Ausländerbehörde wegen Körperverletzung mit Todesfolge,
vollendeter Freiheitsberaubung und Rechtsbeugung. Die Staatsanwaltschaft
Braunschweig leitet ein formelles Ermittlungsverfahren gegen den Leiter des
Ausländeramtes wegen Freiheitsberaubung ein. Sowohl
dieses Verfahren als auch die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen den
Todesschützen werden eingestellt. BrZ 11.12.99; Neue Presse 11.12.99; FRat NieSa 13.12.99; Neue Presse 13.12.99; BrZ 14.12.99; taz 14.12.99; Polizei Niedersachsen 15.12.99; ND 15.12.99; jW 17.12.99; taz 22.12.99; FR 23.12.99; taz
23.12.99; ND 8.1.00; jW 8.1.00; Niedersächsische Landesegierung 29.2.00 – 45.3-12235/14-103; taz 17.3.00; jW 21.3.00; FRat NieSa Heft 68 März 2000; FRat NieSa Heft 73 Dez. 2000 11. Dezember 99 Moussa Bah, abgelehnter
Asylbewerber aus Guinea, wird direkt aus der Abschiebehaft in Büren nach
Conakry abgeschoben. Noch am Flughafen wird er gegen 21 Uhr verhaftet und in
das Zivilgefängnis "Sureté" gebracht. Nur durch die Hilfe eines
Freundes, der über Geld und Beziehungen verfügt, kann Moussa Bah freigekauft
werden. Drei
weitere aus Deutschland abgeschobene und nach der Ankunft festgenommene
Flüchtlinge, die keine Hilfe von außen bekommen, müssen im Gefängnis bleiben. Moussa
Bah fühlt sich weiterhin verfolgt, taucht unter und versucht erneut, das Land
zu verlassen. mfm; mfm 2.2.00;
Depeschen aus Westafrika Mai 00 21. Dezember 99 Ein Mann vietnamesischer
Herkunft wird an der deutsch-polnischen Grenze im sächsischen Bad Muskau am
Grenzstein 292 tot aus der Neiße geborgen. Als Todesursache des 39-Jährigen
wird Ertrinken vermutet. BT-Drucksache 14/5613; Polizei Görlitz 28. Dezember 99 Im Zusammenhang mit dem
"unerlaubten" Grenzübertritt wird eine rumänische Person im
sächsischen Bautzen durch einen Diensthund gebissen und verletzt. BT-Drucksache 14/5613 30. Dezember 99 Euskirchen in
Nordrhein-Westfalen. Die als Übergangsheim für Flüchtlinge genutzte Arloffer
Schule in der Bachstraße brennt im Obergeschoß. Drei Frauen, ein Junge aus
dem Haus und ein Feuerwehrmann müssen mit Verletzungen ins Krankenhaus. Für
die restlichen 17 BewohnerInnen müssen neue Unterkünfte gesucht werden, denn
das Gebäude ist nicht mehr bewohnbar. KStA 3.1.00; KR 3.1.00 31. Dezember 99 In Burg bei Magdeburg überfallen
elf Deutsche mehrere Flüchtlinge und schreien dabei Nazi-Parolen. Sieben
Täter werden kurzfristig festgenommen. FR 3.1.00; taz 3.1.00 Im Jahre 1999 Eine Asylbewerberin aus Sri
Lanka setzt ihrem Leben ein Ende, indem sie sich im Bahnhof Rüsselsheim von
einem Intercity-Zug überrollen läßt. VDAS Im Jahre 1999 Köngen in
Baden-Württemberg. Als die Polizeibeamten eine türkische Flüchtlingsfamilie
in der Flüchtlingsunterkunft Wertstraße zur Abschiebung abholen wollen, wird
die Tür des Zimmers nach Aufforderung nicht geöffnet, obwohl das Ehepaar und
die sechs Kinder anwesend sind. Die 42 Jahre alte Ehefrau steht am Fenster,
hält sich ein Küchenmesser an die Brust und droht, sich zu erstechen. Angehörige eines
"Notfallnachsorgedienstes", der Feuerwehr, des DRK und der Polizei
bringen die Frau dazu, die Eingangstür zu öffnen und das Messer abzugeben.
Sie hat sich selbst Schnittverletzungen im Brustbereich zugefügt und wird vor
Ort von den DRK-Leuten medizinisch versorgt. Dann wird die Familie zum
Stuttgarter Flughafen transportiert, dort ärztlich untersucht und
anschließend in die Türkei abgeschoben. unbenannter Ztgsartikel in: AK Asyl Ba-Wü
Oktober-November-Dezember 99 Im Jahre 1999 Der Berliner Innensenator
Eckart Werthebach teilt aufgrund einer parlamentarischen Anfrage mit, daß im
Jahre 1999 zwölf Suizidversuche im Abschiebegefängnis registriert wurden.
(ein Fall ist hier dokumentiert) Kleine Anfrage der PDS-Fraktion in Berlin 6.9.00; taz 28.9.00; BeZ 29.9.00 Im Jahre 1999 In der Antwort auf eine kleine
Anfrage der PDS gibt das Sächsische Staatsministerium bekannt, daß im Jahre
1999 vier AusländerInnen bei dem Versuch ertranken, über die sächsische
Grenze "illegal in die Bundesrepublik einzureisen". (drei Fälle sind hier
dokumentiert) Sächsisches Staatsministerium des Innern 7.2.00 In den Jahren von 1997 bis
1999 Im Bremer Polizeigewahrsam hat
ein Beamter im genannten Zeitraum mindestens sechs weibliche
Abschiebegefangene in ihren Zellen oder in seinem Büro zum Geschlechtsverkehr
genötigt. Obwohl diese Tatsachen bereits im Jahre 1998 polizeiintern bekannt
sind, erfolgen keinerlei disziplinarische oder strafrechtliche Konsequenzen
für den Beamten. Erst im August 2003 findet bei ihm eine Hausdurchsuchung
statt. Dabei werden Polaroid-Fotos von nackten weiblichen Gefangenen und von
dem Beamten beim Geschlechtsakt mit den Frauen gefunden. Erst
nach weiteren vier Monaten, im November 2003, wird die Öffentlichkeit über
den Skandal informiert, und nach weiteren zwei Monaten erfolgt die
Suspendierung des Beamten. Die sexuell mißbrauchten Frauen, die aus
Osteuropa, Asien und Afrika stammten, sind seit Jahren abgeschoben. Im
Februar 2004 wird von dem vom Innensenator beauftragten Sonderermittler Hasso
Kliese ein mündlicher Bericht zu seinen dreimonatigen Ermittlungen vorgelegt.
Ohne mit den betroffenen Frauen oder mit damaligen Mitgefangenen gesprochen
zu haben, kommt Kliese zu dem Ergebnis, daß ein Mitwissen oder eine
Mitbeteiligung von anderen Beamten ausgeschlossen werden kann. Im
Oktober 2004 steht fest, daß es keine öffentliche Hauptverhandlung gegen den
Polizisten geben wird, denn zum einen sei er geständig und wäre freiwillig aus
dem Polizeidienst ausgeschieden und zum anderen seien die mißbrauchten Frauen
nicht mehr aufzufinden. Ein Jahr auf Bewährung und eine noch nicht näher
benannte Geldstrafe sei der zu erwartende Ausgang des Verfahrens, so ein
Sprecher des Amtsgerichtes. WK 12.11.03; BrN 14.11.03; Polizei
Bremen 14.11.03; ap
10.3.04; Bündnis
gegen sexualisierte Polizeigewalt 10.3.04; taz
4.10.04; taz 6.10.04
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