Die wenigen Monate seit dem "summer of migration" haben unsere Gesellschaft verändert. Die Kraft der Migration hat Grenzen überwunden. Nun werden die Mauern um die Festung Europa wieder geschlossen, das Sterben an den Außengrenzen geht weiter. Rassistische Gewalt und rechte Wahlerfolge erreichen erschreckende Ausmaße. Aber gleichzeitig gibt es unzählige Erfahrungen der Begegnung, der Solidarität und des gemeinsamen Widerstands.
Vor diesem Hintergrund laden wir ein zu einer Zusammenkunft unserer Bewegungen, zu drei Tagen des Austauschs und der Diskussion. Wir wünschen uns, dass Menschen aus den vielen Willkommensinitiativen, Solidaritätsgruppen, Selbstorganisationen von Geflüchteten, aus den antirassistischen und antifaschistischen Gruppen und Netzwerken und aus den zivilgesellschaftlichen Organisationen nach Leipzig kommen.
Gemeinsam wollen wir in Workshops und Plenumsveranstaltungen vier Fragestellungen diskutieren, um gemeinsame Handlungsperspektiven zu entwickeln:
I. Das Jahrhundert der Migration: Flucht, Grenze, Kriege
Was war eigentlich vor dem letzten Sommer, wer kämpft hier schon seit
Jahrzehnten, fast ungehört und tatsächlich als Menschen zweiter Klasse?
Wie ist die Situation der Geflüchteten, die hier angekommen sind? Neue
Asylgesetze, "Integrationspläne", Residenzpflicht, Abschiebungen,
Containerdörfer: Was ergeben sich daraus für Aufgaben? Und was ist mit
den Menschen auf der Flucht, die noch nicht angekommen sind, die
festhängen oder noch warten? In Griechenland, der Türkei, in Syrien,
Libyen und anderswo.
Die EU und die deutsche Bundesregierung wollen einen zweiten "Sommer der
Migration" verhindern: Wie machen wir ihn trotzdem möglich?
II. Über alle Grenzen: Solidarität, Hilfe, Ehrenamt
Was ist in den Monaten nach dem "Sommer der Migration" passiert – mit
uns und mit der Gesellschaft? Die Bewegung der Solidarität ist sehr
vielfältig und heterogen, in ihrer Praxis aber oft eindeutig und klar.
Ist das ihre Stärke aber zugleich auch ihre Schwäche?
Inzwischen geht es nicht mehr nur um unmittelbare, praktische
Solidarität, sondern vermehrt um politische Fragen der Behörden und
Gesetze, der Grenzen und der Abschottung, des Durchhaltens und des
Rechtspopulismus. Wie gehen wir damit um? Ist die Bewegung der
Solidarität gleichzeitig eine Bewegung gegen Rechts? Und ist sie
überhaupt eine Bewegung?
Helfen wir nur denen, die es hierher schaffen oder helfen wir ihnen
auch, es zu schaffen? Was bedeutet Solidarität eigentlich? Wie geht
Hilfe auf Augenhöhe? Wo beginnt das Ausnutzen der Freiwilligen durch
Behörden und Institutionen? Können wir helfen, ohne uns ausnutzen zu
lassen? Wie geht es weiter mit unseren Solidaritätsstrukturen und welche
neuen Herausforderungen stellen sich?
III. In welcher Gesellschaft wollen wir leben? Soziale Rechte, Antirassimus und Politik
Die soziale Frage, die Frage nach gleichen sozialen Rechten wird durch die Migration erneut und verschärft gestellt. Die Flüchtenden suchen ein Europa der Demokratie und der sozialen Sicherheit, aber das ist längst untergegangen. Wie können wir diese Perspektive gemeinsam wiedergewinnen? Wer hat Zugang zu Wohnraum, Bildung, Jobs? Wer bezahlt und wer profitiert? Wie wehren wir einen Diskurs ab, der nur die "Nützlichen" willkommen heißen will? Wie können wir globale Gerechtigkeit und Humanität denken und einen solidarischen Antirassismus entwickeln? Brauchen wir eine Linke der Geflüchteten, der Solidarität, des Gemeinsamen? Wie kann daraus ein Programm für eine zukünftige Gesellschaft werden? Was machen wir mit der Erfahrung, dass so viele Basisinitiativen, Kirchengemeinden und Nachbarschaften ihre Tore geöffnet haben, aber die Institutionen und Parteien eher nicht? Können wir eine solidarische Praxis jenseits des Staates verstetigen? Ist Migration nicht vor allem eine Chance für eine neue, solidarische Gesellschaft und eben nicht nur Herausforderung, Krise, Grenze?
IV. Gemeinsam in Bewegung kommen? Vernetzung, Verabredungen, Visionen
Die zahlreichen Initiativen der kontinuierlichen Solidarität und grenzübergreifenden Hilfe bleiben im politischen Diskurs unsichtbar. Sie gehen unter im politischen Ping-Pong-Spiel aus Mangelverwaltung, Schwarzer Null und rechter Angsthetze und bisher ist es nicht gelungen, dem eine politisch wirksame Initiative entgegenzusetzen. Forderungen nach Umverteilung, gleichen Rechten und einer Neugestaltung der sozialen Infrastruktur für alle scheinen bisher zu leise. Die Frage ist daher: Wie lassen sich die Forderungen der lokalen Initiativen verbinden und stärken, braucht es eine gemeinsame, bundesweite Mobilisierung gegen soziale Ausgrenzung und rassistische Abschottung - für ein "mehr für alle"? Und wie können wir langfristig Netzwerke und Strukturen aufbauen, die die praktische Hilfe mit Selbstorganisation und Selbsthilfe verbinden? Was braucht es dafür – und welche konkreten Schritte können wir dafür verabreden?
PROGRAMM
Freitag, 10.6.2016
ab 16:00 Ankommen
19:00 -21.00 Panel I: Das Jahrhundert der Migration - Flucht,
Grenzen, die "Willkommenskultur" und der Rechtsruck in Europa.
21:00 – open end Abendprogramm
Samstag, 11.6.2016
9:30-10:00 Eröffnung:
Was wollen wir, was steht an, warum Welcome2Stay?
10:00-12:00 Workshops I: Flucht, Fluchtursachen und Fluchtwege
12:00-13:30 Mittagspause
13:30-15:00 Panel II: Refugees welcome
- Autonomie der Migration und Bewegung des Willkommens
15:00-17:00 Workshops II: Solidarität, Hilfe, Ehrenamt
17:30-19:30 Workshops III: Soziale Rechte, Antirassismus und Politik
19:30-21:00 Panel III: In welcher Gesellschaft wollen wir leben? –
Vom Willkommen zum Bleiben
21:00-open end "Lange Nacht der Visionen"
Sonntag, 12.6.2016
10:00-13:00 Abschluss: Visionen, politische Perspektiven, was tun wir?
Welcome2Stay findet vom 10.-12. Juni im "Pavillon der Hoffnung" auf dem
Alten Messegelände (Puschstr. 9) in Leipzig statt. Ein großer Teil der
Veranstaltungen wird in mehrere Sprachen übersetzt werden. Wir brauchen
aber noch Hilfe - meldet euch bitte bei uns, wenn ihr übersetzen könnt.
Bitte meldet euch auf
mail@welcome2stay.org
an, damit wir die Teilnehmer*innenzahl ein wenig kalkulieren können.
Eine VoKü wird vor Ort sein und Essen bis spät abends anbieten (gegen
eine Spende von je 1,50 €). Wir stellen eine Pennplatzbörse gegen eine
Spende von 3€/Nacht sowie eine Kinderbetreuung zur Verfügung. Bedarf
könnt ihr auf unserer Homepage anmelden.
Die Teilnahme ist kostenlos, aber so eine Veranstaltung lebt auch von
euren Spenden – sammelt Geld, gebt die Spendenbitte weiter oder spendet
selber direkt schon hier:
Rosa-Luxemburg-Stiftung e.V. -- Berliner Sparkasse -- IBAN: DE06100500000023230282 -- BIC: BELADEBEXXX -- Verwendungszweck: Welcome2Stay (Betreff ist wichtig – nicht vergessen!)
KONTAKT ZU UNS BEI ALLEN FRAGEN: mail@welcome2stay.org
Bisher beteiligte Organisationen: Attac // DIE LINKE im Bundestag // IL - Interventionistische Linke // RAV - Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein // Komitee für Grundrechte und Demokratie // Rosa-Luxemburg-Stiftung // ISM