Vor fünf Jahren wurden die Taten des sog. "Nationalsozialistische Untergrund" (kurz: NSU) öffentlich. Von 1998 bis 2011 beging die rechtsterroristische Gruppierung nach aktuellem Kenntnisstand insgesamt 10 Morde, drei Bombenanschläge und mehrere Raubüberfälle. Seitdem wurden mehrere Untersuchungsausschüsse in den Ländern und im Bund sowie ein Strafprozess vor dem Oberlandesgericht in München eingesetzt, um die Täter_innenschaft der Morde sowie den Umstand zu ergründen, warum Rechtsterrorist_innen unerkannt im Untergrund morden konnten. Gegenüber der zivilgesellschaftlichen, journalistischen und parlamentarischen Aufklärungsarbeit ist die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem NSU bislang als defizitär zu bezeichnen. Obschon die NSU-Mordserie als eine Zäsur der bundesrepublikanischen Geschichte gedeutet werden kann, beschäftigen sich nur wenige Forschungsprojekte mit dem Gegenstand NSU. Auch in den akademischen Fachdisziplinen gibt es kaum wissenschaftliche Resonanz und noch weniger werden Konsequenzen für Forschungsperspektiven gezogen. Die wissenschaftliche Auseinandersetzung ist gerade vor dem Hintergrund der aktuellen Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte virulent, um fundierte Analysen über den Rechtsterrorismus in Deutschland zu erarbeiten.
Um diesen Defiziten zu begegnen, möchten wir eine Tagung zum NSU-Terrornetzwerk organisieren. Sie wird am 22. Oktober 2016 an der Frankfurt University of Applied Sciences unter dem Titel "5 Jahre nach öffentlich werden des NSU – eine interdisziplinäre Standortbestimmung und Perspektiventwicklung" stattfinden. Der Termin der Tagung ist nicht zufällig gewählt. Voraussichtlich im September 2016 wird der NSU-Prozess in München sein Ende finden, am 04.11.2016 jährt sich zum fünften Mal das Bekanntwerden des NSU.
Die Tagung soll einen Rahmen bieten, um mit einem interdisziplinär ausgerichteten Publikum Forschungsperspektiven auf den NSU-Komplex zu diskutieren, bestehende Defizite in der Forschung zu benennen und über wissenschaftspolitische wie zivilgesellschaftliche Konsequenzen zu sprechen.
Uns ist es ein Anliegen, dass das Ende des Prozesses nicht zugleich auch das Ende der wissenschaftlichen Forschung über den NSU-Komplex bedeutet. Die aktuellen Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte, die zunehmende Radikalisierung rechter Kräfte in Deutschland und der Umstand, dass die Sicherheitsbehörden von mehreren hundert untergetauchten Neonazis ausgehen, sollte auch an die Wissenschaft eine Mahnung sein. Denn grundsätzliche Forschungen über rechtsterroristische Strukturen, ihre internationalen Netzwerke, institutionellen Rassismus und die strukturellen Probleme der Sicherheitsbehörden stehen noch aus. Auch für die politische Bildung, die pädagogische Vermittlung und den Umgang der Sozialen Arbeit mit Rechtsextremist_innen und Rassist_innen ist die Debatte über den NSU-Komplex relevant.
Das Vorbereitungsteam:
Alice Blum (BA und Lehrbeauftragte an der Frankfurt University of Applied Sciences),
Dr. Michaela Köttig (Professorin an der Frankfurt University of Applied Sciences),
Maximilian Pichl (Dipl. Jurist, Promovend)
Programm --
Anfahrt und Lageplan
Anmeldung:
per Mail bis 8. Oktober 2016 an
tagung2016@gmx.de
Anmeldegebühr 10 Euro