Seit heute, den 25. März 2014, hängt mitten in Kreuzberg an der Wand des Hauses Oranienstr./ Ecke Manteuffelstr. ein 3x6m großes Wandbild weithin sichtbar über die gesamte Kreuzung am Görlitzer Bahnhof. Zu sehen: zwei Porträts. Zu lesen: die Namen Mehmet Kubaşık und Halit Yozgat mit Geburts- und Todesdaten. Eingerahmt vom Text: "In Gedenken an", "ermordet vom NSU" und "Rassismus tötet". Bereits im September 2013 wurde ein Plakat in Gedenken an Enver Şimşek , der am 09.09.2000 in Nürnberg vom NSU ermordet wurde, an derselben Hauswand aufgehängt.
Mehmet Kubaşık und Halit Yozgat wurden vor 8 Jahren von der rechten Terrorzelle "Nationalsozialistischer Untergrund" am 4. bzw. am 6. April 2006 ermordet. Zu den Jahrestagen der Taten wollen wir der beiden mit diesem Wandbild gedenken. Niemand soll vergessen, dass diese beiden Menschen, die mitten unter uns lebten, gewaltsam aus dem Leben gerissen wurden. Mehmet Kubaşık wurde in Dortmund im Alter von 39 Jahren an seinem Arbeitsplatz erschossen. Er war Kioskbesitzer und dreifacher Vater. Halit Yozgat wurde zwei Tage später, 21-jährig, in seinem Internetcafé in Kassel erschossen. Den Laden hatte er kurz vor seiner Ermordung eröffnet. Bei den Morden an Mehmet Kubaşık und Halit Yozgat handelt es sich mutmaßlich um die letzten beiden rassistischen Morde der Mordserie des NSU.
Wir wollen und werden nach den Morden und der Selbstenttarnung des NSU nicht zum Alltag übergehen. In Öffentlichkeit, Medien und Politik werden der rechte Terror und seine Effekte kaum noch thematisiert. Ein Großteil der Gesellschaft ist zum Alltag übergegangen, als ob nichts gewesen wäre. Es wird der Eindruck erweckt, das Thema sei mit dem derzeit in München stattfindenden Strafprozess 'erledigt'. Für uns ist das unfassbar und unerträglich. Wir sind ein Zusammenschluss von Berliner Initiativen und Einzelpersonen, die in unterschiedlichen Formen die Erinnerung an die Opfer lebendig zu halten versuchen. Ihnen und ihren Angehörigen gilt unser Mitgefühl und unsere Solidarität. Mit Aktionen wie dem Wandbild tragen wir gleichzeitig unsere Wut über den allgegenwärtigen Rassismus in unserer Gesellschaft auf die Straße, der die Verbrechen des NSU mitgetragen und ermöglicht hat. Wir erkennen nach wie vor keine konsequente gesamt-gesellschaftliche Auseinandersetzung mit Rassismus und seinen tödlichen Folgen.
Die großen Aufklärungsversprechen von politisch Verantwortlichen im Rahmen der offiziellen Trauerfeier im Februar 2012 verpufften in folgenlosen Untersuchungs- ausschüssen. Diese förderten unglaubliche Informationen darüber zutage, wie die Polizei nur gegen die Opfer und ihre Angehörigen ermittelt, wie sie systematisch die Spuren in Richtung der Nazi-Täter_innen ignoriert hat und auf welche erschreckende Weise der Verfassungsschutz in der rechten Szene involviert ist. Übrig geblieben ist ein Strafprozess in München, der erneut keine Aufklärung des NSU-Komplexes verfolgt und bewirkt. Die Täter_innen und Verantwortlichen werden also weder gesellschaftlich noch juristisch in irgendeiner Weise in die Verantwortung genommen. Schlimmer noch: Wir beobachten, wie sich auch in diesem Prozess die respektlose Behandlung der Angehörigen fortschreibt. Erst letzte Woche wurde İsmail Yozgat, Vater von Halit Yozgat, während der Gerichtsverhandlung zunächst daran gehindert, eine vorbereitete persönliche Erklärung vorzulesen. Wir beobachten, dass der Richter die für die Aufklärung so wichtige Arbeit der Nebenklagevertretung dazu noch behindert statt sie einzubeziehen.
All das ist untragbar. Wo findet die groß angekündigte konsequente Aufklärung statt?
Wir fordern ein würdevolles Gedenken an die Ermordeten und einen respektvollen Umgang
mit ihren Hinterbliebenen!
Wir fordern eine umfassende Aufarbeitung von Nazi-Strukturen und behördlicher Verstrickungen!
Wir fordern eine gesamtgesellschaftliche Auseinandersetzung mit rassistischen Institutionen
und Strukturen!
Wir fordern alle auf, die ermordeten Menschen nicht zu vergessen und die Erinnerung an sie
wachzuhalten!
In Gedenken und Solidarität
Pressemitteilung als PDF -- Allmende e.V. -- Bündnis gegen Rassismus -- aze (andere Zustände ermöglichen)