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Bundesdeutsche Flüchtlingspolitik und 3. Januar 04 Mecklenburg-Vorpommern. In dem
Rostocker Lokal "Hühnerhof" wird ein Asylbewerber aus Togo von
einer 15-köpfigen Gruppe zunächst mit Beleidigungen, wie "Affe" und
"Scheiß Neger", verbal attackiert. Als der Flüchtling das Lokal
verlassen will, erhält er zahlreiche Faustschläge ins Gesicht, wird mit
Holzstühlen zu Boden geschlagen und – am Boden liegend – getreten. Zwei
zunächst außenstehenden Gästen des Lokals gelingt es, das Geschehen
vorübergehend zu stoppen, bis der Afrikaner erneut attackiert wird. Jetzt
gelingt es dem stark blutenden Mann, sich zu wehren und zu fliehen. Wegen des
Blutverlustes wird er mehrmals bewußtlos. Er kommt in die Universitätsklinik,
wo seine Prellungen und Platzwunden stationär behandelt werden müssen. LOBBI 4. Januar 04 Stade in Niedersachsen. Die
Flüchtlingsunterkunft in der Freiburger Straße 194 brennt in der Nacht völlig
aus. Am Gebäude, einer heruntergekommenen früheren "Femina-Bar",
entsteht Totalschaden. Während
ein Bewohner sich mit einer Rauchvergiftung in medizinische Behandlung
begeben muß, kommen die anderen BewohnerInnen mit dem Schrecken davon. Nach
den Ermittlungen der Polizei soll ein Vietnamese, der in dem Heim wohnte, den
Brand gelegt haben. Ihm stand seine Abschiebung kurz bevor. HA 5.1.04; taz 5.1.04; HM 8.1.04; StTb 15.6.04 5. Januar 04 Abschiebegefängnis Köpenick in
Berlin. Am Abend fügt sich ein 21 Jahre alter Afrikaner mit einem
Einmalrasierer lebensgefährliche Schnittwunden am Hals und über dem Kehlkopf zu.
Er verliert viel Blut und kommt umgehend in das DRK-Krankenhaus Köpenick.
Nach einer lebensrettenden Operation erfolgt seine Rückverlegung in die
Abschiebehaft am nächsten Tag. Von dort wird er noch am gleichen Tag in die
psychiatrische Abteilung des Krankenhauses Hedwigshöhe verlegt. Der
Afrikaner, von dem die Gefängnisseelsorger sagen, daß er psychisch krank sei
und in diesem Zustand gar nicht in Haft gehöre, befand sich bereits seit
September 2003 im Abschiebegefängnis. Anfang Dezember war er in eine
Einzelzelle verlegt worden, weil er sich auf der Etage in keiner Weise
integrieren konnte. Jesuiten-Flüchtlingsdienst; Pfarrer D. Ziebarth; Polizei Berlin 6.1.04; epd 6.1.04; BM 7.1.04¸ TS 7.1.04; BeZ 7.1.04 7. Januar 04 Ein 33 Jahre alter Mann aus Aserbaidschan,
der sich vor dem Berliner Reichstagsgebäude mit Diesel übergossen hat, wird
von der Polizei überwältigt und in die psychiatrische Abteilung der Charité
gebracht. Der Mann hatte den türkischen TV-Sender TRT darüber informiert, daß
er sich um 15 Uhr selbst verbrennen werde. Der abgelehnte Asylbewerber hat
mehrere Schriftstücke bei sich, in denen er die schlechte Behandlung durch
die deutschen Behörden anprangert. taz 8.1.04; 7. Januar 04 Regensburg in Bayern. In einem
Streifenwagen fügt sich ein 32-jähriger Flüchtling um 15.20 Uhr mit seinem
Taschenmesser Stichverletzungen im Bauchbereich zu. Statt in die
Justizvollzugsanstalt, wie von der Polizei geplant, wird der Mann nun vorerst
ins Regensburger Krankenhaus gefahren. Gegen ihn liegt ein Abschiebebefehl
vor. Donau-Post 9.1.04; AK Asyl Regensburg 7. Januar 04 Berlin – Nöldnerstraße. Eine 33
Jahre alte Kosovo-Albanerin wird bei ihrem Vorsprachetermin in der
Ausländerbehörde festgenommen und ins Abschiebegefängnis Köpenick gebracht.
Damit wird die alleinerziehende Mutter von zwei Kindern, die fünf und sieben
Jahre alt sind, getrennt. Flüchtlingsrat Berlin 12. Januar 04 Altentreptow in
Mecklenburg-Vorpommern. Abends gegen 20 Uhr wird der 25-jährige Yasir
Mohammed während eines Spazierganges von zwei Männern überfallen. Mit
Fausthieben, Fußtritten und dem Hals einer zerschlagenen Flasche und mit
Äußerungen wie "Scheiß-Asylant" oder "Ausländer raus"
traktieren und beleidigen die Angreifer den syrischen Flüchtling. Yasir
Mohammed erleidet Prellungen, Hautabschürfungen und Schnittverletzungen am
ganzen Körper. Die Rassisten entkommen unerkannt. NK 13.2.04; LOBBI Mitte Januar 04 Sachsenheim bei Ludwigsburg in
Baden-Württemberg. Frau und Herr Duraku sind Kosovo-"Ägypter" und
leben seit zwölf Jahren in der BRD, wo auch ihre vier Kinder geboren sind.
Aus Panik über ihre angekündigte Abschiebung geriet Herr Duraku so sehr außer
sich, daß er bereits am Vortag in Handschellen in eine psychiatrische Klinik
eingewiesen werden mußte. Seine
Frau und zwei kleine Kinder werden von Polizei-Beamten mitgenommen und zum
Flughafen Baden-Baden gebracht. Erst hier bemerken die BGS-Beamten, daß zwei
Kinder, neun und 24 Monate alt, fehlen. Trotzdem wird die Abschiebung
durchgesetzt. Die beiden Kleinkinder bleiben ohne Mutter zurück und werden
bei Verwandten untergebracht. Obwohl
Herrn Duraku nach seiner Entlassung aus dem Krankenhaus die Abschiebung nicht
unmittelbar droht, erfährt er, daß Polizeibeamte in der Wohnung seiner Mutter
nach ihm fahnden. Er taucht unter. Als
er zwei Monate später seine kleinen Kinder bei Verwandten besucht, erfolgt
seine Festnahme, und er kommt in Abschiebehaft in die JVA Mannheim. Im Frühsommer, also sechs Monate nach der
Abschiebung der Mutter, werden ihr die Kleinkinder von einem Verwandten in
den Kosovo gebracht. StZ 28.1.04; Familientrennung durch Abschiebung – Dezember 2004; AK Asyl BaWü 18. Januar 04 Landkreis Wittenberg in
Sachsen-Anhalt. Zwei Iraner sind morgens um fünf Uhr in der Ortschaft Raguhn
mit Fahrrädern unterwegs, als sie auf der Elbbrücke von drei Jugendlichen
beschimpft und beleidigt werden. Einem Iraner gelingt die Flucht, so daß er
die Polizei verständigen kann. Sein Freund, ein 59 Jahre alter Flüchtling,
wird vom Rad gezerrt und mit Sätzen wie "Mach dich hier weg!" oder
"Du klaust uns alles!" beschimpft. Dann schlagen die Angreifer ihm
mehrmals auf den Kopf und Oberkörper und versuchen ihn in Richtung des
Brückengeländers zu ziehen. Der Iraner schreit laut um Hilfe, und die
Jugendlichen lassen von ihm ab. Er
bleibt verletzt zurück. Wegen eines Kiefernbruches, zahlreicher Prellungen am
Kopf und Schürfwunden am Oberkörper muß er stationär im Krankenhaus behandelt
werden. Mobile Beratung für Opfer rechtsextremer Gewalt 20. Januar 04 Justizvollzugsanstalt Ottweiler
im Saarland. Nach fünf Monaten Abschiebehaft wird die 14-jährige Nigerianerin
A. K. entlassen. Die
Jugendliche war am 29. August 2003 von französischen Grenzbeamten mit
gefälschten spanischen Papieren aufgegriffen worden. Weil sie in einem Zug
aus Deutschland saß, wurde sie den Behörden in Saarbrücken übergeben und in
Abschiebehaft gebracht. Nachdem
sie sich dort etwa einen Monat aufhalten mußte, schrieb der Direktor der JVA
an das Amtsgericht und das Justizministerium in Saarbrücken, daß er einen
weiteren "Vollzug der Abschiebehaft" wegen des zwangsläufigen
Kontakts der 14-Jährigen mit den hier wegen Mordes, Mordversuchs oder
Totschlags verurteilten Frauen für sehr bedenklich halte – vergeblich. Die
zuständige Ressortchefin vertrat die Ansicht, daß ein illegal Eingereister
sich gefallen lassen müsse, "daß er entsprechend behandelt wird". Bei
einem Abschiebeversuch im November wehrte sich A. K. dermaßen, daß die
Beamten sie vom Flughafen Frankfurt wieder zurück ins Saarland brachten. Als
sie im Dezember einen Asylantrag stellte, wurde erstmals deutlich, warum sie
aus Nigeria geflohen war: Sie sollte sich einer rituellen
Genitalverstümmelung unterziehen. Bei
der Anhörung am 19. Januar 2004 wurde die Zwangsbeschneidung als nicht
asylrelevant bezeichnet und der Asylantrag abgelehnt. Da sie ihre begründete
Angst jedoch glaubhaft machen kann, erhält A. K. nach § 53 (6) eine Duldung
und nach längeren Paßbeschaffungsformalitäten eine Aufenthaltsbefugnis. Nach
der Entlassung aus der JVA Ottweiler wird die Jugendliche in die
Landesaufnahmestelle Lebach eingewiesen. Auch hier ist sie nicht sicher. Nach
mehreren Übergriffen von Mitbewohnern lebt A. K. jetzt in einer betreuten
Wohngruppe. SZ 21.1.04; JWB 28.1.04; Antirassistische Initiative Berlin 24. Januar 04 Sachsen-Anhalt. In einer Magdeburger
Straßenbahn wird ein 21 Jahre alter Flüchtling aus Sierra Leone von zwei
Männern rassistisch beschimpft
und mit einer Bierflasche am Kopf verletzt. Die
Polizei nimmt die Täter fest, legt dem verletzten Afrikaner Handschellen an
und nimmt auch ihn mit auf das Polizeirevier. Später entschuldigen sich die
Beamten bei dem Flüchtling. taz 26.1.04;JWB 4.2.04; Mobile Beratung für Opfer rechtsextremer Gewalt 25. Januar 04 Quedlinburg in Sachsen-Anhalt.
Morgens um 4.00 Uhr wird einem kurdischen Flüchtling in einer Diskothek nach
einer verbalen Provokation ein Bierglas ins Gesicht geschlagen. Er stürzt zu
Boden und wird jetzt von ca. fünf Männern geschlagen und getreten. Als
die Polizei eintrifft, fallen Äußerungen wie "Hier ist
Deutschland". Der Kurde muß seine Gesichtsverletzungen ambulant
behandeln lassen. Mobile Beratung für Opfer rechtsextremer Gewalt 25. Januar 04 Schleswig-Holstein. In der
Justizvollzugsanstalt Kiel versucht ein Abschiebegefangener aus Liberia, sich
mit einem Bettlaken zu erhängen. Der
Mann, der bereits in Norwegen Asyl beantragt hatte, war kurz vor der
dänischen Grenze von Beamten des Bundesgrenzschutzes aus dem Zug geholt und
dann auf einer BGS-Wache mehrfach geschlagen worden. Nach
dem Selbsttötungsversuch wird er einige Wochen in der Psychiatrie der
Universitätsklinik Kiel behandelt – danach erfolgt seine Rückverlegung in die
JVA. Anfang
März wird er nach Norwegen zurückgeschoben. FRat SH; jW 19.2.04 26. Januar 04 Dessau in Sachsen-Anhalt. Ein
Flüchtling aus Burkina Faso wird auf dem Hauptbahnhof von drei
rechtsradikalen Jugendlichen beleidigt und bedroht. Er flieht und findet in
einem Zeitungsladen Schutz vor seinen Verfolgern. Mobile Beratung für Opfer rechtsextremer Gewalt 27. Januar 04 Bundesland Schleswig-Holstein.
Der HIV-infizierte Togoer S. K. soll abgeschoben werden. Er hat innerhalb
weniger Wochen 10 kg Körpergewicht verloren und panische Angst, mit seiner
Krankheit in Togo nicht zu überleben. An Bord des Flugzeuges gelingt es ihm,
sich gegen die Abschiebung zur Wehr zu setzen. Flüchtlingsrat und die AIDS-Hilfe Kiel
protestieren gegen die Praxis der Abschiebung von HIV-positiven und an AIDS
erkrankten Flüchtlingen. Die Feststellung des Bundesamtes für die Anerkennung
von Flüchtlingen dazu: "... wegen des hohen Verseuchungsgrades" in
Togo sei es nichts Ungewöhnliches und könne dort gut behandelt werden. Daß
AIDS-Medikamente in Togo Importprodukte sind, deren Handel von einer
korrupten Mafia kontrolliert wird und daß arme Menschen sich diese
Medikamente nicht leisten können, wird wissentlich ignoriert. FRat SH und AIDS-Hilfe Kiel 30.1.04 Der Schlepper Nr. 26 Frühjahr 2004 31. Januar 04 Mecklenburg-Vorpommern. Am
Busbahnhof und am Bahnhof werden zwei Asylbewerberinnen aus Togo von einem
deutschen Mann beleidigt, bedrängt, angespuckt und mit einer Bierflasche
bedroht. LOBBI Januar 04 Abschiebegefängnis Köpenick in Berlin. Der 39 Jahre
alte Ghanaer Peter Kwasi Gyamah befindet sich seit über acht Monaten in
Abschiebehaft, als er im Januar beschließt, gegen die Haft zu protestieren.
Er beginnt einen Hungerstreik, unterbricht ihn wieder, nimmt ihn wieder auf
und hört zeitweise sogar auf, Flüssigkeit zu sich zu nehmen. Der ohnehin an
schwerer Diabetes, Bluthochdruck und Magenproblemen leidende Mann bringt sich
damit in Lebensgefahr. Er kommt ins Haftkrankenhaus der JVA Moabit, wo die
Ärzte ihn erst nach 16 Tagen überzeugen können, wieder Nahrung zu sich zu
nehmen. Dann kommt er zurück in das Abschiebegefängnis. Erst
als seine Anwältin eine Verfassungsbeschwerde einreicht, erfolgt seine
sofortige Entlassung aus der Abschiebehaft. Das Berliner Verfassungsgericht
stellt im Januar 2005 fest, daß die Verlängerung der Abschiebehaft
rechtswidrig war. (siehe auch: 12. November 03) Greenpeace Magazin
3/04; jW 2.2.08; Beate Böhler – Rechtsanwältin Anfang Februar 04 Auf dem deutschen Frachter
"Tinsdal" werden im nordspanischen Hafen Aviles zwei tote junge
Männer entdeckt. Sie haben keine Papiere bei sich. Sie hatten sich
wahrscheinlich in Marokko in dem Schiff versteckt und sind dann durch
Sauerstoffmangel zu Tode gekommen. taz 4.2.04 2. Februar 04 Klinik für Psychiatrie und
Psychotherapie am Markus-Krankenhaus in Frankfurt am Main. Die 38 Jahre alte
Patientin Suneya Ayari wird von sieben BGS-Beamten in Begleitung einer
Dolmetscherin und eines amtlich bestellten Arztes aus der Klinik
wegtransportiert. Sie wirft sich – noch im Krankenhaus – verzweifelt auf den
Boden, schlägt sich ins Gesicht und zerkratzt sich die Haut. Eine
Mitpatientin erleidet ebenfalls einen Nervenzusammenbruch. Frau
Ayani war am 27. Dezember 2003 aus der Flüchtlingsunterkunft im
Transitbereich des Flughafens Frankfurt am Main wegen Suizidalität ins
Markus-Krankenhaus verlegt worden. Sie blieb auch hier unter ständiger
Bewachung durch Beamte des BGS. Am
28. Januar hatte die Klinik auf Anfrage des BGS eine ausführliche Stellungnahme
mit Empfehlungen für eine weitere Therapie abgegeben. Außerdem schlugen die
behandelnden Ärzte vor, Frau Ayari für die weitergehende medizinische
Behandlung in die BRD einreisen zu lassen. Am nächsten Tag wird das
Krankenhaus vom BGS schriftlich darüber informiert, daß Suneya Ayari am 2.
Februar einem Amtsarzt und einem amtlich bestellten Psychiater vorgestellt
werden soll. Von der geplanten Abschiebung erfahren die Ärzte nichts. Im
Transitbereich des Flughafens wird Suneya Ayari von dem Leiter des Westfälischen
Zentrums für forensische Psychiatrie in Lippstadt-Eickelborn untersucht. Der
Arzt Dr. Rainer Gliemann hat vom BGS den Auftrag, die
"Flugtauglichkeit" von Frau Ayari zu bestätigen. Im Hinblick auf
die von den behandelnden Ärzten gemachte Äußerung, daß bei einer Abschiebung
mit "einer erheblichen Zunahme der Suizidgefahr zu rechnen" sei,
schreibt er in seinem Gutachten: "Die intelligente Probandin weiß
natürlich, dass suizidale Handlungen unter Umständen den Rücktransport
erschweren oder verunmöglichen." Deshalb sei eine
"Zweckreaktion" wahrscheinlich. Zwar sei die Asylbewerberin
"fast nicht in der Lage, zum Untersuchungsraum zu gehen" und höre
"imperative Stimmen", doch in ärztlicher Begleitung sei sie
"reisefähig". Am
nächsten Tag wird Suneya Ayari nach Tunesien abgeschoben. Die
behandelnden Ärzte gehen davon aus, daß ihre Patientin nach einer ärztlichen
Begutachtung wieder auf ihre Station kommt und halten dort über das
Wochenende das Bett frei. Sie fühlen sich vom BGS getäuscht, und Ärzteorganisationen
sprechen von einer "Entführung aus einer Krankenhausstation" und
von "berufsrechtlich fragwürdigem Verhalten". Im
März 2004 wird der für die Abschiebung einer schwerkranken Frau
verantwortliche Dr. Gliemann beurlaubt – sein Arbeitsvertrag wird nicht mehr
verlängert. FR 12.2.04; Pro Asyl 12.2.04; Diakonie in Hessen und Nassau 13.2.04; Markus-Krankenhaus Mitte Februar 04; FR 14.2.04; Ärzte Ztg 16.2.04; FR 17.2.04; FR 20.2.04; FR 21.2.04; taz 9.3.04; FR 12.3.04; Objektive Gutachter Juli 2004 4. Februar 04 Bundesland Thüringen. In einer
Nacht- und Nebelaktion wird die Familie Tuan aus ihrem Haus in Bleicherode
geholt und nach Vietnam abgeschoben. Der
12-jährige Le Da ("Don"), seine Schwester Le Huyen
("Jule") und der fünfjährige Le Ngoe ("Paulchen"), die
alle in Thüringen geboren sind, kommen nach der Abschiebung mit ihren Eltern
provisorisch bei den Großeltern unter. Das
Sparbuch von Frau Tuan wird beschlagnahmt und die darauf befindlichen 5000
Euro für Abschiebekosten verbraucht. Was
aus dem Haus und dem Auto der Familie wird, ist vorerst unklar, weil niemand
in Bleicherode darüber verfügen darf. Die
Eheleute waren 1987 als VertragsarbeiterInnen in die DDR gekommen, und als
ihre Betriebe aufgelöst wurden, wurde der Aufenthalt unsicherer, so daß in
den letzten zehn Jahren von der Ausländerbehörde nur noch Duldungen
ausgestellt wurden. Erschwerend kam hinzu, daß Herr Tuan wegen Handels mit
unverzollten Zigaretten Probleme mit dem Gesetz bekommen hatte. Nach
der Abschiebung der Familie entwickelt sich in Bleicherode eine
Bürgerinitiative. Wöchentlich treffen sich 50 bis 200 Menschen im Ort,
sammeln Spenden, übernehmen Patenschaften und arbeiten intensiv und
öffentlichkeitswirksam an der eventuellen Rückkehr der Familie. Als
schließlich in einem Bericht der Deutschen Botschaft in Vietnam die Rückkehr
der Familie aus humanitären Gründen empfohlen wird, weil vor allem die Kinder
orientierungslos und deprimiert sind, eröffnet sich der Weg der Wiederkehr. Nachdem
die UnterstützerInnen die Abschiebekosten von 12.000 Euro bezahlt haben, kann
Frau Tuan mit den Kindern im Dezember 2005 zurückkehren. Der Vater muß in
Vietnam bleiben. Evangelische Wochenzeitung 7.3.04; TA 4.6.04; Die Grünen PM 089/05 am 13.7.05; ND 12.12.05 6. Februar 04 Herr N. wird aus Nürtingen über
Amsterdam und Nairobi nach Kinshasa in den Kongo abgeschoben. Hier, am
Flughafen N'dili verweigern die Behörden ihm die Einreise, weil sie ihn für
einen angolanischen Staatsbürger halten, und schicken ihn nach zwei Tagen
nach Nairobi zurück. Hier
am Jomo Kenyatta International Airport stellt Herr N. sich den
Einwanderungsbehörden und lebt die nächsten vier Wochen in einer Art
Wartesaal, bis er am 11. März nach Stuttgart zurückgeflogen wird. Hier
erlebt Herr N., daß sein Lohn gepfändet ist, weil das Regierungspräsidium
Stuttgart ihm die nicht unerheblichen Abschiebekosten
und die Kosten für eine dreimonatige Abschiebehaft auferlegt. Obwohl
sein langjähriger Arbeitgeber ihn wieder einstellen will, verweigert die
Ausländerbehörde die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit. AK Asyl Nürtingen, Rundbrief, April 2004 7. Februar 04 Jüterbog in Brandenburg. Nachdem
ein palästinensischer Flüchtling schon in der Diskothek von Rechtsradikalen
angepöbelt und geschlagen worden ist, verläßt er mit seinem alge-rischen
Freund das Tanzlokal. Draußen werden die beide Flüchtlinge von einer größeren
Gruppe Rechtsradikaler angegriffen und zusammengeschlagen. Im
Krankenhaus werden die Platzwunde am rechten Auge und die zahlreichen
Prellung am Unterarm, an der rechten Stirn, am Rücken und Nacken ambulant
behandelt. Opferperspektive 11. Februar 04 Abschiebegefängnis Köpenick in
Berlin. Die Kosovo-Albanerin Sedana X. versucht, sich die Pulsadern aufzuschneiden.
Nach der Erstversorgung im Krankenhaus kommt sie zurück ins Gefängnis und
steht auf der Isolierstation unter besonderer Beobachtung des Personals.
Trotzdem schneidet sie sich erneut die Handgelenke auf – und nur durch Zufall
entdecken die Wachleute die Blutlache rechtzeitig. taz 18.2.04 16. Februar 04 Rendsburg in Schleswig-Holstein.
Im Abschiebegefängnis zündet am Morgen ein Gefangener mehrere Decken an und
setzt damit seine Zelle in Brand. Der 47-jährige Rom kommt mit einer
Rauchvergiftung in ein Krankenhaus. Dies
geschieht einen Tag vor seiner geplanten Abschiebung nach Bosnien. Der schwer
gehbehinderte Mann sollte ohne seine Frau und ohne seine fünf minderjährigen
Kinder nach 10-jährigem Aufenthalt in der BRD nach Bosnien abgeschoben werden. Im
Sommer wird Herr M. tatsächlich ohne seine Familie abgeschoben. Unter diesem
Druck folgt seine Frau mit den Kindern einige Wochen später auf dem Landweg. dpa 16.2.04; FRat SH 17.2.04; taz-Nord 18.2.04; jW 19.2.04; Familientrennung durch Abschiebung – Dezember 2004; Landesbeirat – Jahresbericht 2004 17. Februar 04 Abschiebegefängnis Köpenick in
Berlin. Ein libanesischer Gefangener hat einen heftigen Wortwechsel mit einem
oder mehreren auf seiner Etage diensttuenden Polizisten, die ihm nicht
erlauben, zu telefonieren. Er kehrt in seine Zelle zurück. Kurz
darauf kommen 6 oder 8 Polizisten in die Zelle und fordern ihn auf
mitzukommen. Er soll ins Erdgeschoß gebracht werden, wo sich die Einzelzellen
befinden. Der Gefangene versucht erneut ein Gespräch mit den Polizisten, wird
jedoch zu Boden geworfen, seine Hände werden mit Handschellen auf dem Rücken
gefesselt, und ein Polizist drückt seinen Oberkörper zu Boden, indem er sich
mit einem Bein auf den Rücken stellt. Der Libanese hat anschließend Schürfwunden
und schwere Prellungen an den Handgelenken sowie eine Schürfwunde auf dem
Nasenrücken. Die
Anstaltsärztin hält es für nötig, die Handgelenke röntgen zu lassen. Offenbar
waren die metallenen Hand-schellen sehr stark angezogen. Der am gleichen Tag
zu Besuch kommende katholische Seelsorger kann noch den Schuhabdruck auf der
Rückseite des Hemdes des Mannes feststellen. Im Gespräch äußert der
Gefangene, wie sehr er sich durch den auf seinem Körper aufgesetzten Schuh
gedemütigt fühlt und gibt an, er hätte kurzzeitig gar Suizidabsichten gehabt.
Der Seelsorger rät dringend zur Anzeige. Der Gefangene möchte jedoch nur
seinen inneren Frieden wiederfinden und baldmöglichst in den Libanon
abgeschoben werden. Zumindest stimmt er zu, daß der Vorfall an den Beirat und
den Leiter des Abschiebgefängnisses weitergemeldet wird. Anfang März wird er
dann abgeschoben. Jesuiten-Flüchtlingsdienst 17. Februar 04 Bundesland Niedersachsen. In
Emmerthal bei Hameln wird morgens um 3.30 Uhr die Familie Kisiwu/Nguya. aus
dem Schlaf gerissen. Dies geschieht ohne vorherige Ankündigung seitens der
Behörden. Polizisten und eine Vertreterin der Ausländerbehörde teilen den
Eheleuten Tschiana Nguya (34 Jahre alt) und Freddy
Kisiwu. (41 Jahre alt) mit, sie würden jetzt mit ihren Kindern (14, 9 und
knapp 2 Jahre alt) abgeschoben. Wegen
politischer Aktivitäten mußte die Familie aus der Demokratischen Republik
Kongo fliehen. Seit fast zehn Jahren lebt sie in der BRD, ist gut integriert
und durch eine unbefristete Tätigkeit von Herrn Kisiwu. seit zwei Jahren
nicht mehr auf Sozialhilfe angewiesen. Alle Asylanträge wurden abgelehnt;
beim Antrag der am 7. April 2002 in Deutschland geborenen Tochter Priscilla
ist das Urteil zu diesem Zeitpunkt jedoch noch nicht rechtskräftig. Während
Mutter und Kinder in der Wohnung bleiben und packen sollen, wird Herr Kisiwu
in Handschellen abgeführt und zum Amtsgericht gebracht, das erst jetzt einen
Abschiebungsbeschluß formuliert. Als die Polizisten bemerken, daß der
14-jährige Sohn nicht mehr in der Wohnung ist, fordern sie die Familie auf,
sofort mit dem Packen ihrer Sachen aufzuhören. So kommt es, daß Frau Tschiana
Nguya für die kleine Priscilla nur eine Windel und keine Babynahrung
eingepackt hat. Dann werden die Eltern und die zwei jüngeren Kinder zum Flughafen
gebracht. Herr
Kisiwu, dem schon mehrmals während dieser überfallartigen Aktion schlecht
geworden war, erleidet während des Fluges nach Amsterdam einen
Atemstillstand, so daß er nach der Landung umgehend in eine Klinik gebracht
werden muß. Als er – im Rollstuhl sitzend – am selben Tag zum Flughafen
zurückgebracht wird, ist der Flug nach Afrika weg; der nächste soll in zwei
Tagen stattfinden. Die
Familie verbringt die Nacht auf dem Boden des Flughafenareals. Am nächsten
Tag bekommen sie von der niederländischen Polizei zwei Euro, um telefonisch
nach ihrem älteren Sohn zu forschen. Er ist auf der Flucht und bleibt
verschwunden. Die niederländischen Behörden unterbrechen daher die
Abschiebung und organisieren den Rückflug der Familie in die BRD. Aus Angst
vor der weiterhin drohenden Abschiebung kehrt die Familie nicht nach
Emmerthal zurück. (siehe auch: 7. Dezember 04) FRat
NieSa Heft 102 Okt. 2004; Emmi
Gleim-Msemo – Rechtsanwältin 18. Februar 04 Auf offener Straße in
Köln-Mühlheim übergießt sich der 23 Jahre alte Kurde Ümit Abay mit Benzin und
zündet sich an. Im Kölner Krankenhaus werden seine Überlebenschancen aufgrund
der schweren und großflächigen Verbrennungen als sehr gering eingeschätzt.
Nach zwei Operationen erliegt Ümit Abay am 27. Februar einem
Nieren- und Lungenversagen. Ümit
Abay war wegen seiner politischen Arbeit für die Untergrund-Partei TIKB
(Revolutionäre Kommunistische Union der Türkei) mehrmals inhaftiert und
gefoltert worden. Das Staatssicherheitsgericht ihn zu einer Strafe von vier
Jahren und drei Monaten Haft verurteilt. Als die Strafe vom Kassationsgericht
bestätigt wurde, entschloß er sich zur Flucht. Im Dezember 2003 stellte er in
Braunschweig einen Asylantrag. Seine
Unterbringung in einer ehemaligen russischen Militärkaserne in Jena empfand
er als "offenes Gefängnis". Er litt unter den schlechten
Lebensbedingungen und wurde psychisch krank. Er besprach noch am 10. Februar
mit seinem Anwalt die Möglichkeit eines Antrages auf Umverteilung in eine Wohnunterkunft
nach Köln, und dieser zeigte die geringen Chancen eines solchen Antrages auf. Vor
seiner Selbsttötung hatte Ümit Abay sich beunruhigt über den Ausgang seines
Asylverfahrens geäußert, weil es bei seinen Papieren zu Übersetzungsfehlern
gekommen war, wodurch sich das Verfahren verzögern würde. Hanswerner Odendahl – Rechtsanwalt 27.2.04; AZADI 1.3.04; jW 3.3.04; taz-Köln 4.3.04;AZADI 8.3.04; JWB 10.3.04; Pro Asyl Infodienst Nr. 88 18. Februar 04 Döbeln in Sachsen. Um 22 Uhr
stürmen über zehn Polizeibeamte die Wohnung der Familie Shala, um die
Abschiebung durchzusetzen. Die durch den Kosovo-Krieg schwer traumatisierte
Frau Shala wird hinausgeführt und erleidet einen Nervenzusammenbruch. Die
18-jährige Tochter Arlinda muß von den Beamten hinausgetragen werden. Herr
Shala, dessen Abschiebung aufgrund seiner schweren Herzerkrankung noch nicht
entschieden ist und der noch bleiben könnte, will sich nicht von seiner
Familie trennen. Er wird in Handschellen gelegt und derart schlecht
behandelt, daß er mit einem gebrochenen Arm und Prellungen ins Krankenhaus
gebracht werden muß. Seine Frau kommt in ein anderes Krankenhaus. Nach
den beiden 18 und 19 Jahre alten Söhnen, die an diesem Abend nicht Zuhause
sind, wird gefahndet. Die
18-jährige Arlinda wird in dieser Nacht alleine abgeschoben. jW 4.8.04 – Beilage; Familientrennung durch Abschiebung – Dezember 2004 20. Februar 04 Bundesland Brandenburg. In einem
Waggon der Straßenbahnlinie 92 in Potsdam wird ein 21 Jahre alter
libanesischer Flüchtling von Rechtsradikalen geschlagen. Opferperspektive 21. Februar 04 Oststeinbeck bei Glinde in
Schleswig-Holstein. Um ein Uhr nachts brennt es in einem Zimmer in der
Flüchtlingsunterkunft, durch das zwei Bewohner verletzt werden. Die
Ermittlungen der Polizei ergeben, daß das Feuer durch fahrlässige
Brandstiftung entstanden ist. HM 23.2.04; Polizei Reinbek 23. Februar 04 Abschiebegefängnis Köpenick in
Berlin. Ein 23 Jahre alter bosnischer Gefangener versucht, sich mit
angesammelten Tabletten zu vergiften. Wegen seiner Homosexualität und wegen
Desertierens vor dem Wehrdienst hat er große Angst vor der Abschiebung.
"Das wäre mein Todesurteil", sagt er, eine dreijährige Haft würde
er nicht überleben und: "Homosexuelle sind in meiner Heimat vor religiösen
Fanatikern ihres Lebens nicht sicher." Am
4. Juni wird der Mann schließlich nach Sarajewo abgeschoben und kommt dort
unmittelbar ins Gefängnis. Siegessäule 20.3.04; anders TREND (AZ MEDIA auf RTL) 5.4.04 23. Februar 04 Das Landgericht Berlin verurteilt
einen 28 Jahre alten Flüchtling aus Kamerun zu fünf Monaten Haft ohne
Bewährung. Der HIV-infizierte Mann wird dafür bestraft, daß er dreimal ohne
gültiges Ticket mit öffentlichen Verkehrsmitteln gefahren ist
(Beförderungserschleichung). "Im Namen des Volkes" wird damit
entschieden, daß ein Schaden von dreimal 2 Euro mit fünf Monaten
Freiheitsstrafe zu sühnen ist. Antirassistische Initiative Berlin 24. Februar 04 In einem Zimmer der
Flüchtlingsunterkunft der bayerischen Ortschaft Landsberg bricht um 13.30 Uhr
ein Feuer aus. Beide Bewohner, zwei Algerier, sind zu diesem Zeitpunkt nicht
anwesend. Nach den vergeblichen Versuchen der BewohnerInnen des Heimes, die
Flammen zu löschen, gelingt dies schließlich einer Atemschutztruppe der
Feuerwehr. Drei verletzte BewohnerInnen können ambulant behandelt werden;
acht weitere kommen mit leichter Rauchvergiftung in die Krankenhäuser nach
Landsberg, Kaufbeuren und Buchloe. Bemerkenswert
ist das Verhalten der Heimleitung nach dem Feuer. Obwohl sie für die Presse
"nicht erreichbar" ist, weist sie ihr Wachpersonal an, Zutritt zum
Gebäude und Fotoaufnahmen durch die Presse zu unterbinden. Landsberger Tageblatt 25.2.04 25. Februar 04 Die Flüchtlingsunterkunft in der
baden-württembergischen Ortschaft Meßkirch in der Graf-Mangold-Straße.
Morgens um 2.00 Uhr bemerkt ein irakischer Bewohner ein Feuer in der
Waschküche im Untergeschoß des Gebäudes und alarmiert Feuerwehr und Polizei.
Da es ihm wegen der starken Rauchentwicklung nicht gelingt, innerhalb des
Gebäudes zum Brandherd zu kommen, zerschlägt er von außen die Fensterscheibe
der Waschküche und bekämpft den Brand mit einem Feuerlöscher von dort aus.
Dabei zieht sich der 20-Jährige leichte Schnittverletzungen zu. Die
BewohnerInnen des Heimes, zwei Frauen, zwei Kinder und elf Männer, werden
evakuiert und in der Gemeinschaftsunterkunft Sigmaringen-Laiz untergebracht. Die
Ermittlungen ergeben, daß zwei auf einem Küchenunterschrank und einer
Teppichrolle abgelegte Schaumstoffmatratzen offenbar absichtlich in Brand
gesetzt worden waren. Das Heim, dessen Schließung für die kommenden Monate
geplant war, wird jetzt vorzeitig geschlossen. Schwäbische Ztg 27.2.04 25. Februar 04 Bundesland
Mecklenburg-Vorpommern. In einem Wohngebiet am Rande von Rostock wird der 25
Jahre alte Mehmet Turgut in dem Imbiß seines Bekannten "Mister
Kebap" zwischen 10.10 Uhr und 10.20 Uhr durch zwei Kugeln in den Kopf
und eine in den Hals niedergeschossen. Wenige Minuten später findet ihn der
Besitzer des Imbisses blutüberströmt – da ist er bereits tot. Mehmet
Turgut hat keine Aufenthaltspapiere. Er ist zum dritten Mal in der BRD, um zu
arbeiten und Geld zu verdienen – für seine Hochzeit und seine Familie.
Zweimal wurde er bereits abgeschoben. Er ist der fünfte Tote in der sogenannten
Döner-Mord-Serie, der bis zum Jahre 2007 acht Türken, ein Grieche und eine
deutsche Polizistin zum Opfer fallen. Sie alle wurden am hellichten Tag
getötet, mit Schüssen aus einer Pistole der Marke Ceska 85, Kaliber 7,65. Die
Sonderkommission "Bosporus" in Nürnberg, wo der erste Mord an einem
Imbiß verübt worden war, wertet im Laufe der Jahre 33 Millionen Datensätze
aus, überprüft 11.000 Alibis und geht rund 3.500 Spuren nach. Die Ergebnisse
füllen schließlich 1.200 Aktenordner. Die Ermittlungen laufen ausschließlich
in zwei Richtungen: für die BeamtInnen kommen nur eine organisierte
kriminelle Bande oder eine Einzelperson als Täter in Frage. Erst
ab dem 4. November 2011, als sich zwei polizeibekannte Männer nach einem
Banküberfall erschießen und eine Komplizin versucht, Beweismaterial durch
Brandstiftung zu vernichten, wird klar, daß die Mörder Aktivisten des
rechtsradikalen Spektrums und Mitglieder des "Nationalsozialistischen
Untergrunds" (NSU) sind. Neben
vielen Ermittlungspannen über Jahre kommt jetzt auch die fragwürdige Rolle
des bundesdeutschen Verfassungsschutzes und seiner vielen staatlich bezahlten
V-Leuten ins Licht der Öffentlichkeit. Wochen
nach dem Tod der Mörder von Mehmet Turgut haben seine Eltern, die in dem
kleinen kurdischen Dorf Kayalik in den Bergen Ostanatoliens leben, immer noch
keine aktuellen Informationen von deutschen Behörden bekommen. Erst ein
Fernsehteam der ARD, das vor Ort recherchiert, berichtet den Angehörigen, daß
ihr Sohn aus rassistischen Motiven getötet wurde. Mit
dieser Wahrheit werden viele Ängste von den Angehörigen genommen, denn die
deutschen Polizisten, die im Jahre 2004 zu ihnen gereist waren, hatten immer
wieder nach angeblichen Feinden der Familie gefragt, weil sie den Verdacht
der "Blutrache" als Tatmotiv verfolgten. So hatte die Familie
schließlich jahrelang in großer Angst vor vermeintlichen Feinden und einem
weiteren "Anschlag" leben müssen. Auf
dem Dorffriedhof wundern sich die JournalistInnen über den Namen auf dem
Grabstein. Dort steht Mehmet Turgut – sie hatten aber entsprechend der
offiziellen Pressemitteilungen der Polizei den Namen Yunus Turgut erwartet. Diese
Irritation geht auf eine Verwechslung der türkischen Paßbehörden zurück, die
die Fotos der beiden Brüder bei der Ausstellung vertauscht hatten. Die Brüder
reisten dann mit den Daten des jeweils anderen, aber einem identischen
Paßfoto in die BRD, um hier arbeiten zu können. Ein
halbes Jahr nach dem Mord an Mehmut Turgut wird sein Bruder Yunus in die
Türkei abgeschoben. Eine
Kundgebung am 25. Februar 12, die in Gedenken an den Mord von Mehmet Turgut
in Rostock stattfindet, wird von bewaffneten und vermummten Rechten brutal
angegriffen. Bei der anschließenden Auseinandersetzung mit der Polizei wird
ein Beamter mit einer Eisenstange verletzt. Im Vorfeld hatte es Drohungen
gegeben, und am Kundgebungsort sind neonazistische Symbole und Parolen
gesprüht wie zum Beispiel: "Dönermorde – Ha Ha Ha!" Rostocker
Initiativen erheben im März 2012 die Forderung, den Ort des Mordes, den
Neu-Dierkower-Weg, in Mehmet-Turgut-Weg umzubenennen. SVZ 5.4.11; HM 23.11.11; Spiegel 12.12.11 ; FAZ 15.11.11; ard "Menschen und Schlagzeilen" 13.12.11; HA 15.12.11;
Weser-Ems 16.12.11; Kampagne Stop it!
12.3.12; LOBBI 29. Februar 04 Bundesland Nordrhein-Westfalen.
In der Ortschaft Beverungen werfen unbekannte Täter eine mit
Brandbeschleuniger gefüllte und mit einer Stofflunte versehene Bierflasche
gegen das Flüchtlingsheim. Die Flasche zerschellt an der Außenwand, so daß
nur leichter Sachschaden entsteht. Die Täter entkommen unerkannt. VS-Bericht NRW 2004 1. März 04 Abschiebegefängnis Köpenick in
Berlin. Um 0.20 Uhr fügt sich ein 24 Jahre alter Gefangener mit einem
Einweg-Rasierer Schnittverletzungen am Unterarm und am Hals zu. Nach einer
medizinischen Behandlung in einem Krankenhaus erfolgt sein Rücktransport in
das Abschiebegefängnis. Polizei Berlin 1.3.04 3. März 04 Kamlanvi K., togoischer
Abschiebegefangener aus dem Abschiebegefängnis Berlin-Köpenick, soll am
Hamburger Flughafen in eine Maschine der Air France steigen. Er wehrt sich
heftig gegen die Abschiebung nach Lomé und gegen die Zwangsmaßnahmen der
BGS-Beamten, bis der Pilot der Maschine sich schließlich weigert, ihn
mitzunehmen. Mit einer Fußverletzung kommt er zurück nach Berlin in die
Abschiebehaft. Nach einem kurzen Aufenthalt im Krankenhaus zur Untersuchung
seines Fußes erfolgt seine Verlegung in die Krankenstation der Haftanstalt. KuB 3.3.04 3. März 04 Markkleeberg bei Leipzig im
Bundesland Sachsen. Nach Einbruch der Dunkelheit, um 20.06 Uhr, brechen
Polizeibeamte in der Spinnereistraße 9 die Wohnungstür der albanischen
Familie Bajrami auf und überwältigen die völlig überraschten und verängstigten
Menschen. Die 20 Beamten der Polizeidirektion Grimma wollen in Amtshilfe für
die Zentrale Ausländerbehörde (ZAB) Chemnitz die Abschiebung der Familie in
den Kosovo, nach elfjährigem Deutschland-Aufenthalt, einleiten. Die
Polizeitruppe wird auf 30 Personen aufgestockt, weil AnwohnerInnen versuchen,
die Abschiebung zu verhindern. Der
10-jährige Hacif, die 13 Jahre alte Liridona und die 14-jährige Emine werden
geweckt und gewaltsam aus den Betten gerissen. Der erwachsene Sohn Agim wird
die Treppe heruntergezogen, geschlagen und gefesselt. Als Emine den Anwalt
und Freunde informieren will, wird ihr das Telefon weggenommen und
fortgeworfen. Die Eltern und die Söhne Agim und Bulatin müssen sich auf den
Boden legen und dort ausharren. "Wo habt ihr das geklaut?", fragen
die Beamten, als sie sich im Wohnzimmer umsehen, und äußern weitere
Beleidigungen. Ein
von der Ausländerbehörde beauftragter Arzt verabreicht dem 20-jährigen
Bulatin gegen seinen Willen eine Beruhigungsspritze. Dem
herbeigerufenen Anwalt und der Ärztin der Eltern wird kein Zutritt zur
Wohnung gewährt. Dies gelingt dem Anwalt erst durch massive Intervention nach
drei (!) Stunden. Nun erlebt der Anwalt, wie der an Diabetes und hohem
Blutdruck leidende Ekrem Bajrami eine Kreislaufkrise bekommt. In Lebensgefahr
muß er mit einem Rettungswagen ins nächstgelegene Akutkrankenhaus gefahren
werden. Auch
seine Frau und Mutter ihrer sechs Kinder, die 47 Jahre alte Miradije Berisha
ist schwerkrank. Durch die Verfolgungserlebnisse im Kosovo ist sie seit 1993
schwer traumatisiert. Seit 1995 wurde ihr deshalb von den Behörden immer
wieder ein Bleiberecht eingeräumt. Sie war mindestens siebenmal im
Elisabeth-Krankenhaus in Leipzig und in der Psychiatrischen Klinik der
Park-Krankenhaus-Südost GmbH in stationärer Behandlung. Aufgrund ihrer
Erkrankung bekam sie das Recht zur Arbeitsaufnahme zugestanden und ging
bisher einer regelmäßigen Beschäftigung nach. Die
beiden per Injektionsnadel 'beruhigten' Söhne werden mit ihrer 14 Jahre alten
Schwester Emine in drei verschiede-nen Polizeifahrzeugen zunächst zum
Zentralen Polizeigewahrsam nach Leipzig gebracht. Von dort aus werden sie in
einer siebenstündigen Fahrt in einem unbeheizten Bus der Bereitschaftspolizei
ohne Nahrung und Getränke zum Düsseldorfer Flughafen gebracht. Während der
Fahrt sind sie gefesselt. Die
Jugendlichen sollen abgeschoben werden – jedoch weigert sich die UNMIK
(United Nation Administration Mission in Kosovo) der "Rückführung"
der Jugendlichen zuzustimmen, und beruft sich dabei auf den bilateralen
Vertrag "Memorandum of Understanding" vom 31. März 2002, weil zum
einen eine Familientrennung nicht zulässig ist und andererseits eine
Information der Behörde im Kosovo nicht erfolgt ist. Erst die Intervention
des Innenministeriums in Düsseldorf kann dem Drängen des sächsischen
Staatsministeriums Einhalt gebieten, so daß zumindest Emine nicht abgeschoben
wird. Ihre Brüder werden unter Schlägen auf Hinterkopf, Rücken und Beine und
mit Plastikfesseln an den Handgelenken in einen Raum auf dem Flughafen Düsseldorf
gebracht, wo sie auf den Abflug warten sollen. Dann verbringen sie lange Zeit
in Einzelzellen eines Polizeiwagens – weiterhin gefesselt und kaltem Wind aus
der Lüftungsanlage ausgesetzt. Danach werden sie von je sechs BGS-Beamten zum
Flugzeug gebracht und wiederum geschlagen und beleidigt. Durch das
Flugzeugpersonal werden ihnen die einschnürenden Plastikfesseln dort endlich
gelöst. Herr
Bajrami befindet sich am 11. März immer noch wegen seines lebensbedrohlichen
Zustandes im Krankenhaus. Frau Berisha, die kleineren Kinder und auch Emine
müssen sich nach dem brutalen Polizeieinsatz in ärztliche Behandlung begeben.
Bei den Kindern wird jeweils ein akutes psychisches Trauma diagnostiziert,
das behandelt werden muß. Ab
20. April 2004 begibt sich die Familie Bajrami wegen der weiteren
Abschiebebedrohung ins Kirchenasyl. Petition an den Sächsischen LT 11.3.04; jW 17.3.04;
ND 10.9.04; Familientrennung durch Abschiebung – Dezember 2004; nah & fern Heft 30; Brief von Agim Bajrami 4. März 04 Der 18-jährige Raphael Sanko,
Flüchtling aus Sierra Leone, trifft von Worbis in Thüringen kommend am
Bahnhof Göttingen ein, weil er einen Termin bei seiner Rechtsanwältin
wahrnehmen will. Zwei Männer kommen auf ihn zu und fordern ihn auf, sich
auszuweisen. Als Raphael Sanko nach ihrer Legitimation und nach dem Grund
fragt, antwortet einer der Männer, daß sie Polizisten seien und daß das
Ausländergesetz sie zu einer verdachtsunabhängigen Personenkontrolle
berechtige. Sein Kollege ruft bereits Verstärkung. Als
vier weitere Zivil-Beamte eintreffen, drücken sie den überraschten Flüchtling
gewaltsam zu Boden und legen ihm mit brutaler Gewalt Handschellen an. Dann
tragen sie ihn in die BGS-Wache, die sich am Bahnhof befindet. Hier werden
die Kleider des Flüchtlings durchsucht und die Personalien überprüft. Raphael
Sanko ist durch die Zwangsmaßnahmen der Beamten derart verletzt, daß er von
der BGS-Wache mit einem Krankenwagen in die Notaufnahme des
Universitätsklinikums gebracht werden muß. Die Ärzte diagnostizieren folgende
Verletzungen: eine Kniegelenksdistorsion links, eine Handgelenksdistorsion
links, Verletzungen im Halswirbelbereich und an einer Schulter sowie
Prellungen. Raphael
Sanko, der auch schon als Mitglied der Flüchtlingsorganisation The VOICE
gegen die "Residenzpflicht" und "verdachtsunabhängige
Kontrollen" protestiert hat, erstattet Anzeige gegen die Polizeibeamten.
Die Ermittlungen gegen die Beamten werden eingestellt. Für April 2005 ist der
Prozeß gegen Raphael Sanko geplant. The VOICE Refugee
Forum Jena 5.3.04; AK Asyl Göttingen 6.3.04; AK Asyl Göttingen 9.3.04; jW 11.3.04; jW 7.7.04 4. März 04 Als Beamte der JVA Fuhlsbüttel
("Santa Fu") den 33-jährigen togoischen Flüchtling Kokou D. zur
Abschiebung abholen wollen, finden sie ihn blutend in seiner Zelle vor. Er
hat sich mit einer Rasierklinge selbst Schnittverletzungen an Hand und Bauch
zugefügt. Aber erst als Kolou D. "mehrmals mit voller Wucht mit dem Kopf
gegen die Wand" rennt (Gefangenenpersonalakte), wird die Abschiebung
abgebrochen. Vor einer ärztlichen Untersuchung seines Schädels schlägt er ihn
erneut gegen eine Wand. Dann
kommt er für die folgenden fünf Tage in eine Einzelzelle und Kokou D.
verweigert die Nahrungsaufnahme. Die 'Behandlung' des Abschiebegefangenen
besteht darin, ihn zu verbinden und ihn nackt ans Bett zu fesseln. Am
9. März kommt Kokou D. nach Holstenglacis zur Haftprüfung. Hier wird der
richterliche Vermerk ignoriert, D. sei wegen "Suizidabsicht
umgehend" einem Arzt vorzuführen. Kokou D. rammt sich in seiner
Verzweiflung über die Haftverlängerung eine Kugelschreibermine in die
Luftröhre, rammt erneut seinen Kopf gegen eine Wand und kommt schließlich ins
Marienkrankenhaus. Kurz nach der Operation und umittelbar nach Abflauen der
Narkose wird Kokou D. – noch mit Magensonde – mit einem Gefangenentransporter
zum Gefängniskrankenhaus zurückgefahren. Da die dortigen Ärzte aus Haus 1 und
auch aus dem Zentralkrankenhaus der U-Haft seine Aufnahme wegen der Schwere
der Erkrankung verweigern, muß er in dem oben beschriebenen Zustand mehrere
Stunden im Gefangenentransporter verbringen, bevor er in das
Marienkrankenhaus zurückgefahren wird. Von hier aus wird die Aufnahme in das
Klinikum Nord Heidberg-Ochsenzoll veranlaßt. Ab jetzt gilt er als aus der
Abschiebehaft entlassen. Während
der gesamten Krisensituation des Togoers wurde er nie von einer
psychologischen Fachkraft besucht. Erst nach seiner Entlassung wird er zwei
Monate lang in der Psychiatrie Ochsenzoll stationär behandelt und verläßt
diese mit der Diagnose: "Schwere depressive Erkrankung mit
fortschreitender Suizidalität aufgrund traumatischer Erfahrungen und
persistierender Ängste" und paranoide Ideen und Halluzinationen. taz 9.6.04; taz 10.6.04; taz
22.7.04; taz 6.8.04; taz Hamburg 22.11.04; Hamburgische Bürgerschaft DS 18/459; Hamburgische Bürgerschaft DS 18/685; Hamburgische Bürgerschaft DS 18/686; Hamburgische Bürgerschaft DS 18/1039 4. März 04 Landkreis Cloppenburg in
Niedersachsen. Der 34 Jahre alte Tschetschene Musa schneidet sich die Pulsadern auf und verblutet. Dies
geschieht, nachdem er am Vortag erneut einen Ablehnungsbescheid seines
Asylantrages erhalten hat. Er hinterläßt seine Frau und seine Kinder im Alter
von zehn, acht und sieben Jahren. Herr Musa hatte sich aktiv am bewaffneten Kampf der
TschetschenInnen beteiligt und war als Kämpfer von russischen Einheiten
festgenommen worden. In viermonatiger Haft wurde er schwer gefoltert. Seine
Eltern fanden ihn und konnten ihn gegen die Zahlung eines Lösegeldes aus dem Gefängnis
freikaufen. Das war im Jahre 2002. Er folgte seiner Frau und seinen Kindern
in die BRD, die wegen der vielen Schika-nen und "Besuche" von
russischen Soldaten schon vorher geflohen waren. Herr
Musa litt unter einer schweren Posttraumatischen Belastungsstörung. Als er
die Ablehnung des Asylantrags bekam und auch ein zweiter Asylantrag abgelehnt
wurde, geriet er immer tiefer in eine Depression, die auch stationär
behandelt werden mußte. Seiner
Witwe gelingt es im Jahre 2005, eine Aufenthaltserlaubnis für sich und ihre
Kinder zu bekommen. Ihnen werden Abschiebehindernisse nach § 53 Abs. 6
zuerkannt. GfbV März 2006; GfbV Dezember 2006 7. März 04 Abschiebegefängnis Köpenick in
Berlin. Um 16 Uhr geht ein 30-jähriger Gefangener in den Toilettenraum und
schneidet sich mit einer Rasierklinge in den linken Unterarm und in die linke
Halsseite. Mit einem Polizeiwagen wird er zur ambulanten Behandlung in ein
Krankenhaus gebracht. Polizei Berlin 8.3.04 8. März 04 Abschiebegefängnis Köpenick in
Berlin. Als ein kurdischer Gefangener nach der Freistunde einen Ball in den
Zellentrakt mitnehmen will, wird ihm dies von einem Beamten untersagt. Als
der Kurde argumentiert, daß der Ball immer mitgenommen werden durfte, wird er
von zehn Beamten im Erdgeschoß wegen "Widersetzlichkeit"
malträtiert. Nach diesem Übergriff ist der Gefangene ohnmächtig, und sein
Oberarm ist zweimal gebrochen. Nach
erster medizinischer Versorgung im DRK-Krankenhaus Köpenick kommt er ins
Unfall-Krankenhaus Marzahn, in dem er eine 10- bis14-tägige stationäre
Behandlung bekommen soll. Stattdessen erfolgt seine Verlegung ins
Haftkrankenhaus der JVA-Moabit. Nach Abschluß der staatsanwaltlichen
Ermittlungen zu der Verletzung des Kurden erfolgt seine Abschiebung im Juli
2004. Ein Gerichtsverfahren hat auch im Januar 2005 noch nicht stattgefunden. Pfarrer D. Ziebarth 8. März 04 In der Umgebung des
Flüchtlingsheimes im nordrhein-westfälischen Iserlohn werden einige
Straßenzüge abgesperrt, bevor in einem Großeinsatz das Gebäude von der
Polizei gestürmt wird. Fast alle Türen werden aufgebrochen oder eingetreten,
Menschen werden mit Plastikbändern gefesselt und angewiesen, sich auf den
Boden zu legen. Ein Mann aus Niger berichtet, daß ihm zusätzlich noch eine
Stoffmütze über das Gesicht gezogen wurde. Alle 25 Räume des Gebäudes werden
unter vielen Zerstörungen und Sachschäden durchsucht. An dem schikanösen
Einsatz gegen die 21 BewohnerInnen des Heimes beteiligen sich 160
Polizeibeamte. Vier
Personen werden wegen angeblich illegalem Aufenthalt festgenommen, was sich
jedoch später als unwahr herausstellt. Zwei 16-jährige Flüchtlinge kommen
wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz mit zum Revier. Tatsächlich
ist es, laut Einsatzleiter Lorenz Schnadt, auch nicht vorrangiges Ziel der
Polizei, Drogen zu finden. Er meint später, daß der Einsatz von Hubschraubern
und Hunden nötig gewesen wäre, um zu zeigen, "wer Herr im Hause
ist". Die
Einschnürungen an den Gelenken der mit Plastikkabel Gefesselten sind auch
nach einer Woche noch deutlich zu erkennen. Antifa Iserlohn; jW 17.3.04; GT 17.5.04 10. März 04 In der Hamburger
Untersuchungshaftanstalt begeht ein 33 Jahre alter Abschiebegefangener aus
Togo einen Suizidversuch. Hamburgische Bürgerschaft DS 20/469 14. März 04 Justizvollzugsanstalt Dresden. Die 47 Jahre alte
Vietnamesin Nguyen X. winkt aus dem Fenster einem vietnamesischen Gefangenen
zu, der sich im Gefängnishof aufhält, und redet mit ihm. Die Aufseherin unterbindet
das Gespräch abrupt und bringt die Gefangene in eine Einzelzelle. Diese gerät
in Panik, schreit laut und schlägt mit voller Kraft immer wieder ihren Kopf
gegen die Wand ("Im Moment wollte ich nur sterben"). Nach
ca. 15 Minuten erscheinen mehrere Männer und Frauen des Aufsichtspersonals,
legen die Gefangene in Handschellen und bringen sie in eine andere Zelle. Sie
entkleiden die Frau bis auf die Unterwäsche, fesseln die Hände hinter dem
Rücken, legen ihre Füße in Schellen und verbinden rücklings die Hand- und
Fußschellen mit einer weiteren Schelle. In dieser Schaukelfesselung muß die
Gefangene mit großen Schmerzen bis zum Abend ausharren. Dann werden ihr die
Fesseln gelöst, und sie kommt erst am nächsten Nachmittag zurück in ihren
Trakt. Die Zelle ist so kalt, daß sie um eine Decke bittet, die sie
allerdings nicht bekommt. Von
einem Arzt bekommt Nguyen X. eine Salbe zur Versorgung der Wunden an Hand-
und Fußgelenken. Noch zwei Wochen nach der Tortur hat sie heftige Schmerzen. Der
Leiter der Justizvollzugsanstalt verteidigt diese Foltermaßnahme mit der
Begründung, daß sie zum Selbstschutz der Gefangenen notwendig gewesen sei. Er
berichtet außerdem, daß ihr während der Fesselung ein Schutzhelm aufgesetzt
worden sei, da sie ihren Kopf auf den Fliesenboden geschlagen habe: "Da
die Gefangene auch schon während ihrer Inhaftierung in der
Justizvollzugsanstalt Berlin wiederholt Suizidgedanken für den Fall ihrer
Abschiebung nach Vietnam geäußert hatte, konnte aufgrund ihres Verhaltens
eine Suizidgefahr nicht ausgeschlossen werden." (siehe auch: 2. November 04) Bericht der Betroffenen; JVA Dresden
4.5.04; pax christi –
Flüchtlingskontakte Dresden 20.11.04 14. März 04 Untersuchungsgefängnis Holstenglacis
in Hamburg. Aus Angst vor der drohenden Abschiebungen versucht der 31 Jahre
alte Abschiebegefangene Orhan B., sich mit Spiegelscherben die Pulsadern zu
öffnen. Er wird daraufhin in eine Beobachtungszelle verlegt, kommt aber nach
vier Tagen mit Zustimmung des Gefängnispsychologen wieder in seine Zelle
zurück. (siehe auch: 19. April 04) taz Hamburg 3.5.04; taz Hamburg 4.5.04; jW 8.5.04; JWB 12.5.04; Ztg für Psychiatrie 5-04 15. März 04 In der Flüchtlingsunterkunft im
westfälischen Borken entsteht im Obergeschoß ein Feuer. Ein Zimmer und der
angrenzende Flur mitsamt Rauchmelder werden zerstört. Die anwesenden sechs
Kinder und Jugendlichen im Alter von sieben bis 18 Jahren können das Gebäude
in der Duesbergstraße rechtzeitig und unverletzt verlassen. Der Sachschaden
wird auf 25.000 Euro geschätzt. Polizei Borken 15.3.04 17. März 04 Abschiebegefängnis Köpenick in
Berlin. Ein albanisch-serbischer Gefangener versucht, sich in der Toilette
aufzuhängen. Wegen
seiner serbischen Herkunft, die in seiner Biografie dominierend ist, hatte er
immer wieder gebeten, nach Belgrad abgeschoben zu werden, doch die
Ausländerbehörde bestand auf eine Abschiebung in den Kosovo. Nach
dem Selbsttötungsversuch wird der Gefangene in eine Einzelzelle zur Beobachtung
verlegt. Die für den nächsten Tag geplante Sammel-Abschiebung nach Prishtina
wird aufgrund der im Kosovo stattfindenden schweren Ausschreitungen zunächst
gestoppt. Bei den Übergriffen werden innerhalb von wenigen Tagen mehr als 20
Serben von albanischen Extremisten getötet, Hunderte verletzt und Tausende
aus ihren Häusern vertrieben. Am 23. März wird der Mann aus der Haft
entlassen. Jesuiten-Flüchtlingdienst 20. März 04 Mecklenburg-Vorpommern. In einem
Rostocker Neubaugebiet wird einem irakischen Asylbewerber von drei jungen
Männern der Weg verstellt. Einer der Provokateure meint, daß der Flüchtling
ihm den Weg freigeben solle und schlägt ihm dermaßen gegen die Brust, daß er
zu Boden fällt. Dann verschwinden die Deutschen. LOBBI 23. März 04 Ein 33 Jahre alter kurdischer
Gefangener und abgelehnter Asylbewerber wird nach viermonatiger Abschiebehaft
in Berlin-Köpenick abgeholt und um 11.30 Uhr über den Flughafen Berlin-Tegel
in die Türkei ausgeflogen. Noch auf dem Flughafen in Istanbul erfolgt seine
Festnahme und seine Überstellung an die Anti-Terror-Abteilung. Er kommt in
ein Gefängnis des Typs F in Tekirdağ, einem Spezialgefängnis für politische
Häftlinge, in Isolationshaft. Es wird zunächst noch nicht einmal einem
Rechtsanwalt erlaubt, ihn in der Haft aufzusuchen. Als dies zugelassen wird,
stellt der Anwalt Verletzungen bei dem Gefangenen fest. Ein enger Freund des
Kurden berichtet, daß er in der Haft systematisch und schwer gefoltert wurde. In
der 27-seitigen Anklage des 1. Staatssicherheitsgerichts werden ihm
politische Parolen zur Last gelegt, die er rief, als er in der BRD dem
türkischen Konsulat zwangsweise vorgeführt werden sollte. Da diese Parolen
vom Wachpersonal in Verbindung mit seiner Person registriert worden waren,
war abzusehen, daß er nach einer eventuellen Abschiebung ins Visier der
politischen Verfolger kommen würde. Dies war auch Gegenstand eines Antrags
auf einstweiligen Rechtsschutz beim Verwaltungsgericht Leipzig, der abgelehnt
wurde. Durch
intensive Unterstützung von Menschen in Berlin und Istanbul kann erreicht
werden, daß zum Prozeßbeginn jeweils ein Vertreter von amnesty international
und von der Deutschen Botschaft als Beobachter anwesend sind. Der Prozeß wird
abgebrochen und der Angeklagte entlassen. Alle
Papiere bleiben einbehalten, und er hat sich in seinem Dorf alle 14 Tage bei
der Polizei zu melden. Flüchtlingsrat Berlin; Özgür Politika 17.4.04; Reinhard Jäger – Rechtsanwalt; Pfarrer D. Ziebarth 25. März 04 Auf dem Bahnhof des
brandenburgischen Jüterbog wird der 28 Jahre alte Djimtahadoum M., Flüchtling
aus dem Tschad, von drei Männern rassistisch beschimpft und geschlagen. Dabei
wird er im Gesicht verletzt. Auf
Djimtahadoum M., der schon vorher unter Depressionen litt, wirkt sich der
Überfall vor allem psychisch aus. Panikattacken und psychosomatische
Störungen plagen ihn noch eineinhalb Jahre später. Im Herbst 2005 droht dem
Aktivisten der tschadischen Exilopposition die Abschiebung. Das
Amtsgericht Luckenwalde verurteilt den Haupttäter zu einer achtmonatigen
Haftstrafe und der Zahlung von Schmerzensgeld in Höhe von 1000 Euro. Zudem
sind die Kosten des Verfahrens und die der Nebenklage von ihm zu tragen. Opferperspektive; BeZ 23.1.05 28. März 04 Jüterbog in Brandenburg. Ein 22
Jahre alter Afghane und sein palästinensischer Begleiter haben gerade die
Diskothek "Fränkis Tanzbar" verlassen, als sie von sieben oder acht
Rechtsradikalen angepöbelt werden: "Scheißausländer" und
"Ausländer sind Kanaken". Während dem Palästinenser die Flucht
gelingt, reißen eine Frau und ein Mann den Afghanen zu Boden und schlagen
minutenlang auf ihn ein. Der 22-Jährige kommt mit einem Nasenbeinbruch und
einem Schädel-Hirn-Trauma ins Krankenhaus. Im
Juli 2005 stehen der 28 Jahre alte Marcel P. und die 24-jährige Doreen N. als
Hauptverdächtige vor dem Luckenwalder Amtsgericht. Die Verhandlung wird
vorerst bis in den Oktober vertagt. Opferperspektive; MAZ 9.7.05; JWB 20.7.05; PNN 12.10.05 29. März 04 Halberstadt in Sachsen-Anhalt.
Um 19.40 Uhr wird ein 34 Jahre alter Flüchtling aus Eritrea im Beisein einer
Freundin auf dem Parkplatz eines Supermarktes von vier Männern überfallen.
Die Täter schlagen und treten auf ihn ein und schießen mit einer
Schreckschußpistole auf ihn. Dann lassen sie von ihm ab und flüchten. Der Afrikaner
muß sich wegen einer Platzwunde und schweren Prellungen im Gesicht im
Krankenhaus behandeln lassen. Zeugenaussagen
führen am nächsten Tag zur Festnahme des 19 Jahre alten Hauptverdächtigen.
Der bekannte Rechtsradikale hatte bereits im Jahre 2002 einen Asylbewerber
aus Indien in Halberstadt angegriffen. Nach seinen drei Komplizen wird
gefahndet. (siehe auch: 13. Januar 02) ddp 31.3.04; ap 31.3.04 jW 1.4.04; taz 1.4.04; MDZ 1.4.04; Polizei Halberstadt 1.4.04; rundbrief apabiz Nr. 15 Mai 04; Mobile Beratung für Opfer rechtsextremer Gewalt März 04 Nach einem Selbsttötungsversuch
befindet sich die 20 Jahre alte Arieta Ukaj in stationärer Behandlung. Auch
ihre Mutter Hola befindet sich wegen schwerer Depressionen im Krankenhaus.
Für beide Frauen, die der ethnischen Gruppe der Ashkali angehören, ist die
Abschiebung in den Kosovo zur Zeit ausgesetzt. Greenpeace Magazin 3/04 31. März 04 Bremerhaven im Bundesland
Bremen. Der 47 Jahre alte kurdische Flüchtling Mehmet A. übergießt sich mit
Benzin und kann von seiner Familie nur mit Mühe davon abgehalten werden, sich
anzuzünden. Er wird in das Krankenhaus Reinkenheide in Bremerhaven
eingeliefert. Herr A. hatte der Ausländerbehörde mehrmals angekündigt, daß er
im Falle einer Abschiebung sich und seine Kinder verbrennen wolle. Der
abgelehnte Asylbewerber hat gerade erfahren, daß er am 26. März in der
Ausländerbehörde ein Formular unterschrieben hat, mit dem er seiner
"freiwilligen" Rückkehr in die Türkei zustimmt. Er hatte das
Formular in dem Glauben unterschrieben, daß es sich um eine Entbindung von der ärztlichen
Schweigepflicht handeln würde. Bei dieser Unterschrift war weder ein
qualifizierter Dolmetscher noch ein Arzt zugegen. Mehmet
A. war 1995 mit seiner Frau und seinen vier Kindern in die BRD geflohen, um
dem immer gefährlicher werdenden Druck der türkischen Verfolgungsbehörden
auszuweichen. Mehrmals war er dort festgenommen, verhört und gefoltert
worden, weil er als "Dorfschützer" gegen die PKK eingesetzt werden
sollte – dies aber verweigerte. Mehmet
A. leidet seither an einer Posttraumatischen Belastungsstörung und ist
deshalb seit 1997 in psychotherapeutischer Behandlung. Aufgrund seiner
Erkrankung und der unsicheren Aufenthaltsbedingungen hat er mehrere
Selbsttötungsversuche hinter sich. jW 27.9.04; Hans-Eberhard Schultz – Rechtsanwalt 1. April 04 Nordrhein-Westfalen.
Der 20-jährige Flüchtling Bamkali Konateh (Banga) aus Sierra Leone ist in
Düsseldorf mit einem Freund zusammen auf dem Weg zu einem Call-Center, als
beide von vier Kriminalpolizisten in Zivil angegriffen, geschlagen und
letztlich überwältigt werden. Als Bamkali Konateh zu
Boden geht, treten und schlagen die Beamten weiter auf ihn ein. Sein Gesicht
ist verletzt und geschwollen, Blut läuft ihm aus Nase und Mund. Als er
versucht, sich aufzurichten, schießt ihm einer der Beamten aus unmittelbarer
Nähe eine große Menge Pfefferspray ins linke Auge. Der vor Schmerzen
schreiende Bamkali Konateh wird dann in ein Polizeiauto gestoßen und
weggefahren. Sein Freund wird in einem anderen Wagen abtransportiert. Während
der Fahrt zur Polzeiwache wird Bamkali Konateh immer wieder geschlagen. Eine ärztliche Untersuchung
erfolgt hier nicht. Nach einer halben Stunde fahren sie ihn zu einem
Gerichtsgebäude, wo ihm nach einer Stunde Wartezeit gesagt wird, daß er nach
Hause gehen könne. Sein Auge ist schwer
verätzt – er kann nichts mehr sehen. Er geht zu einem Freund, der ihn am
nächsten Tag zu einem Arzt begleitet. Dieser verschreibt ihm Schmerzmittel. Als Bamkali Konateh Mitte Juni
das Flüchtlingslager Geisa in Thüringen erreicht, wird er erstmals von einem
Augenarzt untersucht, der ihn umgehend in die Augenklinik nach Aachen
überweist. Dort erfolgen zwei Operationen am linken Auge, die ihm schließlich
die Schmerzen nehmen – aber die Sehkraft nicht wieder herstellen können: das
Auge ist erblindet. Zu einer geplanten
Nachuntersuchung – acht Wochen nach seiner Entlassung aus der Augenklinik –
kommt es nicht, denn am Tag davor wird Bamkali Konateh von der Polizei
aufgesucht, gefesselt, mitgenommen und am nächsten Tag einem Richter
vorgeführt. Über Düsseldorf kommt er per Richterbeschluß wegen des
"Vorfalls am 1. April" in die JVA Wuppertal. Erst zweieinhalb Wochen
später wird Bamkali Konateh von einem Augenarzt untersucht, der ihn in ein
Krankenhaus einweist, wo ihm das Auge entfernt wird. Zwei Wochen später
bekommt der Flüchtling ein Glasauge eingesetzt. Als Bamkali Konateh im Juli
2008 seine Duldung verlängern lassen will, ruft der Sachbearbeiter der
Ausländerbehörde Wartburgkreis die Polizei und veranlaßt, daß er wegen
Fahrens ohne Fahrerlaubnis und Verletzung der Residenzpflicht zu zwei Monaten
Haft in der JVA Goldlauter verurteilt wird. Eine noch offene Bewährung
erhöht die Haftzeit dann auf elf Monate. Nach 10 Monaten Haft erkrankt
Bamkali Konateh an Diabetes mellitus, wodurch die Sehkraft seines rechten
Auges in Mitleidenschaft gezogen wird. Am 12. Mai 09 wird das
rechte Auge erfolglos operiert: Bamkali Konateh kann nur noch hell und dunkel
unterscheiden. Auch weitere Operationen führen nicht zu dem erhofften
Ergebnis: am 17. Dezember 2009 ist Bamkali Konateh vollständig erblindet. Im Flüchtlingslager
Gerstungen lebt Bamkali Konateh sehr isoliert, und die einzige Unterstützung
sind – neben einem warmen Essen einmal täglich von einer Catering-Firma – die
Medikamentenzuteilung, die Augenbehandlung und die Insulin-Injektion durch
die Sozialstation. Ansonsten ist der blinde Mann sich selbst überlassen – er
stürzt oft, verletzt sich dadurch und schlägt sich dabei die Vorderzähne aus.
Er ist weiterhin abschiebebedroht. Erst durch die
Unterstützung der Organisation The VOICE bekommt er Kontakt zu einem Anwalt,
der erreichen kann, daß ein Abschiebeverbot nach § 60 Abs. 7.1. erlassen
wird. Es folgen zwei weitere
Operationen an seinem rechten Auge in Erlangen. Mit einer
Hornhaut-Transplantation und einer neuen Linse kann Bamkali Konateh bei
seiner Entlassung wieder Helligkeit, Dunkelheit und Farben erkennen. Das Blindengeld für fast
ein Jahr wird vom Versorgungsamt unterschlagen, indem es rechtswidrig als
Einkommen verrechnet wird. Als Bamkali Konateh am 17.
Juni 2011 eine Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen (§ 25 Abs. 3
AufenthG) bekommt, kündigt das Versorgungsamt die Verträge für die
medizinische Betreuung (Sozialstation) und auch für das einmalige warme Essen
am Tag. Er bekommt die Aufforderung, zum Ende des Monats das Heim zu
verlassen. Einer Gruppe von Berliner
UnterstützerInnen gelingt es, Bamkali Konateh eine kleine Wohnung in Berlin
zu besorgen und soziale und medizinische Betreuung zu organisieren. Bei der Verlängerung der
Aufenthaltserlaubnis, die Bamkali Konateh in der Ausländerbehörde Salzungen
am 15. September 11 erwirken will, erfolgt eine weitere Schikane des
Sachbearbeiters. Aufgrund einer übersehenen (!) Ausweisung aus dem Jahre 2006 stellt der
Sachbearbeiter nur einen Ersatzausweis mit Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25
Abs. 5 AufenthG aus und verfügt die Wohnsitzauflage (Wohnpflicht) für das
Land Thüringen. Obwohl Bamkali Konateh
durch die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs dagegen zunächst weiter
in Berlin bleiben kann, fällt er jetzt bzgl. seines Lebensunterhaltes als
auch der medizinischen Versorgung wieder auf die deutlich geringeren
Leistungen entsprechend dem Asylbewerberleitungsgesetz zurück. Am 16.
November 11 entscheidet das Sozialgericht Berlin, daß der Berliner Bezirk
Marzahn-Hellersdorf für Bamkali Konateh zuständig ist. Nachdem das Sozialamt
Beschwerde gegen das Urteil eingelegt hat, ent-scheidet schließlich am 20.
Dezember 11 das Landessozialgericht, daß Bamkali Konateh zurück nach
Thüringen muß. Durch diesen
Zuständigkeitsstreit der Behörden in Berlin und im Wartburgkreis
verschlechtert sich die soziale und medizinische Situation Bamkali Konatehs
grundlegend, denn das Sozialamt in Berlin weigert sich, die Sozialhilfe und
die Krankenkasse zu zahlen. Das hat sich auch im Januar
2013 nicht geändert. Bamkali Konateh lebt weiterhin in Berlin. Alle drei
Monate müssen die Sozialleistungen vom Sozialamt in Thüringen vor Gericht eingeklagt
werden. Krankenkassenbeiträge werden nicht bezahlt – die muß Bamkali Konateh
selbst tragen. Die Blindenschule kann er nicht besuchen, weil er keinen
mindestens einjährigen Aufenthalt vorweisen kann. Er bekommt lediglich auf
drei Monate befristete Fiktionsbescheinigungen, weil die Ausländerbehörde
seine Identität anzweifelt. YouTube
"Maybe I can see again" 4.9.10; indymedia
7.3.12; The Voice 19.3.12; linksunten.indymedia.org 25.4.12; Bericht des Betroffenen 2. April 04 Neubrandenburg im Bundesland
Mecklenburg-Vorpommern. Auf dem Parkplatz eines Supermarktes wird der 23
Jahre alte Algerier Fodil F. nachts von mehreren Männern beschimpft und
brutal geschlagen und getreten. Er solle aus Deutschland verschwinden,
brüllen sie ihn an. In Folge der schweren Verletzungen, die er erleidet, muß
ihm ein Hoden entfernt werden. Am
28. Mai unternimmt die Ausländerbehörde einen Abschiebeversuch. Da Herr F.
einem Arzt gegenüber über starke Schmerzen geklagt hat und auch eine Ärztin
einen erneuten Untersuchungsbedarf der Folgeschäden des Überfalls attestiert,
wird Herrn F. ein Untersuchungstermin genannt, was er aber aufgrund seiner
Aufgeregtheit und aufgrund seiner wenigen Deutschkenntnisse nicht versteht. Weil
er deshalb den Termin nicht wahrnimmt, wird er zur Fahndung ausgeschrieben,
am 4. Juni festgenommen und in Abschiebehaft genommen. Nach seiner
Freilassung taucht er unter. LOBBI 8.6.04; NK 10.6.04; OZ 10.6.04; NK 11.6.04; JWB 23.6.04 3. April 04 Frankfurt an der Oder in
Brandenburg. In den Lennépassagen vor einer Diskothek und einer
Bushaltestelle werden zwei Flüchtlinge aus Sierra Leone und aus Kamerun von
sechs bis acht Rechtsradikalen rassistisch beleidigt. Während dem Kameruner
die Flucht gelingt, bleibt der 30-jährige Benedict A. am Bordstein sitzen,
weil er in Anbetracht der zahlreichen PassantInnen nicht mit einem Angriff
rechnet. Einer von mehreren Tritten gegen seinen Kopf nimmt ihm das
Bewußtsein. Im
Klinikum Frankfurt/Oder werden ein Nasenbeinbruch, ein Gaumenbruch, eine Gehirnerschütterung
und eine Hirnblutung festgestellt, so daß der Verletze sich umgehend einer
lebensrettenden Operation unterziehen muß. An
den Folgeschäden, wie Gedächtnisverlust, fehlendem Geruchs- und
Geschmackssinn, leidet Benedict A. auch noch im Januar 2006, als der Prozeß
gegen die beiden Haupttäter stattfindet. Ein 26-jähriger Mann, ein
stadtbekannter Rechtsextremist, wird zu einer Bewährungsstrafe verurteilt und
zur Zahlung von 1000 Euro Schmerzensgeld für das Opfer. Ein 24-Jähriger, der
zugibt, dreimal "ziemlich doll" gegen den Kopf getreten zu haben,
bekommt wegen gefährlicher Körperverletzung eine Haftstrafe von zwei Jahren
ohne Bewährung, in die allerdings noch zwei Vorstrafen einfließen. Opferperspektive (inforiot 7.4.04); TS 16.4.04; ddp 22.4.04; BeZ 23.4.04; JWB 28.4.04; ddp 5.1.06; rbb-online 5.1.06;rbb-online 26.1.06; taz 27.1.06 4. April 04 In einer Flüchtlingsunterkunft
im hessischen Schmitten im Taunus entsteht im Keller ein Brand. Die Feuerwehr
geht von Brandstiftung aus – der Schaden ist gering. FR 5.4.04 4. April 04 Bundesland Sachsen-Anhalt.
Nachdem die Ausländerbehörde Zeitz dem Rechtsanwalt des Sudanesen John
Williams lange Zeit die Auskunft über dessen Verbleib verweigerte, bekommt
dieser Ende Juni einen Brief, in dem die Behörde mitteilt: "Ihr Mandant
ist am 04.04.04 gestorben." John Williams wurde 49 Jahre alt. John
Williams mußte seit Juli 2002 im Abschiebelager Halberstadt (ZASt – Zentrale
Anlaufstelle) leben, weil die Behörden ihm weder seine Herkunft noch die
Fluchtgründe glaubten. Als die sudanesische Botschaft die Ausstellung von
Reisepapieren verweigerte, erhielt er wegen "Falschaussage" einen
Strafbefehl über 200 Euro (40 Tagessätze à 5 Euro). Weil er die Strafe nicht
bezahlen konnte, mußte er vom 20. August bis zum 14. Oktober die Strafe beim
"Plansch e.V." abarbeiten. Ab
August 2002 begannen seine gesundheitlichen Probleme. Die Gedächtnisleistung,
die Fähigkeit zu schreiben und auch das Augenlicht ließen deutlich nach.
Anfang 2003 bekam John Williams Krämpfe, verlor zeitweise seine Sehkraft, und
sein linkes Bein war stark geschwollen. Die Einweisung in ein Krankenhaus
durch einen Halberstädter Arzt wurde durch das Sozialamt des Landkreises
verweigert. Als John Williams Ende Dezember 2003 sein Sprachvermögen verlor,
weder essen noch sehen konnte und bis auf die Knochen abgemagert war, waren
es nicht die Sozialarbeiter des Lagers, sondern seine MitbewohnerInnen, die
den Notarzt riefen. Der
Flüchtling kam ins Krankenhaus Halberstadt und wurde ím Januar 2004 in die Neurologische
Abteilung des Harzklinikums Blankenburg und anschließend in das Harzklinikum
Wernigerode verlegt. Als hier Sarkoidose mit Primärbefall des Gehirns
diagnostiziert wurde, erfolgte die weitere Verlegung in die Medizinische
Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Hier fiel John
Williams ins Koma. Auch hier schaltete sich das Sozialamt ein, um zu
erwirken, daß der Schwerkranke von der Intensiv-Station in eine normale
Abteilung verlegt wird – aus Kostengründen. Dies konnte nur durch den
Widerstand der verantwortlichen Ärzte verhindert werden. Schließlich kam John
Williams in das Pflegeheim Kloster-Meyendorf bei Saalfeld, wo er seinem
Leiden erlag. Obwohl
die MitbewohnerInnen des Kranken immer wieder nach dem Verbleib von John
Williams fragen, werden sie nie informiert. Auch als der zuständige
Sozialbetreuer den persönlichen Besitz des Verstorbenen im Abschiebelager im
4. Stock des Blockes A wegräumt, verweigert er gegenüber den MitbewohnerInnen
die Auskunft über den Verbleib von John Williams. Die
Beisetzung findet am 3. Mai 2004 in einer Urnengemeinschaftsanlage des
Friedhofs Klein Wanzleben statt. Karawane – Halle 26.6.04; Radio Corax – Interview mit Rechtsanwalt Ralf
Breuer 5.7.04; Karawane – Halle 9.7.04; ddp 19.7.04; AK Asyl Göttingen 28.7.04; Karawane – Halle
24.8.04; Bündnis Bleiberecht Schleswig-Holstein März 2006; LT Sachsen-Anhalt DS 4/1988; no-racism.net 5.4.11 6. April 04 Abschiebegefängnis Köpenick in
Berlin. Entgegen der Weisungslage werden Elternpaare und ihre Kinder in
Abschiebehaft genommen. Sie sind Roma aus Serbien, und die inhaf-tierten
Kinder sind fünf und zehn Jahre alt. Am nächsten Tag um 15 Uhr erfolgt ihre
Abschiebung nach Belgrad. Flüchtlingsrat Berlin 6. April 04 Berlin. Morgens um 8.00 Uhr
erscheinen Beamte im Wohnheim, um eine palästinensische Familie – Eltern und
Kinder – festzunehmen und dann abzuschieben. Die 42 Jahre alte Mutter bricht
zusammen und muß in ein Krankenhaus transportiert werden. Der 46-jährige
Vater kommt mit seinen fünf Kindern (5, 7, 11, 15 und 16 Jahre alt) in das
Abschiebegefängnis nach Köpenick. Bei dem Haftprüfungstermin werden die
Kinder gebeten, vor der Tür des Verhandlungsraumes zu warten. Der
Haftbeschluß bestätigt ausdrücklich nur die Abschiebehaft für den Vater,
indirekt allerdings auch für die Kinder, indem dort festgehalten wird:
"Hinsichtlich der Überstellung der Kinder des Betr. und der damit
verbundenen Gewahrsamsnahme, hat die dafür zuständige Senatsverwaltung für
Inneres die Zustimmung zu dieser Maßnahme bereits erteilt." Am
nächsten Morgen um 6.00 Uhr wird der Vater mit den Kindern nach Wien
geflogen, wo die Mutter im November 2003 Asyl beantragt hatte. Das Bundesamt
für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge bestätigt später, daß der Vater
der Kinder nie in Österreich gewesen ist. Flüchtlingsrat Berlin 11. April 04 In der Abschiebeabteilung der
Hamburger Justizvollzugsanstalt Fuhlsbüttel (Santa Fu) erhängt sich ein
Albaner. taz Hamburg 4.5.04; jW 8.5.04 13. April 04 In der Abschiebeabteilung der
Hamburger Justizvollzugsanstalt Fuhlsbüttel (Santa Fu) versucht ein Togoer,
sich mit einem Schnitt in die Kehle umzubringen. taz Hamburg 4.5.04; jW 8.5.04 18. April 04 Pinneberg in Schleswig-Holstein.
Gholam Reza Ghavidel, politischer Flüchtling aus dem Iran, beginnt einen
unbefristeten Hungerstreik und näht sich Mund, Augen und Ohren zu. Der
40-Jährige fordert die Anerkennung als politischer Flüchtling und sagt:
"Ein Leben als Mensch oder keines." Als
Kurde hatte er in der iranischen Opposition gegen das islamische Regime
gekämpft. Als immer mehr seiner politischen Freunde verhaftet oder ermordet
wurden, floh er außer Landes. Seit 1996 lebt er in der BRD, mehrere
Asylanträge wurden abgelehnt, Duldungen werden monatlich, wöchentlich oder
täglich verlängert. Trotz seiner Isolation als "geduldeter"
Flüchtling kämpft Gholam Reza Ghavidel unvermindert gegen das Regime im Iran.
Als
ihn die Polizei auf Weisung der Ausländerbehörde dem iranischen Konsulat vorführte,
um Ersatzpapiere für seine Abschiebung zu beschaffen, äußerte er dort seine
Meinung über das Regime. Der Konsulatsvertreter forderte die Beamten auf, mit
Herrn Ghavidel das Konsulat umgehend zu verlassen. Herr Ghavidel dürfe nie
wieder iranischen Boden betreten, und die deutschen Behörden sollten diese
Person nicht noch einmal ins Konsulat bringen. Gholam
Reza Ghavidel beteiligte sich an öffentlichen Aktionen zum
"Mykonosprozeß", an massiven Protesten anläßlich des Besuches des
iranischen Präsidenten Khatami, und er nahm an dem 31-tägigen Sitzstreik vor
der Hamburger Ausländerbehörde statt, um auf die Situation im Iran und auf
die deutsche Abschiebepolitik aufmerksam zu machen. Nach
24 Streiktagen und massivem öffentlichen Druck lenken die Behörden ein und
erklären sich zu einer "Überprüfung" des Falles Gholam Reza
Ghavidel bereit. taz 23.4.04; HA 23.4.04; indymedia 9.5.04; Karawane – Sektion Nord 19. April 04 Untersuchungshaftanstalt
Holstenglacis in Hamburg. Der 31 Jahre alte Abschiebegefangene Orhan B.
erhängt sich in seiner Zelle mit den Schnürsenkeln seiner Schuhe, um sich der
Auslieferung an die Türkei durch die Hamburger Innenbehörde zu entziehen. Er
kommt mit der Diagnose "Hirntod" auf die Intensivstation eines
Krankenhauses. Es
ist dies bereits der zweite Versuch Orhan B.s, sich in der Haft zu töten.
(siehe auch: 14. März 04) In
Vorbereitung seiner Abschiebung waren dem Gefangenen seine Kleidung und seine
Schuhe übergeben worden. An seinen Sportschuhen befanden sich die
Schnürsenkel, mit denen er sich erhängte. Monate
später befindet er sich weiterhin im Koma. Sein Rechtsanwalt Mahmut Erdem
erhebt Strafanzeigen gegen die Anstaltsleitung und den Psychologen wegen
Verletzung der Aufsichtspflicht. Orhan
B. überlebt seinen Suizidversuch schwer behindert und kommt nicht wieder zu
vollem Bewußtsein. Er bleibt im Wachkoma. taz Hamburg 3.5.04; taz
Hamburg 4.5.04; jW 8.5.04; JWB 12.5.04; Ztg für Psychiatrie 5-04; Antirassistische Initiative Berlin 22. April 04 Abschiebegefängnis Köpenick in Berlin. Ein 25-jähriger
Gefangener schluckt eine größere Menge Duschlotion, um sich zu vergiften. Er
ist homosexuell und fürchtet bei seiner Abschiebung nach Kap Verde zumindest
Repressalien durch Privatpersonen. Nach Behandlung im Krankenhaus wird er
zurück in die Abschiebehaft verlegt – zuerst in eine Einzelzelle und am 26.
April wieder auf seine Etage. Seine Abschiebung erfolgt dann Anfang Mai. Jesuiten-Flüchtlingdienst 22. April 04 Wolmirstedt in Sachsen-Anhalt.
Ein kurdischer Flüchtling wird gegen Mittag auf dem Marktplatz von einem
Deutschen zuerst rassistisch beleidigt und
dann ins Gesicht geschlagen. Erst als ein Freund des Opfers und Passanten
eingreifen, läßt der Angreifer von dem Kurden ab. Mobile Beratung für Opfer rechtsextremer Gewalt 28. April 04 Königs Wusterhausen in
Brandenburg. Drei Flüchtlinge aus Bhutan werden morgens um ein Uhr an einer
Tankstelle in der Luckenwalder Straße von zwei Rechtsradikalen getreten und
mit Fäusten ins Gesicht geschlagen. Einer der Angegriffenen muß seine
Verletzungen zwei Tage lang im Krankenhaus behandeln lassen – alle drei
trauen sich wochenlang nicht mehr bei Dunkelheit auf die Straße. Im August 2005 wird ein vorbestrafter Täter
vom Amtsgericht Königs Wusterhausen zu einem Jahr Haft ohne Bewährung
verurteilt. Opferperspektive; BM 26.7.05; BM 17.8.05; MAZ 17.8.05; taz 18.8.05 29. April 04 Bundesland Nordrhein-Westfalen.
In der Flüchtlingsunterkunft von Langenfeld nimmt eine 26-jährige Kurdin eine
Überdosis Tabletten, um sich zu töten. Sie wird ohne Bewußtsein von
MitbewohnerInnen gefunden und kommt umgehend ins Katholische Krankenhaus auf
die Intensiv-Station. Ihr Zustand ist auch nach der körperlichen Genesung so
kritisch, daß sie wegen weiterhin akuter Suizidalität mit einer Überweisung
in die Fachklinik für Psychiatrie Langenfeld entlassen wird. Aufgrund
der Situation in der Klinik, die ihre Bedrohungsangst massiv erhöht, weigert
sich die Frau, dort zu bleiben. Schließlich gelingt es, sie in einer
geschützten Unterkunft für Frauen unterzubringen. Hier
erst kann sich die gelernte Psychologin, die im Irak selbst in einem
Frauenhaus gearbeitet hatte, stabilisieren. Der
Grund ihrer Flucht aus dem Irak war die Drohung ihres Vaters, sie zu töten,
weil sie einen "falschen" Mann geheiratet hat. Sie
befand sich auf dem Weg zu ihrem im Ausland lebenden Ehemann, als sie am
Flughafen Düsseldorf festgenommen wurde. Im Transitbereich des Flughafens
stellte sie einen Asylantrag - die Einreise in die BRD wurde jedoch
verweigert. Nachdem eine Mitarbeiterin einer Beratungsstelle das Bundesamt
über gravierende Übersetzungsfehler bei der ersten Anhörung aufmerksam
gemacht hatte, ließ es die Einreise nachträglich zu – und es wurde eine
zweite Anhörung durchgeführt. Im
Mai bekommt sie die Asylanerkennung nach § 60 Abs. 1 AufenthG ("kleines
Asyl"). Die Morddrohungen ihres Vaters werden darin berücksichtigt. Sie
ist damit bundesweit die fünfte Frau, die aufgrund familiärer Verfolgung
einen Aufenthalt in der BRD bekommt. Pro Asyl 3. Mai 04 Ausländerbehörde Berlin am
Friedrich-Krause-Ufer 24 – um 10.30 Uhr im Zimmer 124. Der 34 Jahre alte
Flüchtling Ibrahim C. aus Sierra Leone, dessen Asylantrag schon vor Jahren
abgelehnt worden war, bekommt keine Verlängerung seiner Duldung, sondern eine
Grenzübertrittsbescheinigung – also eine Aufforderung zur Ausreise. Nachdem
er aussichtslos mit der Sachbearbeiterin diskutiert hat, schüttet er Benzin
aus einer 1,5-Liter-Flasche über seinen Kopf und droht sich anzuzünden. Kollegen
der Sachbearbeiterin rufen die Polizei. Als die Beamten einer Funkstreife und
Beamte der Gruppe "AGA" (Spezialeinheit für
Ausländerangelegenheiten bei der Kripo) eintreffen, werfen sie dem
Verzweifelten eine Decke über den Kopf und bringen ihn zu Boden. Jetzt entzündet
der sich heftig wehrende Ibrahim C. sein Feuerzeug und steht augenblicklich
in Flammen. Trotz sofort eingeleiteter Rettungsversuche erleidet der
Afrikaner schwerste Verbrennungen. Auch neun Polizeibeamte und zwei
Mitarbeiter der Behörde werden durch den Brand oder das Pulver der
Feuerlöscher verletzt und müssen sich im Krankenhaus behandeln lassen. Ibrahim
C. kommt in das auf Brandverletzungen spezialisierte Unfallkrankenhaus
Marzahn und befindet sich noch Tage später im künstlichen Koma und in Lebensgefahr.
Er hat schwerste Gesichtsverletzungen, und Herz- und Kreislauf sind massiv
angegriffen. Erst
nach Monaten intensiver medizinischer Behandlung kann er das Krankenhaus
wieder verlassen. Die Abschiebung ist vorerst ausgesetzt. BeZ 4.5.04; TS 4.5.04; BM 4.5.04; TS 5.5.04; BeZ 5.5.04; BeZ 6.5.04; BeZ 14.5.04; BM 24.5.04 3. Mai 04 Borken in Nordrhein-Westfalen.
Um 5.35 Uhr entdeckt eine Passantin Qualm, der durch die Dachziegel eines
Hauses an der Königsberger Straße aufsteigt. Die sofort alarmierte Feuerwehr
kann den 31 Jahre alten Bewohner nur noch tot bergen. Nach den Ermittlungen
ist der Asylbewerber aus Bhutan durch einen Unglücksfall zu Tode gekommen. Polizei Borken 3.5.04 4. Mai 04 Asylbewerberunterkunft Gehlberg
in Thüringen. Aus Verzweiflung über die unerträglichen Lebensbedingungen in
dem isolierten, eingezäunten Lager versucht ein 16-jähriger Syrer, sich durch
Tabletteneinnahme das Leben zu nehmen. Er
kommt zur Erstversorgung bis zum 8. Mai in das Kreiskrankenhaus Arnstadt und
wird nach kurzem Aufenthalt in der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie
Erfurt am 11. Mai in der Psychiatrischen
Klinik in Hildburghausen aufgenommen. Da er von dort aus nicht die Schule
besuchen darf, bricht er die Behandlung nach etwa einer Woche ab und wird nun
circa ein halbes Jahr ambulant von einem Psychiater betreut. Seine
Familie war durch politisches Engagement gegen die Menschenrechtsverletzungen
in Syrien in Lebensgefahr geraten. Mit ihrem damals 14-jährigen Sohn
flüchteten die Eltern in die BRD und stellten am 3. November 2002
Asylanträge. Sie setzten auch im Exil ihre Aufklärungsarbeit zur politischen
Situation in Syrien unvermindert fort. Die
Familie wurde in das Sammellager Gehlberg eingewiesen, das abgelegen und mit
schlechter Verkehrsanbindung mitten im Thüringischen Wald liegt. Die
Unterkunft besteht aus neun baufälligen Ferienhütten aus DDR-Zeiten, die für
eine Dauerunterbringung in keiner Weise geeignet sind. Eine Hausärztin kommt
nur zweimal wöchentlich nach Gehlberg, und eine Fahrt zu den zuständigen
Ämtern (Ausländerbehörde, Gesundheitsamt, Sozialamt) oder zu Fachärzten kann
bis zu fünf Stunden Zeit kosten. Der
junge Syrer legte trotz dieser widrigen Bedingungen 2007 das Abitur am
Neideck-Gymnasium in Arnstadt ab und ließ sich im Herbst 2007 an der
Friedrich-Schiller-Universität in Jena immatrikulieren – eine Stiftung wollte
sein Studium finanzieren. Aber zwei Wochen später stellte man ihm ein
Exmatrikulationsschreiben zu, weil die Ausländerbehörde Ilmenau auf der
"Residenzpflicht" beharrte und das Studium verbot. Am
23. April 2008 war die Klage erfolgreich, und den Eltern sowie dem inzwischen
volljährig gewordenem Sohn wurde ein Aufenthaltsrecht zugesprochen. Damit
konnten sie das "Isolationslager Gehlberg" endlich verlassen und
der Sohn sein Studium aufnehmen. TLZ 19.12.07; Appell der Flüchtlinge aus Gehlberg 11.6.08; FW 16.8.08; The
VOICE; Bericht des Betroffenen 6. Mai 04 Usingen in Hessen. Die kurdische
Familie Koyun soll auf Anordnung der Ausländerbehörde Bad Schwalbach nach
zehnjährigem Deutschland-Aufenthalt abgeschoben werden. Zeitgleich erscheinen
Beamte – in Begleitung eines Arztes – in der Wohnung der Familie und in der
Schule der drei Kinder. Die Kinder werden auf dem Schulweg gewarnt und
beschliessen, sich zu verstecken. Weil
die Usinger Polizisten die 16-jährige Leyla und ihre 12-jährigen
Zwillingsbrüder Baran und Berif in der Schule nicht antreffen, werden die
Eltern, Ayse und Salih Koyun, ohne ihre Kinder mit dem Lufthansaflug LH 3342
vom Flughafen Frankfurt um 13.55 Uhr nach Istanbul ausgeflogen. Die Kinder
würden "nachgeliefert", heißt es bei der Polizei. Die Kinder bleiben allein
zurück und sind sich selbst überlassen. Nicht einmal das Jugendamt wird
informiert. Der Sprecher der Ausländerbehörde des Main-Taunus-Kreises,
Johannes Latsch: "Nicht die Behörden haben die Familie getrennt, sondern
die Eltern. Was sind das für Eltern, die ihre Kinder in einem fremden Land
zurücklassen." Und der Leiter der Usinger Polizeistation: "Die
Kinder haben sich selbst von den Eltern getrennt." Kinder ohne Eltern
abzuschieben sei rechtens, weil es bei diesen "Großfamilien" ein
seltener Glücksfall" sei, "daß wir alle antreffen." Unter
dem Druck der Behörden unterschreiben die Kinder schließlich eine Erklärung,
daß sie bereit seien, Deutschland "freiwillig" zu verlassen. Da der
Aufenthaltsort der Eltern nach der Abschiebung in die Türkei zunächst nicht
bekannt war, schien es fraglich, wie sich die Behörden im Hinblick auf die
'Rückkehr' der Kinder verhalten würden. Es gelingt später, die Kinder zu den
Eltern zu bringen. FR 12.5.04; AGAH Hessen 12.5.04; FR 13.5.04; FR 14.5.04; FR 17.5.04; JWB 18.5.04; FR 21.5.04; jW 4.8.04 – Beilage; Familientrennung durch Abschiebung – Dezember 2004; Gegenwehr Heft 2/2004 7. Mai 04 Mecklenburg-Vorpommern. In einem
Lastkraftwagen auf dem Gelände des Fährhafens in Rostock entdecken Beamte der
Bundespolizei sieben türkische Staatsangehörige, die unter den Folgen von
Wasser- und Nahrungsmittelmangel leiden. BT-Drucksache 16/9 10. Mai 04 Neu-Anspach in Hessen. Morgens
um 6 Uhr erscheint überraschend die Polizei an der Wohnung der Familie
Boczdogan. Die kurdische Familie soll abgeschoben werden. Weil Frau Boczdogan
wegen einer Operation nicht reisefähig ist und ihr Mann mit dem kleinsten
Kind verreist ist, werden die drei jugendlichen Kinder Serife (14), Uphi (17)
und Semiha (19) aus ihren Betten geholt und bekommen weder die Erlaubnis,
sich zu waschen, noch etwas zu essen. Sie werden in Handschellen abgeführt.
Ein Sozialarbeiter steckt ihnen noch 50 Euro zu. Dann werden sie ohne ihre
Eltern – nach 10-jährigem Aufenthalt in der BRD – über Frankfurt am Main nach
Istanbul abgeschoben. FR 14.5.04; FR 17.5.04; JWB 18.5.04; Initiativausschuss "Ausländische Mitbürger in
Hessen" 19.5.04 FR 21.5.04; Usinger Anzeiger 5.6.04; Familientrennung durch Abschiebung – Dezember 2004; 10. Mai 04 Erfurt in Thüringen. Julia
Kowaltschuk aus Weißrußland schluckt eine Überdosis Psychopharmaka, legt sich
auf ihr Bett in der Gemeinschaftsunterkunft und stirbt. Sie ist 30 Jahre alt. Nach
einem Selbsttötungsversuch im Jahre 2003 hatte sie sich in psychologische
Behandlung begeben und hatte offensichtlich die ihr dort in kleinen Mengen
verordneten Medikamente angesammelt, um sich jetzt damit zu töten. (siehe auch: 24. April 03) Julia
Kowaltschuk war mit ihrer älteren Schwester Jelena und deren 11-jährigem Sohn
Sawa vor Bedrohung und Verfolgung durch organisierte kriminelle Strukturen in
die BRD geflohen. Vor allem sie war die Bezugsperson von Sawa, der nun durch
ihren Suizid schwer traumatisiert wird. Er kommt in psychotherapeutische
Behandlung. FRat Thüringen 10. Mai 04 Neubrandenburg in
Mecklenburg-Vorpommern. Ein 24 Jahre alter Flüchtling aus Togo wird am
Bahnhof von einem deutschen Jugendlichen rassistisch beschimpft und danach
geschlagen. LOBBI 11. Mai 04 Bei einem Brand in der
Flüchtlingsunterkunft im hessischen Viernheim erleiden drei Erwachsene und
zwei Kinder leichte Rauchvergiftungen, als sie sich durch den dicken Rauch in
den Hof oder auf das Flachdach des angrenzenden Hauses flüchten. Sie werden
vorsorglich in Krankenhäuser eingeliefert. Ein
kombiniertes Waschmaschinen- und Trockengerät im Erdgeschoßflur war –
wahrscheinlich aufgrund eines technischen Defektes – in Brand geraten. Polizei Heppenheim 11.5.04; Heppenheimer Ztg 12.5.04 11. Mai 04 Abschiebehaft in Rottenburg in
Baden-Württemberg. Der 41 Jahre alte Mohammed Seker, abgelehnter Asylbewerber
und Kurde aus dem Libanon, schluckt 15 Tabletten eines Psychopharmakons, um
sich zu töten. Er kommt in die psychiatrische Abteilung des
Gefängniskrankenhauses Hohenasperg bei Ludwigsburg. Der
Mann, der vor 15 Jahren in die BRD gekommen war, hatte kurz davor von seinem
Anwalt erfahren, daß Reisepapiere in die Türkei für ihn ausgestellt worden
waren. Mohammed Seker war seit der Inhaftierung stark depressiv und nahm seit
dem 1. Mai an einem kollektiven Hungerstreik von 15 weiteren Gefangenen teil.
Am
21. Mai erfolgt seine Abschiebung in die Türkei in Begleitung von BGS-Beamten
und einem Arzt. Vom Flughafen Stuttgart gelingt es ihm noch, einen Freund
anzurufen, um sich zu verabschieden. Seither gibt es keinen Kontakt mehr. KMii-Tübingen 11.5.04 13. Mai 04 Mainkofen in Niederbayern. Als
Beamte der Polizeiinspektion einen 26 Jahre alten Nigerianer zur Abschiebung
abholen wollen, sitzt der Mann auf der Straße vor der Gemeinschaftsunterkunft
in der Alten Poststraße und droht, sich mit einem Messer umzubringen. Den
Polizisten gelingt es, ihn zu überwältigen und festzunehmen. Sie
bringen den Nigerianer jedoch nicht – wie vorgese-hen – in die
Justizvollzugsanstalt in der Theresienstraße, sondern aufgrund der
bestehenden Suizid-Gefahr ins Bezirkskrankenhaus Mainkofen. PNP 14.5.04 14. Mai 04 Petershagen-Lahde im Bundesland
Nordrhein-Westfalen. Polnische Binnenschiffer entladen ihr Schiff am
Lagerhaus Raiffeisen-Landbund an der Fährstraße in Höhe der Brücke "An
der Koppel", als sie einen in der Weser schwimmenden Körper entdecken.
Nach der Bergung des Toten durch die Feuerwehr stellt sich heraus, daß es
sich um einen 26 Jahre alten Asylbewerber aus Weißrußland handelt, der in
Petershagen wohnte. Hinweise für ein Fremdverschulden am Tode des Mannes
werden nicht gefunden. Polizei Minden; MT 18.5.04 14. Mai 04 Quedlinburg in Sachsen-Anhalt.
Eine 33 Jahre alte Irakerin ist mit ihrem kleinen Sohn auf dem Heimweg vom
Einkaufen, als sich ihr eine 5-köpfige Gruppe rechter Jugendlicher in den Weg
stellt und sie rassistisch beschimpft. In Anspielung auf ihr Kopftuch brüllt
einer der Jugendlichen: "Mach den Kopf frei, hier ist Deutschland".
Dann holt er mit einer Bierflasche zum Schlag aus und verfehlt sie knapp. PassantInnen
alarmieren die Rettungsleitstelle in Thale. Es stellt sich heraus, daß der
Haupttäter ein stadtbekannter und wegen Körperverletzung mehrmals
vorbestrafter, 16 Jahre alter Rechtsextremist
ist. Mobile Beratung für Opfer rechtsextremer Gewalt Mitte Mai 04 Bockhorn in Niedersachsen. Ein
Asylbewerber attackiert eine Gemeindemitarbeiterin in ihrem Büro. Auch ein
hinzukommender Kollege der Frau wird von dem Flüchtling angegriffen. Beim
Eintreffen der gerufenen Polizei versucht er, seinen Paß aufzuessen. Die
Polizisten überwinden den Flüchtling und nehmen ihn in Gewahrsam. Im
Gegensatz zu ihm sind die attackierten Gemeindeangestellten nach der Rangelei
unverletzt. NWZ 19.5.04 16. Mai 04 Frankfurt an der Oder. In einem
Linienbus beschimpfen zwei deutsche Jugendliche einen 17 Jahre alten
palästinensischen Asylbewerber und einen 25-jährigen polnischen Studenten.
Dann schlägt einer der Angreifer dem Polen mit der flachen Hand ins Gesicht. Der
Fahrer des Busses informiert die Polizei, so daß die 17 und 20 Jahre alten
Frankfurter kurz nach der Tat festgenommen werden können. e110 17.5.04 16. Mai 04 Abschiebegefängnis auf dem
Gelände der Zentralen Anlaufstelle für Asylbewerber des Landes Brandenburg in
Eisenhüttenstadt (ZABH). Die ukrainische Gefangene Larissa X. hat gerade
einige Papierteller gestapelt, als eine Bewacherin ihr diese wegnimmt und
wegwirft. Als Larissa sich dagegen wehren will, wird sie von der Bewacherin
gegen eine Wand geschleudert. Sie trägt Quetschungen und Abschürfungen an
Fingern und Armen davon. Larissa
X. beschwert sich schriftlich bei dem Leiter des Gefängnisses über die
Bewacherin. Alliance of Struggle 17. Mai 04 Auf dem deutschen Frachter
"Natalie Bolten" werden bei Reinigungsarbeiten im Laderaum Nr. 4
fünf tote Afrikaner gefunden. Es wird angenommen, daß die Männer, die vermutlich
in einem Hafen der Côte d'Ivoire (Elfenbeinküste) an Bord kamen, durch
Sauerstoffmangel oder durch Ausdünstungen der geladenen frischen Baumstämme
erstickt sind. In Las Palmas, wo der Frachter drei Tage später anlegt, sollen
Gerichtsmediziner die Todesursache feststellen. Ein
Sprecher der deutschen Reederei August Bolten Wm. Millers Nachfolger GmbH
& Co. KG, deren Schiff unter liberianischer Flagge fährt, antwortet auf
Nachfrage: "Wir sagen dazu nichts." HA 22.5.04; IMO 30.9.04; elmundo.es; marmar.com 18. Mai 04 Nordrhein-Westfalen. Die
kurdischen Eheleute Mehmet Ali und Serife Azun und ihre Kinder Ramazan,
Abdul-Rahman, Özgür und Naiin aus Lippstadt werden beim türkischen Konsulat
in Essen zwangsvorgeführt. Sie werden begleitet von drei Mitarbeitern der
Ausländerbehörde, zwei Fahrern, einem Lehrer der Sonderschule Lippstadt und
dem Hausmeister des Flüchtlingsheimes. Nach
dem Einlaß um 15 Uhr darf der Hausmeister bei der Familie bleiben, die
anderen Begleiter werden in einen separaten Raum geführt. In einem Raum im
ersten Stock des Gebäudes erfolgen durch zwei Konsulatsangehörige
Sicherheitskontrollen bei den Flüchtlingen. Die
beiden Beamten erkennen Herrn Azun offensichtlich und der größere, der eine
Waffe trägt, fragt Herrn Azun in aggressivem und lautem Ton und in deutscher
Sprache, ob er Türkisch beherrsche. Herr Azun antwortet, daß er es zwar
könne, seine Frau und seine Kinder jedoch nicht. Als
der Wachmann Frau Azun mit den Worten "gelim amina koydogum cocu
lari" (deutsch: Kommt Ihr in die Fotze gefickten Kinder) beleidigt,
bittet Herr Azun ihn um Zurückhaltung. Doch der Wachmann meint, er wisse, daß
er eine Schwuchtel und ein PKK-Terrorist sei. Dann
schreit er die Frau an, sie solle einen Kaugummi aus dem Mund nehmen. Da sie
gar keinen Kaugummi kaut und deshalb dem Befehl nicht nachkommt, beginnt er,
die Frau zu würgen. Herr Azun geht dazwischen und macht darauf aufmerksam,
daß sie sich in Deutschland befinden. "Du Hurensohn, hier ist die Türkei
und nicht Deutschland" bekommt er zur Antwort. Der
zweite anwesende Wachmann nimmt jetzt den Sohn in den Würgegriff, um diesem
einen Kaugummi aus dem Mund zu nehmen. Herr Azun wehrt sich verbal, bis der
größere Konsulatsangestellte zur Waffe greift und der zweite Wachmann mit dem
Gummiknüppel auf ihn eindrischt und ihn mit einem Elektroschockgerät
traktiert. Herr Azun wird regelrecht zusammengeschlagen. Dann wird die
Familie aus dem Konsulat rausgeschmissen. Der gerufenen Polizei teilen die
Konsulatsangehörigen mit, daß sie wüßten, daß die Azuns PKK'ler seien. Der
von dem Wachmann gewürgte Sohn befindet sich auch eine Woche später noch in
medizinischer Behandlung. Diese
Ereignisse werden Gegenstand eines Klageverfahrens beim Verwaltungsgericht
Arnsberg: Die Klage wird am 24. Januar 2005 mit der Begründung abgelehnt, daß
eine Verfolgung der Familie Azun im Falle einer Rückkehr
"unwahrscheinlich" sei. Als
ein türkischer Rechtsanwalt Herrn Azun einen von der 4. Schwurgerichtskammer
Diyarbakir am 21. April 2005 ausgestellten Haftbefehl wegen angeblicher
Teilnahme an einer PKK-Aktion am 12. Oktober 1992 in Seyhan zuschickt, stellt
dieser einen neuerlichen Asylantrag. Dieser Antrag wird vom Bundesamt mit der
Begründung abgelehnt, "daß die Anzeigen fingiert sind". FRat NieSa 26.5.04; FRat NieSa September 05 18. Mai 04 Bundesland Baden-Württemberg.
Ein 16 Jahre alter Flüchtling aus dem Irak soll in eine auswärtige Unterkunft
zwangsverlegt werden. Zu diesem Zwecke betreten morgens um 8.00 Uhr zwei
Mitarbeiter des Sozialamtes und zwei Angestellte des städtischen
Vollzugsdienstes mit ihrem Diensthund sein Zimmer in der
Flüchtlingsunterkunft im Gewann Bopseräcker in Stuttgart-Hoffeld. Der
Jugendliche zieht sich zunächst an, hat dann plötzlich ein Teppichmesser in
der Hand und sticht damit nach dem Vollzugsbeamten. Dieser zieht seine Waffe
und schießt dreimal gezielt auf die Beine des Angreifers. Der
Jugendliche wird überwältigt und kommt mit einem Oberschenkeldurchschuß ins
Krankenhaus. Die Staatsanwaltschaft beantragt einen Haftbefehl gegen ihn. Polizei Hoffeld 18.5.04; ap 18.5.04; Yahoo!Nachrichten 18.5.04; FR 19.5.04; Eßlinger Ztg 21.5.04 19. Mai 04 Ulm in Baden-Württemberg. Die
Kosovo-Albanerin Frau Gashi, die mit ihren Kindern vor 13 Jahren zunächst in
die BRD geflohen war, soll abgeschoben werden. Die Familie hatte von 1997 bis
2003 in England gelebt und war im November 2003 nach Deutschland abgeschoben
worden. Ihre
16-jährige Tochter Elvira befindet sich wegen Suizidalität in stationärer
Behandlung, und auch Frau Gashi selbst ist suizidgefährdet. Die Entscheidung
über einen Eilantrag des Anwalts wird nicht abgewartet. Frau Gashi, ihre
Töchter Albina und Adelina (13 und 11 Jahre alt) und ihr fünfjähriger Sohn
Egzon werden ins Flugzeug gesetzt und abgeschoben. Die psychisch kranke
Elvira und Herr Gashi bleiben zurück. Das
Gericht erklärt dann die Abschiebung für rechtswidrig und begründet seine Entscheidung
mit dem grundsätzlich verbürgten Schutz von Ehe und Familie sowie den
ärztlichen Attesten, aus denen hervorgehe, daß die kranke Tochter dringend
auf die Nähe beider Eltern angewiesen sei. Zudem sei die Reisefähigkeit der
suizidgefährdeten Frau nicht gegeben. Im
Juni 2004 wird Frau Gashi und ihren Kindern tatsächlich die Wiedereinreise in
die BRD gewährt. Elvira ist seit dem 11. November 2004 wieder in ambulanter
psychiatrischer Behandlung. SWP 22.5.40; AK Asyl BaWü 28.5.04; AK Asyl BaWü 2.6.04; Familientrennung durch Abschiebung – Dezember 2004; Untertürkheimer Ztg 25.6.04; Christoph Käss – Rechtsanwalt 24. Mai 04 Schönau am Königssee in Bayern.
In der Flüchtlingsunterkunft entsteht am frühen Nachmittag ein Feuer, durch
das ein Bewohner verletzt wird. Das Feuer kann schnell gelöscht werden –
Brandstiftung wird nicht ausgeschlossen. In
dem Heim leben rund 120 Flüchtlinge, von denen viele aus dem Irak sind. NP (Coburg) 25.5.04 25. Mai 04 Am frühen Morgen umstellen
mehrere hundert Polizeibeamte 16 Flüchtlingsheime in Köln, um ca. 40 Personen
abzuholen und nach Jugoslawien abzuschieben. Von den 25 Personen, die
angetroffen werden, werden schließlich 16 Menschen direkt nach Belgrad
abgeschoben. In
mindestens zwei Fällen werden dadurch Familien auseinandergerissen. Einmal
werden Mutter und Sohn abgeschoben – und der Mann kann in der Kulmbacher
Straße bleiben. Bei einer anderen Familie aus der Causemannstraße wird der
Mann abgeschoben und läßt seine 16-jährige Frau mit drei Kleinkindern zurück. Auch
ein schwerkranker 26-jähriger Rom, der nur noch eine schlecht funktionierende
Niere hat, wird nach Serbien abgeschoben, wo er in einem maroden
Gesundheitssystem nur mit hohen Eurozahlungen Hilfe erkaufen könnte, wenn er
denn Geld hätte. Rom e.V. 26.5.04; taz 27.5.04; jW
28.5.04; jW 5.6.04; taz
19.6.04; kmii 7.7.04 25. Mai 04 Massenfestnahmen in Kölner
Flüchtlingsheimen (siehe vorherigen Textblock). Auch Familie S. soll abgeschoben
werden. Die Beamten verlangen von Herrn S. Unterschriften unter Erklärungen,
daß er mit der Abschiebung einverstanden ist und daß ihre persönliche Habe
dem Roten Kreuz übereignet werden kann. Herr S. unterschreibt keines der
Papiere und legt Atteste von dem behandelnden Nervenarzt seiner Frau und
seines 15-jährigen Sohnes vor. Die Beamten werfen die Unterlagen demonstrativ
von sich. Dann fordern sie Herrn S. auf, je Person 20 kg Sachen einzupacken.
Seine beiden Söhne, A. und der 17 Jahre alte I., helfen ihm. Frau S., die
seit langem in psychiatrischer Behandlung ist, befindet sich im Nebenraum und
wird von einer Polizistin bewacht. Plötzlich hört Herr S. die Stimme seiner
Frau, die "Nein, nein, nein" ruft. Sie
springt aus einem Fenster im zweiten Stock. Als ein Polizist im Beisein ihrer
Kinder sagt: "Das hat sie gut gemacht", springt auch ihr Sohn I. Herr
S., der schauen will, was passiert ist, wird von 4 – 5 Beamten brutal aufs
Bett gedrückt und mit Kabelbindern fixiert. Sein Sohn A., der ebenfalls in
verzweifelter Angst um seine Mutter und seinen Bruder ist und zum Fenster
will, wird ebenfalls mit Kabelbindern gefesselt und angebrüllt. Frau
S. kommt schwer verletzt auf die Intensiv-Station eines Krankenhauses. Ihr
Sohn I. wird nach seinem Sturz aus dem Fenster von einem Arzt untersucht und
dann in Handschellen gelegt. Diese sind so eng gestellt, daß ihm noch Tage
später die Handgelenke schmerzen. Die
Kinder werden von den Beamten weggebracht, aber nach zwei, drei Stunden
wieder freigelassen. Rom e.V. 26.5.04; taz 27.5.04; jW
28.5.04; jW 5.6.04; taz
19.6.04; kmii 7.7.04 25. Mai 04 JVA-Fuhlsbüttel – Hamburg. Spät
abends 'überfallen' viele Polizisten eine Zelle, in der sich
Abschiebegefangene befinden. Sämtliche Gefangene werden aus den Betten auf
den oden gerissen und gefesselt.
Mindestens eine Person wird dabei an der Hand verletzt. Dann suchen sich die
Beamten anhand von Fotos vier togoische Flüchtlinge heraus und nehmen sie zur
Abschiebung mit. Kouassi
B. hatte ein paar Tage zuvor eine Botschaftsvorführung, bei der die
Ausstellung eines Laissez-Passer verweigert wurde. Simon K. hatte sich
bereits einmal erfolgreich gegen die Abschiebung zur Wehr gesetzt und kam
daraufhin in Abschiebehaft, zunächst nach Hannover-Lan genhagen und später nach
Hamburg. Er ist HIV infiziert, und noch am Vortag wurden ihm weitere
Blut-Untersuchungen angekündigt, um seinen Gesundheitszustand und seine
Reisefähigkeit zu überprüfen. Nicht einmal sein Anwalt erfährt von seiner
Abschiebung. FRat HH 30.5.04; Migrationssozialberatung Norderstedt; DAMID 5/2004 25. Mai 04 Am späten Abend verwandelt sich
der BGS- und Charterflugbereich des Hamburger Flughafens Fuhlsbüttel in eine
Polizeifestung. Weit über ein hundert PolizeibeamtInnen sind im Einsatz:
Patrouillen mit Hunden, BeamtInnen behelmt und maskiert. Bündel von
Plastikfesseln und die neuen Modelle der Abschiebehelme werden am
Gefangenentrakt ausgeladen. Hier
wird der deutsche Part an der ersten europaweit organisierten Sammelabschiebung
vorbereitet. Dies geschieht unter Umgehung jeder Art von Öffentlichkeit und
der Streuung von Falschinformationen im Vorfeld. Polizei-, Ausländer- und
Innenbehörden der Bundesländer Baden-Württemberg, Sachsen-Anhalt, Berlin,
Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Hamburg sind daran beteiligt. Um
0.30 Uhr – eine halbe Stunde nach Beginn des Nachtflugverbotes – landet ein
Flugzeug der niederländischen Airline KLM. Ab 1.00 Uhr halten in kurzen
Abständen etwa 14 Polizeitransporter vor dem Gefangenentrakt. Die Gefangenen
werden gefesselt und mindestens einer mit einem Helm in die einzelnen Wagen
geführt, die dann Richtung Rollfeld weiterfahren. Um 2.00 Uhr startet die
Maschine. Neben
vier togoischen Flüchtlingen aus Hamburg befinden sich mindestens ein Togoer
aus Sachsen-Anhalt, ein Flüchtling aus Kamerun aus Karlsruhe und zwei Togoer
aus Berlin in dem Flugzeug. Für Salem P., der mit einem Mitgefangenen aus dem
Berliner Abschiebegefängnis nach Hamburg gebracht worden ist, ist es jetzt
der vierte Versuch ihn abzuschieben. Bei dem vorhergehenden Abschiebeversuch
war er von der Treppe gestürzt und hatte sich am Fuß verletzt. Mehrere
Gefangene haben sich bereits vor dem Flug ihrer Abschiebung widersetzt –
mindestens drei waren deshalb in Polizeihaft mißhandelt worden. Die
Maschine landet auf dem Amsterdamer Flughafen Schipol, und hier befinden sich
schon togoische und kameruner Gefangene aus den Niederlanden, Großbritannien,
Frankreich und Belgien. In einer Großcharter-Maschine werden dann schließlich
44 abgelehnte Asylbewerber abgeschoben: 26 nach Kamerun und 18 nach Togo. Nach
ihrer Ankunft in Lomé werden die togoischen Flüchtlinge noch auf dem
Flughafen festgenommen, intensiv verhört und massiv bedroht. Dann kommen sie
vorerst frei. Mindestens einer der Abgeschobenen nach Kamerun wird nach
seiner Ankunft verhaftet – seither fehlt von ihm jede Spur. Die
Europäische Kommission hatte am 22. Januar 2004 für "gemeinsame
Abschiebungen im EU-Verbund" für die Jahre 2005 und 2006 eine Summe von
30 Mio. Euro bereitgestellt, die u.a. für die logistischen Vorbereitungen und
für die Flüge selbst bestimmt ist. jW 13.5.04; ND 13.5.04 Karawane – Sektion Nord; Koordinationskreis Hamburg; FRat HH 26.5.04; taz 26.5.04; FR 27.5.04; taz 27.5.04; jW 28.5.04 26. Mai 04 Stuttgart-Hedelfingen in
Baden-Württemberg. Um 2.30 Uhr dringen mehrere Polizisten in die Wohnung der
Roma-Familie Barjamovic/Stojanovic in der Rohrackerstraße 10 ein und holen
die hochschwangere 18-jährige Marziella Barjamovic und den eineinhalbjährigen
Sohn George zur Abschiebung über den Flughafen Söllingen bei Baden-Baden nach
Belgrad ab. Da sie aus Serbien ist, ihr Mann Boban Stojanovic jedoch aus dem
Kosovo in die BRD geflohen war, kann die Familie – entsprechend der
restriktiven Gesetze – getrennt werden. Die Eheleute, die nach Roma-Ritus
seit drei Jahren verheiratet sind, hatten lange Zeit versucht, die
notwendigen Papiere für das Standesamt aus Serbien zu bekommen, was ihnen
nicht gelungen war. Marziella
Barjamovic und der kleine George leiden an Hepatitis. Als sie am 5. August in
Belgrad einen zweiten Sohn zur Welt bringt, kann sie ihn nicht stillen, um
ihn nicht anzustecken. Sie muß die Babymilch kaufen, bekommt aber keinerlei
Unterstützung, weder für die Milch noch für Medikamente noch für die Impfung
des Neugeborenen. AK Asyl Stuttgart 26.5.04; CaZ 27.5.04; AK-INFO
AK-Asyl BaWü Juni 2004; CaZ
31.8.04 27. Mai 04 Münster in Nordrhein-Westfalen.
In dem Wohnheim in der Scheibenstraße zündet ein 24 Jahre alter libanesischer
Flüchtling sein Zimmer an. Durch die durch die Hitzeentwicklung platzenden
Glasscheiben erwachen die MitbewohnerInnen und versuchen sofort, den Brand zu
löschen. Der Libanese muß erst überwältigt werden, weil er immer wieder
versucht, die Löscharbeiten zu behindern. "Ich
wollte alles zerstören und auch selbst mit verbrennen", sagt er im März
2005 in einem Sicherungsverfahren vor dem Landgericht Münster aus. Das
Gericht veranlaßt die Einweisung des seit Jahren an einer Psychose
leidendenden, in der BRD ohne gültige Papiere lebenden Mannes in die
Psychiatrie nach Eickelborn. MüZ 9.3.05 28. Mai 04 Schermbeck in
Nordrhein-Westfalen. Kurz nach Mitternacht müssen drei Löschzüge ausrücken,
um einen Zimmerbrand im Flüchtlingsheim zu bekämpfen. Ein Teil der aus dem Schlaf
gerissenen BewohnerInnen wird über Leitern aus ihren Zimmern ins Freie
gebracht. Ein 25 Jahre alter Mann und ein sechs Monate altes Baby ziehen sich
Rauchvergiftungen zu. Das Baby kommt vorsorglich ins Krankenhaus. Der
Brand kann schnell gelöscht werden, so daß die 29 BewohnerInnen um 2.00 Uhr
wieder in ihre Zimmer gehen können. Der
irakische Bewohner, in dessen Zimmer das Feuer entstanden war, wird
festgenommen. Er hatte versucht zu fliehen, als die Polizei eintraf. NRZ 29.5.04 29. Mai 04 Landkreis Löbau-Zittau im
Bundesland Sachsen. Am Abend werden zwei Bewohner aus dem Flüchtlingsheim
Oppach, ein 27 Jahre alter Afghane und ein 21-jähriger Flüchtling aus
Montenegro, von fünf Rechtsextremisten mit Bierflaschen beworfen und mit
einem Messer bedroht. Als sie flüchten, versperren ihnen andere Rechte den
Weg. Trotzdem gelingt ihnen die Flucht, und die Angreifer werfen ihnen die
Bierflaschen hinterher. AMAL Görlitz Mai 04 Ein togoischer Flüchtling wird
nach abgelehntem Asylantrag und nach einigen Wochen Abschiebehaft nach Togo
abgeschoben. Am Flughafen von Lomé übergeben die begleitenden deutschen
Beamten ihn direkt an das Militär. Bekannten, die über seine Ankunft
informiert worden waren, gelingt es noch in der Nacht, ihn mit einer größeren
Summe freizukaufen. Der Mann taucht unter und hält sich fortan versteckt. Antirassistische Initiative Berlin 1. Juni 04 Bodensee im Landkreis Göttingen
in Niedersachsen. Bei einem Brand in der Küche des Obergeschosses in einem
von Flüchtlingen bewohnten Zweifamilienhaus wird ein Bewohner leicht
verletzt. 15 weitere Bewohner können sich selbständig ins Freie retten. Der
Brandort wird beschlagnahmt – die Kriminalpolizei ermittelt. Polizei Göttingen 1.6.04 2. Juni 04 Im brandenburgischen Cottbus werden
sieben Flüchtlinge aus einer Gruppe Nazis heraus angepöbelt. Als sie
weitergehen, werden sie zusammengeschlagen. Die Polizei nimmt die Täter
kurzfristig fest. inforiots.de 4. Juni 04 Leutkirch in Baden-Württemberg.
Der 31 Jahre alte rumänische Flüchtling Jozsef S. wird morgens um 2 Uhr durch
lautes Klingeln an der Tür aus dem Schlaf gerissen. Als seine Freundin
öffnet, drängen fünf uniformierte Polizisten mit der Begründung, daß sie eine
Abschiebung vollziehen müssen, in die Wohnung. In ihrer Begleitung befindet
sich ein Arzt. Ihm werden die verschiedenen Atteste zur psychischen
Traumatisierung des Herrn S. vorgelegt, und er spricht sich daraufhin gegen
eine Durchsetzung der Abschiebung aus. Während der Arzt, die Freundin und
zwei Beamte im Flur der Wohnung warten, betreten drei Beamte das Zimmer, in
dem sich Herr S. befindet. Der psychisch traumatisierte Jozsef S. gerät in
Panik, als die Beamten beginnen, ihm Handschellen anzulegen. Als er sich
wehrt, werden die Beamten beleidigend und bezeichnen ihn unter anderem als
"Arsch". Sie werfen ihn zu Boden, ein Polizist kniet sich auf
seinen Rücken, zieht ihn an den Haaren und schlägt seinen Kopf auf den Boden.
Kurz danach schlägt er den Kopf gegen einen Glastisch, so daß die Haut an der
Stirn von Herrn S. platzt. Plötzlich schlagen die Beamten mit einem langen
besenstielartigen Stock auf den Flüchtling ein und stoßen mit dessen Ende
mehrmals kräftig in seinen Körper. Sie versuchen, das noch nicht gefesselte
Handgelenk in die Handschelle zu bekommen. Erst Faustschläge, die Herrn S.
die Luft nehmen, zwingen ihn seine Hand freizugeben, so daß die Handschelle
geschlossen werden kann. Jetzt werden seine Beine mit einer Schnur gebunden
und Jozsef S. wird, an dem Stock "aufgehängt wie ein Hund" und laut
um Hilfe schreiend, nur mit Unterwäsche bekleidet, zum Polizeiauto getragen.
Trotz der Hilferufe sieht der anwesende Arzt sich nicht genötigt
einzugreifen. Nur
mit einer Decke geschützt kommt Jozsef S. zum Revier, wird hier von einem
Arzt mit Medikamenten ruhig gestellt und in eine Gefangenenzelle gezerrt. Immer
noch in Handschellen und Unterwäsche erfolgt später sein Transport zur
Polizei nach Reutlingen. Hier werden ihm die Handschellen abgenommen und die
zahlreichen Spuren der Mißhandlungen registriert und fotografiert. Um
5 Uhr wird Herr S. – in seiner Begleitung befindet sich ein Arzt – zum
Flughafen Frankfurt gefahren. Bei einer Visitation bemerkt ein BGS-Beamter
die vielen Mißhandlungsverletzungen und fertigt erneut Fotografien an.
Aufgrund der Verletzungen an den Handgelenken wird er statt mit Handschellen
jetzt mit Klebeband fixiert. Durch
die unverzügliche Intervention des Rechtsanwaltes von Herrn S. gelingt es,
die Abschiebung – buchstäblich in letzter Minute – zu stoppen. Herr S. wird
nach Reutlingen zurückgebracht und trifft gegen Abend wieder bei seiner
Freundin in Leutkirch ein. Am
nächsten Tag attestiert ein Arzt in der Notfallsprechstunde folgende
Verletzungen bei Herrn S.: Platzwunden an der rechten Stirn (3 cm) und
rechten Halsseite (1 cm), Blutergüsse vor dem linken Gehörgang (3 cm), am
Kinn, am linken Oberarm (8 cm), am rechten Oberarm (7 cm), am linken Rücken
(7 cm und 3 cm) und an der linken Hüftaußenseite (5 cm), eine
Stockschlagschürfwunde am linken Rücken (20 cm), Handschellen-Schürfwunden an
beiden Handgelenken und Schürfwunden an beiden Knien. Am
7. Juni wird Herr S. aufgrund seiner Suizidalität in der Klinik für
Psychiatrie und Psychotherapie "Die Weissenau" in Ulm stationär
aufgenommen. In einem Gutachten der Klinik heißt es, daß die Umstände des
Abschiebungsversuches Herrn S. retraumatisiert und seine Erinnerung an Folter
und Flucht wieder vergegenwärtigt haben. Nach sechs Wochen stationärer
Behandlung wird seine Therapie ambulant fortgesetzt. Ende November 2004
begibt er sich erneut in stationäre Behandlung in Wangen. Jozsef
S. hatte 1995 in Rumänien wegen Spionageverdachts im Gefängnis gesessen und
war dort über mehrere Monate schwer gefoltert worden. Neben Schlägen und
Tritten hatte er Elektroschocks bis zur Bewußtlosigkeit erleiden müssen und
war mit kaltem und heißem Wasser übergossen worden. Auch Drogen wurden
eingesetzt, um von ihm Informationen zu bekommen. Um aus der Haft
herauszukommen, erklärte er sich bereit, einen staatlichen Mordauftrag
auszuführen. Er
wurde entlassen, flüchtete umgehend in die BRD und stellte hier einen
Asylantrag. Aufgrund seiner großen Verfolgungsängste und der mehrmals
erfolgten Abschiebeankündigungen hatte Jozsef S. mehrere Suizidversuche
unternommen. (siehe hierzu auch: Juni 03) exilio – Hilfe für Flüchtlinge und
Folterüberlebende Lindau 6. Juni 04 In der Nähe des Oderdammes bei
Ratzdorf an der brandenburgisch-polnischen Grenze wird abends eine im Wasser
treibende Leiche geborgen. Es
handelt sich um eine 45 Jahre alte Ukrainerin, die offenbar beim
"unerlaubten" Grenzübergang ertrunken ist. Aufgrund der
winterlichen Bekleidung wird angenommen, daß dies bereits vor Monaten
geschah. OS 13.6.04; BT-Drucksache 16/9 9. Juni 04 Berlin – Stadtteil Zehlendorf.
Der vierjährige Artiom K., der mit seiner ukrainischen Mutter Irina und
seinem zweijährigen Bruder in einem Heim des Christlichen Jugenddorfwerks im
Dahlemer Weg 38 wohnt, klettert abends durch den löchrigen Zaun des Geländes.
Er geht weiter über das völlig ungesicherte Gütergleis einer Privatbahn und
wird dann – wenige Meter weiter – auf der stark befahrenen Wannseebahn von
einem Zug erfaßt und tödlich verletzt. Der
marode Zaun, der das Wohnheim umgibt, wird nach Angaben der Heimleitung auch
nachts regelmäßig vom Hausmeister kontrolliert. Der Bezirk fühlt sich für den
Zaun nicht zuständig. "Dazu haben wir auch kein Geld", so Stadtrat
Wöpke. BM 11.6.04; BeZ 11.6.04; TS 12.6.04 13. Juni 04 Abschiebegefängnis Köpenick in
Berlin. Am frühen Sonntagmorgen um 1.15 Uhr entdeckt ein Wachmann im Hof des
Gefängnisses einen vor Schmerzen stöhnenden Mann. Der 18-jährige Gefangene
war beim Versuch, sich aus dem sechsten Stock abzuseilen, aus ca. 15 Metern
Höhe abgestürzt. Kurz danach finden die Wachleute einen 32 Jahre alten
Chinesen, der sich am Innenzaun verfangen hat. Es war den beiden Männern
gelungen, die Außengitter ihrer Zelle zu durchtrennen. Während
der Chinese nach kurzer Behandlung im Krankenhaus wieder in die Haftanstalt
zurückkommt, müssen Rippenbrüche und Prellungen bei dem 18-jährigen
Mitgefangenen stationär behandelt werden. sternshortnews.de 13.6.04; BeZ 14.6.04 17. Juni 04 Lichtenfels in Bayern. Um 14 Uhr
stellt der Hausmeister der Flüchtlingsunterkunft am Schloßberg einen Brand im
Keller fest und alarmiert umgehend die Feuerwehr. Den knapp 30
Feuerwehrleuten gelingt es schnell, das Feuer unter Kontrolle zu bekommen, so
daß keiner der BewohnerInnen in dem mehrstöckigen Gebäude zu Schaden kommt.
Es entsteht ein Schaden von 10 000 Euro. Die
Ermittlungen der Kriminalpolizei Coburg, die zunächst eine vorsätzliche
Brandstiftung in dem unverschlossenen Keller vermuten, gehen negativ aus. Da
der Raum ab und zu von spielenden Kindern genutzt wurde, bleibt der Verdacht,
daß diese mit Feuer gespielt haben könnten, bestehen. Polizei Coburg; NP (Coburg) 18.6.04 20. Juni 04 Ludwigsfelde in Brandenburg. In
einer Bar wird am frühen Morgen ein 45 Jahre alter Flüchtling aus Liberia von
einem deutschen Mann beschimpft: "Nur Weiße kommen hier rein." Als
der Liberianer sich um 7.50 Uhr in der Straße der Jugend befindet, wird er
wieder angepöbelt, dann von zwei Männern geschlagen, getreten und gewürgt. Er
muß seine Verletzungen im Krankenhaus behandeln lassen. Opferperspektive 20.6.04 22. Juni 04 Bei einem Brand in der
Flüchtlingsunterkunft im hessischen Heppenheim erleiden drei Erwachsene und
zwei Kinder leichte Verletzungen. Als Ursache wird ein technischer Defekt
vermutet. FNP 25.6.04 22. Juni 04 Abschiebegefängnis Köpenick in Berlin.
28 Tage nach Beginn seines Hungerstreiks wird der 23 Jahre alte Tamile
Paramesvaran Sivabalasundaram in die Krankenstation der JVA Moabit gebracht.
Er wiegt noch 48 Kilogramm und äußert sich gegenüber dem Mitglied des
Gefängnisbeirates, Dr. Lothar Grunau, daß er lieber sterben wolle als nach
Sri Lanka abgeschoben zu werden. Magensonde und Infusionen lehnt er ab. Nachdem
Dr. Grunau einen "ärztlichen (und psychologischen) Bericht" an
Innensenator Körting und dessen Staatssekretär geschickt und den schlechten
Gesundheitszustand des Tamilen beschrieben hat, erfolgt dessen Verlegung in
das St.-Joseph-Krankenhaus in Tempelhof. Kurze Zeit später wird Dr. Grunau
als Mitglied des Berliner Vollzugsbeirates abberufen, weil er
"Grenzen" seiner Befugnis überschritten habe, so die
Senatsverwaltung der Justiz. Die
Abschiebung von Paramesvaran Sivabalasundaram wird vorerst ausgesetzt und auf
den 29. Juli verlegt worden. Einen Tag vorher flieht Paramesvaran
Sivabalasundaram aus dem Krankenhaus und taucht unter. Ab August wird ihm
offiziell Kirchenasyl gewährt. Auch im Januar 2005 droht ihm immer noch die
Abschiebung. Paramesvaran
Sivabalasundaram hatte auf den Tag ein Jahr nach seiner Inhaftierung in
Köpenick mit dem unbefristeten Hungerstreik begonnen. In diesem Jahr ist er
nicht einmal persönlich zu seinen Asylanträgen angehört worden. Sie sind alle
aus formalen Gründen abgelehnt worden. Den Haftverlängerungsanträgen der
Ausländerbehörde wird von Seiten des Richters Dietrich Lexer immer wieder
stattgegeben: "Wir können nicht halb Indien aufnehmen", meint
dieser zu dem Fall des Mannes aus Sri Lanka. Sivabalasundaram habe deshalb
"gute Chancen, die Höchstdauer von 18 Monaten zu sitzen." Paramesvaran
Sivabalasundaram war erstmals im Jahre 1999 – zusammen mit seiner Schwester
und seiner Mutter – verhaftet und mißhandelt worden. Sie wurden nach dem
Verbleib seines Bruders befragt, der zu den Tamil Tigers (LTTE) gegangen war.
Die Mutter starb an den Folgen der schweren Mißhandlungen durch die Militärs;
Paramesvaran Sivabalasundaram und seine Schwester wurden nach drei Tagen
entlassen. Eine zweite Festnahme erfolgte nach einer Schüler-Demonstration –
Paramesvaran Sivabalasundaram kam nach zwei Tagen wieder frei. Im
Juni 2001 spielte er als Schauspieler die Hauptrolle in einem
regierungskritischen Theaterstück. Das ganze Ensemble wurde daraufhin
verhaftet. Paramesvaran Sivabalasundaram kam die nächsten acht Monate ohne
Anklage in Haft. Er wurde schwer gefoltert. Polizisten fesselten ihn mit
Draht und rammten ihn mit der Stirn gegen eine Mauerkante. Einmal schnürte
man ihm eine Plastiktüte über den Kopf, die vorher mit Benzin gefüllt war.
Nach acht Monaten waren seine Verletzungen so schwer, daß er in eine Klinik
verlegt werden sollte. Während der Fahrt gelang ihm die Flucht. Über Moskau
kam er nach Görlitz, wo er nach der Festnahme durch den BGS seinen ersten
Asylantrag stellte. In
Unkenntnis der Asylgesetze fuhr er nach England und stellte auch hier einen
Asylantrag. Es folgte die Rückschiebung in die BRD und die Inhaftierung in
Köpenick. TS 20.4.04; Bericht des Betroffenen 25.5.04; taz 4.6.04; FR 19.6.04; Jesuiten-Flüchtlingsdienst
23.6.04; Initiative gegen Abschiebehaft Berlin; BeZ 25.6.04; BM 30.6.04;TS 5.7.04; BeZ 7.7.04; BeZ
7.7.04; taz 8.7.04; taz 14.7.04; taz
29.7.04 22. Juni 04 Elmshorn in Schleswig-Holstein.
In der Berliner Straße springt ein 21 Jahre alter Asylbewerber in die
Krückau. Er schlägt auf einen Stein im flachen Wasser und zieht sich
lebensgefährliche Verletzungen zu. Die Polizei geht davon aus, daß der in
Reinbek lebende Mann sich töten wollte. HA 25.6.04 22. Juni 04 Bundesland Hessen. Als
Polizisten in der Nacht den 18-jährigen eritreischen Flüchtling S. aus dem
Flüchtlingsheim in Gießen zur Abschiebung abholen wollen, springt dieser aus
dem Fenster. Dabei verletzt er sich so schwer, daß er mehrere Wochen im
Krankenhaus behandelt werden muß. Trümmerbrüche und offene Wunden drohen zum
Verlust eines Beines zu führen. Kaum
aus dem Krankenhaus entlassen und noch schwer gehbehindert wird S. am 4.
August nach Italien abgeschoben. Kommentar der Polizisten, die zuvor die
Zimmertür eingetreten haben: "Damit Du nicht wieder springst, diesmal in
Begleitung!" S.
kommt in Italien in ein Flüchtlingslager, in dem es ihm – auch wegen
fehlender medizinischer Versorgung – zunehmend schlechter geht. S.
hatte im Oktober als 17-jähriger unbegleiteter Flüchtling Asyl beantragt,
weil sein Vater sich bereits in der BRD aufhielt. Da er über italienisches
Territorium gekommen war, versuchte das Bundesamt für Migration und
Flüchtlinge von Beginn an die widerrechtliche Rückschiebung des
Minderjährigen nach Italien. Erst
nach einem Vaterschaftstest und einem Antrag auf Familienzusammenführung
gelingt es, S. im Dezember mit einer Einreisegenehmigung in die BRD zurückzuholen.
Kurz danach wird ihm eine Aufenthaltserlaubnis erteilt. Flüchtlinge im Verschiebebahnhof EU; Pro Asyl 23. Juni 04 Das Flüchtlingsheim An der
Fliehburg im nordrhein-westfälischen Dinkslaken wird morgens um 4.00 Uhr
überfallen. Vier maskierte Männer stürmen das Gebäude und bedrohen eine 31
Jahre alte Frau aus dem ehemaligen Jugoslawien. Als deren Mutter ihr zu Hilfe
kommen will, schleudern die Täter die 64-Jährige mit dem Kopf gegen die Wand.
Dann verschwinden sie wieder. Während die beiden Frauen Prellungen und
Schürfwunden erleiden, bleiben die sieben Kinder der 31-Jährigen unverletzt. taz 4.6.04 28. Juni 04 Die Bezirksregierung Hannover
erwirkt beim Amtsgericht Hildesheim einen Haftbeschluß gegen die bosnischen
Flüchtlinge Kimeta Ujkanovic und ihren Sohn Ekrem. Die Inhaftierung der
beiden sei "unerläßlich, um die unmittelbare Fortsetzung einer
Straftat" zu verhindern. Die der Familie zur Last gelegte
"Straftat" beschränkt sich auf den Vorwurf des "illegalen
Aufenthalts". Daß die Familie sich seit neun Jahren in der BRD aufhält,
eine Duldung besitzt und regelmäßig die Termine bei der Ausländerbehörde
wahrgenommen hat, spielt offensichtlich keine Rolle. Damit
kommt erstmals in Niedersachsen das der Abwehr unmittelbar drohender Gefahren
für die innere Sicherheit dienende NSOG (Niedersächsisches Sicherheits- und
Ordnungsgesetz) als Rechtsgrundlage für Abschiebehaft zur Anwendung – und
nicht das Ausländergesetz. Nach NSOG ist eine Anhörung des oder der
Betroffenen durch einen unabhängigen Richter bei "Gefahr im Verzug"
nicht mehr notwendig. Abends
um 18 Uhr werden Mutter und Sohn festgenommen und inhaftiert. Am nächsten
Morgen um 5 Uhr dringt die Polizei erneut in die Wohnung ein, um die
16-jährige Meliha mitzunehmen. Die Wohnung ist leer – Meliha schläft bei
einer Freundin. Frau
Ujkanovic ist schwer kriegstraumatisiert – ihr Mann wurde 1994 von Serben
entführt und ist seither verschollen. Seit Jahren befindet sie sich wegen
einer Posttraumatischen Belastungsstörung in Behandlung. Am Flughafen
Düsseldorf kann ihre Abschiebung – aufgrund aktueller Atteste – gestoppt
werden. Der gerade 18 Jahre alte Ekrem wird alleine nach Belgrad abgeschoben. Der
Haftbefehl, aufgrund dessen die Familie festgenommen worden war, wird am 8.
September vom Landgericht Hildesheim für rechtswidrig erklärt. FRat NieSa 1.7.04; FRat NieSa 17.9.04 28. Juni 04 Bundesland Baden-Württemberg.
Morgens um 3.00 Uhr klopft es an der Wohnungstür der Roma-Familie X. Als klar
wird, daß die Abschiebung von Frau X. mit ihren fünf minderjährigen Kinder
ansteht, kommt Panik auf. Frau X. versucht sich die Pulsadern aufzuschneiden,
und eine Tochter will durch das Fenster flüchten. Die
Familie wird nach Baden-Baden gebracht und von dort nach Belgrad abgeschoben,
obwohl Frau X. ursprünglich aus dem Kosovo kommt. Sie hatte allerdings vor 14
Jahren in Montenegro ihre älteste Tochter zur Welt gebracht. Da der Ehemann
und Vater nicht abgeschoben wird, ist die Familie damit getrennt. Herr X. hat
einen Arbeitsplatz und konnte bisher die Familie finanziell unterhalten. Während
des Fluges wird Frau X. mehrmals ohnmächtig. In Belgrad versucht sie mit den
Kindern Geld für Fahrkarten und Essen zu erbetteln. Obwohl sie nicht genug
für die Fahrkarten zusammen bekommen, finden sie doch einen Busfahrer, der
sie nach Montenegro mitnimmt. Dort kann die Familie einige Tage bei einer
Bekannten unterkommen, bis Geld von Herrn X. eingetroffen ist. Der Versuch,
ein Zimmer längerfristig zu mieten scheitert an der sexuellen Gewalt des
Vermieters. Erst danach findet die Familie ein Zimmer in einem geschützten
Umfeld. Also ein Sohn krank wird und hohes Fieber bekommt, kann er zunächst
nicht behandelt werden, weil die Ärzte nur gegen Bargeld arbeiten, und Geld nicht
da ist. Erst mithilfe der Ausweispapiere eines anderen Kindes, das
krankenversichert ist, kann der Junge schließlich medizinisch behandelt
werden. Als
Frau X. nach zwei Monaten genügend Geld zusammen hat, reist sie mit den
Kindern weiter in den Kosovo, um in Pec im Haus ihrer Mutter zu leben. Es
stellt sich heraus, daß das Haus völlig verwahrlost und ausgeplündert ist. Es
gibt weder Strom noch Wasser, keine Kochgelegenheit, keinen Ofen. Allein die
KFOR-Soldaten bringen der Familie etwas Kleidung, Bettwäsche und Essen
vorbei. Frau
X. erlebt erneut sexuelle Bedrohung, Schläge und eine Vergewaltigung. Auch
danach wird sie weiter angegriffen. Sie ist völlig schutzlos – sie versucht
erst gar nicht, sich an die Polizei zu wenden, denn sie weiß, daß die Polizei
sich nicht für sie, als Romni, einsetzen würde. Die Kinder werden auf der
Straße diskriminiert und geschlagen und Steine fliegen gegen ihr Haus. Ende
des Jahres gelingt es der Familie, wieder in die Bundesrepublik einzureisen.
Als der Antrag auf Aufhebung der Sperrwirkung gestellt wird, schickt das
Regierungspräsidium Karlsruhe eine Rechnung über die Abschiebekosten in Höhe von 6000 Euro. Die
Klage gegen diese Zahlungsaufforderung ist erfolgreich, womit auch die Abschiebung
als unrechtmäßig festgestellt wird. BKZ 7.8.04; AK Asyl Backnang Juni 04 Über ein Jahr
sitzt Mavis Kujath aus Ghana im Abschiebegefängnis Berlin-Köpenick. Sie
konnte bei einer Personenkontrolle kein gültiges Visum vorzeigen. Zweimal
scheitern Abschiebungen in Tegel an ihrer Weigerung, das Flugzeug ohne
Einreiseerlaubnis für Ghana zu betreten. Ohne ein solches Papier würde sie in
Ghana wieder für drei Monate im Gefängnis landen und dann nach Deutschland
zurückgeschickt werden. Als Frau Kujath nicht nachgibt, wird sie von den
Polizisten geschlagen. Später stellt eine Ärztin Spuren fest, die von
Mißhandlungen stammen können. Den dritten
Abschiebeversuch lehnt Ghana ab, worauf Frau Kujath im Juni aus dem
Abschiebegefängnis entlassen wird. Die
31-Jährige ist während der Haft am Unterleib erkrankt und leidet an einer
Knochenschwäche. Die Psychologin der Arbeiterwohlfahrt diagnostiziert zudem
ein Trauma; die Bestätigung dieser Diagnose durch einen von der
Ausländerbehörde anerkannten Psychiater scheitert dann jedoch an einem freien
Termin. 1994
hatte Frau Kujath in Ghana einen Deutschen geheiratet und sofort bei der
Deutschen Botschaft einen Antrag auf Familienzusammenführung gestellt. Sie
wartete neun Jahre auf das Visum, sprach immer wieder bei der Botschaft vor,
die ihr eine Scheinehe unterstellte, bis sie sich 2003 schließlich ohne Visum
auf den Weg nach Berlin gemacht hatte, um ihren Mann zu suchen. taz 8.9.04 Sommer 04 Der 42 Jahre alte staatenlose
Ahmed Saado, Vater von sieben Kindern, soll abgeschoben werden. Er bricht auf
dem Weg zum Flughafen Hannover zusammen und muß dann aufgrund einer
Magenerkrankung ins Krankenhaus gebracht werden. Er
war im Jahre 1985 zusammen mit seiner Frau und zwei Kindern als
Bürgerkriegsflüchtling aus dem Libanon gekommen und sollte jetzt aufgrund
einer Entscheidung der Ausländerbehörde in die Türkei ausgeflogen werden. (siehe auch: 8. Juni 05) AK Asyl Göttingen 9.6.05 Sommer 04 Ein abgelehnter Asylbewerber
wird in die Türkei abgeschoben. Noch auf dem Flughafen erfolgt seine
Verhaftung. Er wird schwer gefoltert und zu 36 (!) Jahren Haft verurteilt. exilio – Hilfe für Flüchtlinge und
Folterüberlebende Lindau Sommer 04 Bundesland Sachsen-Anhalt. Im
Flüchtlingslager Hohenthurm erhängt sich der ca. 30 Jahre alte Nassirou
Moukaila aus Togo. Er
gehörte der Volksgruppe Kotokoli an. Als politisch Verfolgter war er im Jahre
1999 in die BRD geflohen und hatte Asyl beantragt. Nach Ablehnung durch das
Bundesamt hatte er die Hoffnung verloren und zunehmend unter Depressionen
gelitten. Togo Action Plus; ND 23.5.09 6. Juli 04 Der 33 Jahre alte Hoang Hai T.
wird schwerkrank nach Vietnam abgeschoben. Während
eines Aufenthaltes im Weimarer Hufeland-Klinikum im März waren bei ihm eine
HIV-Erkrankung und eine Hepatitis C-Erkrankung diagnostiziert worden. Statt
wie vorgesehen in ein Krankenhaus nach Jena zu kommen, wurde gegen ihn
Abschiebehaft in der Strafvollzugsanstalt Suhl-Goldlauter angeordnet.
"Da der Gesundheitszustand des Vietnamesen aber allgemein schlecht war,
wurde er mit gleich erkrankten Häftlingen in einer Zelle untergebracht",
so der stellvertretende Pressesprecher des Justizministeriums. Am
6. Mai hatte bereits die Abschiebung des Kranken erfolgen sollen, als auf dem
Flughafen Leipzig schwere gesundheitliche Probleme auftraten und der
Gefangene ins Klinikum Weißenfels gebracht werden mußte. Hier wurde –
zusätzlich zu den bekannten Krankheiten – Lungentuberkulose festgestellt. TA 13.7.04; TA 14.7.04; FW 15.7.04; Kirchenkreis Suhl 6. Juli 04 Glinde in Schleswig-Holstein.
Parkou Tossa soll mit ihren beiden Kindern, der achtjährigen Elke und dem
vierjährigen Ervin, nach Togo abgeschoben werden. Bei der Abschiebung droht
sie, sich und ihren Sohn aus dem Fenster zu stürzen. Die Aktion wird
unterbrochen, und sie erhält Kirchenasyl zunächst in Glinde und dann in der
Philippus & Rimbert Kirchengemeinde in Hamburg-Billstedt. Aufgrund ihrer
akuten Erkrankung und der schweren Epilepsie des kleinen Ervin kann sie
dieses am 25. Januar 2005 mit einer Duldung verlassen. Ein
Jahr zuvor war ihr Ehemann abgeschoben worden und mußte aus Angst vor
politischer Verfolgung in den Nachbarstaat Benin flüchten. HamburgAsyl 25.1.05 9. Juli 04 Flüchtlingsheim Jürgenstorf in
Mecklenburg-Vorpommern. Nachdem der Landkreis eine sogenannte Umverteilung
des togolesischen Flüchtlings Tomlakiwhe K. nach Parchim angeordnet hat, soll
dieser von der Polizei dorthin gebracht werden. Um
9.30 Uhr klopft es an der Zimmertür von Herrn K., und ein Angehöriger der
Ausländerbehörde mit zwei weiteren Personen überreichen Herrn K. die
Unterlagen in deutscher Sprache. Tomlakiwhe K., der kein Deutsch spricht,
verlangt einen Dolmetscher und bittet auf die Toilette gehen zu dürfen, da er
gerade erst aufgewacht ist. Auf
dem Flur – in Begleitung des Angehörigen der Ausländerbehörde – macht er auf
sich aufmerksam, so daß einige Mitbewohner aus ihren Zimmern kommen. Zwei
uniformierte Polizeibeamte fordern die Menschen auf, wieder in ihre Zimmer zu
gehen. Dann
geht ein Uniformierter auf Herrn K. zu und schlägt ihm mit dem Schlagstock in
den Bauch. Herr K. wird zu Boden geworfen. Von einem Polizisten wird er dann
auf den unten gehalten, während der andere den Kopf des Betroffenen auf den
Boden schlägt. Tomlakiwhe K. wird gewürgt, so daß er keine Luft bekommt. Dann
werden ihm Handschellen angelegt und jetzt treten auch die Zivilbeamten und
der Mann von der Ausländerbehörde mit Schuhen auf ihn ein. "Du versuchst
einen auf Chef zu machen, aber deine Freunde sind nicht mehr an deiner
Seite!" wird ihm dabei gesagt. Verletzt, in Handschellen und noch immer
im Schlafanzug erfolgt dann der Transport in das Übergangswohnheim nach
Parchim. Erst
hier wird Herr K. frei gelassen. Er bittet dort den Hausmeister, einen Arzt
zu informieren. Es sei aber Freitag und da sei kein Arzt erreichbar, wird ihm
mitgeteilt. Als
Tomlakiwhe K. am nächsten Tag aufgrund seiner starken Schmerzen selbst einen
Arzt aufsucht, stellt dieser – neben Schmerzen am Kopf, Brustkorb und
Nackenwirbelsäule – auch Heiserkeit fest, die auf eine Einwirkung im
Kehlkopfbereich zurückzuführen ist. Bemerkenswert
ist die Tatsache, daß diese Umverteilung zwei Tage nach einer Protestaktion
der Flüchtlinge gegen den Auszahlungsmodus der Sozialhilfe stattfindet. Die
Protestierenden hatten die Bundesstraße 194 in Jürgenstorf für eineinhalb
Stunden blockiert – die Ausländerbehörde bezeichnete Tomlakiwhe K. als
sogenannten Rädelsführer. Ein
knappes Jahr später steht Tomlakiwhe K. wegen Widerstands gegen die
Staatsgewalt als Angeklagter vor dem Amtsgericht Malchin. Die Verhandlung
wird wegen Unklarheiten über die Zuständigkeit der Umverteilung zunächst
vertagt. Der
Ausgang des Strafverfahrens gegen die Beamten steht im Januar 2006 ebenfalls
noch aus. NK 20.4.05; Ulrich Klinggräff – Rechtsanwalt 12. Juli 04 Fulda in Hessen. Im Keller der
Flüchtlingsunterkunft Leipziger Straße 104 wird morgens um 7 Uhr Feuer
entdeckt, von dem aus sich dichter Qualm sehr schnell im Haus verteilt. Von
den 46 BewohnerInnen gelingt es 26 Personen, selbständig ins Freie zu kommen.
Die anderen Flüchtlinge, die sich teilweise auf das Dach retten, müssen von
der Feuerwehr mit sogenannten Hubrettungsgeräten (Fluchthauben) über die
Drehleitern in Sicherheit gebracht werden. Eine schwangere Frau und ihre
Tochter erleiden Rauchvergiftungen und kommen ins Krankenhaus. Als
Brandursache wird ein technischer Defekt im Keller vermutet. FNP 12.7.04; FZ 12.7.04; ddp 12.7.04; FZ 13.7.04 14. Juli 04 Justizvollzugsanstalt Untermaßfeld
in Thüringen. Der kurdische Abschiebegefangene A. A. wird in seiner Zelle
gefesselt und herausgeführt, weil er zur Abschiebung in die Türkei zwei
Beamten aus Frankfurt am Main übergeben werden soll. Als er sich von
Mitgefangenen verabschieden will, wird er von vier JVA-Beamten
zusammengeschlagen. Er erleidet erhebliche Blutergüsse im Gesicht und einen
Nasenbeinbruch. Die
Frankfurter Polizeibeamten verweigern daraufhin die Mitnahme und verlangen
eine medizinische Versorgung des Gefangenen. Der
Verletzte kommt in das Krankenhaus nach Meiningen, wo die gebrochene Nase
behandelt wird. Sein Anwalt erstattet Strafanzeige gegen die Beamten. FRat Thüringen 14. Juli 04 Pasewalk in
Mecklenburg-Vorpommern. Als einem armenischen Flüchtling in einem Stammlokal
der rechten Szene der Kauf einer Flasche Wein mit dem Hinweis auf angeblichen
Ausschankschluß verwehrt wird, wirft dieser aus Ärger darüber von außen eine
Scheibe ein. Daraufhin
attackieren zwei Gäste des Lokals den 20-Jährigen mit Billardstöcken. Sie
schlagen so stark auf ihn ein, daß ein Queue zerbricht. Da dem Armenier der
Fluchtweg versperrt ist, versucht er mit seinem Taschenmesser die Angreifer
fern zu halten. Als ihm das nicht gelingt, sticht er einen der beiden in den
Unterleib und verletzt ihn dabei schwer. Das
Landgericht Neubrandenburg spricht den Armenier am 3. Februar 2005 von dem
Vorwurf des versuchten Totschlags und der gefährlichen Körperverletzung frei,
indem es die Notwehrsituation des Flüchtlings anerkennt. Für die sechs Monate
in Untersuchungshaft spricht ihm das Gericht eine Entschädigung zu. e110
11.1.05; ndr 3.2.05; BeZ
4.2.05; SVZ 4.2.05; SeZ 4.2.05; Pfeffer
& Salz; LOBBI 16. Juli 04 Abschiebegefängnis Köpenick in
Berlin. Ein serbischer Gefangener, der sich seit 10 Tagen im Hungerstreik
befindet, wird aufgrund seines desolaten gesundheitlichen Zustandes in das
Haftkrankenhaus der JVA Moabit gebracht. Zuvor hatte die Gefängnisärztin Frau
Rothe versucht, ihn zu einer Beendigung des Hungerstreikes zu bringen, indem
sie ihm eine Verlegung auf die Isolierstation, eine Verlegung ins
Haftkrankenhaus und eine Zwangsinfundierung ankündigte. Am
23. Juli wird der Gefangene aus dem JVA-Krankenhaus heraus abgeholt und zum
Flughafen Schönefeld gebracht. Dort erfolgt ein Abbruch der Abschiebung und
die Entlassung aus der Haft. Nicht jedoch, weil der Mann krank und in
stationärer Behandlung – also nicht reisefähig – ist, sondern weil seine
Frau, die Lettin Jelena Syjatoha, im siebten Monat schwanger ist. Der
Serbe war während des Kosovo-Krieges bei der serbischen Spionageabwehr, dann
aber desertiert. Bei einer Abschiebung droht ihm eine langjährige Haftstrafe. Initiative gegen Abschiebehaft Berlin; Pfarrer D. Ziebarth; taz 24.7.04 17. Juli 04 Bundesland Brandenburg. Auf dem Potsdamer
Hauptbahnhof werden gegen 21.30 Uhr acht afrikanische Flüchtlinge von zehn
deutschen Rassisten, unter ihnen auch einige Skinheads, attackiert. Einem
35-jährigen Kameruner wird beim Betreten des Regionalzuges ein Bein gestellt,
und die anderen Afrikaner werden demonstrativ umringt. Mit
"White-Power"-Rufen und dem Zeigen des Hitler-Grußes pöbeln die
Deutschen: "Raus aus dem Zug, hier ist
nicht Afrika". Dann wird der Kameruner durch einen Schlag am Hals
verletzt. Die
gerufenen Polizisten verlangen nach ihrem Eintreffen als erstes die
Personalien der Opfer. Nicht nur die Täter, auch die Opfer müssen zur
Feststellung ihrer Personalien mit zur Polizeiwache Potsdam-Mitte. Als
die Afrikaner sich – aus Furcht vor weiteren Überfällen – weigern, die Polizeistation
mitten in der Nacht zu verlassen, drohen die Beamten mit Anzeigen wegen
Hausfriedensbruchs. Schließlich begleiten einige Beamte die Gruppe zurück zur
S-Bahn im Hauptbahnhof. Dabei filmt einer der Polizisten die Afrikaner mit
seiner Videokamera. Gegen
einen der deutschen Angreifer wird ein Verfahren wegen Körperverletzung
eingeleitet. Der angegriffene Kameruner bekommt eine Anzeige wegen
Widerstands gegen die Staatsgewalt. Begründung des BGS: "Der Kameruner
habe auf dem Bahnsteig "durch Gestik und Worte zu körperlicher
Auseinandersetzung provoziert." ddp 2.8.04; BeZ 3.8.04; MAZ 3.8.04; jW
5.8.04 17. Juli 04 Abschiebegefängnis Köpenick in
Berlin. Die drei Frauen Sofia X., Tina Y. und die 16 Jahre alte Sandra Z.
sind um ca. 11 Uhr in Begleitung einer Polizistin auf dem Wege zu den
Duschräumen. Als
Sofia X. die ihr bekannte Rosemarie V. aus einem anderen Zellentrakt auf dem
Gang trifft und die beiden Frauen ein paar Worte wechseln, mischt sich die
Beamtin ein und fragt, ob Sofia X. denn nun duschen wolle oder nicht. Diese
bejaht die Frage. Daraufhin
geht die Beamtin weg und kommt mit sieben männlichen Kollegen zurück. Diese
sprühen den Frauen ein brennendes Spray in die Augen, ziehen sich Handschuhe
an und beginnen, auf sie einzuschlagen. Sie drehen ihnen die Arme schmerzhaft
auf den Rücken, fixieren sie und bringen sie in das Kellergeschoß. Dort
bleiben die vier Frauen in Einzelzellen, bis sie um ca. 19 Uhr wieder in ihre
ursprünglichen Zellen zurückkommen. Noch
drei Tage später klagen die Frauen über Schmerzen in den Armen und
Handgelenken und Brennen der Augen. Das stark geschwollene Auge von Rosemarie
V., das durch den direkten Schlag eines Polizisten verletzt wurde, wird erst
drei Tage später medizinisch versorgt. Die Bitten der anderen Frauen, einem
Arzt vorgestellt zu werden, werden ignoriert. Sofia X. stellt Strafanzeige
gegen die Beamten. Bericht einer Betroffenen 18. Juli 04 In Brandenburg an der Havel vor
der Diskothek "Piephahn" in Hohenstücken werden zwei 23 und 28
Jahre alte Flüchtlinge aus Kenia morgens um 5.10 Uhr von zwei deutschen
Männern provoziert und beschimpft: "Euch geht es wohl zu gut" und
"Ihr bekommt zuviel Sozialhilfe." Als
die Kenianer zur 50 Meter entfernten Bushaltestelle gehen, fallen die
Deutschen plötzlich über die Flüchtlinge her und treten sie mit Füßen. Einer
schlägt dem Afrikaner Oscar M. mit der flachen Hand ins Gesicht. Sein
jüngerer Kumpan hebt eine Glasscherbe auf, sticht dann zu und verletzt Oscar
M. am Hals. Als
der Mann zum zweiten Hieb ausholen will, kommen die zwei Frauen Jana Böttner
und Nicole Lüdeking. Sie drängen sich zwischen Täter und Opfer. Nicole
Lüdeking packt den linken Arm des Täters, dessen Hand das Glas umklammert und
stemmt sich mit aller Kraft gegen den bulligen Angreifer. Dann redet sie
minutenlang auf den Täter ein und bringt ihn schließlich davon ab, den schon
Verletzten zu töten. Er ist außer sich vor Wut und preßt immer wieder hervor:
"Euch Ausländern geht's zu gut hier." Die
Täter fliehen zunächst – jedoch gelingt es später, den Hauptverdächtigen,
einen 26-jährigen Oberfeldwebel der Bundeswehr, in einer Kaserne im
niedersächsischen Rotenburg an der Wümme festzunehmen. Die
Potsdamer Staatsanwaltschaft erhebt Anklage wegen versuchten Mordes aus
fremdenfeindlichen Motiven. Der zweite Täter, ein 30-jähriger Deutscher, wird
erst mehrere Wochen nach der Tat ermittelt, verhört und auf freien Fuß
gesetzt. Die Anklage gegen ihn lautet: gefährliche Körperverletzung, Nötigung
und Beleidigung. Oscar
M. muß die sechs Zentimeter lange und drei Zentimeter tiefe Schnittwunde am
Hals im Krankenhaus versorgen lassen. Bei
Prozeßbeginn im Landgericht Potsdam am 4. Januar 2005 kann sich der
Hauptangeklagte an seine Tat nicht mehr erinnern und beruft sich auf seinen
damaligen Alkoholspiegel. Er wird wegen gefährlicher Körperverletzung zu
viereinhalb Jahren Haft verurteilt. Der Mittäter erhält zwei Jahre Haft auf
Bewährung. jW 19.7.04; BeZ 19.7.04; MAZ
19.7.04; e110 20.7.04;SaZ 20.7.04; TS
20.7.04; BeZ 21.7.04; MAZ 21.7.04; LR 21.7.04; BeZ 22.7.04; BM 22.7.04; BeZ 23.7.04; taz 26.7.04; MAZ 27.7.04; JWB 28.7.04; BeZ 29.7.04; e110 30.7.04; TS 2.12.04; Welt
2.12.04; dpa 4.1.05; MAZ 4.1.05; BM
4.1.05; ND 5.1.05; BeZ 5.1.05; BM 5.1.05; taz
14.1.05; Welt 21.1.05; TS 22.1.05; taz
9.2.05; Welt 9.2.05; ddp 22.5.06; PNN 31.5.06 19. Juli 04 Ein 20 Jahre alter Mann klettert
auf dem Flughafen Varadero in Kuba in den Fahrwerkschacht des Airbus 330-200,
der dann in Richtung Düsseldorf startet. In großer Höhe von wahrscheinlich 10.000
Metern stirbt der Flüchtling qualvoll durch Sauerstoffmangel und durch die
Kälte. Dies
ergeben Ermittlungen, die eingeleitet werden, nachdem eine Flugtechnikerin
zwei Tage später den Leichnam des Mannes auf dem Düsseldorfer Flughafen im
Fahrwerkschacht entdeckt. Die Maschine hat inzwischen mehrere Starts und
Landungen gemacht und zuletzt 295 Menschen aus der Dominikanischen Republik
nach Düsseldorf transportiert. n-tv.de 21.7.04; taz 22.7.04; Welt 22.7.04 23. Juli 04 Magdeburg in Sachsen-Anhalt. Gegen
19 Uhr werden am Einkaufscenter Bahnhofskarree ein 18-jähriger Flüchtling aus
dem Kosovo und sein 15-jähriger marokkanischer Freund von zwei deutschen
Rassisten beleidigt und geschlagen. Der Wachschutz des Einkaufszentrums
greift erst ein, nachdem Verstärkung eingetroffen und die Polizei alarmiert
ist. Die Täter flüchten zunächst, werden aber später gestellt. Der
18-Jährige muß die erlittenen Mund- und Kieferverletzungen im Krankenhaus
behandeln lassen. Mobile Beratung für Opfer rechtsextremer Gewalt 24. Juli 04 Berlin-Lichtenberg. Ein
21-jähriger Flüchtling aus Vietnam wird um 9.45 Uhr lebensgefährlich
verletzt, als er vor Zivilpolizisten flüchtet. Im Zuge einer Routinekontrolle
gegen Zigarettenhändler sollte auch er kontrolliert werden. Offenbar aus
Angst vor einer Festnahme versucht der Vietnamese, den stark befahrenen
Weißenseer Weg zu überqueren. Dabei
wird er von einem Lkw erfaßt und mehrere Meter mitgeschleift. Die Feuerwehr
benötigt 20 Minuten für seine Bergung. Dann wird der Flüchtling ins Unfallkrankenhaus
Marzahn gebracht und sein Krankenzimmer durch die Polizei bewacht. BM 25.7.04; BeZ 26.7.04 27. Juli 04 Fürstenwalde in Brandenburg. Um
22 Uhr werden in der Artur-Becker-Straße zwei afghanische und ein
kenianischer Flüchtling, alle 17 Jahre alt, aus einer Gruppe von zwanzig
alkoholisierten Rechtsradikalen heraus zunächst rassistisch beleidigt, dann
geschlagen und getreten. Unter "White Power"-Rufen stürzen sich
jeweils fünf bis sechs Angreifer auf einen der Flüchtlinge. Dadurch werden
zwei Flüchtlinge im Gesicht und am Oberkörper verletzt. Einer von ihnen trägt
eine Schnittwunde an der Stirn von einer abgebrochenen Flasche davon. Es
gelingt ihnen die Flucht, so daß sie die Polizei rufen können. Als
Hauptverdächtige werden ein 16-jähriger, ein 23- und ein 26-jähriger
Fürstenwalder ermittelt. Das Amtsgericht Fürstenwalde erläßt drei Tage später
Haftbefehl wegen des Vorwurfs der Körperverletzung. Der 23-Jährige ist wegen
rechtsextremistischer Vorfälle polizeilich bekannt. ddp 30.7.04; Yahoo!Nachrichten 30.7.04; MAZ 31.7.04; MOZ 31.7.04; Opferperspektive 29. Juli 04 Bundesland Niedersachsen – JVA
Hannover-Langenhagen. Der Gesundheitszustand des Kurden Serhat O., der vor 26
Tagen einen Hungerstreik begann, verschlechtert sich dermaßen, daß er in das
Haftkrankenhaus der JVA Lingen verlegt werden muß. Serhat
O., der in der Türkei verfolgt worden war, protestiert mit dem Hungerstreik
gegen die Inhaftierung und die auf den 5. August festgelegte Abschiebung. FRat NieSa 3.8.04 30. Juli 04 Gerswalde in Brandenburg. An
einer Badestelle des Stiernsees wird ein 24 Jahre alter Flüchtling aus Sierra
Leone von Rechtsradikalen angegriffen und verletzt. (siehe auch: 26. April 03) Opferperspektive 31. Juli 04 Ein Containerlager für
Flüchtlinge in der Leipziger Straße der niedersächsischen Stadt Wolfenbüttel
brennt in der Nacht total aus. Von den BewohnerInnen, die aus Rußland,
Algerien, Vietnam, Irak, Afghanistan, Türkei und Syrien stammen, wird niemand
verletzt. BrZ 2.8.04 Juli 04 Die Ausländerbehörde Ratingen in
Nordrhein-Westfalen ordnet eine amtsärztliche Untersuchung einer schwangeren
Asylbewerberin an, um die "Reisefähigkeit" für die Abschiebung nach
Serbien bestätigen zu lassen. Die Frau erleidet während der Untersuchung
einen Zusammenbruch. Nach
der Veröffentlichung dieses Falles werden die Meldeauflagen der Serbin von
der Ausländerbehörde deutlich verschärft. taz-Ruhr 3.7.04; taz-Ruhr 11.10.04 Juli 04 Wangen in Baden-Württemberg. Der
20 Jahre alte Kosovo-Albaner Fatmir Krasniqi versucht sich zu töten. Dies ist
sein zweiter Suizidversuch seit seiner Flucht aus dem Kosovo. Er
ist schwer kriegstraumatisiert, weil er als 15-Jähriger im Jahre 1999 während
der ethnischen Vertreibungen der albanischen Bevölkerung im Kosovo Massaker
miterleben mußte. Vom
2. Juli bis 13. August befindet er sich im Zentrum für Psychiatrie Weißenau
und wird wegen Posttraumatischer Belastungsstörung und drohender
Dekompensation behandelt. (siehe auch: 16. Dezember 04 und 18. Januar 05) SchwZ 21.1.05; AK Asyl BaWü 9.3.05; AK für Asylbewerber Wangen; Petra Brennenstuhl-Haug – Rechtsanwältin 3. August 04 Bundesland Rheinland Pfalz. Als
eine fünfköpfige kurdische Familie in der Stadt Daun morgens um 6.00 Uhr zur Abschiebung
abgeholt werden soll, greift der Familienvater ein Messer und droht, sich
damit das Leben zu nehmen. Polizeibeamten gelingt es, den 36-Jährigen von
seiner Familie zu trennen und diese zunächst in Sicherheit zu bringen. Gegen
8.30 Uhr wird der Mann von Beamten eines Spezialeinsatzkommandos überwältigt
und entwaffnet. Die
Abschiebung wird zunächst abgebrochen. Der Familie gelingt es in dem jetzt
wieder offenen Zeitintervall, weitere Rechtsmittel geltend zu machen, so daß
schließlich alle Familienmitglieder eine Aufenthaltsgenehmigung bekommen. Polizei Trier 3.8.04; Polizei Trier 4.12.06 9. August 04 Um 21.30 Uhr stirbt der 23 Jahre
alte Nigerianer Chukwuemeka Charles Onyegbule (genannt Emeka) in der
Einzelzelle Nr. 106 des Brüsseler Gefängnisses Forest. Es heißt offiziell, er
habe sich mit einem Strick oder mit einem Bettlaken erhängt. Er war in der
Nacht um ein Uhr von der Polizei aufgegriffen worden und dann am Nachmittag
auf noch unklarer rechtlicher Grundlage in das Gefängnis eingeliefert worden. Emeka
war von seiner Tante Beatrice Onyele 1998 in Umuahia-Nigeria adoptiert und
1999 nach Frankfurt geholt worden. Frau Onyele wollte ihm und noch einem
anderen Jungen aus ihrer Familie eine Ausbildung und damit eine bessere
Lebensperspektive verschaffen. Die Adoption wurde allerdings zunächst in
Deutschland nicht anerkannt, und die Jugendlichen hatten lange Zeit einen
unsicheren Aufenthaltsstatus und somit auch sehr eingeschränkte
Lebensmöglichkeiten. Emeka verlor das Vertrauen in die deutschen Behörden,
verzichtete auf die Adoption und lebte fortan ohne gültige deutsche
Aufenthaltspapiere. Am
4. März 2002 war er in Belgien eingereist und hatte mehrere Anträge auf Asyl
gestellt. Den vierten Antrag hatte er am 22. Juli 2004 gestellt, also drei
Wochen vor seinem Tod. Am 16. August hätte er den Anhörungstermin vor den
belgischen Behörden wahrnehmen sollen. emeka-ist-tot.com; La Dernière Heure, Belgium
(Radio) 14.8.04; Radio Air Libre 20.8.04; Initiative Schwarze Menschen in Deutschland 10. August 04 Zwei Polizisten kommen in die
Berliner Fritz-Karsen-Schule und holen die 13-jährige Tanja Ristic aus dem
laufenden Unterricht. Sie bringen sie in das Abschiebegefängnis Köpenick, wo
sie auf ihre Eltern, Milica und Zoran, und ihre 16-jährige Schwester Sanja
trifft. Die
drei sind heute auf der Ausländerbehörde überraschenderweise festgenommen
worden. Sie wollten, wie schon so oft, nur ihre Duldung verlängern lassen,
als sie in Handschellen gelegt wurden. Die 38 Jahre alte Milica Restic, die
durch die Kriegserlebnisse in Bosnien schwer traumatisiert ist, bekam dabei
einen Nervenzusammenbruch. Die
Ristics bleiben in Köpenick, bis sie nachts um drei Uhr von Polizisten
geweckt und nach Tempelhof gebracht werden. Ihnen wird mitgeteilt, daß Herr
Ristic mit der Tochter Sanja in den nächsten Stunden ausgeflogen werde.
Wieder bricht Frau Ristic zusammen, und die Beamten flößen ihr Medikamente
ein. Rechtsanwälte
stellen für Tanja einen Asylantrag. Die Ausländerbehörde entläßt sie
daraufhin mit ihrer Mutter aus der Abschiebehaft, droht jedoch damit, daß das
Mädchen im Sammellager in Köln auf das Ergebnis warten müsse. Zoran und Sanja
Ristic werden am 11. August abgeschoben. Sofort
nach der Festnahme wurde Tanjas Klasse aktiv, zieht alle Register demokratischer
Einflußnahme (persönliche Zuwendung in der Abschiebehaft,
Briefe an zuständige Politiker, Pressearbeit, öffentliche Aktionen und
Demonstrationen) und läßt nicht locker, bis sie Erfolg hat. Nach
vorübergehendem Aufenthalt in einem Berliner Flüchtlingsheim können Tanja und
ihre Mutter wieder in ihre Wohnung zurück. Inzwischen
setzen sich auch der Flüchtlingsrat Berlin, die GEW Berlin und das
GRIPS-Theater lautstark für ein Bleiberecht von Kindern und Jugendlichen
sowie deren Familien ein. Sie entwickeln ein Aktionsprogramm, welches das
Theaterstück "Hier geblieben!", eine Postkartenaktion und
Unterrichtsmaterialien zu Bleiberechtsfragen, Kundgebungen bei
Innenministerkonferenzen u.a.m. beinhaltet. Im
Juni 2005 erhalten Milica und Tanja Ristic aufgrund von humanitären Gründen
eine Aufenthaltserlaubnis, womit zumindest ein besuchsweises Wiedersehen mit
Vater und Schwester in greifbare Nähe rückt. Im Rahmen der Familienzusammenführung wird
zunächst der Schwester und im Mai 2006 dem Vater die Einreise erlaubt. Der
Klasse 8.3 der Neuköllner Fritz-Karsen-Schule wird für die "Tanja muß
bleiben"-Aktion der Mete-Eksi-Preis für engagierte Jugendliche verliehen
und den beiden Lehrerinnen für ihren Einsatz gegen die Abschiebung von Tanja
die Carl-von-Ossietzki-Medaille. Bericht von Tanja Ristic; taz 31.8.04; TS 8.7.05; TS 30.1.05; GEW Berlin Nr.1 2005; Informationsverbund Asyl e.V.; D-A-S-H 11. August 04 Kamenz in Sachsen. Am frühen
Morgen gerät in einem menschenleeren Zimmer der Flüchtlingsunterkunft in der
Gartenstraße ein Sessel in Brand. Das Feuer greift schnell auf andere Räume
über, und durch die starke Rauchentwicklung müssen neun BewohnerInnen wegen
des Verdachtes auf Vergiftung mit Rauchgas ins Krankenhaus. Einen
Tatverdächtigen oder einen Verursacher des Brandes kann die Polizei nicht
ermitteln. ddp 12.8.04; SäZ 12.8.04; FP 12.8.04; taz 12.8.04; ddp 12.8.04; Polizei Bautzen 11. August 04 Der bosnische Flüchtling Saud H.
wird nach dreiwöchiger Abschiebehaft nach Sarajewo abgeschoben. Der Mann, der
sich wegen einer Traumatisierung in therapeutischer Behandlung befand, wird
damit gewaltsam von seiner Frau und den 10-, 12- und 14-jährigen Kindern
getrennt. Die Familie lebt seit elf Jahren in Berlin. FRat Berlin 13. August 04 In der Straßenbahn von Potsdam
nach Teltow kommt es zwischen einem 16-jährigen afghanischen Flüchtling und
zwei Fahrkartenkontrolleuren zu einem Streit. Ein junger Deutscher mischt
sich ein und stößt den Vater des Flüchtlings Joseph R. zu Boden, der sich dadurch
an der Nase verletzt, die stark zu bluten beginnt. Sein Sohn greift ein, und
es kommt zur Rangelei, bei der auch die Kontrolleure den 16-Jährigen
schlagen. Vater und Sohn fliehen aus der Straßenbahn – gefolgt von dem
deutschen Angreifer. Als
Herr R. am Abend in seine Wohnung in Teltow kommt, ist die Tür aufgebrochen,
und die Polizei veranstaltet eine Hausdurchsuchung. Ein entsprechender
Hausdurchsuchungsbeschluß wird Herrn R. nicht gezeigt. Stattdessen wird er
auf die Polizeiwache Potsdam-Mitte gebracht, wo er sich auf Geheiß der
Beamten bis auf die Unterwäsche ausziehen muß. Nach einem eineinhalbstündigen
Aufenthalt in einer Zelle wird er nach erkennungsdienstlicher Behandlung um
Mitternacht auf die Straße gesetzt. Ein Grund für dieses Vorgehen der Polizei
wird ihm zu keinem Zeitpunkt genannt. Opferperspektive Mitte August 04 Eine von Abschiebung akut
bedrohte Kurdin unternimmt einen Selbsttötungsversuch und kommt dann in das
Krankenhaus im hessischen Friedberg. Die Frau lebt mit ihren fünf Kindern
seit sieben Jahren in Büdingen. Ihr Mann sitzt in der Justizvollzugsanstalt
Butzbach. Er ist wegen einer Protestaktion der PKK nach der Festnahme des
PKK-Vorsitzenden Öcalan (Besetzung des kenianischen Fremdenverkehrsbüros in
Frankfurt am Main) zu einer Gefängnisstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten
verurteilt worden. Die
Kurdin, die aufgrund ihrer Verfolgungs- und Mißhandlungsgeschichte in der
Türkei an einer Posttraumatischen Belastungsstörung leidet und verschiedene
Therapien – ambulant und stationär – gemacht hat, gibt dem Druck der
deutschen Behörden im Oktober nach und willigt ein, "freiwillig" in
die Türkei zurückzureisen. Bei einem Zwischenstop in Instanbul werden sie und
ihre fünf Kinder von Militärs aus dem Flugzeug geholt. Sie wird von ihren
Töchtern getrennt und verhört und bedroht. Die 14-jährige Tochter kommt nach
20 Stunden wieder frei, ihre Mutter fünf Stunden später. Der
Ehemann und Vater wird später abgeschoben. Auch er gerät unmittelbar nach der
Ankunft in Haft und wird – nach Berichten eines Verwandten – mindestens zwei
Tage lang unter Schlägen verhört. Als er freigelassen wird, flieht er in den
Untergrund. AZADI 2.10.03; FR 20.2.04; AZADI 1.3.04; jW 4.3.04; FR 20.8.04 16. August 04 Sachsen-Anhalt. Am späten Abend
werden drei Brandsätze gegen die Flüchtlingsunterkunft in Calbe geworfen. Die
Molotow-Cocktails schlagen zwar an dem Gebäude auf, erlöschen dann aber, so
daß keineR der 80 BewohnerInnen zu Schaden kommt. Die Polizei schließt
zunächst einen rechtsradikalen Hintergrund des Anschlags aus und ermittelt
statt dessen im Umfeld der Flüchtlinge selbst. jW 18.8.04;
MDZ 18.8.04; Mobile Beratung für Opfer rechtsextremer Gewalt 16. August 04 Im Wartezimmer einer frauenärztlichen
Praxis im Berliner Bezirk Mitte wartet Herr S. auf seine hochschwangere Frau,
die einen Untersuchungstermin wahrnehmen muß, weil es ihr in den letzten
Tagen gesundheitlich schlecht ging. Die kleinen Kinder (3 und 4 Jahre alt)
spielen mit den im Wartezimmer ausliegenden Heften. Die Ärztin erscheint und
meint zu Herrn S., daß ihr Wartezimmer "kein Aufenthaltsraum für Leute
von der Straße" sei. Sie bezeichnet ihn als
"Scheiß-Ausländer", reißt den Kindern die Prospekte weg und
verweist sie des Raumes. Herr
S. (26) verläßt die Praxis und wartet vor dem Haus auf seine Frau. Die
Eheleute sind albanische Flüchtlinge aus dem Kosovo, und Frau S. (31) leidet
unter einer Posttraumatischen Belastungsstörung. Als
sie erscheint, geht die Familie wieder in die Praxis, wo die Ärztin die
Untersuchung jetzt jedoch verweigert. Sie weigert sich auch, einen
Überweisungsschein auszustellen, und wirft letztlich den Mutterpaß auf den
Boden. Draußen vor der Tür ruft Herr S. die Polizei, die jedoch erst
erscheint, als auch die Ärztin die Polizei informiert, um eine Anzeige wegen
Hausfriedensbruchs zu stellen. Als
die Beamten eintreffen, fällt Frau S. in Ohnmacht. Im Beisein der Polizisten
ruft Herr S. einen Notarztwagen, mit dem seine Frau dann unverzüglich zur stationären
Behandlung ins Krankenhaus gefahren wird. Ihr Kind wird zwei Monate später
tot geboren. ReachOut Berlin 24. August 04 In den frühen Morgenstunden um
2.20 Uhr zerbirst mit einem lauten Knall ein Fenster der
Flüchtlingsunterkunft in der Löbauer Straße im sächsischen Bautzen. Die
Heimleiterin findet einen Stoffbeutel, in dem sich ein Betonstück und ein
Zettel befindet, der die Drohung enthält: "Am 28.08.05 brennt ihr alle
...". Zudem befindet sich im Beutel ein Foto, das einen grinsenden
glatzköpfigen Menschen zeigt, der einen Pulli von der Marke Lonsdale trägt.
In dem Heim leben zur Zeit fünfzig Flüchtlinge. Im
November gestehen zwei 17 Jahre alte Neonazis, daß sie mit dem Steinwurf
einen anderen Neonazi in Schwierigkeiten bringen wollten. ddp 24.8.04; SäZ 25.8.04; SäZ 28.8.04; JWB 1.9.04; SäZ 1.9.04; SäZ 3.9.04 25. August 04 Ein 45 Jahre alter Flüchtling
wird auf dem Bahnhof des brandenburgischen Ortes Velten von Rechtsradikalen
angegriffen und verletzt. Opferperspektive 27. August 04 Bad Segeberg in
Schleswig-Holstein. Einem 30 Jahre alten kurdischen Flüchtling wird abends um
21.30 Uhr in der Fußgängerzone vor der Volksbank von einem Deutschen der Weg
verstellt. Als der Kurde ausweicht und weitergeht, überholt ihn der Deutsche
erneut und beginnt dann, mit Fäusten auf ihn einzuschlagen. Ein Freund des
Angreifers und noch ein dritter Mann schließen sich der Gewalt-Attacke an und
treten und schlagen auf den Flüchtling ein. Einer der Täter nimmt Anlauf und
springt auf den Brustkorb des inzwischen am Boden liegenden Verletzten. "Es
war grauenvoll", schildert eine Anwohnerin, die das Geschehen aus ihrem
Fenster beobachtet und sofort die Polizei und den Rettungsdienst informiert.
Als diese eintreffen, sind die Angreifer schon geflohen. Der
Kurde kommt mit einem Nasenbeinbruch und inneren Blutungen ins Krankenhaus.
Zudem sind ihm vier Zähne ausgeschlagen worden. Dieser Überfall hat für ihn
eine besonders schwerwiegende Wirkung, weil er gerade eine mehrwöchige
Behandlung in einer psychosomatischen Klinik hinter sich hat. Eine
Behandlung, die notwendig wurde, weil er an den Folgen schwerer Folter in der
Türkei leidet. Aufgrund
von Blutspuren an den Turnschuhen beider Täter kann die Polizei die Angreifer
relativ schnell identifizieren. Die
Verhandlung vor dem Segeberger Schöffengericht endet im Oktober 2005 für den
Haupttäter – aufgrund seiner zahlreichen Vorstrafen – mit einer neunmonatigen
Haftstrafe. Der Freund kommt mit einer Bewährungsstrafe von neun Monaten
davon. LN 8.10.05 28. August 04 Zentrale Gemeinschaftsunterkunft
für Asylbewerber (ZGU) in Gardelegen in Sachsen-Anhalt. Am frühen Morgen um
fünf Uhr bricht in dem Zimmer eines 24 Jahre alten Flüchtlings aus Burkina
Faso ein Feuer aus. Als die Feuerwehren aus Gardelegen, Jävenitz und Kloster
Neuendorf eintreffen, hat sich dicker Qualm im linken Wohngebäude verteilt,
und die BewohnerInnen sind in Panik. Mit Leitern und einer Hubrettungsbühne
werden zahlreiche Menschen gerettet. Der 24-Jährige, in dessen Zimmer der
Brand entstand, wird von MitbewohnerInnen aus dem Feuer gezogen und muß von
den Rettungskräften reanimiert werden, bevor er schwer verletzt ins Krankenhaus kommt. Zwei
ältere Frauen werden mit Herz-Kreislauf-Krisen ebenfalls in stationäre
Behandlung gebracht. 15 weitere Personen, Erwachsene und Kinder, müssen im
Krankenhaus wegen Rauchgasvergiftung behandelt werden. Die
polizeilichen Ermittlungen ergeben, daß der 24-jährige Flüchtling sich
offenbar selbst töten wollte und deshalb das Feuer gelegt hatte. VM 28.8.04; VM 30.8.04; VM 31.8.04 28. August 04 Murat Zigovic, ein Muslim aus
dem Sandschak, wird nach viermonatiger Abschiebehaft in BerlinKöpenick nach
Belgrad abgeschoben. Er ist schwer kriegstraumatisiert, und nur mit
Medikamenten können seine psychischen Beschwerden reduziert werden. Für die
Abschiebung stellt die Ausländerbehörde einen Arzt zur Verfügung, der Murat
Zigovic auf dem Flug begleitet. Mit
der Abschiebung wird Murat Zigovic gewaltsam von seiner Familie getrennt.
Seine Frau ist ebenfalls traumatisiert und ihr gesundheitlicher Zustand hat
sich schon aufgrund der Abschiebehaft ihres Mannes rapide verschlechtert. Der
12-jährige Sohn und die 11-jährige Tochter gehen in Berlin zur Schule. Das
jüngste Kind ist erst fünf Jahre alt. FRat Berlin; taz
27.8.04 29. August 04 Jüterbog in Brandenburg. Der
Palästinenser Hussein M. und der Kameruner Serge N. sind auf dem Weg vom
Marktplatz zu ihrer Flüchtlingsunterkunft, als sie von einem Radfahrer, der
auch einen Hund dabei hat, rassistisch angepöbelt werden: "Scheiß Neger,
was machst Du da?" Als
die Flüchtlinge nachfragen, was das denn solle, steigt der Deutsche von
seinem Fahrrad und sagt, daß er Ausländer hasse. In diesem Moment erscheint
ein zweiter Mann und schlägt Hussein M. mit einer Bierflasche ins Gesicht.
Die Angegriffenen beginnen sich zu wehren, und es entsteht ein verbaler und
körperlicher Schlagabtausch, in dessen Verlauf der Deutsche seinen Hund immer
wieder auf die beiden hetzt. Erst als sich ein Passant
einmischt, gelingt es, die Auseinandersetzung zu beenden und die Polizei zu
rufen. In
der Rettungsstelle werden bei Hussein M. eine Schädelprellung, ein
Nasenbeinbruch und eine Spaltung des Frontzahnes diagnostiziert. Serge N.
erlitt mehrere Verletzungen am Kopf und starke Prellungen am Fuß. Am
14. Februar 2006 verurteilt das Amtsgericht Luckenwalde die beiden Deutschen
wegen des Vorwurfes der gemeinsam begangenen gefährlichen Körperverletzung zu
einer Geldstrafe von 60 bzw. 30 Tagessätzen. Bei
dem Gerichtsprozeß wird auf die Aussagen des Opfers Hussein M. gänzlich
verzichtet. Die eindeutigen Aussagen des Haupttäters, der in Nazikleidung
auftritt und keinen Hehl aus seiner rassistischen Gesinnung macht, spielen
als Motivation für die Angriffe auf die Flüchtlinge für das Gericht keine
Rolle. Die Bestrafung der Täter fällt vor allem deshalb so lächerlich niedrig
aus, weil das Amtsgericht das Verfahren führte, "als ob es eine
Schlägerei zwischen Jugendlichen war" (Opferperspektive). JWB 29.9.04; Mut gegen Rechte Gewalt 18.2.06 30. August 04 Im thüringischen Gera werden am
späten Abend vor dem Hauptbahnhof zwei Iraker von drei Rechtsradikalen mit
Schlägen und Tritten angegriffen. Dabei wird ein 21 Jahre alter Flüchtling
von einem Angreifer mit Springerstiefeln getreten, ein anderer schlägt auf
ihn ein. Der Iraker erleidet einen Kieferbruch, Prellungen und Schnittwunden.
Die
Täter gehören zu einer Gruppe von ca. 50 Rechtsradikalen, die an diesem Abend
am Bahnhof Menschen rassistisch jagen und verfolgen. Die Polizei findet
Schlagstöcke, ein Würgeholz und ein Eisenrohr bei ihnen. Am
24. Februar 2005 stehen die beiden Hauptverdächtigen wegen gefährlicher
Körperverletzung vor Gericht. Ein einschlägig vorbestrafter 25-Jähriger wird
zu einem Jahr und fünf Monaten Haft verurteilt – der zweite Angeklagte wird
aufgrund mangelnder Beweise freigesprochen. ddp 31.8.04; FW 1.9.04; Südthüringer Ztg 24.2.05; OVZ 25.2.05; FW
25.2.05 30. August 04 Frankfurt an der Oder in
Brandenburg. Ein Wachschützer des Flüchtlingsheimes Seefichten beleidigt
einen afrikanischen Flüchtling mit den Worten: "Du bist kein Deutscher,
geh arbeiten und lieg' nicht faul rum" und "Du Arschloch". Als
sich der Afrikaner dagegen empört, greift ihn der Wachmann an. Umstehende
Mitbewohner kommen dem Angegriffenen zu Hilfe und wehren den Angriff vorerst
ab. Da läuft der Sicherheitsmann zu seinem Auto, holt einen Knüppel und
schreit: "Ich habe schon einmal sieben Jahre wegen Totschlags im Knast
gesessen, bei dir habe ich keine Probleme nochmal sieben Jahre wegen
Totschlags in den Knast zu gehen." Daraufhin flieht der Afrikaner. Ein
anderer Wachschützer stand während des gesamten Vorgangs daneben, ohne
einzugreifen. JWB 29.9.04 August 04 Im Landkreis Pinneberg in
Schleswig-Holstein kam es in diesem Jahr zu zwei Suizidversuchen von
Flüchtlingen. PiT 26.8.04 August
04 Bundesland
Thüringen. Der Heimleiter des Flüchtlingsheimes in Sitzendorf spricht eine
Bewohnerin nicht mit ihrem Namen an, sondern mit den Worten "Mutter
Bimbo" – so führt er sie auch in seinen Akten. Das zwei Monate alte Kind
der Frau hat einen deutschen Vater und somit hat das Kind einen deutschen
Paß. Der besagte Heimleiter
verweigert der Frau die Herausgabe der Geburtsurkunde und des Passes des
Kindes, die sie für die Beantragung sozialer Leistungen benötigt. THO Chronik
(Diakonie Jena) Anfang September 04 Regierungsbezirk Düsseldorf.
Frau X. und ihre fünf minderjährigen Kinder zwischen sechzehn und sechs
Jahren werden am Morgen aus ihrer Unterkunft abgeholt und in die
Demokratische Republik Kongo abgeschoben. Der zwölfjährige Sohn erleidet
dabei einen Armbruch. Durch
die Abschiebung gerät die Familie in große Not, hat keine Unterkunft und
leidet unter Hunger und unter den katastrophalen hygienischen Verhältnissen.
Frau X. und ihre Kinder, die nur deutsch sprechen, haben in dem vom Krieg
gezeichneten Land keine Chance, Arbeit zu finden. Sexuelle
Gewalt ist an der Tagesordnung. Frau X. und ihre 16-jährige Tochter erfahren
dies schon bald, als der Mann, bei dem sie untergekommen sind, die beiden zu
vergewaltigen versucht. Sie müssen flüchten und finden vorübergehend
Unterschlupf in einer kirchlichen Einrichtung. Anfang
Oktober ist die gesamte Familie an Typhus erkrankt; die zehnjährige Tochter
hat außerdem Malaria. UnterstützerInnen aus dem ehemaligen Wohnort in
Nordrhein-Westfalen versuchen durch Telefonkontakte psychische
Überlebenshilfe zu geben und sammeln Spenden, damit die Familie sich
wenigstens Lebensmittel und Medikamente kaufen kann. WAZ 6.10.04; Antirassistische Initiative Berlin 1. September 04 In einem Badezimmer des
Flüchtlingsheimes der nordrhein-westfälischen Stadt Coesfeld entsteht um
23.30 Uhr ein Brand in der Lüftungsanlage durch einen technischen Defekt. Die
BewohnerInnen des Hauses versuchen, durch Abschaltung der Elektrizität den
Brand einzudämmen, der dann von der Feuerwehr gelöscht werden kann. Polizei Coesfeld 2.9.04 2. September 04 Voerde in Nordrhein-Westfalen.
Morgens um 5.30 Uhr erscheinen Polizeibeamte und ein Mitarbeiter der
Ausländerbehörde Wesel in der Wohnung der Kosovo-Albanerin F. H. und künden
ihr die Abschiebung an. Sie geben der Frau, Mutter von fünf Kindern im Alter
zwischen vier und 14 Jahren, eine halbe Stunde Zeit, die Sachen zu packen.
Die akut suizidgefährdete Frau H. schluckt daraufhin Spülmittel, um sich zu
töten. Sie kommt ins Krankenhaus
Dinslaken, wo ihr der
Magen ausgepumpt wird. Umgehend danach erfolgt der Transport zum
Gesundheitsamt. Hier wird ihre Flugreisefähigkeit attestiert, so daß sie und ihre
Kinder – noch planmäßig – über den Flughafen Düsseldorf ausgeflogen werden. Als
Frau H. 1996 in die BRD kam, litt sie bereits seit vier Jahren an einer
Posttraumatischen Belastungsstörung, denn sie hatte im Kosovo massive Gewalt
erleben müssen und war zudem Zeugin bei der Ermordung naher Angehöriger.
Nachdem im Jahre 2001 ihr ebenfalls psychisch kranker Ehemann abgeschoben
worden war, war die heute 37-Jährige aufgrund ihrer Erkrankung, aufgrund der
konfliktreichen Lebenssituation in der Flüchtlingsunterkunft und aufgrund der
alleinigen Verantwortung für die Betreuung ihrer fünf Kinder kontinuierlich
überfordert. Frau H. war ambulant in psychiatrischer
Behandlung gewesen und hatte sich im Psychosozialen Zentrum für Flüchtlinge
(PSZ) in Düsseldorf um eine Psychotherapie bemüht. Diese sollte – nach den
ersten bereits stattgefundenen Clearinggesprächen – im September beginnen.
Aufgrund eines Antrages des PSZ mit einer Stellungnahme zum
Gesundheitszustand von Frau H. war der Ausländerbehörde Wesel die kritische
Situation der Patientin durchaus bekannt. Am
3. September hätte sie einen ersten therapeutischen Termin in einer
albanischen Frauengruppe wahrnehmen sollen. Zu diesem Zeitpunkt befand sie
sich jedoch bereits im Kosovo. PSZ Düsseldorf 6. September 04 Eine 18 Jahre alte Nigerianerin
wird morgens um 4.00 Uhr von sieben Polizisten in ihrer Kölner Unterkunft
abgeholt und, ohne daß sie Gelegenheit bekommt, ihre Sachen zu packen, zum
Flughafen Düsseldorf gebracht. Bei einer Zwischenlandung in Amsterdam spricht
die junge Frau niederländische Polizisten weinend an und fleht um Asyl. Die
Beamten stoppen daraufhin ihren Weiterflug und unterbrechen die Abschiebung
nach Nigeria. Der
damals noch minderjährigen Nigerianerin war im Juli 2003 die Flucht aus einem
Kölner Bordell gelungen, in das sie von Menschenhändlern verschleppt worden
war. Sie hatte Anzeige gegen die Täter erstattet und sagte als Zeugin aus.
Für die Dauer des Ermittlungsverfahrens wurde ihr Aufenthalt in der BRD
geduldet. Als dieses eingestellt wurde, weil die Täter nach Polizeiangaben
nicht aufzufinden waren, wurde auch der Abschiebeschutz für die jungen Frau
beendet. Die
durch Mißhandlungen traumatisierte Frau hat panische Angst vor der
Abschiebung, weil sie davon ausgeht, daß die Menschenhändler, die sie
anwarben, verschleppten und mißbrauchten, sie in Nigeria schnell finden
würden. Die
Abschiebung aus der BRD geschieht entgegen einer dem Verwaltungsgericht
gegenüber gemachten Zusage der Kölner Ausländerbehörde." Das ist ein
Fehler, der dem Kollegen passiert ist", gibt die Leiterin der Behörde
zu. Am
1. Oktober kann die junge Nigerianerin mit Hilfe der Fachberatungsstelle
agisra, die sie seit über einem Jahr betreut, nach Köln zurückkehren. agisra 20.9.04; agisra
22.9.04; taz 25.9.04;FRat NRW 5.10.04 9. September 04 Die Berliner Ausländerbehörde macht Druck gegen die
bosnische Roma-Familie S. Schon vor acht Tagen bekam die Familie
überraschenderweise – statt einer Duldung von einem halben Jahr, wie erwartet
– jetzt eine Frist von einer Woche, um die Pässe zur Ausreise vorzulegen. In
großer Angst vor einer Festnahme gehen Frau S. und ihre 17-jährige Tochter
Sulejmana zur Behörde – der kriegstraumatisierte Vater und Ehemann, Suleyman
S., ist dazu nicht in der Lage. Sie bekommen wiederum eine Verlängerung der
Duldung von einer Woche ausgestellt. Zuhause angekommen,
berichten sie Suleyman S. und auch seinen alten Eltern von der Galgenfrist.
Die 76-jährige Hava S., die Mutter von Sulejman S., bekommt einen Nervenzusammenbruch,
weil sie davon ausgeht, daß sie ihre Kinder und ihre fünf Enkelkinder
demnächst verliert. Sie ist schwer herzkrank und leidet unter Diabetes
mellitus. Sie ist voller Angst und Panik, und nach einem Arztbesuch am
nächsten Morgen legt sie sich weinend ins Bett und erliegt am Nachmittag
ihrem Leiden. Sie war vor dreizehn Jahren
mit ihrem Mann aus Bosnien geflohen, und sie hatten es als großes Glück
empfunden, daß auch ihre Kinder und ihre Enkel lebend aus dem Krieg
herausgekommen waren. Sie lebten ein Jahrzehnt zusammen in Berlin. Aufgrund
der Traumatisierung und der körperlichen Leiden ihres Mannes und aufgrund
ihres eigenen Leidens hatten beide Aufenthaltsbefugnisse bekommen. Antirassistische
Initiative Berlin 12. September 04 Mössingen in Baden-Württemberg.
Am Rande des Mössinger Bürgerfestes wird ein 28 Jahre alter Asylbewerber, der
in Albstadt untergebracht ist, von drei deutschen Männern mit Fäusten
traktiert und getreten – auch noch am Boden liegend. Er muß seine
Verletzungen im Gesicht und am Arm in der Steinlachklinik behandeln lassen. TTB 13.9.04 12. September 04 Auf dem Bahnhof der
brandenburgischen Ortschaft Neupetershain werden um 23.30 Uhr zwei 28 bzw. 31
Jahre alte Flüchtlinge aus Kamerun von drei Deutschen zunächst rassistisch beschimpft,
dann ins Gesicht geschlagen und schließlich auf die Gleise gestoßen. Nach
dem Überfall leidet einer der Flüchtlinge unter starken Kopfschmerzen und
Gedächtnislücken, weil er mit dem Kopf auf dem Gleis aufgeschlagen ist. Zudem
hat er Schmerzen im Brustbereich und an einer Operationswunde. Sein Begleiter
trägt Prellungen im Gesicht davon. JWB 13.10.04; LR 3.3.05; Opferperspektive 13. September 04 Die 24 Jahre alte sudanesische
Abschiebegefangene und abgelehnte Asylbewerberin Sandra J. wird aus der JVA
Dresden abgeholt und soll – aufgrund der von der nigerianischen Botschaft
ausgestellten Papiere – nach Nigeria abgeschoben werden. Da sie sich bisher
immer gewehrt hatte, ist dies bereits der vierte Abschiebeversuch. Die
BeamtInnen setzen jetzt deutlichere Zwangsmittel ein, wodurch Sandra J.
leicht verletzt wird. Der
Abflug erfolgt in einer für 38.000 Euro angemieteten Chartermaschine, einer
Piper Cheyenne III, vom Flughafen Dresden – morgens um 8 Uhr. In der Maschine
befindet sich auch Christian Chiouba A., der ebenfalls nach Nigeria
abgeschoben werden soll. Weitere Mitfliegende sind zwei Piloten, vier
BGS-Beamte, ein Arzt aus Sachsen und eine Sanitäterin aus Berlin. Bei
einer Zwischenlandung in der südalgerischen Ortschaft Tamanrasset stürzt die
Maschine um 16 Uhr auf die Landebahn und wird völlig zerstört. Die Gefangenen
und auch das begleitende Personal kommen mit dem Schrecken davon und bleiben
unverletzt. Sie werden dann alle mit einer Linienmaschine nach Frankfurt am
Main zurückgebracht. Von Frankfurt aus wird die Sudanesin Sandra J. am 24. September nach Nigeria (!)
abgeschoben. MS 14.9.04 pax christi – Flüchtlingskontakte Dresden 16. September 04 Abschiebegefängnis auf dem
Gelände der Zentralen Anlaufstelle für Asylbewerber des Landes Brandenburg in
Eisenhüttenstadt (ZABH). Ein asylrechtlich abgelehnter Palästinenser aus dem
Libanon wird infolge seines Hungerstreiks ins Klinikum Markendorf nach
Frankfurt (Oder) verlegt. Er protestiert mit der Nahrungsverweigerung gegen
die drohende Abschiebung, weil er sich um seine zwei deutschen Kinder kümmern
will. Ein Abschiebeversuch erfolgt am 26. September und endet am Flughafen
Frankfurt am Main, wo er noch stundenlang gefesselt und ohne Essen in einem
unbeheizten Raum ausharren muß, bevor er nach Eisenhüttenstadt zurückgebracht
wird. Am 10. Oktober wird er aus der Abschiebehaft entlassen. Alliance of Struggle 16. September 04 Der 36 Jahre alte Angolaner
Manuel Lucio dos Anjos Barros wird in Berlin beim Fahren ohne Fahrkarte
entdeckt und verhaftet, weil er auch keine gültigen Aufenthaltspapiere
vorweisen kann. Er kommt umgehend in Abschiebehaft nach Berlin-Köpenick.
Manuel Barros war vor 16 Jahren als Vertragsarbeiter in die DDR gekommen und
hatte auch nach der deutsch-deutschen Wende lange Jahre gearbeitet. Durch
eine schwere psychische Krise kümmerte er sich nicht mehr um seine
Aufenthaltspapiere, bis er schließlich seit 2002 keine Aufenthaltserlaubnis
mehr hatte. Er
hat einen schweren Herzfehler und auch in der Abschiebehaft verschlechtert
sich seine Gesundheit dermaßen, daß er Ende November für fünf Wochen im
Haftkrankenhaus der JVA-Moabit stationär behandelt werden muß. Er ist auf
lebenswichtige Medikamente angewiesen. Über
eine einstimmige Entscheidung der Härtefallkommission, den Flüchtling als
Härtefall anzuerkennen, setzt sich Innensenator Körting hinweg, so daß Anjos
Barros am 8. Februar 2005 nach Angola abgeschoben wird. Am Flughafen Luanda
werden dem Schwerkranken sämtliche Medikamente "aus
Sicherheitsgründen" abgenommen. Der
Innensenator nutzt damit nicht die neuen, größeren Kompetenzen nach dem
Zuwanderungsgesetz. Im
April geht es Herrn Barros in Luanda gesundheitlich sehr schlecht. Er hat
weder Medikamente noch Geld noch etwas zu Essen. taz 2.12.04; Bündnis 90/Die Grünen 9.2.05; taz 10.2.05; Antirassistische Initiative Berlin; rbb "Klartext" 16.2.05; FRat Berlin 16. September 04 Ladenburg in Baden-Württemberg.
Dagobert Pousseu hat den Zug verpaßt und beschließt, auf den folgenden zu
warten, der um 14.58 Uhr einfahren soll. Er befindet sich nahe am Bahnsteig,
als er hinter sich zwei 20-jährige Männer wahrnimmt, aber nicht weiter
beachtet. Dann spürt er einen kräftigen Stoß und fällt auf die Gleise. In
diesem Moment fährt ein Güterzug auf diesem Gleis durch, erfaßt Dagobert
Pousseu, so daß dieser wieder auf den Bahnsteig zurückgeworfen wird. Als
Dagobert Pousseu zu sich kommt, sieht er seine linke Hand "total ramponiert"
und einen Teil der Muskulatur seiner linken Wade abgerissen und einige Meter
entfernt liegen. Er
ruft um Hilfe, doch der Bahnhof ist fast menschenleer. Auf dem
gegenüberliegenden Bahnsteig ist ein Mann, der die Hilferufe eigentlich hören
müßte, doch er steigt in den dort haltenden Zug. Dagobert Pousseu ruft weiter
um Hilfe und spürt inzwischen durch den heftigen Blutverlust zunehmende
Schwäche und Bewußtseinstrübung. Zwei etwa 12-jährige Mädchen werden auf ihn
aufmerksam und bitten wiederum andere Menschen um Hilfe. Als
die Polizei eintrifft, stellen die Beamten zunächst die Indentität des
Schwerverletzten fest. Dagobert Pousseu ist bewußtlos, als der Rettungswagen
mit den Notärzten eintrifft. Nach
den ersten lebensrettenden Maßnahmen muß Dagobert Pousseu sich in der
Universitätsklinik Mannheim zunächst vier Operationen unterziehen. Im Januar
2005 ist seine linke Körperhälfte gelähmt und weitere Operationen stehen noch
an. Die
Polizei hat die Täter nicht ermittelt – auch Zeuginnen oder Zeugen des
Mordversuchs auf den Afrikaner haben sich nicht gemeldet. Bericht des Betroffenen; VKSM 7.10.04 17. September 04 Königs Wusterhausen in
Brandenburg. Ein 24 Jahre alter Flüchtling aus Bhutan wird um 1.30 Uhr in der
Bahnhofstraße von zwei Männern zu Boden geschlagen, so daß er das Bewußtsein
verliert. Zur Behandlung seiner Kopfverletzung muß er für vier Tage ins
Krankenhaus. Opferperspektive; BeZ 18.9.04; JWB 29.9.04 17. September 04 In einer Flüchtlingsunterkunft
im bayerischen Bayreuth brennt es innerhalb von zwei Tagen zum zweiten Mal.
Das Feuer entsteht in dem Bett eines unbewohnten Zimmers im zweiten Stock des
Gebäudes. Die BewohnerInnen des Heimes können sich unverletzt in Sicherheit
bringen. Die Polizei geht von Brandstiftung aus. NP 18.9.04 17. September 04 Altena in Brandenburg. Im
Flüchtlingsheim in der Thoméestraße brennt es in einem Zimmer des
Dachgeschosses im vierten Stock. Die BewohnerInnen kommen mit dem Schrekken
davon und bleiben unverletzt. Altenaer Kreisblatt 18.9.04 20. September 04 Ein 21 Jahre alter Flüchtling
aus Sierra Leone ist am späten Abend mit dem Fahrrad im brandenburgischen
Fürstenwalde unterwegs, als er im Stadtzentrum an der Ecke Alte Neuendorfer
Straße / Eisenbahnstraße von zwei Männern angegriffen wird. Sie reißen ihn
vom Rad und schlagen auf ihn ein, als er am Boden liegt. Er zieht sich
Verletzungen im Gesicht und an der Hand zu. Als sich ein PKW nähert, flüchten
die Angreifer. ddp 22.9.04; MOZ 22.9.04; MAZ 22.9.04 24.
September 04 Am Busbahnhof der brandenburgischen Ortschaft Senftenberg
wird der 20-jährige Roger F., Flüchtling aus Kamerun, von drei jugendlichen
Deutschen zunächst beschimpft, dann zu Boden geschlagen und getreten. Als
zwei Passanten dem Niedergeschlagenen helfen wollen, werden sie von zwei der
Angreifer festgehalten. Der Afrikaner erleidet leichte Verletzungen. Dies
ist bereits der zweite rassistische Überfall auf den Flüchtling, der in der
Unterkunft in Sedlitz leben muß. Er hat bei der Ausländerbehörde einen
Umverteilungsantrag nach Potsdam gestellt, denn dort, so meint er, sei er
sicherer. (siehe auch: Anfang September 03) LR 6.10.04; JWB 6.10.04; LR 8.10.04 26. September 04 Im Flüchtlingsheim des
bayerischen Aholfing im Landkreis Straubing-Bogen entsteht ein Brand durch
einen defekten Heizstrahler. Die zwölf BewohnerInnen kommen mit dem Schrecken
davon und bleiben unverletzt. FrP 27.9.04 27. September 04 Abschiebegefängnis JVA Büren in
Nordrhein-Westfalen. Der 23 Jahre alte Serbe Novica Mitrovic drückt auf den
Notruf-Knopf, kommt in die Sanitätsstation und erliegt um 9.00 Uhr einer
Lungenembolie. Die Reanimationsversuche eines Vertragsarztes und eines
Notarztes bleiben erfolglos. Der
Gefangene war vom 27. August bis zum 3. September im Krankenhaus Fröndenberg
wegen einer Thrombose behandelt worden. Zurück in Abschiebehaft war die
Behandlung mit Spritzen fortgeführt worden. Nach Aussagen der Mitgefangenen
hat der Flüchtling nachts oft vor Schmerzen geschrieen. Hilfe
für Menschen in Abschiebehaft Büren 29. September 04 Backnang in Baden-Württemberg.
Morgens um 1.00 Uhr halten vier Polizei-Fahrzeuge vor der
Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber. 20 PolizeibeamtInnen und ein Hund
steigen aus, dringen in die Flüchtlingsunterkunft ein und nehmen Herrn Salija
Demiri und seine beiden acht- und zehnjährigen Söhne fest. Sie werden über
den Flughafen Söllingen bei Baden-Baden in den Kosovo abgeschoben. Frau
Demiri und der 16 Monate alte Sohn bleiben zurück. Während
Herr Demiri seine Familie in der BRD durch Arbeit selbst versorgen und die
monatliche Wuchermiete von 500 Euro für das 25 Quadratmeter große Zimmer in
der Unterkunft regelmäßig bezahlen konnte, bleibt ihm und seinen Söhnen nach
der Abschiebung ein undichtes Zelt, zwei Nudelpackungen, etwas Reis –
Decken haben sie nicht. Seine Frau und das Baby beziehen jetzt
"Leistungen" nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. AK Asyl Backnang; BKZ 3.1.05 29. September 04 Im brandenburgischen Jüterbog
werden am Nachmittag ein palästinensischer Flüchtling und ein Asylbewerber
aus Kamerun von zwei deutschen Männern rassistisch beleidigt und tätlich
angegriffen. Während der Kameruner leichter verletzt wird, erleidet der 23
Jahre alte Palästinenser eine Schädelprellung, einen Nasenbeinbruch, eine
Fraktur eines Schneidezahnes und Schürfwunden und Kratzer an Kopf und
Gesicht. Opferperspektive 30. September 04 Rauschenberg im Bundesland
Hessen. Am frühen Morgen erscheinen eine Polizistin, ein Polizist, ein Arzt
und der Vermieter an der Wohnung der Familie Avdija. Mevljude und Enver
Avdija und die Kinder, die siebenjährige Fatlume, der 6-jährige Fisnik und deren
zweijährige Schwester sollen in den Kosovo abgeschoben werden. Die
Polizistin betritt das Zimmer der schlafenden Kinder und fordert sie auf,
sofort aufzustehen und sich anzuziehen, da sie ganz schnell zum Flughafen
müßten. Mevljude wird aufgefordert, schnell einige Sachen in Koffer zu packen
– sie wird daraufhin ohnmächtig. Die Kinder sehen, wie der Arzt die Mutter
hochnimmt, die langsam wieder zu sich kommt. Enver Avdija befindet sich nicht
in der Wohnung. Als sich der Arbeitgeber von Frau Advija mit einer Umarmung
verabschieden will, verbieten dies die Polizisten. In
zwei verschiedenen Bussen – Fisnik wird getrennt von Mutter und Geschwistern
transportiert – geht es zum Flughafen Düsseldorf. Der Vater fehlt noch. Als
die Polizei bei ihm erscheint, um ihn mitzunehmen, weigert er sich und
verlangt mit seiner Frau und mit seiner Anwältin zu sprechen. Dies wird ihm
verwehrt. Erst nach heftigem Protest darf er seine Anwältin anrufen. Es
gelingt der Anwältin, mit der UNMIK (United Nations Interim Administration
Mission in Kosovo) zu kommunizieren. Die Verantwortlichen dort lehnen die
Einreise aufgrund der gesundheitlichen Probleme und der fehlenden
medizinischen Weiterversorgungsmöglichkeiten von Frau Advija ab. Die
Familie kommt daraufhin von Düsseldorf zurück nach Rauschenberg. Die
zweijährige Tochter hat abends hohes Fieber, und die Kinder trauen sich nicht
ins Bett zu gehen. Gegenwehr Heft 3+4/2004 30. September 04 Aufgrund eines internationalen
Haftbefehls der Türkei wird der Kurde Sait Cürükkaya von 15 Polizisten im
Studienkolleg in Hamburg aus dem Unterricht heraus festgenommen und nach
Bremen in Auslieferungshaft gebracht. Wegen
seiner Widerstands- und Verfolgungsgeschichte in der Türkei war Sait
Cürükkaya am 17. Mai 2001 politisches Asyl gemäß Artikel 16a Grundgesetz
zugesprochen worden. Aus
einer Familie stammend, die sich stets gegen die Unterdrückung gewehrt hatte,
hatte er sich als 22-Jähriger der PKK angeschlossen. Von türkischen Militärs
wurde er im Jahre 1989 entführt und gefoltert. Als er sich im Dezember 1998
gegen den weiteren militärischen Kampf der PKK aussprach, geriet er zwischen
die Fronten, floh in den Nord-Irak, und als er von dort an die Türkei
ausgeliefert werden sollte, flüchtete er in die BRD, wo schon einige
Angehörige mit anerkanntem Asyl lebten. Die
"Antiterror-Gesetze" ermöglichen es, Asylberechtigte aufgrund der
Anerkennungsgründe als "Terroristen" und damit als Gefahr für
Deutschland einzustufen und ihnen die Asylberechtigung zu entziehen. So
passierte es auch Sait Cürükkaya. Durch ein Widerrufsverfahren wurde ihm am
13. Juli 2004 der Asylstatus aberkannt und gleichzeitig entschieden, daß kein
Abschiebehindernis gemäß § 53 AuslG vorliege, weil davon ausgegangen werden
könne, daß "mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit" die Gefahr der
Folter nach einer Auslieferung nicht gegeben sei. Zudem unterstellte das
Bundesamt, daß Sait Cürükkaya durch seine frühere Position in der PKK und
dann durch die Abkehr von der PKK seine Nähe zum Terrorismus deutlich mache,
denn er sei offensichtlich nicht mit dem "gemäßigten neuen Kurs der
PKK" einverstanden. Tatsächlich
hat sich Sait Cürükkaya lediglich bei den Grünen politisch engagiert. Nach
über sechs Wochen Gefangenschaft wird Sait Cürükkaya am 15. November unter
strengen Auflagen aus der Auslieferungshaft entlassen. Am 10. Juni 2005 wird
eine Auslieferung für unzulässig erklärt. jW 16.10.04; Freitag 26.11.94; Antirassistische Initiative Berlin 4. Oktober 04 Abschiebegefängnis Köpenick in
Berlin. Aus Protest gegen die langen Haftzeiten und die Haftbedingungen
beginnen ca. 25 männliche Gefangene und 35 weibliche Gefangene, der gesamte Frauentrakt,
einen Hungerstreik. Gerade sind die Haftzeiten für einen Litauer und einen
libanesischen Gefangenen von neun auf zwölf Monate verlängert worden. Um
16 Uhr erscheinen ca. 40 PolizistInnen (spezielle Beamte unter Ausschluß des
Haftpersonals) im Frauentrakt, woraufhin sich die Frauen unterhaken. Die
Beamten versuchen, die Frauen mit Schlägen zu trennen, und schlagen auch
gezielt auf die Hände. Einer Frau wird dabei die Hand schwer verletzt. Ein
Beamter greift einer afrikanischen Frau in die Haare und schüttelt ihren Kopf
hin und her, so daß er auch gegen eine Wand schlägt. Dabei reißt er ihr
Haarbüschel aus und der Kopf blutet. Die Frau ist verzweifelt und schlägt
dann selbst mit dem Kopf gegen die Wand. Die afrikanischen Frauen werden
schließlich unter Schlägen alle zu Boden gezwungen. Als sich eine russische
Gefangene mit ihnen solidarisiert, wird sie von einem männlichen Polizisten
und einer weiblichen Beamtin mehrfach auf Kopf, Hals und Brust geschlagen. Weil
sie angeblich Mitgefangene gehindert hätten, das Anstaltsessen anzunehmen
(stellvertretender Anstaltsleiter Piper) werden die afrikanischen Frauen
isoliert und von einem ca. 25-köpfigen Polizeiaufgebot in die
Gefangenensammelstelle Tempelhofer Damm 12 gebracht. In
Tempelhof kommen die Frauen in Einzelzellen. Am folgenden Tag tragen sie
immer noch ihre Schlafanzüge und bekommen noch nicht die Gelegenheit, sich zu
waschen. Ihnen werden im Falle weiterer Nahrungsverweigerung
"Injektionen" angekündigt. Eine
Frau wird aus der Haft entlassen, eine zweite kommt in ein Krankenhaus und
sechs Frauen werden am 6. Oktober nach Köpenick zurückgebracht. Die 29 Jahre
alte Nigerianerin R. I., der Beeinflussung ihrer Mitgefangenen unterstellt
wird, und die zudem nicht bereit ist, ein "Stillhaltepapier" zu
unterschreiben, muß bis zum 11. Oktober in der Tempelhofer Einzelzelle
ausharren, bevor auch sie ins Abschiebegefängnis zurückgebracht wird. Zu
diesem Zeitpunkt haben die Gefangenen bereits seit vier Tagen ihre
Protestaktion beendet. Gegen
die "Rädelsführerin" R. I. (Polizeisprecher Dräger) stellt die
Anstaltsleitung eine Strafanzeige wegen Nötigung. Initiative gegen Abschiebehaft Berlin; Antirassistische Initiative Berlin; Flüchtlingsrat Berlin; taz 7.10.04; jW 9.10.04; taz 12.10.04; JWB 17.11.04 9. Oktober 04 Auf dem deutschen
Containerschiff "Lydia Oldendorff" entdecken Seeleute 13 kurdische
Flüchtlinge aus der Türkei, als das Schiff im Hafen von Giola Tauro in
Italien anlegt. Die "blinden Passagiere", unter ihnen zwei 13 und
15 Jahre alte Jugendliche, werden zu einer Polizeistation gebracht, wo sie
Asyl beantragen wollen. Stattdessen bringen die Italiener sie wieder zurück
auf das Schiff, das seinen nächsten Stopp im Hafen von Valetta auf Malta hat.
Auch
hier dürfen die Flüchtlinge nicht von Bord gehen. Dadurch spitzt sich die
Situation auf dem Schiff zu, und mindestens einer der Flüchtlinge versucht,
sich das Leben zu nehmen. Dreimal versuchen die Kurden, per Fax Asyl zu
beantragen. Auch das wird von den italienischen Behörden ignoriert. Ein UNHCR-Mitarbeiter,
der sich zur Vermittlung und zur Verhandlung mit den Behörden einschaltet,
bleibt ebenfalls erfolglos. taz 23.10.04; taz 25.10.04; HAB 25.10.04 9. Oktober 04 Ratingen in Nordrhein-Westfalen.
Trotz des Vetos des Oberbürgermeisters Wolfgang Diedrich (CDU), der den
Abschiebetermin aus "humanitären Gründen" ausgesetzt hatte, gegen
den Willen der SPD und entgegen den Warnungen des Düsseldorfer Amtsarztes
setzt die Ratinger Ausländerbehörde die Abschiebung der Roma-Familie
Beganovic nach Serbien-Montenegro durch. Die Risikoschwangerschaft von Darica
Beganovic und die vier schulpflichtigen Kinder spielen für die Behörde
offensichtlich keine Rolle. Die Familie ist in Besitz von 130 Euro und durfte
nur das Allernötigste zusammenpacken. Sie lebt seit der Abschiebung in einem
Slum. taz-Ruhr 11.10.04 11. Oktober 04 Paderborn in
Nordrhein-Westfalen. Als der 18 Jahre alte Schüler Jose K. in der
Stadtverwaltung erfährt, daß er in diesem Moment festgenommen und noch heute
in den Kongo abgeschoben werden soll, ergreift er eine Schere und rammt sie
sich in den Bauch. Die beiden Männer, die ihn festnehmen sollen, legen ihm
"zur eigenen und zur Sicherung anderer" Handschellen an und
alarmieren den Notarzt, so der Leiter der Ausländerbehörde Paderborn vor dem
Sozialausschuß des Stadtrates. Er selbst habe dem Verletzten die Wunde
"abgedrückt". Dann kommt der Verletzte ins Krankenhaus
Johannesstift und wird dort umgehend operiert. Die Abschiebung ist vorerst
ausgesetzt. Schon
im Frühjahr mußte eine Abschiebung einerseits wegen organisatorischer
Probleme, andererseits wegen der Suizidalität des Kongolesen ausgesetzt
werden. Nachdem ein von der Stadt beauftragter psychiatrischer Gutachter die
Suizidgefahr nicht bestätigt hatte, war die Abschiebung dann erneut
vorbereitet worden. NW 12.10.04; NW 16.12.04; Kollegium des Bonifatius-Förderzentrums Paderborn 11. Oktober 04 Abschiebegefängnis Köpenick in
Berlin. Ein 36-jähriger tunesischer Gefangener verschluckt in Selbsttötungsabsicht
zwei Rasierklingen. Der Mann kommt umgehend ins Krankenhaus. NK 14.10.04 16. Oktober 04 Höchstädt in Bayern. Drei
15-jährige Schüler attackieren das hiesige Flüchtlingsheim am Abend zunächst
mit Steinen, und als die BewohnerInnen nicht reagieren, werfen sie einen
Molotow-Cocktail auf die Holzbaracke. Zwei vor der Baracke stehende Sofas
fangen Feuer, was von den BewohnerInnen entdeckt wird und frühzeitig gelöscht
werden kann. In
dem Heim leben derzeit siebzehn Flüchtlinge aus Afghanistan, Irak und Iran
und anderen Ländern. Sie kommen mit dem Schrecken davon. Erst
einen Monat nach der Tat können die Täter ermittelt werden, die den
Brandanschlag gestehen und ihn mit ihrer rassistischen Einstellung begründen. Yahoo!Nachrichten 17.10.04; e110 17.10.04; TS 17.10.04; ddp 25.11.04;
NN 26.11.04; JWB 1.12.04 22. Oktober 04 Mecklenburg-Vorpommern. Zwei
Flüchtlinge aus der Flüchtlingsunterkunft Tramm besuchen eine Diskothek in
Parchim, als einer von ihnen von einem Deutschen gebeten wird, mit vor die
Tür zu kommen, um etwas Wichtiges zu besprechen. Auf der Straße erwarten den
Flüchtling ca. zehn Neonazis, sagen ihm, daß er keine deutschen Frauen
anzusprechen hat, und schlagen unmittelbar auf ihn ein. Sein Freund, Akubuo
Chukwudi, kommt hinzu, redet auf die Schläger ein und wird ebenfalls
geschlagen und getreten. Es gelingt ihm wegzurennen, doch er wird eingeholt
und wieder attackiert. Die
Polizei erscheint und kann einige Täter festsetzen. Noch in Gegenwart der
Polizei schlägt einer der Rassisten mit der Faust Akubuo Chukwudi in das
verletzte Gesicht. Akubuo Chukwudi kommt ins Krankenhaus. Hier werden
zahlreiche Prellungen, Schürfungen und Blutergüsse festgestellt und
behandelt. Im Juni 2006
sind vier Prozeßtage beim Amtsgericht Parchim für einen Sammelprozeß
angesetzt, bei dem Akubuo Chukwudi größtenteils wegen vermeintlicher
Regelverstöße aus den Jahren 1999, 2000, 2003 und 2004 angeklagt ist, die ihm
im Rahmen seiner langjährigen politischen Aktivitäten vorgeworfen werden:
Protest gegen das Gutscheinsystem im Supermarkt, Reaktionen auf die
Diskriminierungen durch Sozialamt und Ausländerbehörde sowie gefährliche
Körperverletzung des rassistischen Angreifers während des oben beschriebenen
Angriffes. Gleich zu Beginn werden vier Verfahren aus
den Jahren 1999 bis 2001 eingestellt. Der Vorwurf der schweren
Körperverletzung ist auch nach den Aussagen von Zeugen, die offensichtlich
zum Kreis der Angreifer gehören, nicht haltbar und endet mit einem
Freispruch. Allein
aufgrund einer Auseinandersetzung mit einer übergriffigen Kassiererin in
einem ALDI-Markt, die einige mit Gutschein bezahlte Waren aus dem
Einkaufswagen wieder herausholte, wird Akubuo Chukwudi zu 15 Tagessätzen à 11
Euro verurteilt. Antilager-Tour 2004; Plataforma Gruppe 24.11.05;
caravane-info 22.5.06; Karawane 26.7.06 26. Oktober 04 Berlin. Als der 32 Jahre alte
Flüchtling Selim S. auf dem Landeseinwohneramt die
Grenzübertrittsbescheinigung verlängern lassen will, wird er festgenommen und
verliert in seiner Panik das Bewußtsein. Der kriegstraumatisierte
Kosovo-Albaner kommt in ein Krankenhaus, aus dem er am nächsten Tag aus Angst
vor der Polizei flüchtet. Entgegen
der Zusage des Oberverwaltungsgerichts wird Herr S. am 12. November auf dem
Landeseinwohneramt erneut festgenommen und ins Abschiebegefängnis Köpenick
gebracht. Aufgrund seines akuten Erregungszustands und seiner
Selbsttötungsäußerungen bekommt er dort zunächst Beruhigungstabletten. Da
diese keinen erwünschten Effekt haben, wird Selim S. in das psychiatrische
Krankenhaus Hedwigshöhe gebracht. Obwohl
die Ärzte ihn hier für haftunfähig erklären, erscheinen am nächsten Tag
Polizisten und kündigen an, daß sie ihn abschieben werden – notfalls in
Begleitung eines Arztes. Der
im Kosovo aufgewachsene Selim S. hat eine exzessive Verfolgungsgeschichte
hinter sich. So wurde er schon als Schüler – später als Student – von
serbischen Milizen bedroht, verfolgt und geschlagen. Im Frühjahr 1989 erlebte
er einen Giftgasangriff auf seine Schule durch serbische Milizen und leidet
noch heute unter den Folgen. Als er 1995 wegen seiner politischen Tätigkeit
für die Lidhja Demokratike e Kosovës (LDK – Demokratische Liga des Kosovo) in
Polizeihaft kam, wurde er gefoltert. Das Nasenbein und das Handgelenk wurden
ihm gebrochen, er wurde mit dem Tode bedroht, man werde ihm den Kopf
abschneiden und die Augen ausreißen. Dann wurde er in einen dunklen Keller
gesperrt, wo er unter großen Schmerzen und Todesangst 48 Stunden ausharren
mußte. Bewußtlos und schwerkrank war er danach bei seiner Familie abgeliefert
worden. Er konnte sich erst nach sechs Wochen wieder bewegen. Von da an lebte
er auf der Flucht – meistens versteckte er sich in den Wäldern. Im Januar
1997 gelang ihm die Flucht in die BRD. Hier
mußte er sich aufgrund seiner festgestellten und dokumentierten
Posttraumatischen Belastungsstörung und deren körperlichen Folgen
verschiedenen medizinischen Therapien unterziehen. Zunehmend und immer wieder
abhängig vom Aufenthaltstatus steigerte sich seine Suizidalität. Nach
der Entlassung aus dem Krankenhaus geht Selim S. am 10. Dezember erneut ins
Landeseinwohneramt in der Nöldnerstraße in Lichtenberg, um seine
Grenzübertrittsbescheinigung verlängern zu lassen. Im
Wartesaal dieses Amtes befindet sich auch der Tresen für die Gespräche mit
den Behördenangestellten. Vor dem Tresen befinden sich Glaskästen, in die die
Flüchtlinge hineingehen müssen, um mit den SachbearbeiterInnen zu reden. Selim
S. begibt sich in einen dieser Glaskästen, als er um kurz vor 12.00 Uhr
aufgerufen wird. Er legt ärztliche Unterlagen, seine Anmeldebestätigung und
die Anmeldung zur Härtefall-Prüfung vor. Er ist in äußerst kritischer
Verfassung, denn er war am Vortage aufgrund einer Noteinweisung noch im
Krankenhaus gewesen. Die Sachbearbeiterin legt ihm ein Formular vor, das er
unterschreiben soll. Als er dies nicht umgehend tut, droht sie ihm mit Haft.
Als Selim S. immer noch nicht entsprechend reagiert, droht sie ihm sofortige
Inhaftierung für drei und dann sechs Monate an. Dann verschließt sie mit
einer Kollegin von außen die Tür der Glaskabine mit der Drohung, daß er so
lange nicht herauskäme, bis er unterschrieben hätte. In
absoluter Panik gelingt es Selim S., die ca. 2,20 Meter hohe Kabinentür durch
Hinaufklettern und Herunterspringen zu überwinden. Dann hetzt er zum Fenster
und springt aus dem 1. Stock ins Freie. Im Weglaufen hört er noch, wie drei
Sachbereiterinnen ihm hinterherrufen, ihn als "Verrückten"
bezeichnen und über ihn lachen. Nachdem
seine Anwältin eine Dienstaufsichtsbeschwerde wegen Nötigung und Verletzung
eines psychsich Kranken stellt, für den durch Gerichtsbeschluß sowie
Härtefallantrag Abschiebeschutz besteht, entschuldigt sich die
Ausländerbehörde für den Vorfall. taz 31.12.04; FFM – Eva Weber 27. Oktober 04 Sindelfingen in
Baden-Württemberg. Als morgens um 6 Uhr vier Polizisten und zwei
Polizistinnen die Eheleute Fekrie und Sefket Fejzulov zur Abschiebung
abholen wollen, springt Herr Fejzulov vom Balkon der im dritten Stock
gelegenen Wohnung. Fekrie
Fejzulov wird derweil zum Flughafen Baden-Airport transportiert, ohne zu
wissen, was mit ihrem Mann ist, und ohne einen Cent Geld. Dem Anwalt gelingt
es, einen Eilantrag auf Abschiebestop zum Gericht zu faxen, dem ein Richter
stattgibt, so daß Fekrie Fejzulov gegen Mittag wieder in Sindelfingen
ankommt. Ihr
Mann ist psychisch krank und schwer herzkrank, was ihm auch das
Gesundheitsamt attestiert hatte. Damit sei er nicht transportfähig und eine
Behandlung seiner schweren Erkrankungen sei nach einer eventuellen
Abschiebung äußerst schwierig, so das Attest weiter. Ein Richter hatte
dennoch für die Abschiebung entschieden. Die
zwei zwischenzeitlich volljährigen Kinder der Eheleute wurden bereits einige
Monate zuvor nach Jugoslawien abgeschoben, darunter der Sohn Senad, der mit
seinem Verdienst wesentlich den Lebensunterhalt der Familie bestritt. Herr
Fejzulov kommt auf die Intensiv-Station eines Krankenhauses. Er hatte seinen
Suizid im Falle einer Abschiebung mehrmals angekündigt. SinZ 28.10.04; AK-INFO AK-Asyl BaWü Dezember 2004 27. Oktober 04 In der Hamburger JVA Fuhlsbüttel
begeht ein 30 Jahre alter Abschiebegefangener aus Marokko einen
Suizidversuch. Hamburgische Bürgerschaft DS 20/469 Oktober 04 An der tschechisch-bayerischen
Grenze in Schirnding entdecken Grenzschutzbeamte in einem Lkw zwischen Kisten
von Elektromotoren 50 versteckte Chinesen. Der Transporter wird umgehend aus
dem Verkehr gezogen. FP 22.12.94 Oktober 04 Bundesland Baden-Württemberg.
Eine 31 Jahre alte Kurdin versucht sich zu töten, als sie von der Ablehnung
ihres Asylfolgeantrags erfährt. Sie kommt zunächst in stationäre Behandlung,
die später ambulant fortgeführt wird. Aufgrund von traumatisierenden
Erlebnissen und Gewalterfahrungen leidet die Mutter dreier Kinder unter einer
Posttraumatischen Belastungsstörung. Als
sie dem türkischen Konsulat vorgeführt werden soll, muß sie erneut in eine
Klinik eingeliefert werden. Hier erscheinen einige Zeit später Polizeibeamte,
um sie zur Abschiebung abzuholen. Die Frau bricht wieder zusammen und muß
anschließend wegen Suizidalität tagelang beobachtet werden. (siehe auch:
Oktober 03 und 10. November 05) Refugio Villingen-Schwenningen; Ernst-Ludwig Iskenius – Arzt Oktober 04 Gerlingen in Baden-Württemberg.
Die siebenköpfige albanische Familie Syla aus dem Kosovo soll abgeschoben
werden, obwohl den Behörden amtsärztlich bestätigte psychische Probleme von
Frau Syla bekannt sind. Als sich die 45-Jährige im Bad einschließt und
Toilettenreiniger schluckt, muß die Abschiebung abgebrochen werden. Frau Syla
kommt ins Krankenhaus und kann erst nach drei Monaten entlassen werden. Im
Februar 2007 stellt der Rechtsanwalt der Familie einen Antrag auf
Bleiberecht, weil die Familie alle Voraussetzungen für die
Bleiberechtsregelung erfüllt. Herr Syla lebt seit 1993 in Baden-Württemberg
und arbeitet als Fahrer bei einer Gerlinger Firma. Frau Syla war mit vier
Kindern 1999 gefolgt. Im Jahr 2000 wurde die Tochter Fatjoma geboren. Das Landratsamt Ludwigsburg
lehnt – wie es scheint unter dem Druck des Regierungspräsidiums Stuttgart –
diesen Antrag mit folgender Begründung ab: Frau Syla habe keinen ernsthaften
Suizidversuch unternommen, sondern habe mit ihrer Handlung nur die
Abschiebung verhindern wollen. Damit habe die Familie ihr Recht auf die
Anwendung der Altfallregelung verwirkt. Darauf
folgen längere Auseinandersetzungen zwischen dem Landratsamt Ludwigsburg, dem
Regierungspräsidium Stuttgart, dem Verwaltungsgericht und der Anwaltskanzlei.
Obwohl der Verwaltungsgerichtshof Mannheim schließlich um die vorläufige
Aussetzung einer Abschiebung bittet, wird in der Nacht vom 5. zum 6. November
07 die Wohnungstür mit einem Vorschlaghammer eingeschlagen. 15 Polizisten
stürmen die Wohnung der Familie in der Hofwiesenstraße. Die Eltern werden in
Handschellen mit den drei minderjährigen Kindern abgeführt – die zwei
volljährigen Töchter bleiben zurück. UnterstützerInnen
vom Gerlinger Arbeitskreis Asyl gelingt es noch in der Nacht, den Anwalt zu
erreichen. Er wendet sich an den Verwaltungsgerichtshof, der diesen Fall noch
gar nicht entschieden und deshalb die Behörden um Aufschub gebeten hatte.
Familie Syla ist bereits am Flughafen Söllingen, als ein Anruf eines
Mannheimer Richters die Abschiebung stoppt. Im
Urteil machen die Richter des Verwaltungsgerichtshofs ihre Position
unmißverständlich deutlich: In Deutschland gebe es keine Sippenhaft; der Mann
und die Kinder könnten nicht für das "Verhalten" der Ehefrau bzw.
Mutter verantwortlich gemacht werden; Frau Syla sei aber wegen der
Unverletzlichkeit von Ehe und Familie eine alleinige Ausreise unzumutbar. Im
August 2008 erhalten Herr Syla und die Kinder Aufenthaltserlaubnisse. Frau
Syla bekommt weiterhin eine Duldung. LT Ba.-Wü DS 14/1960 ; AK Asyl Stuttgart Jan.08; StZ 28.8.08 2. November 04 Marktoberdorf in Bayern. Ein 51
Jahre alter Flüchtling aus dem Irak wird abends um 21.30 Uhr in der Füssener
Straße auf dem Gelände eines Steinmetz-Betriebes von zwei dunkel gekleideten
Männern niedergeschlagen und dabei am Kopf verletzt. Sie fesseln ihr Opfer
und verlangen von ihm 50.000 Euro. Als der Flüchtling laut um Hilfe schreit,
fliehen die Gewalttäter. Dem
Mann gelingt es, seine Fesseln zu lösen und mit seinem Handy die Polizei zu
rufen. Allgäuer Ztg 6.11.04; Polizei Kempten 2. November 04 Justizvollzugsanstalt Dresden. Als die 47 Jahre alte
vietnamesische Gefangene Nguyen X. von ihrer Arbeit kommt, wird sie ins Büro
der Aufseherin geführt, die ihr mitteilt, daß sie mit einer 14-tägigen
Ausgangssperre bestraft wird, weil sie sich verbotenerweise mit Mitgefangenen
unterhalten habe. Drei
Vorfälle werden ihr genannt, aufgrund derer sie bestraft wird. Einmal wurde
ihr gesagt, daß sie nur in ein Zimmer deutschsprechender Menschen gegangen
sei, um sich mit den Männern zu unterhalten. Ein zweites Mal hatte sie in der
Küche, als andere Gefangene nach Musik aus dem Cassettenrecorder tanzten, ein
vietnamesisches Lied gesungen, was ihr von der Aufseherin verboten wurde, die
sie umgehend in die Zelle schloß. Ein drittes Mal hatte sie mit einem
vietnamesischen Gefangenen geredet, weil der sich aufgrund seiner anstehenden
Abschiebung von ihr verabschiedete. Am
Abend bleibt die Zelle von Nguyen X. geschlossen, obwohl ihr die Möglichkeit
des Duschens und des Kochens nicht untersagt worden waren. Nach mehrmaligen
Anfragen und auch nach der Intervention einer Mitgefangenen sagt sie:
"Soll ich denn tot sein, wenn sie mich nicht duschen und kochen
lassen?" Die
Wärterin holt daraufhin KollegInnen, sie legen Frau Nguyen X. Handschellen an
und bringen sie in den Disziplinarraum. Hier wird die Gefangene bis auf die
Unterwäsche ausgezogen. Ihr werden die Hände auf dem Rücken gefesselt, die
Füße gefesselt und Hand- und Fußschellen rücklings mit einer zusätzlichen
Schelle verbunden. Frau Nguyen X. schreit laut um Hilfe. Bereits am 14. März
hatte sie diese Schaukelfesselung erleiden müssen. Hände
und Füße schwellen schmerzhaft an, und um 3.00 Uhr morgens löst eine
Aufseherin die Fesseln und läßt Frau Nguyen X. in der kalten Zelle und in
Unterwäsche zurück. Eine Bitte um eine Decke wird ignoriert. Bevor
Frau Nguyen X. morgens wieder in ihre Zelle gebracht wird, bekommt sie nach
einer ärztlichen Untersuchung Tabletten und eine Salbe ausgehändigt. Am
nächsten Morgen erfolgt ihr Transport in das Haftkrankenhaus Leipzig, in dem
sie bis zum 10. November bleibt. Danach kommt sie nach einem nächtlichen
Aufenthalt in der JVA Chemnitz und einem vierstündigen Aufenthalt in der JVA
Dresden zurück in die JVA Chemnitz. Aufgrund
der öffentlichen Proteste gegen die Foltermethode Schaukelfesselung äußert
sich der JVA-Leiter Bernhard Beckmann der Presse gegenüber zynisch: "Sie
sollte nicht schaukeln." (siehe auch: 14. März 04) Bericht der Betroffenen; JVA Dresden
4.5.04; pax christi – Flüchtlingskontakte
Dresden 20.11.04; taz 27.11.04; SäZ 27.11.04 11. November 04 Humboldthain-Grundschule in
Berlin-Mitte. Zivile Polizeibeamte betreten das Gelände der Schule zwischen
9.00 Uhr und 10.00 Uhr und nehmen die siebenjährige Mimaza Esufi und ihren
elfjährigen Bruder Mergim in Gewahrsam. Zu
diesem Zeitpunkt ist ihre Mutter zusammen mit einem Geschwister bereits
festgenommen. Mittags werden alle zusammen über Düsseldorf nach Prishtina
abgeschoben. taz 12.11.04; FRat Berlin 12. November 04 Abschiebegefängnis Köpenick in
Berlin. Die 16-jährige Sofia X. aus Sierra Leone befindet sich seit acht (!)
Monaten in Abschiebehaft. Sie wird trotz medizinischer Reiseunfähigkeitsbescheinigung
und Suizidalität in einer Chartermaschine von Berlin-Tegel nach Spanien
abgeschoben. Bereits am 5. November hat sie sich – trotz Fesselung – so
vehement gegen die Abschiebung gewehrt, daß der Pilot der Maschine ihre
Mitnahme verweigerte. Die
elternlose Sofia X. war aus Sierra Leone geflohen, als ihr Onkel eine
Beschneidung bei ihr vornehmen lassen wollte. Auf der Flucht geriet sie in
die Hände eines Zuhälters, der sie im Dezember 2003 nach Deutschland brachte.
Hier war sie bei einer Razzia in einem Bordell festgenommen worden. jW 15.11.04 14. November 04 Hamburg. Eine 27-jährige
Asylbewerberin wird vor den Augen ihrer vier Kinder von ihrem getrennt
lebenden Mann mit mehreren Messerstichen getötet. Da
die Frau lediglich einen Duldungsstatus hatte, gehörte sie zu der Gruppe, die
seit einem Bescheid von Frauensenatorin Schnieber-Jastram (CDU) keinen Zugang
zu Frauenhäusern mehr hat. Die bedrohten "geduldeten" Frauen sind
der Männergewalt schutzlos ausgeliefert. Obwohl
den Sozialarbeitern in der Flüchtlingsunterkunft Hamburg-Volksdorf bekannt
war, daß sich die Frau "bedroht und verfolgt fühlt", konnten sie
der Frau lediglich anbieten, sie "anonym" in anderen öffentlichen
Heimen unterzubringen. Sie hatte diese Angebote jedoch ausgeschlagen, weil
die Häuser nicht verschlossen sind und dadurch Männer uneingeschränkten
Zugang dazu haben. taz-HH 23.11.04; jW 10.12.04; Hamburgische Bürgerschaft DS 18/1253; taz HH
15.11.05 16. November 04 Flüchtlingsunterkunft im
Transitbereich des Flughafens Frankfurt am Main in Cargo City Süd, Gebäude C
587. Die hochschwangere Jenny Setiawan, ihr pakistanischer Lebenspartner
Imram Firasat und ihr Sohn werden in ein Flugzeug gesetzt und in Begleitung
von drei BGS-Beamten und einem Arzt abgeflogen. Nach 14 Stunden Flug und
einem kurzen Zwischenstop in Jakarta landet die Maschine in Indonesien. Dort
wird die Aufnahme der Familie wegen fehlender gültiger Papiere verweigert, so
daß die Familie mit derselben Maschine zurückgebracht wird. Die großen Schmerzen,
die bei Jenny Setiawan einsetzen, werden von dem mitfliegenden Arzt als
"normale" Schwangerschaftsbeschwerden abgetan – er verweigert
demzufolge auch die Applikation von schmerzstillenden Mitteln. Nach
24 Stunden Rückflug landet die Familie am Der
Abschiebeversuch geschah, obwohl eine Härtefallentscheidung des
Petitionsausschusses des Deutschen Bundestages noch aussteht. Die zweite
Abschiebung wird behördlich vorbereitet. FR 19.11.04; Komitee f. Grundrechte u. Demokratie 26.11.04 16. November 04 Bützow in
Mecklenburg-Vorpommern. Ein 34 Jahre alter Flüchtling aus Togo wird aus einer
Gruppe Jugendlicher heraus rassistisch beschimpft. Nachdem er seinen Weg
fortsetzt, überfallen ihn zwei Männer. Sie beschimpfen ihn als "Scheiß
Neger" und schlagen ihm mit einem Gegenstand so heftig ins Gesicht, daß
er hinfällt. Dann zerren die Täter ihn in ein Gebüsch und treten auf ihn ein.
Der Togoer muß seine zahlreichen Verletzungen drei Tage lang im Krankenhaus
behandeln lassen. Von den Tätern fehlt jede Spur. LOBBI 16. November 04 Im Asyl- und Obdachlosenheim des
sächsischen Großdeuben wird um 1.00 Uhr nachts im Büro der Heimleitung Feuer gelegt.
Der sich dadurch entwickelnde Schwelbrand kann frühzeitig gelöscht werden. Im
Dezember wird ein Iraker wegen schwerer Brandstiftung zu einem Jahr und neun
Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt. LVZ 18.11.04; LVZ 20.12.05 16. November 04 Wilhelmshaven in Niedersachsen.
Morgens um 5.00 Uhr erscheint die Polizei bei der Roma-Familie Mustafa/Asani
und nimmt die 23-jährige Bajramsa Asani und ihren dreijährigen Sohn Sali
Mustafa mit, um sie nach Belgrad abzuschieben. Damit wird die Familie getrennt. Frau
Asani ist zu 70% körperbehindert und leidet unter schweren
Gleichgewichtsstörungen, so daß sie nur taumelnd gehen kann und oft
hinstürzt. Amtlicherseits wurde ihr die Notwendigkeit einer ständige
Begleitung attestiert. Auch beschreibt das Jugendamt, daß sie nicht in der
Lage ist, für ihren Sohn zu sorgen, so daß ihr Mann Zenel Mustafa das
alleinige Sorgerecht bekam. Diese staatliche "Fürsorge" galt
allerdings nur bis zur Abschiebung. Nach
der Abschiebung von Bajramsa Asani und ihrem Sohn argumentieren die Richter
anders. Die Realität für Roma aus dem Kosovo in Serbien mißachtend, heißt es
jetzt, daß Zenel Mustafa ja nach Belgrad fahren könne, um mit seiner Familie
zusammen leben zu können. Frau
Asani wird von Verwandten aufgenommen, die sehr arm sind und weder die
medizinische Behandlung noch die Medikamente für die verzweifelte Frau
finanzieren können. (siehe auch: 16. Juni 03) Migrationsberatung Wilhelmshaven; IMRV Bremen 22. November 04 Im baden-württembergischen
Crailshaim entdecken Beamte der Bundespolizei in einem Hohlraum eines
Kleintransporters fünf durchnäßte und erschöpfte chinesische Staatsbürger. BT-Drucksache 16/9 24. November 04 Bad Münder am Deister in
Niedersachsen. Am frühen Morgen stehen Beamte des Bundesgrenzschutzes vor der
Tür der Familie Hasic. Sie nehmen Herrn Hasic, die vier und fünf Jahre alten
Kinder und den sechs Monate alten Säugling mit, setzen sie in ein
Polizeifahrzeug und fahren sie zum Flughafen Frankfurt am Main, um sie nach
Serbien abzuschieben. Die noch stillende Mutter des Babys bleibt zurück. Zu
dem Vorwurf der Körperverletzung des Anwalts der Familie, dem es gelingt, die
Abschiebung in letzter Minute zu stoppen, äußert sich der kommissarische
Leiter des Ausländeramtes wie folgt: "Alle Beteiligten waren der
Auffassung, dass das Kind auch ohne Mutter ausreichend versorgt werden
konnte." So hätten Vollzugskräfte sogar ein Fläschchen Milch und einen
Kindersitz dabei gehabt. NDZ 2.12.04 24. November 04 Abschiebegefängnis Köpenick in Berlin.
Ein 16 Jahre alter libanesischer Gefangener schlägt wiederholt mit seinem
Kopf gegen die Kante einer Metallverkleidung und gegen die Wand im
Aufenthaltsraum. Mit mehreren Platzwunden wird er zur ärztlichen Versorgung
ins Krankenhaus gebracht. Polizei Berlin 24.11.04; BK 25.11.04; taz 27.11.04 24. November 04 Abschiebegefängnis Köpenick in
Berlin. Um 16.15 Uhr formt ein russischer Gefangener aus seinem Bettlaken
eine Schlinge, verknotet diese an einem Befestigungsteil der Toilettentür und
hängt seinen Kopf in die Schlinge. Ein Wachmann entdeckt den 19-Jährigen
sofort, löst das Laken und benachrichtigt einen Sanitäter. Der Gefangene
kommt ins Krankenhaus und wird am gleichen Abend wieder in das Gefängnis
zurückgebracht. Polizei Berlin 26.11.04; taz 28.11.04 25. November 04 Backnang in Baden-Württemberg.
Bei einer Polizei-Razzia in der Flüchtlingsunterkunft in der Gartenstraße
erleidet eine Frau einen Schock, so daß ein Notarzt geholt werden muß. Die
Polizei ist mit 200 Einsatzkräften vor Ort: Beamte der Bereitschaftspolizei
Böblingen, der Kriminalpolizei, der Drogenermittlungsgruppe, des
Polizeireviers Backnang und fünf Hundeführer der Diensthundeführerstaffeln
aus Waiblingen und Esslingen. Das Gelände wird morgens um 6 Uhr abgeriegelt,
taghell ausgeleuchtet, und die Beamten öffnen ohne Vorankündigung mit einer
Ramme Türen der BewohnerInnen. Das
Ergebnis des dreistündigen Spektakels: der Fund von 124 g Drogen und zwei
Festnahmen. BKZ 26.11.04 25. November 04 Nordrhein-Westfalen. Ungeachtet
des Widerspruchs der UNMIK (United Nation Administration Mission in Kosovo)
und ungeachtet eines Eilantrages beim zuständigen Verwaltungsgericht setzt
die Ausländerbehörde Düsseldorf die kranke Frau A. und ihre drei
minderjährigen Kinder in ein Flugzeug, um sie in den Kosovo abzuschieben. Der
Familienvater soll als einziger in Deutschland zurückbleiben. Die
Frau kollabiert auf dem Flug und wird bewußtlos. Als eine an Bord befindliche
Begleitärztin vom Weiterflug abrät, landet die Maschine außerplanmäßig auf
dem Frankfurter Flughafen. Hier erfolgt der Transport der Frau mit dem
Krankenwagen zur Flughafenambulanz. Der dort tätige Arzt stellt nach
Augenschein fest, daß Frau A. simuliere und durchaus weiterfliegen könne.
Dann öffnet der Mediziner ihren Mund mit zwei Fingern und schiebt ihr – ohne
weitere Erklärung – eine Tablette unter die Zunge. Er hält Frau A. dann
solange fest, bis sich die Tablette aufgelöst hat und sie müde wird und
vollständig einschläft. Als
Frau A. tief schlafend wieder zur Abschiebe-Maschine gebracht wird, beginnen
ihre drei Kinder in Panik zu schreien, weil sie denken, daß ihre Mutter tot
ist. Unterstützt von der Bordärztin weigert sich der Flugkapitän, Frau A.
wieder an Bord zu nehmen, so daß die Abschiebung abgebrochen werden muß. Mit
einem Kleinbus des Zolls wird Frau A. mit ihren Kindern wieder zurück nach
Euskirchen gebacht. Dorthin, wo sie am frühen Morgen abgeholt worden war und
ihre Kinder von den Beamten aus dem Schlaf gerissen wurden. In
der folgenden Nacht verschlimmert sich ihr Gesundheitszustand dermaßen, daß
ihr Mann sie ins Marienhospital bringen muß. Später kommt Frau A. in
neurologische Behandlung. Dem
Familienvater, der in Düren gemeldet ist, war ein Antrag auf Umverteilung
abgelehnt worden. Er durfte jedoch mit ausdrücklicher Duldung der
Ausländerbehörde Düren bei seiner Familie in Euskirchen leben. Die gewaltsame
Familientrennung durch die Abschiebung der Mutter mit den Kindern begründet
der Leiter der Zentralen Ausländerbehörde (ZAB) Düsseldorf, Herr Lindemann,
damit, daß die Familie ohnehin nicht zusammen lebe. Nach
der gescheiterten Abschiebung der Mutter mit den Kindern wird seine
Besuchserlaubnis bis zum 13. Dezember 2004 befristet. Danach muß er wieder in
Düren wohnen. taz-Ruhr 29.11.04; FRat NRW 28. November 04 Bundesland Brandenburg. In
Erlenhof in Potsdam-Schlaatz versucht ein 18 Jahre alter iranischer
Flüchtling am Abend, sich mit einem Messer zu erstechen. Er kann rechtzeitig
davon abgehalten werden und kommt "zum eigenen Schutz" zunächst in
Haft. PNN 30.11.04 30. November 04 Halle in Sachsen-Anhalt. Der
26-jährige Flüchtling Komi E. aus Togo befindet sich in der Schlange vor der
Kasse eines REWE-Marktes am Hauptbahnhof, als sich ein junger Mann vor ihm
umdreht, ihn als "Neger" beschimpft und ihm dann mit voller Wucht
ins Gesicht schlägt. Zwei Angestellte einer Sicherheitsfirma kommen hinzu und
können einen abermaligen Angriff verhindern. Herr
E. muß seine verletzte linke Gesichtshälfte und das Auge ärztlich behandeln
lassen. Schwerwiegender sind die Langzeitfolgen des Angriffs. Herrn E. leidet
häufig unter quälenden Kopfschmerzen und unter so starken Ängsten, daß er
sich einer mehr als dreijährigen psychotherapeutischen Behandlung unterziehen
muß. Der
Täter wird später vom Amtsgericht Halle wegen Körperverletzung und
Beleidigung zu einer Geldstrafe von 1000 Euro verurteilt. Bericht des Betroffenen; Mobile Beratung für Opfer rechtsextremer Gewalt Ende November 04 Abschiebegefängnis Köpenick in
Berlin. Ein 22-jähriger libanesischer Gefangener schlägt seinen Kopf so
heftig gegen die Zellenwand, daß eine große, stark blutende Platzwunde an der
Stirn entsteht. (siehe auch: 25. Dezember 04) Pfarrer D. Ziebarth November 04 Bundesland Thüringen.
In Erfurt wird ein Asylbewerber aus Kamerun von zwei deutschen Männern
rassistisch beschimpft und beleidigt, dann schlagen sie dem Mann ins Gesicht
und werfen ihn zu Boden. Zeugen rufen die Polizei,
so daß die Täter identifiziert und Anzeige gegen sie erstattet werden kann. Der Kameruner muß sich mit
einer Platzwunde im Mundbereich in ärztliche Behandlung begeben. THO Chronik (Bericht des Betroffenen) 1. Dezember 04 Der 30 Jahre alte Angolaner
Miquel N. wird aus der Justizvollzugsanstalt Berlin-Plötzensee nach sechs
Monaten Strafhaft abgeholt und nach Luanda abgeschoben. Er
leidet seit Jahren unter schweren psychischen Veränderungen. Eine
Psychologin, die ihn in der Haft besuchte, riet, diese Symptome
"unverzüglich im Rahmen eines psychiatrischen Diagnostischen Verfahrens
zu überprüfen, da Hinweise auf eine schwere psychiatrische Erkrankung
vorliegen". Sie schrieb weiter, daß er "nicht in der Lage"
sei, "ohne Fremdhilfe für sich selber zu sorgen." Damit
bestätigte die Psychologin die Aussagen der Bekannten und Freunde und sogar
des Wachpersonals in der JVA. Sie alle erkennen, daß der Gefangene
"nicht normal" ist, weil die Worte, die er spricht, und die Dinge,
die er tut, in keinem Zusammenhang zur Realität stehen. Die Strafe, die der
Angolaner im Gefängnis absitzen mußte, war wegen Fahrens ohne gültigen
Fahrausweis (Beförderungserschleichung) in 13 Fällen gegen ihn verhängt
worden. Im Urteil wurde strafmildernd berücksichtigt: "Der Angeklagte
hat die ihm zur Last gelegten Tatvorwürfe in vollem Umfang einge-räumt. Er
bekomme keine Fahrkarte vom Sozialamt. Oft habe er selbst kein Geld, um sich
eine Karte zu kaufen. Ihm fehle selbst das Geld, etwas zu essen zu
kaufen." Der
Angolaner war als 15-jähriger unbegleiteter Flüchtling vor 15 Jahren in die
BRD geflohen. Auch die Vaterschaft einer siebenjährigen Tochter, deren Mutter
eine Deutsche ist, konnte seine Abschiebung nicht verhindern. Er wurde
abgeschoben mit der alten, kaputten und schmutzigen Kleidung, die er in der
letzten Zeit im Gefängnis anhatte. Eine Gelegenheit, seine Wohnung aufzulösen
oder Habseligkeiten nach eineinhalb Jahrzehnten Deutschland-Aufenthalt
mitzunehmen, bekam er nicht. Antirassistische Initiative Berlin 1. Dezember 04 Abschiebehaft in Ingelheim in Rheinland-Pfalz.
Morgens um 5 Uhr wird der kongolesische Flüchtling M. S. geweckt und
aufgefordert, sofort mitzukommen. Die Wachmänner lassen ihm keine Zeit, sich
Schuhe und Hose anzuziehen. Nachdem
dem Mann Hand- und Fußschellen angelegt wurden, muß er einen Bus besteigen,
der ihn zum Flughafen nach Bremen fahren soll. In seiner Begleitung befindet
sich ein Mann, der sich als Arzt vorgestellt hat. Als der Gefangene einen
Schwächeanfall sowie starke Schmerzen in Brust und Rücken bekommt, erklärt
der Arzt, daß die Ursache dieser Schmerzen die starke Fesselung sei. Um 13
Uhr erreicht der Bus den Flughafen, und M. S. wird einer Leibesvisitation
unterzogen. Als
Herr S. ins Flugzeug einsteigen soll, beginnt er sich zu widersetzen. Es sind
schließlich sechs Beamte, die ihn unter Schlägen auf den Boden zwingen.
Nachdem ihm erneut Handschellen angelegt sind, erfolgt eine dreimalige
Fesselung der Füße. Dann wird er in eine Decke gewickelt, und weil er nun
nicht mehr laufen kann, wird er in den Bus geworfen und dann zum Terminal
gefahren. Der Flugkapitän der Linienmaschine weigert sich schließlich den
Flüchtling mitzunehmen. Im
Januar 2005 wird M. S. mit einer Chartermaschine in die Demokratische
Republik Kongo abgeschoben. Menschen in Abschiebehaft März 05 2. Dezember 04 Bundesland Nordrhein-Westfalen.
Ein Flüchtling aus dem Kongo wird nach abgelehntem Asylantrag abgeschoben und
noch auf dem Flughafen in Kinshasa verhaftet. Bei seiner Entlassung sind
seine wenigen Habseligkeiten verschwunden. Eine
Woche zuvor war er nach der Erstürmung seiner Wohnung durch ein
Sondereinsatzkommando verhaftet und in Abschiebehaft genommen worden. Da auch
seine Frau und die drei Kinder akut abschiebebedroht sind, sind sie
gezwungen, in die Illegalität zu gehen. Antirassistische Initiative Berlin; DoZ 7.12.04; WAZ 9.12.04 2. Dezember 04 Gegen Mitternacht wird starker
Rauch in der Flüchtlingsunterkunft an der Dinslakener Fliehburg gemeldet. Ein
defekter Nachtspeicherofen wird als Ursache für den Schwelbrand vermutet. Von
den BewohnerInnen wird niemand verletzt. Dinportal.de 3.12.04 4. Dezember 04 Bundesland Bayern. Der
liberianische Asylbewerber Herr A. aus Nürnberg wird aus der Abschiebehaft
heraus abgeschoben und damit von seiner deutschen Ehefrau getrennt. Die
beiden waren zur Eheschließung am 25. Oktober nach Norwegen gefahren, weil
die in der BRD erforderlichen Papiere aus Liberia aufgrund der dortigen
chaotischen Verhältnisse nicht zu bekommen waren. Herr
A. wird nach der Eheschließung von Norwegen in die BRD rückgeführt und kommt
unmittelbar in Abschiebehaft. Weil
es in Liberia keine deutsche Auslandsvertretung gibt, muß Herr A. an die
Elfenbeinküste (Côte d'Ivoire) fahren, um in Abijan bei der Deutschen
Botschaft den Familiennachzug zu beantragen. Dafür
notwendig ist die Bezahlung der Abschiebekosten,
die sich auf 2.913,27 Euro belaufen. Darin enthalten sind 70 Tagessätze à 70
Euro für die Abschiebehaft und die Kosten für einige Transporte nach München
und schließlich zum Flughafen. Mit Hilfe von UnterstützerInnen kann die erste
Anzahlung in Höhe von 1.500 Euro geleistet werden. Die
zähen Verhandlungen der Eheleute mit der Ausländerbehörde Nürnberg und der
Deutschen Botschaft gipfeln im April 2005 in der Verweigerung der Zustimmung
zur Visumserteilung der Ausländerbehörde gegenüber der Deutschen Botschaft. Aufgrund
der politischen Situation in Côte d'Ivoire begibt sich Herr A. nach Ghana.
Seine Ehefrau besucht ihn im Jahre 2006 für sechs Monate. Als sie nach
Nürnberg zurückkehrt, ist sie schwanger. Die
Deutsche Botschaft in Ghana stellt die Anfrage auf Zustimmung zum
Familiennachzug von Herrn A. an die Ausländerbehörde in Nürnberg. Diese lehnt
dies mangels ausreichender Identitätsabklärung ab, was bedeutet, daß der liberianische
Paß von Herrn A., der für die Abschiebung gültig war, für die Rückkehr im
Zuge des Familiennachzugs behördlicherseits ungültig ist. Ein Entscheid des
zuständigen Gerichtes in Berlin verpflichtet die Verantwortlichen schließlich
zur sofortigen Erteilung eines Visums. Am 7. April 2007 kann Herr A. zu seiner Frau
zurückkehren und sieht seine vor zwei Monaten geborene Tochter zum ersten
Mal. Alternativer Menschenrechtsbericht 2007 6. Dezember 04 Als die Polizei an seiner Wohnungstür
im hessischen Frankfurt klingelt, öffnet der 36 Jahre alte Marokkaner die
Tür. Er zeigt nach Aufforderung eine französische Identitätskarte vor, die
die Polizisten allerdings als gefälscht erkennen. Als sie versuchen, den Mann
festzunehmen, flüchtet er und springt aus dem Fenster. Bei dem Sturz aus dem
zweiten Stock bricht er sich ein Bein und kommt ins Krankenhaus. OP 8.12.04; Polizei Frankfurt 6. Dezember 04 Berlin. Die 11-jährige Emina S.
und ihre 13-jährige Schwester Lejla werden von Polizisten aus dem Unterricht
geholt und festgenommen. Unmittelbar zuvor sind ihre Eltern und ihre
20-jährige Schwester Edisa in der Ausländerbehörde ebenfalls festgenommen
worden. Die bosnische Familie muslimischen Glaubens soll nach zehnjährigem
Deutschland-Aufenthalt abgeschoben werden. Alle
Kinder verbringen die folgende Nacht im Abschiebegefängnis, bis am nächsten
Tag beim Haftprüfungstermin ihre Freilassung entschieden wird. Im Gefängnis
bleiben die schwer kriegstraumatisierte Mutter und der Vater. Erst
am 13. Januar 2005 kann mit anwaltlicher Hilfe erreicht werden, daß die
Eltern aus der Abschiebehaft entlassen werden. FRat Berlin 7. Dezember 04 Peine in Niedersachsen. Um 0.20
Uhr erscheinen Polizeibeamte in der St. Jakobi-Kirchengemeinde und halten Pastor
Niemann vor, daß er eine "kriminelle Handlung begehe und gegen den
Paragraphen 92a – Einschleusen von Ausländern – des Ausländergesetzes
verstoße." Herr Niemann verweist auf den Beschluß des Kirchenvorstands,
der besagt, daß der vietnamesischen Familie Le / Van seit gestern Kirchenasyl
gewährt wird. Um
1 Uhr nachts erscheinen die Beamten erneut, jetzt aber in größerer Anzahl –
die Streifenwagen sperren sogar die Straßenkreuzungen ab. Der
Kreis-Fachbereichsleiter für Umwelt, Bauen und Ordnung, Wolfgang Gemba, ist
persönlich vor Ort, läßt keine weiteren Diskussionen zu und ordnet die
gewaltsame Durchsetzung der Abschiebung an. Die
Eheleute Ngoc Thu Le und Manh Tu, ihre 14-jährige Tochter Thu Nga und der
10-jährige Minh Duc werden in den BGS-Bus geführt. Die vierjährige Hanh Duc
wird schlafend zum Bus getragen. Über den Flughafen Frankfurt am Main wird
die Familie um 12 Uhr im Rahmen einer Sammelabschiebung mit 20 weiteren
Flüchtlingen nach Hanoi ausgeflogen. Weil
der 10-jährige Minh Duc an einer "atypischen autistischen
Erkrankung" und akuter Klaustrophobie leidet, hatte bereits am 23. Juli
04 das Verwaltungsgericht Braunschweig auf der Grundlage amtsärztlicher
Stellungnahmen die Abschiebung wegen der Dauer des Fluges und der damit
verbundenen außergewöhnlichen psychischen Belastungen für das Kind untersagt.
Das
Oberverwaltungsgericht Lüneburg bescheidet schließlich die Zulässigkeit einer
Abschiebung unter folgenden Bedingungen: Die Abschiebung muß in Begleitung
eines Arztes oder einer Ärztin erfolgen unter Einrichtung einer
Patientenkabine, und der Flug muß Nonstop nach Hanoi gehen. Diese
Vorgaben werden bei der Abschiebung ignoriert. Es gibt einen längeren
Zwischenstop in Singapur, bevor die Familie weiter nach Hanoi fliegt. Die
Familie und auch der unter Platzangst leidende Minh Duc sitzen im
Passagierraum in normalen engen Sitzen, so daß der Junge Wutausbrüche
bekommt, sich übergeben muß und mehrere Male Nasenbluten bekommt. Die
begleitende Ärztin interveniert nicht. Im
Juni 2005 kann die 15-jährige Thu Nga Van in die BRD zurückkehren, nachdem
ihre leiblichen Eltern die Zustimmung zu einer Adoption ihrer Tochter durch
ein befreundetes Ehepaar aus Peine gegeben haben. Der "Runde Tisch Thu
Nga" unterstützt und finanziert das Mädchen und auch die Familie in
Hanoi. So kann der Besuch einer Privatschule für den behinderten Bruder Minh
Duc gewährleistet werden. Thu
Nga macht Abitur und studiert anschließend Englisch und Französisch in
Göttingen – sie will Lehrerin werden. Auch den Jahreswechsel ins Jahr 2012
muß die inzwischen 20-Jährige getrennt von ihren leiblichen Eltern und ihrem
Bruder verbringen. FRat NieSa Heft 104/105 Jan. 2005; PAZ 21.10.08; BrZ 25.10.08;
jW 19.11.08; epd Niedersachsen 14.12.11 7. Dezember 04 Tschiana Nguya stirbt sechs Stunden
nach der Geburt ihres Kindes, das nur eine Stunde lebte. Sie war am 26.
August 2004 schwanger und krank – zusammen mit dem zehnjährigen Josephat und
der zweijährigen Priscilla – aus Niedersachsen in den Kongo abgeschoben
worden. Die
kongolesische Familie Kisiwu / Nguya sollte bereits am 17. Februar 2004 über
Amsterdam abgeschoben werden (siehe dort). Diese Abschiebung wurde jedoch von
den niederländischen Behörden abgebrochen und die Familie in die BRD
zurückgeschickt. Aus Angst vor einem erneuten Abschiebungsversuch durch die
Ausländerbehörde in Hameln kehrte sie nicht in die ihnen zugewiesene Gemeinde
Emmerthal bei Hameln zurück und hoffte auf eine positive Entscheidung des
Niedersächsischen Landtags, bei dem ihre Rechtsanwältin umgehend eine Petition
einreichte. Da
es Frau Nguya gesundheitlich sehr schlecht ging – sie war wieder schwanger
und fand keinen Arzt, der sie ohne Krankenschein behandeln wollte –, fuhr sie
am 21. Juni nach Hameln, um einen entsprechenden Behandlungsschein zu
besorgen. Als die Ausländerbehörde in Hameln von der Rückkehr erfuhr, wurde
Frau Nguya mit den Kindern kurzerhand festgenommen und in die Abschiebehaft
nach Hannover-Langenhagen gebracht. Das Jugendamt Hannover brachte Josephat
und Priscilla an unbekanntem Ort unter; Angehörigen wurde der Kontakt zu den
Kindern verwehrt. Anfang
September erfolgte die Abschiebung von Frau Nguya mit den zwei Kindern; ihr
Ehemann Freddy Kisiwu und der inzwischen 15-jährige Sohn – er war beim ersten
Abschiebeversuch der Familie geflüchtet – blieben mit unbekanntem Aufenthalt
in Westeuropa. Nach
der Ankunft in Kinshasa wurde Frau Nguya sofort in Polizeihaft genommen. Über
die Dauer und die Bedingungen ihrer Inhaftierung liegen diverse
unterschiedliche Berichte vor. Ein evangelischer Pastor erklärte sich bereit,
die Kinder Josephat und Priscilla vorübergehend zu betreuen, und nahm
schließlich auch Frau Nguya auf, die inzwischen hochschwanger und sehr krank
war und daher vorübergehend entlassen wurde. Sie stirbt in der Polyklinik
Kimbaguiste – nach den Recherchen des TV-Polit-Magazins Monitor an einer
nicht behandelten Blutvergiftung, deren Ursache in verdorbenem Essen,
verschmutztem Wasser und fehlender medizinischer Versorgung vermutet wird. Im
Januar 2007 leben die beiden Kinder immer noch beim Pastor in Kinshasa,
obwohl dieser wiederholt darauf hingewiesen hat, daß er Josephat und
Priscilla nicht auf Dauer versorgen könne und daß der deutsche Staat dafür
Verantwortung trage. Die
Petition vom 8. März 2004 – mit Schreiben vom 29. September 2006 auf
Familienzusammenführung erweitert – wird nach mehrmaliger Nachfrage der
Rechtsanwältin schließlich Anfang Januar 2007 (!) vom Petitionsausschuß mit
dem Ergebnis beraten und beschieden, es werde kein Anlaß gesehen, den Fall
erneut aufzugreifen. Allerdings bittet der Ausschuß zugleich darum, daß die
Erteilung von Visa zum Zweck der Wiedereinreise und Familienzusammenführung
unter Berücksichtigung des besonders schweren Schicksals der Familie
wohlwollend geprüft werde. Ein
Beitrag der TV-Sendung Monitor hatte das Schicksal der Familie Nguya / Kisiwu
einer breiten Öffentlichkeit bekannt gemacht und eine Welle der Anteilnahme
und Spendenbereitschaft ausgelöst. Die Anwältin und die Berliner Tante der
Kinder bemühen sich um die Rückkehr. Nachdem
sich die Länder Niedersachsen und Berlin darauf geeinigt haben, die
Wiedereinreisesperre aufzuheben, mühsam eine Sorgerechtsentscheidung nach
kongolesischem Recht beschafft ist und die deutsche Botschaft die Visa
erteilt hat, kehren der inzwischen 13-jährige Josephat und seine 5-jährige Schwester Priscilla am
28. Mai 2007 in die Bundesrepublik zurück. Sie
leben heute bei ihrer Tante in Berlin. Der Vater und der inzwischen
17-jährige Bruder sind weiterhin in der Illegalität. (siehe auch: 17. Februar
04) Emmi
Gleim-Msemo – Rechtsanwältin; Antirassistische
Initiative Berlin; FRat
NieSa; Monitor 21.12.06 8. Dezember 04 Aalen in Baden-Württemberg. Als
sich um 2 Uhr morgens in der Ziegelstraße nach dem Klingeln an der Haustür der
togoischen Familie Douty nichts tut, schlagen die Polizeibeamten die Scheibe
der Glastür ein und verschaffen sich so Zugang. Der Familienvater Didier
Douty und die beiden sieben- und achtjährigen Kinder werden mitgenommen. Die
Mutter ist zu diesem Zeitpunkt nicht anwesend. Bereits
um 18.15 Uhr sitzt Didier Douty in einem Charter-Flugzeug, das in einer
landesübergreifenden Abschiebeaktion Flüchtlinge nach Kamerun, Nigeria und
Togo ausfliegt. Die Abgeschobenen werden laut
Presseerklärung des Regierungspräsidiums Stuttgart in zwei Kategorien
unterteilt: Sechs Personen seien "rechtskräfig verurteilte
Straftäter" und zwölf hätten durch "Täuschung oder aggressives
Verhalten eine Abschiebung verhindert". Die zweite Gruppe soll im Rahmen
einer Botschaftsvorführung die Identitätsfeststellung mit der Übergabe
politischer Schriften "sabotiert" haben. Hierzu wird Didier Douty
gerechnet, obwohl ihm eine direkte Beteiligung an dem Tumult in der Botschaft
nicht unterstellt wird. Didier
Douty kam vor 12 Jahren in die BRD und arbeitete von Beginn an in ein und
derselben Firma als Lagerverwalter. Aber auch die Bemühungen seines
Arbeitgebers schützen ihn nicht vor der Abschiebung nach Togo, wo ihm
politische Verfolgung droht. Weil
die Mutter bei der Abschiebung fehlte, werden die Kinder Oskar und Linda nach
Aalen zurückgeschickt und kommen in ein Kinderheim. Um eine Verhaftung und
anschließende Abschiebung zu vermeiden, ist Djaba Douty, die Mutter der
beiden Kinder, vorübergehend untergetaucht. Als
das Verwaltungsgericht Stuttgart Abschiebehinder-nisse feststellt, kann Djaba
Douty mit ihren Kindern wieder in ihre alte Wohnung zurückkehren. Seit
der Abschiebung gibt es kein Lebenszeichen von Didier Douty – er gilt als
verschollen. Eine
für den 18. November 2006 geplante Abschiebung von Djaba Douty und den
Kindern wird allein durch die couragierte Weigerung des Piloten einer
französischen Linienmaschine abgebrochen, so daß die Familie wieder zurück
nach Aalen kann. Die evangelische und die katholische Kirche, die LehrerInnen
der Kinder, Abgeordnete und eine große Zahl von Aalener Menschen setzen sich
inzwischen für ein Bleiberecht der
Familie ein. Sogar der Landrat und der Oberbürgermeister wenden sich
schriftlich an den Innenminister Rech. Schwäbische Post Aalen 9.12.04; AIZ August 2005; FRat BaWü 20.11.06; SchwZ 20.11.06; SchwZ 21.11.06; AN 21.11.06; Stadt Aalen 22.11.06; SchwZ 24.11.06 9. Dezember 04 Abschiebegefängnis Köpenick in
Berlin. Die 44 Jahre alte Rabija Radoncic, die sich seit dem 13. Oktober in
Abschiebehaft befindet, wird überraschend abgeholt und über Düsseldorf in den
Kosovo abgeschoben. Rabija Radoncic ist halbseitig gelähmt und leidet unter
Epilepsie und Herzrhythmusstörungen. Sie kann ohne Hilfe und ohne Medikamente
nicht leben. Vom Land Berlin, in dem sie seit elf Jahren lebt, hatte sie
einen Schwerbehindertenausweis, der ihre 80-prozentige Behinderung bestätigt.
Nur nach drängenden Bitten erklären sich Bedienstete des Düsseldorfer
Flughafens bereit, ihren in Berlin lebenden Bruder über ihre heimliche
Abschiebung zu informieren. Initiative gegen Abschiebehaft Berlin; Flüchtlingsrat Berlin 10. Dezember 04 Sunny Omwenyeke tritt eine
15-tägige Gefängnisstrafe in Bremen an. Sein Vergehen ist ein Verstoß gegen
die "Residenzpflicht". Der Menschenrechtsaktivist aus Nigeria und
Aktivist der Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und MigrantInnen war im
Jahre 2000 an den Vorbereitungen des Flüchtlingskongresses in Jena beteiligt.
Die erforderliche Erlaubnis, zu diesem Zwecke seinen Landkreis zu verlassen, hatte
ihm der Leiter der Ausländerbehörde Wolfsburg nicht erteilt. Auf dem Wege
nach Jena geriet Sunny Omwenyeke in eine Polizeikontrolle und erhielt eine
Geldbuße, die er mit dem Verweis auf Menschenrechtsverletzungen nicht
bezahlte: "Wir werden so lange vor Gericht gegen diese Strafen klagen,
bis die Residenzpflicht abgeschafft ist." Im
Jahre 2003 wird er vom Amtsgericht Bremen zu 15 Tagessätzen à 7,50 Euro
verurteilt. Rechtsmittel gegen das Urteil bis hinauf zum Bundesverfassungsgericht
blieben erfolglos. "Ich
kann unmöglich eine Strafe für ein solch diskriminierendes Gesetz bezahlen,
es ist mit meinen Prinzipien nicht vereinbar – ich gehe lieber aufrecht ins
Gefängnis, als mich zu beugen. Kein anderes sich demokratisch nennendes Land
auf der Welt hat ein solches Gesetz. Lediglich die Passgesetze aus Südafrika
zu Zeiten der Apartheid waren vergleichbar, aber die wurden glücklicherweise
abgeschafft." Zusammen
mit einem internationalen Team von AnwältInnen hat Sunny Omwenyeke eine Klage
gegen die BRD vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in
Straßburg eingereicht. taz Bremen13.12.04; FR
14.12.04; Karawane; The VOICE 16.12.04; FRat NieSa Heft
104/105 Januar 2005 13. Dezember 04 Im Berliner Bezirk Mitte bricht
im Flüchtlingsheim in der Chausseestraße 54 nachts im zweiten Obergeschoß des
Hinterhauses ein Feuer aus. Durch die starke Rauchentwicklung flüchten viele
BewohnerInnen auf die Straße. Eine Frau, ein Kind und ein Feuerwehrmann
erleiden Rauchvergiftungen. Die Feuerwehr vermutet als Ursache des Brandes
fahrlässige Brandstiftung. BeZ 14.12.04 16. Dezember 04 Ausländerbehörde Berlin. Nach
Mitteilung, daß die bis heute gültige Duldung nicht verlängert wird, sie
beide nun festgenommen sind und abgeschoben werden, bricht die 58 Jahre alte
Bosnierin M. H. auf dem Weg in die Abschiebehaft zusammen. Auch Ihr Mann O.
H. (62 Jahre alt) muß nach seinem Gerichtstermin im Abschiebegefängnis
medizinisch betreut werden. Frau
H. wird umgehend ins DRK-Krankenhaus Köpenick, dann ins psychiatrische
Krankenhaus Hedwigshöhe und schließlich ins Krankenhaus Neukölln gebracht
(Kriseninterventionszentrum). Wenig später erfolgt auch die Einlieferung
ihres Mannes ins Neuköllner Krankenhaus, wo sie beide zwei Wochen lang psychotherapeutisch
behandelt werden. Die
Eheleute waren vor 10 Jahren kriegsbedingt nach Berlin geflohen, und Frau H.
ist seit 1994 in psychotherapeutischer Behandlung – ihr Mann seit 1995. Seit
Jahren liegen der Ausländerbehörde Atteste von den verschiedenen behandelnden
Ärzten vor. Im Jahre 2003 wird in einer gutachterlichen Stellungnahme bei
Frau H. eine Posttraumatische Belastungsstörung von besonderer Schwere
beschrieben. Über
die Berliner Härtefallkommission wird im Mai 2005 erreicht, daß die Eheleute
in Berlin bleiben dürfen – allerdings nur unter der Voraussetzung, daß ihre
Kinder für ihren Lebensunterhalt aufkommen. BeZ 23.12.04; FRat Berlin; Steven Marc Jefferys – Rechtsanwalt 16. Dezember 04 Wangen in Baden-Württemberg. Als
der 20 Jahre alte Fatmir Krasniqi versucht, sich die Pulsadern
aufzuschneiden, kann ihn seine Schwester noch rechtzeitig davon abhalten.
Dies ist sein dritter Suizidversuch seit seiner Flucht aus dem Kosovo. Er
kommt – zum zweiten Mal in den letzten Monaten – zur stationären Behandlung
in das Zentrum für Psychiatrie Weißenau. Die
ethnischen Vertreibungen und Massaker gegen die albanische Bevölkerung 1999
im Kosovo hat er als Augenzeuge miterleben müssen, und diese Geschehnisse
haben ihn schwer traumatisiert. Er floh mit seinen Eltern und fünf
Geschwistern zunächst in die Niederlande, dann nach Schweden, Norwegen und
schließlich nach Deutschland. In allen Ländern beantragte er Asyl – in den
Niederlanden, Schweden und Deutschland wurde negativ entschieden. Die
Entscheidung über den Asylantrag in Norwegen ist zur Zeit (Februar 2006)
unbekannt. (siehe auch: Juli 04 und 18.
Januar 05) SchwZ 21.1.05; AK Asyl BaWü 9.3.05; AK für Asylbewerber Wangen; Petra Brennenstuhl-Haug – Rechtsanwältin 19. Dezember 04 Bundesland Schleswig-Holstein.
An der deutsch-skandinavischen Grenzübergangsstelle in Puttgarden auf der
Insel Fehmarn, kontrolliert der Bundesgrenzschutz morgens um 2.00 Uhr einen
Alfa Romeo, in dem sich neun Personen aus Serbien-Montenegro befinden. Der
32-jährige Fahrer hatte versucht, zwei Familien nach Dänemark zu bringen:
zwei Männer im Alter von 24 und 22 Jahren, zwei schwangere Frauen im Alter
von 22 und 20 Jahren und vier Kinder im Alter von 1, 2, 4 und 5 Jahren. Sie
sind alle abgelehnte AsylbewerberInnen aus Deutschland und zur Festnahme,
Ausweisung und Abschiebung durch die Ausländerbehörde Coesfeld in
Nordrhein-Westfalen ausgeschrieben. Während
der Kontrolle durch den Bundesgrenzschutz setzen bei der 22-jährigen Frau die
Wehen ein, so daß sie mit einem Krankenwagen ins Krankenhaus Oldenburg
eingeliefert werden muß. Der
Fahrer – selbst Asylbewerber in Belgien – wird in Haft genommen, die übrigen
Flüchtlinge werden aufgefordert, in ihren Landkreis zurückzukehren. BGS Flensburg 21. Dezember 04 Bundesland Hessen. Zwei Beamte
der Polizeidirektion Schwerin, die einen 27-jährigen syrischen Gefangenen zur
Abschiebung nach Frankfurt am Main bringen sollen, lenken den Wagen um 10.15
Uhr auf die Raststätte Reinhardshain, um eine Pause einzulegen. Dem Syrer
gelingt es trotz Handschellen einen Beamten zu schlagen und davon zu rennen. An
der jetzt ausgelösten Großfahndung beteiligen sich nicht nur örtliche Kräfte
mit Diensthunden, sondern auch die Bereitschaftspolizei und ein
Polizeihubschrauber. Nach
knapp zwei Stunden wird der Flüchtige von einem Spürhund in einer
Fichtenschonung entlang der Landstraße zwischen Beuern und Geilshausen völlig
durchgefroren – auf einem Baum sitzend – aufgefunden. Bei
der anschließenden Festnahme beißt ihn der Hund ins Bein, so daß er zunächst
mit dem Rettungswagen ins Licher Krankenhaus gebracht werden muß. Danach
kommt er in Polizeigewahrsam nach Gießen. Gegen
ihn soll jetzt ein beschleunigtes Verfahren wegen Körperverletzung und
Widerstand gegen die Beamten beim Amtsgericht eingeleitet werden. GA 22.12.04 21. Dezember 04 Bundesland Nordrhein-Westfalen.
In einer gut besetzten U-Bahn in Essen-Holsterhausen werden ein 20- und ein
22-jähriger Mann, beide aus Sierra Leone, von zwei deutschen Nazis
attackiert. Die Provokateure, sie haben drei Hunde dabei, setzen sich
zunächst neben die Afrikaner, beleidigen und beschimpfen sie. Dann steht
einer der Deutschen auf und schlägt einem Afrikaner mit der flachen Hand ins
Gesicht. Der Hund seines Kumpanen beißt einen der Angegriffenen in die Hand. Da
Fahrgäste inzwischen die Polizei verständigt haben, können die Täter an der
Haltestelle Hobeisenbrücke vorübergehend festgenommen werden. Die betrunkenen
Männer sind wegen Betrugs, Körperverletzungen und rechtsextremistischer
Aktivitäten polizeibekannt. Polizei Essen 22.12.04; NRZ 23.12.04 23. Dezember 04 Im Kreishaus der
nordrhein-westfälischen Stadt Minden übergießt sich um 13.40 Uhr ein Iraner
mit Benzin. Er hält ein Feuerzeug bereit und droht sich anzuzünden. Der 39-jährige
abgelehnte Asylbewerber protestiert gegen die Unterbringung in der Unterkunft
in Stemwede-Dielingen, denn er hatte eine Verlegung nach Köln erbeten, wo
seine Verwandten leben. In der einen Hand hält er ein Messer mit
einer ca. 15 cm langen Klinge, in der anderen eine Rasierklinge, mit der er
sich Verletzungen am Kopf zufügt. Erst um 14.25 Uhr gelingt es einem
Polizeikommissar, ihn zur Aufgabe zu bewegen. Mit
einem Rettungswagen kommt er zur medizinischen Behandlung ins Mindener
Klinikum. Nach der Versorgung seiner Wunden wird er in die Psychiatrie in
Lübbecke eingewiesen. Polizei Minden-Lübbecke 23.12.04; NW 24.12.04; MT 24.12.04; WB 24.12.04; FRat NRW 3.1.05 25. Dezember 04 Templin in Brandenburg. In den
frühen Morgenstunden werden ein 39 Jahre alter vietnamesischer Flüchtling und
ein 43-jähriger Deutscher auf der Straße aus einer Gruppe Jugendlicher heraus
angegriffen. Sie beleidigen den Vietnamesen, schlagen ihm mit einer
Bierflasche auf den Kopf, reißen ihn zu Boden und treten ihn mit Füßen. Seinem
deutschen Begleiter schlagen die Jugendlichen mehrfach ins Gesicht. Dann
jagen sie den Vietnamesen durch die Stadt. An dieser Hetzjagd beteiligen sich
bis zu 20 Menschen. Mit
einem Rippenbruch und Schürfwunden kommt der Vietnamese schließlich ins Krankenhaus.
Die
Polizei ermittelt in den folgenden zwei Wochen fünf mutmaßliche Täter, alle
im Alter zwischen 18 bis 22 Jahren, alle aus Templin – einige von ihnen
wurden bereits strafrechtlich verfolgt. Am
20. Februar 2006 werden vier der Täter vom Jugendschöffengericht des
Amtsgerichtes Prenzlau zu Freiheitsstrafen von zwei Jahren bis zu drei Jahren
und vier Monaten wegen gefährlicher Körperverletzung und Beleidigung
verurteilt. Der damals mißhandelte Vietnamese hat noch heute unter den Folgen
der Tat zu leiden. Drei
der verurteilten Täter legen Rechtsmittel ein, so daß der Prozeß fortgesetzt
werden wird. Opferperspektive; BM 28.12.04; taz 28.12.04; rbb-online 29.12.04; BM 30.12.04; Pfeffer & Salz; JWB 12.1.05; MAZ 21.2.06; BM 3.3.06; JWB 15.3.06 25. Dezember 04 Abschiebegefängnis Köpenick in
Berlin. Früh morgens schlägt ein 22-jähriger libanesischer Gefangener seinen
Kopf so heftig gegen die Zellenwand, daß eine große, stark blutende
Platzwunde entsteht. Er kommt umgehend ins DRK-Krankenhaus Köpenick, wird
aber im Laufe des folgenden Tages wieder in das Abschiebegefängnis
zurückgebracht. Dieses ist bereits die zweite Selbstverletzung, die er sich
zufügte. Pfarrer D. Ziebarth 27. Dezember 04 In der Nacht wird in einem
Spezialraum des Bremer Polizeipräsidiums bei dem 35 Jahre alten abgelehnten
Asylbewerber Laye-Alama Condé aus Sierra Leone durch einen Polizeiarzt eine
Brechmittelgabe vorgenommen. Unmittelbar während der Maßnahme fällt der Mann
ins Koma. Er kommt mit der wahrscheinlichen Diagnose "Hirntod" auf
die Intensiv-Station des Krankenhauses St.-Joseph-Stift. Am 6. Januar 2005
bestätigt das Bremer Institut für Rechtsmedizin den Tod des Flüchtlings. Bei
einer Drogenkontrolle im Steintorviertel war der Flüchtling um Mitternacht am
Sielwalleck von Zivilpolizisten festgenommen worden, weil er unter Verdacht
stand, Drogenkügelchen verschluckt zu haben. Zur Beweissicherung sollte durch
einen Arzt des ärztlichen Beweissicherungsdienstes im Polizeirevier Vahr ein
Brechmittel verabreicht werden. Dort wurde der sich heftig wehrende Mann
zunächst von den Beamten auf einer speziell dafür vorgesehenen Liege an Armen
und Beinen fixiert. Der Arzt legte eine Magensonde und pumpte mittels einer
Spritze Brechmittel und Wasser in den Magen. Als die medizinischen
Überwachungsgeräte für Blutdruck und Sauerstoffsättigung niedrige Werte
anzeigten, rief der Polizeiarzt einen Notarzt-Kollegen. Dieser schildert die
Situation bei seinem Eintreffen wie folgt: "Es befanden sich neben der
RTW-Besatzung (RTW=Rettungswagen, ARI) noch drei Personen im Raum: zwei
Polizeibeamte in schwarzen Lederjacken, bewaffnet, mit Plastikschürzen
bekleidet, und eine Zivilperson, hierbei handelte es sich um einen Arzt vom
medizinischen Beweissicherungsdienst, ebenfalls mit Plastikschürze. Alle
trugen Latexhandschuhe." Da
die vom Notdienst-Team mitgebrachten Ersatzgeräte normale Vitalfunktionen
anzeigten, wurde vermutet, daß die vorher niedrigen Meßwerte durch eine
Fehlfunktion der verwendeten Geräte entstanden sein könnten. "Der
Mann lag ohne sich zu äußern an den Füßen mit Kabelbindern gefesselt da. Die
linke Hand war mit einer Handschelle an der Untersuchungsliege fixiert. Der
Mann wirkte sehr erschöpft", erinnert sich der Notarzt, "der
Kollege versicherte, er habe da Erfahrung, dieses Klientel würde immer so tun
als seien sie bewußtlos, um ein Ende der Maßnahmen zu erreichen." Nach
dem Erbrechen des Flüchtlings wurde Laye-Alama Condé in eine aufrechte
Position gebracht, und der Polizeiarzt schob erneut die Magensonde und
applizierte mittels sehr großer Spritzen (100 bis 200 ml-Spritzen)
Leitungswasser. Er versuchte auch, durch Manipulation im Rachen mittels des
stumpfen Endes einer Pinzette, den Brechreiz bei Laye-Alama Condé auszulösen.
Dagegen wehrte sich Laye-Alama Condé durch Hin- und Herdrehen des Kopfes.
Dieser wurde ihm von einem Polizeibeamten festgehalten, während der andere
den linken Arm festhielt. Dieser Vorgang wurde mehrmals wiederholt. Nach
20 Minuten dieser Tortur atmete der Mann fast nicht mehr, so daß der Notarzt
einschritt. Der Sauerstoffsensor, der während der Prozedur zerbrochen war,
mußte von dem Notarzt-Team ersetzt werden und zeigte eine Sättigung von 30%
an. Das Anlegen der EKG-Elektroden gestaltete sich schwieriger, weil sie
aufgrund der großen Wassermengen, die Laye-Alama Condé erbrochen hatte,
einfach nicht mehr klebten. Das Gerät zeigte schließlich einen
lebensgefährlichen Sauerstoffmangel im Herzmuskel an. Eine Herzdruckmassage
wurde begonnen. Eine Beutelbeatmung konnte nicht durchgeführt werden, weil
"der Mund des Patienten voller Wasser" stand. Auch eine Intubation
gelang erst im dritten Versuch, weil "aus dem Ösophagus (Speiseröhre)
und der Trachea (Luftröhre) Unmengen an Wasser den Rachen immer wieder
füllten. Die mobile Absaugung war hier völlig überfordert, und eine
stationäre Absaugung gab es in dem Raum nicht. Darüber hinaus war die Lampe
des Laryngoskops (Rachenlampe, ARI) nicht einwandfrei funktionsfähig, es
mußte ein zweites aus dem NEF besorgt werden." Nachdem die Sauerstoffversorgung
wieder gewährleistet war, stabilisierte sich der Kreislauf von Laye-Alama
Condé umgehend. Der Notarzt legte eine Magensonde, über die noch einmal ein
bis zwei Liter Wasser abliefen. Während des Transportes ins Krankenhaus
füllte sich der Sekretbeutel der Magensonde noch einmal mit ca. 500 ml
Wasser. Allein
durch eine Strafanzeige des Notarztes, der in der letzten Phase der
Zwangsmaßnahme anwesend war, wird die Tötung des Flüchtlings öffentlich. Er
gibt an, daß dem Mann solche Mengen Wasser in den Magen gepumpt worden sei,
daß das Wasser dann über die Speiseröhre in die Luftröhre und die Lunge
eindrang und der Mann buchstäblich ertrank. Der
Bremer Innensenator Thomas Röwekamp (CDU) verteidigt sich unter der lauter
werdenden Kritik zu der Brechmittelvergabe und im Hinblick auf den – nicht
vorbestraften – und im Koma liegenden Laye-Alama Condé Anfang Januar mit der
Äußerung, daß "Schwerstkriminelle" nun mal "mit körperlichen
Nachteilen" rechnen müßten. Auch behauptet er wider besseren Wissens, daß
der Flüchtling bei der Maßnahme auf Drogenkügelchen gebissen und dadurch eine
Vergiftung erlitten hätte (".... das hat er sich selber
zuzuschreiben"). Erst am 8. Januar revidiert er diese Lüge und
beschließt, daß die Anordnung der Vergabe von Brechmitteln bis zur Aufklärung
dieses Falles ausgesetzt wird. Das
Ergebnis der Beweissicherungsmaßnahme, bei der Laye-Alama Condé getötet
wurde, ist der Fund von drei Kokain-Päckchen mit einem Schätzwert von je 20
Euro. Am
8. Januar wird bekannt, daß die Staatsanwaltschaft wegen eines
Anfangsverdachtes auf fahrlässige Körperverletzung gegen den Notarzt
ermittelt. Dieser ergebe sich "aus dem Gedächtnisprotokoll des Notarztes
sowie aus Zeugenaussagen." Zudem habe der Notarzt Dienstvorschriften
verletzt. In einem Bericht des Innensenators vor der Innendeputation heißt es
weiterhin, der Notarzt hätte den Vorfall unverzüglich an den Träger des
Einsatzes weiterleiten müssen – also an das Innenressort. Dieser Pflicht sei
er nicht nachgekommen. Eine
Strafanzeige gegen Innensenator Röwekamp wegen fahrlässiger Tötung,
Körperverletzung und Freiheitsberaubung, die 33 BürgerInnen erstattet haben,
wird im Mai 2005 von der Staatsanwaltschaft eingestellt. Begründungen: Die
Anordnung von Brechmitteleinsätzen sei durch die Strafprozeßordnung gedeckt;
für den Todesfall seien nicht der Senator, sondern allenfalls die Notärzte
verantwortlich, gegen die noch ermittelt werde – und die Todesursache stehe
bisher (!) noch nicht fest. Unter
Berufung auf verschiedene Gutachten bestätigt im November 2005 die
Staatsanwaltschaft die Diagnose des Notarztes "Ertrinken" als
Ursache des Todes von Laye-Alama Condé. Im
Mai 2006 erhebt die Staatsanwaltschaft Anklage gegen den verantwortlichen
Arzt Igor V. wegen fahrlässiger Tötung. Am
11. Juli 2006 entscheidet der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte
(EGMR), daß die zwangsweise Verabreichung von Brechmitteln gegen die
Europäische Menschenrechtskonvention verstößt. Die juristische Analyse
ergibt, daß das Abwarten auf das natürliche Ausscheiden der Beweismittel
(Kotabgang) der mildere Weg ist; die gewaltsame Einführung eines
Plastikschlauches und die Eingabe von Brechreiz erzeugenden Mitteln sei
dagegen eine "inhumane und erniedrigende Behandlung".
Nichtsdestotrotz bleibt die "freiwillige" Vergabe von Brechmitteln
weiterhin zulässig. Dieses
Urteil des EGMR beruht auf der Entscheidung im Falle "Jalloh gegen
Deutschland". Dem Kläger Abu Bakah Jalloh, dem im Jahre 1993 (!)
zwangsweise und mit brutalster Gewalt Brechmittel eingegeben wurden, mußte die
BRD 10.000 Euro Schmerzensgeld zahlen. Ebenfalls
10.000 Euro ist die Höhe des Schmerzensgeldes, das der Arzt der Mutter von
Laye-Alama Condé nach einer außergerichtlichen Einigung zu zahlen hat. Vier
Jahre nach der Tötung von Laye-Alama Condé, am 4. Dezember 2008, spricht das
Landgericht Bremen den verantwortlichen Gerichtsmediziner Igor V. nach 23
Verhandlungstagen vom Vorwurf der fahrlässigen Tötung frei. Der 44-Jährige
habe sich zwar "zahlreiche Unsicherheiten, Versäumnisse und Fehler"
zuschulden kommen lassen und objektiv Pflichten verletzt, doch sei ihm
subjektiv keine Schuld nachzuweisen, da er unerfahren und überfordert gewesen
sei. Dazu der Vize-Präsident der
Bundesärztekammer Frank Ulrich Montgomery vor der Presse: ein Urteil nach dem
Motto "Unwissenheit schützt vor Strafe" widerspreche seinem
Rechtsverständnis. Nachdem
Mutter und Bruder des Getöteten dieses Urteil mit einer Sachrüge angegriffen
haben, wird der Freispruch des Igor V. vom 5. Strafsenat des
Bundesgerichtshofes in Leipzig am 28. April 10 wieder aufgehoben und die
Sache zurück an eine Schwurgerichtskammer des Bremer Landgerichts gegeben,
weil jetzt auch eine Verurteilung des Angeklagten wegen vorsätzlicher
Körperverletzung mit Todesfolge denkbar sei. Der Richter des BGH spricht von
einem "menschenunwürdigen" Umgang mit dem Festgenommenen und von
"ebenfalls todesursächliche(n) Pflichtverletzungen Dritter" und
bezeichnet sowohl den Notarzt als auch beteiligte Beamte des
Beweismittelsicherungsdienstes als "bisher unbehelligte Nebentäter".
Ab
dem 8. März 2011 muß sich der Arzt Igor V. wegen Körperverletzung mit
Todesfolge erneut vor dem Landgericht Bremen verantworten. Am
14. Juni lautet das Urteil "Im Zweifel für den Angeklagten". Obwohl
die zehn Gutachter alle den Tod durch Ertränken für wahrscheinlich halten,
räumen sie medizinische Ungereimtheiten ein, die auch den Tod durch
Vorerkrankungen für möglich erscheinen lassen. Die
Mutter des Getöteten legt erneut Revision ein, und der Bundesgerichtshof
Leipzig verweist den Fall am 20. Juni 2012 ein zweites Mal zurück an die
Bremer Justiz, die jetzt ein drittes Mal entscheiden muß. Der
Vorsitzende Bundesrichter Basdorf findet deutliche Worte in Richtung Bremen:
"Die Feststellungen des Schwurgerichts ergeben für sich eindeutig einen
Sachverhalt, der einen Schuldspruch der Körperverletzung mit Todesfolge
rechtfertigt. In aller Eindeutigkeit." Zum
Auftakt des dritten Verfahrens vor einem Bremer Schwurgericht bricht der
angeklagte Arzt erstmals sein Schweigen. Er bedauere Condés Tod, der ihm sehr
nahe gegangen sei. Später macht er auch Aussagen zum Geschehenen, verstrickt
sich in Widersprüche und läßt schließlich offen, warum er nicht erkannt hat,
daß Laye-Alama Condé zunehmend in einen lebensbedrohlichen Zustand geriet. Im
September 2013 wird der ehemalige SPD-Bürgermeister und Justizsenator Henning
Scherf als Zeuge gehört und verteidigt mit seiner Aussage offensiv die
zwangsweise Vergabe von Brechmittelsirup. Dennoch: Der Tod Condés sei
"eine große Überraschung" gewesen, da es bisher gar keine
"Schwierigkeiten" gegeben habe. Er selbst hatte 1992 die rechtliche Grundlage für diese
Beweismittel-Beschaffungsmethode gekegt. Aufgrund
der von Gutachtern attestierten dauerhaften Verhandlungsunfähigkeit des
Angeklagten stimmen am 31. Oktober 13 alle Prozeßbeteiligten dem Vorschlag
der Schwurgerichtskammer zu, das Verfahren einzustellen. Der Angeklagte soll
20.000 Euro an die Mutter des Getöteten zahlen. Zudem stufen die Bremer
Richter – aufgrund der Aussagen des Angeklagten – den vom BGH festgelegten
Tatbestand der Körperverletzung mit Todesfolge zurück auf fahrlässige
Körperverletzung. Gedächtnisprotokoll des Notarztes; Polizei Bremen
4.1.05; ND 5.1.05; FRat HH 6.1.05; taz 6.1.05; taz 7.1.05; SäZ 7.1.05; taz 8.1.05; WK 8.1.05; taz 10.1.05; taz 11.1.05; taz Bremen14.1.05; WK 14.1.05; Freitag 14.1.05; taz Bremen15.1.05; taz 18.1.05; FR 30.5.05; WK
26.11.05; TS 10.5.06; FR 11.5.06; taz 11.5.06; taz 12.7.06; Pressestelle Hamburger Senat 1.8.06; CILIP 2/2008; jW 29.5.08; WK 12.6.08; FR 5.12.08; taz 5.12.08; HA 5.12.08; NWZ 9.12.08; taz 27.4.10; taz 29.4.10; WK 29.4.10; Welt 29.4.10; radio bremen 29.4.10; radio bremen 2.3.11; Bild 2.3.11; Welt 3.3.11; jW
9.3.11; HA 14.6.11; SD 14.6.11; WK 14.6.11; Ärzte Zeitung
14.6.11; Welt 15.6.11; FR 15.6.11; Dr. Helmut Pollähne 21.6.12; radio bremen 9.11.12; radio bremen 12.6.13; taz 17.9.13; radio bremen 18.9.13; radio bremen 1.11.13;
FR 2.11.13 27. Dezember 04 Abschiebegefängnis Köpenick in
Berlin. Abends um 22 Uhr verletzt sich ein 22 Jahre alter Gefangener mit
einem Teil seines Reißverschlusses an Brust und Bauch. Er kommt daraufhin in
den Isolationstrakt zur Überwachung. Polizei Berlin 28.12.04; BM 29.12.04 28. Dezember 04 Abschiebegefängnis Köpenick in
Berlin. Ein 22 Jahre alter lettischer Gefangener fügt sich mit einer
abgebrochenen Rasierklinge Schnittverletzungen zu und kommt nach der
medizinischen Versorgung der Wunden wieder zurück auf seine Etage. In
der folgenden Nacht um 3.15 Uhr versucht er dann, sich im Toilettenraum mit
einem Bettlaken zu erhängen. Ein Mitgefangener alarmiert Bewachungsbeamte,
die das Bettlaken durchschneiden und veranlassen, daß der Mann ins
Krankenhaus kommt. Nach medizinischer Behandlung erfolgt seine Verlegung ins
psychiatrische Krankenhaus Hedwigshöhe. Wegen
fehlender "Kooperationsbereitschaft" erfolgt von dort seine
Rückverlegung ins Abschiebegefängnis – und zwar jetzt in den Isolationstrakt.
Nach
16-tägiger Einzelhaft beschwert er sich schriftlich über die Isolationshaft
und droht an, sich aus Protest etwas anzutun. Einen Tag später, am 14. Januar
2005, versucht er sich beim Hofgang um 10.45 Uhr an einem Basketballkorb zu
erhängen. Mitgefangene heben seinen Körper an, um das Gewicht zu verringern.
Als er abgehängt wird, ist er kurzzeitig bewußtlos und wird zur Ärztin des
Polizeiärztlichen Dienstes getragen. Diese ordnet erneut und mit der
Begründung der Suizidalität weitere Isolationshaft an. Nach
insgesamt 21 Tagen (!) Einzelhaft wird der Mann in die Gemeinschaftszelle
zurückverlegt. Am 7. März 2005 wird er ohne weitere Begründung aus der
Abschiebehaft entlassen. Polizei Berlin 28.12.04; BM 29.12.04; Initiative gegen Abschiebehaft Berlin;
Jesuiten-Flüchtlingsdienst; JWB 12.1.05; Polizei Berlin 15.1.05; Gamma
infotelefon Leipzig 31.1.05 31. Dezember 04 Abschiebegefängnis Köpenick in
Berlin. Ein 17-jähriger palästinensischer Gefangener bringt sich in dieser
Nacht zum Neuen Jahr vielfache Schnittverletzungen am linken Oberarm und am
linken Unterschenkel bei. Nach einer Versorgung der Wunden im DRK-Krankenhaus
Köpenick kommt er ins Abschiebegefängnis zurück und wird für sechs Tage in
Isolationshaft genommen. Nach dem Motiv für die Selbstverletzungen befragt,
sagt er dem Gefängnispfarrer Herrn Ziebarth, daß er nicht mehr leben wolle,
weil es ihm seit Wochen sehr schlecht gehe und er es nicht mehr aushalte.
Zudem äußert er jetzt massive Ängste, von der Polizei getötet zu werden, was
Herr Ziebarth mit traumatischen Ereignissen in seiner Vergangenheit in
Zusammenhang bringt. Der
Palästinenser aus dem Libanon leidet seit vier Wochen unter unvermindert
starken Kopfschmerzen, die von den Kiefer- und Stirnhöhlen ausgehen. Zudem
quält ihn – ebenfalls seit Wochen – Erbrechen nach jeder Aufnahme von fester
Nahrung. Bei den drei Besuchen in der medizinischen Abteilung des
Gefängnisses war er einmal der Ärztin vorgeführt worden – untersucht wurde er
dabei nicht. Ihm wurde eine Tablette pro Tag verordnet, die allerdings
keinerlei Einfluß auf seine schweren Symptome hatte. Nachts schlief er nicht
mehr, er ging im Zimmer und im Gang herum und redete laut mit sich selbst.
Später konnte er sich daran nicht mehr erinnern. Erst
der Gefängnispfarrer hatte – unter Hinzuziehung der Rechtsanwältin und des
Gefängnisbeirats – einen Untersuchungstermin beim Polizeiärztlichen Dienst am
23. Dezember in Gegenwart eines Dolmetschers erreicht. Der Jugendliche
berichtete ihm, daß er über Nacht zum 24. Dezember im Erdgeschoß unter
Beobachtung geblieben war, daß ihm keine Diagnose mitgeteilt worden war und
daß die Tablettengabe unvermindert fortgeführt werden sollte. Seine
Kopfschmerzen blieben unerträglich, er bekam zusätzlich eitrigen
Nasenausfluß, und das Erbrochene wurde zunehmend blutiger. Mit
Hilfe der Rechtsanwältin gelang es dem Gefängnispfarrer, einen
Untersuchungstermin beim Psychiatrischen Dienst am 29. Dezember zu bekommen.
Hier wurde eine Migräne festgestellt. Als
der Jugendliche nach seinen Selbstverletzungen aus der Isolation heraus
zurück in den Zellentrakt verlegt wird, bietet sich dem Gefängnispfarrer
folgendes Bild: Medikamente bekommt der Jugendliche gar nicht mehr; er hat
weiterhin sofortiges Erbrechen nach jeder Nahrungsaufnahme und starke
Kopfschmerzen; Flüssigkeit nimmt er nur in kleinen Mengen und unter Zureden
zu sich; seine durchgebluteten und verkrusteten Verbände sind seit zwei Tagen
nicht gewechselt worden, und die Sanitäter lehnen auch ab, dies zu tun. Seine
von Mitgefangenen geliehene Kleidung konnte der Schwerkranke tagelang nicht
austauschen, weil die vom Pfarrer besorgte Ersatzkleidung nicht mehr
auffindbar war. Pfarrer D. Ziebarth Dezember 04 Obersulm-Willsbach in
Baden-Württemberg. Nach einer durchzechten Nacht begeben sich sechs deutsche
Männer zwischen 17 und 21 Jahren zum Flüchtlingsheim und greifen es mit
Pflastersteinen, einer Bierflasche, einem Fernsehgerät und einem
PC-Bildschirm an. Dann flüchten sie. Bei
der Gerichtsverhandlung im Oktober 2005 geben die Täter als Motiv
"Langeweile" an. Daß das von der Polizei zwischenzeitlich
ermittelte Motiv "Übungswerfen für Molotow-Cocktails" ebenfalls
zutreffen könnte, geht aus den Ergebnissen von Hausdurchsuchungen bei den
Angeklagten hervor, bei denen umfangreiches rechtsradikales
Propagandamaterial in Form von Flyern, Aufklebern, CDs, Computerspielen und
Reichskriegsflaggen gefunden wurde. Trotzdem gehen die Sachverständigen am
Ende des Prozesses nicht von Rechtsradikalismus als Auslöser der Tat aus. Gerichtsurteil:
Alle sechs Angeklagten verbringen ein Wochenende in einer
Jugendarrestanstalt. StZ 3.2.05; Infoladen Ludwigsburg 4.2.05; KAH 17.3.05; stimme.de 28.10.05 Im Jahre 2004 Bundesland Baden-Württemberg.
Der Kurde Sait Aslan wird kurz vor der Geburt seines dritten Kindes, der
Tochter Leyla, nach abgelehntem Asylantrag in die Türkei abgeschoben. Damit
ist er von seiner Frau Senel Aslan Eroglu und seinen zwei Söhnen, dem
5-jährigen Hüseyin und dem 7-jährigen Küres, getrennt. Nach
seiner Abschiebung erfolgt noch auf dem Flughafen seine Verhaftung. Er bleibt
18 Monate im Gefängnis in Gaziantep, und danach gelingt es ihm erst nach
mehrmaligen Versuchen, wieder in die Bundesrepublik zu kommen. Anfang
2010 stellt er dann in Tübingen einen Asylfolgeantrag. Seine Frau und die
drei Kinder haben zwischenzeitlich den Flüchtlingsstatus anerkannt bekommen.
Aber für Herrn Aslan erfolgt erneut die Festnahme und Abschiebehaft in der
JVA Mannheim. Sait
Aslan war das erste Mal im Jahre 2000 in die Bundesrepublik geflüchtet, weil
er durch seine Mitgliedschaft in der kurdischen Demokratie-Partei DHP immer
mehr unter Verfolgungsdruck geraten war. Er hatte auch Haft und Folter
erleben müssen. Jetzt
droht ihm erneut die Auslieferung an seine Verfolger. In buchstäblich letzter
Minute entscheidet das Verwaltungsgericht Karlsruhe in einem Eilverfahren,
daß ein weiteres Asylverfahren durchgeführt werden muß. Herr Aslan kommt
frei. Im
Juli 2011 fordert das Land Baden-Württemberg ihn auf, Abschiebekosten in Höhe von 8.235,92 Euro zu
bezahlen. Sollte er dazu nicht in der Lage sein, dann würde er seinen
Aufenthalt verwirken. In der Abrechnung fallen vor allem folgende Beträge
auf: Flugkosten 155 Euro, Abschiebehaft 5000 Euro, Begleitung durch die
Bundespolizei 2300 Euro – abzüglich der "Barmittel" in Höhe von
283,04 Euro, die Herrn Aslan vor der Abschiebung abgenommen wurden. Wegen
seines provisorischen Status unterliegt Herr Aslan einem Arbeitsverbot,
obwohl er schon mehrere Angebote auf Baustellen vorlegen konnte. Zudem hat er
sich wegen seiner Rückreise in die Bundesrepublik bei Fluchthelfern verschuldet,
so daß zur Zeit nur ein Spendenaufruf der Tübinger Erhardsgemeinde helfen
könnte. SchwT 22.4.10; FRat BaWü 26.4.10; SchwT 28.4.10; Bündnis gegen Abschiebehaft Rottenburg/Tübingen
27.4.10; SchwT 15.7.11 Im Jahre 2004 Frau S., eine Romni aus Serbien,
wird nach einer Herz-Operation aus einem Hamburger Krankenhaus herausgeholt
und zusammen mit ihrem Mann und zwei Söhnen nach 15-jährigem
Deutschland-Aufenthalt nach Serbien abgeschoben. Nach
der Abschiebung finden sie in der Nähe von Belgrad in einer Roma-Siedlung in
Krivac eine Unterkunft aus Holz, Pappe, Plastik und etwas Beton. Im
Sommer 2011 berichtet Frau S. deutschen BesucherInnen, daß sie unter
Bluthochdruck und Herzproblemen schwer leidet und große Angst vor einer
erneuten Operation hat, weil die Ärzte ihr eine Überlebenschance von 50 %
einräumen. Dokumentationsreise 2011 Im Jahre 2004 Bundesland Nordrhein-Westfalen.
In der Flüchtlingsunterkunft Bündener Straße in Löhne wird der 20 Jahre alte Kurde
Mehmet Demir von Neonazis überfallen und zusammengeschlagen. Er trägt eine
blutende Kopfwunde davon. NW 18.9.10 Im Jahre 2004 Bundesland Brandenburg. Der 29
Jahre alte Flüchtling Blaise Kamtchoum wird am Potsdamer
Johannes-Kepler-Platz von vier deutschen Jugendlichen zusammengeschlagen. Sie
kommentieren ihren Angriff mit den Worten "Das ist dafür, daß Du nicht
arbeiten willst, Neger!" Herr
Kamtchoum ist Biochemiker und Physiotherapeut und hatte vor seiner Flucht
einen Lehrauftrag an einer Universität in Kamerun. Aus Angst zeigt er den
Überfall nicht an. TS 8.2.07 Im Jahre 2004 Einem kurdischen Ehepaar, das
mit seinen Kindern seit Jahren in Hessen lebt, droht die Abschiebung in die
Türkei. Sowohl der Vater, die Mutter wie auch einige Kinder sind sowohl durch
Verfolgung und Mißhandlung in der Türkei als auch durch die ständige
Abschiebeandrohung der deutschen Behörden schwer traumatisiert. Die Eltern
haben beide bereits mehrmals versucht, sich zu töten. Antirassistische Initiative Berlin Im Jahre 2004 Im Zusammenhang mit dem Tod von
Laye-Alama Condé (27.12.04) wird bekannt, daß in den vergangenen 12 Jahren in
Bremen an die 1000 Brechmitteleinsätze gegen mutmaßliche Kleindealer
durchgeführt wurden. taz 11.1.05 Im Jahre 2004 Bei einer Routinekontrolle des
Bundesgrenzschutzes morgens um 6.30 Uhr am Grenzübergang Pomellen im
Uecker-Randow-Kreis in Mecklenburg-Vorpommern entdecken die Beamten
ukrainische Flüchtlinge in einem litauischen Sattelschlepper. Die sieben
Männer und fünf Frauen, die sich hinter einer ungesicherten Ladung Holz
zwischen Schnee und Eis befinden, sind völlig unterkühlt. Bei Temperaturen um
den Gefrierpunkt hatten die Menschen bereits Stunden auf dem Sattelauflieger
ausgeharrt. Ein älterer Mann trägt lediglich eine Strickjacke. "Die
geladenen Kanthölzer hätten während der Fahrt jederzeit verrutschen können,
weil sie nicht befestigt waren," so ein BGS-Sprecher. Eine Vollbremsung
des Sattelschleppers wäre der sichere Tod der Menschen gewesen. SVZ 14.12.04 Im Jahre 2004 Neun Personen werden infolge
ihres nicht erlaubten Grenzübertrittes "durch von Schleusern verursachte
Verkehrsunfälle" verletzt. Infolge
der Anwendung unmittelbaren Zwanges durch die Bundespolizei erlitten zwei
Personen Verletzungen. BT-Drucksache 16/9 Im Jahre 2004 Bundesland Schleswig-Holstein.
In der Jugendstrafanstalt Neumünster befanden sich 12 Jugendliche (zwischen
16 und 18 Jahren) bei einer mittleren Haftdauer von 40,5 Tagen in
Abschiebehaft. Zum Jahreswechsel sitzen hier noch drei Jugendliche mit
Haftdauern zwischen 28 und 87 Tagen. Landesbeirat – Jahresbericht 2004 Im Jahre 2004 Bundesland Schleswig-Holstein.
Im Abschiebegefängnis Rendsburg haben sich drei Gefangene selbst verletzt. Landesbeirat – Jahresbericht 2004
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