Grenzdurchgangslager Bramsche-Hesepe neu genutzt:
Modellprojekt Abschiebelager bzw. "Ausreiseeinrichtung" (2001)
Seit November 2000 wird das ehemalige Grenzdurchgangslager in einem
Modellprojekt als "Ausreiseeinrichtung" für AsylbewerberInnen genutzt.
In der Wohnanlage, in der auch SpätaussiedlerInnen und jüdische
EmigrantInnen kurzfristig untergebracht werden, sind 200 Plätze für
Asylsuchende, die abgeschoben werden sollen, eingerichtet. Die Flüchtlinge
werden von der "Zentralen Anlaufstelle für Asylbewerber" in Blankenburg/Oldenburg
nach Bramsche überwiesen. Bei vielen BewohnerInnen ist das Asylverfahren
noch nicht einmal abgeschlossen, geschweige denn abgelehnt – andere haben
gerade ihre Erstanhörung hinter sich.
Sie werden bei ihrer Ankunft im Lager kaum über ihre Situation
informiert. Sie kommen mit der Hoffnung hierher, daß die Unterbringung
im Lager nur vorübergehend ist. Doch ihnen wird schnell deutlich,
daß es von hier aus nur noch die Abschiebung für sie gibt.
Sie stehen unter enormem behördlichen Druck: So scheint es
gängige Praxis zu sein, daß sie nach ca. drei Wochen Aufenthalt
im Lager aufgefordert werden, ein Papier zu unterschreiben, mit dem sie
freiwillig ihren Asylantrag zurückziehen. Tun sie das nicht, wird
ihnen offen mit Abschiebung gedroht.
Lebensbedingungen im Lager
Das Lager liegt sieben Kilometer, in einsamer Landschaft, von dem
Ort Bramsche entfernt. Es ist mit Stacheldraht eingezäunt. Fünf
bis sechs Personen müssen sich ein Zimmer teilen. Die Flüchtlinge
bekommen einen Lagerausweis, den sie beim Betreten des Lagers vorzuzeigen
haben. Ab 20 Uhr ist das Lagertor geschlossen. BesucherInnen müssen
sich beim Pförtner unter Abgabe des Personalausweises anmelden. Name
und Uhrzeiten werden sowohl beim Betreten als auch beim Besuchsende notiert.
Ab 21 Uhr ist kein Besuch mehr erlaubt.
Es ist den Flüchtlingen nicht gestattet, eigenes Essen zuzubereiten;
sie werden über die Lagerkantine versorgt. Ausnahmen gibt es nicht,
auch nicht für schwangere Frauen.
Zweiwöchentlich erhalten die Flüchtlinge knapp 19 Euro
Bargeld. Davon mussen sie unter anderem Hygieneartikel, Telefonate, Rechtsbeistände
und Busfahrten bezahlen. Allein die Busfahrt zum nächstem Geschäft
kostet 1.50 Euro.
Im Lager gibt es keine ÜbersetzerInnen. Diese müssen angefordert
werden, und die Flüchtlinge tragen die Kosten von 40 Euro die Stunde.
In der Regel hat kein Flüchtling dafür das Geld.
Die medizinische Versorgung im Lager ist schlecht; es gibt nur eine
Krankenschwester. Ein Arzt kommt ein- bis zweimal die Woche. Fachärzte
gibt es in Bramsche – um den Transport und die Übersetzungen müssen
sich die Kranken und deren Angehörige selber kümmern.
Rechtsberatung gibt es im Lager nicht.
Psychosoziale Beratung ist vorgesehen, kann aber mangels kaum vorhandener
Fremdsprachenkenntnisse der BeraterInnen nur unzureichend durchgeführt
werden.
Rassismus der Bevölkerung / Polizei
Ständig sind die Flüchtlinge sogenannten verdachtsunabhängigen
Kontrollen ausgesetzt. So werden im Sommer 2001 einige Flüchtlinge,
die mit Fahrrädern auf dem Weg zur gemeinnützigen Arbeit sind,
wegen des Verdachtes, die Fahrräder gestohlen zu haben, von der Polizei
angehalten.
Im Dezember 2001 fordert ein Busfahrer der Linie Bramsche - Bersenbrück
einen afrikanischen Flüchtling auf, sich vorne, neben ihn hinzusetzen,
damit er die anderen Fahrgäste nicht "störe". Als der Flüchtling
sich weigert, der Aufforderung nachzukommen, ruft der Busfahrer die Polizei.
Die eintreffenden Beamten ziehen sich Handschuhe an, zerren dann den Afrikaner
aus dem Bus und nehmen ihn mit zur Polizeistation. Nachdem seine Personalien
überprüft sind, darf er gehen. Er muß jetzt die sieben
Kilometer ins Lager zurück zu Fuß zurücklegen.
Abschiebungen
Abschiebungen finden frühmorgens ohne vorherige Ankündigung
statt. Polizeibeamte umstellen die Häuser und stürmen dann die
Zimmer. Die Flüchtlinge werden in einen Transporter mit abgedunkelten
Fenstern gezerrt und zum Flughafen transportiert. Die dauernde Angst vor
der Abschiebung führt dazu, daß manche Flüchtlinge immer
um 4 Uhr früh aufstehen und die Häuser verlassen.
Das politische Ziel
Der Leiter des Referats für Ausländer und Asylrecht des
niedersächsischen Innenministeriums, Herr Gutzmer, bezeichnet das
Lager als Ausreiseeinrichtung nach dem neuen Zuwanderungsgesetz. Auf die
Frage nach dem Ziel der Einrichtung Bramsche antwortet er: "Es macht keinen
Sinn, bei diesen Personen durch eine Verteilung auf die Gemeinden Hoffnung
auf einen Verbleib im Lande zu wecken. Ihnen muß vielmehr von vorneherein
deutlich gemacht werden, daß sie keine Perspektive für einen
Aufenthalt in Deutschland haben, um auf diese Weise die Bereitschaft zu
stärken, das Land freiwillig zu verlassen."
Osnabrücker
Bündnis gegen Abschiebungen, Dezember 2001