Das Ethnologische Museum ist ein Ort, an dem koloniale Kontinuitäten besonders deutlich sichtbar werden. Viele Ausstellungsstücke wurden in der Zeit des Kolonialismus geraubt oder in ausbeuterischen Handelsbeziehungen erworben. Im Museum fehlen jedoch weitgehend Hinweise auf die Herkunft der Sammlungen.
Ethnologisches Ausstellen findet aus einer europäischen Perspektive heraus statt und hat daher mehr mit europäischen Vorstellungen zu tun als mit den dargestellten Gesellschaften selbst. Durch die Ausstellungsstücke und die Art ihrer Präsentation werden koloniale und rassistische Bilderwelten der weißen Besucher_innen aktiviert und erneut bestätigt.
Im Jahr 2005 wurde die alte Afrika-Ausstellung geschlossen und eine neue Ausstellung mit dem Titel „Kunst aus Afrika“ eröffnet. Diese ist weniger ethnologisch, dafür mehr kunsthistorisch ausgerichtet. Die Kurator_innen versuchen, mit drei „Vorurteilen“ über afrikanische Kunst zu brechen: der Begriff der „primitiven Kunst“ wird verworfen, die verallgemeinernde Betrachtung der Kunst des gesamten afrikanischen Kontinents kritisiert und die Geschichtlichkeit der afrikanischen Kunst anerkannt.
Doch leider ist es nicht damit getan, diese rassistischen Vorstellungen als „überholt“ darzustellen. Vielmehr geht es darum, anzuerkennen, dass diese immer noch die Gedankenwelt der meisten weißen Deutschen prägen. Nach wie vor fehlen Hinweise auf die koloniale Herkunft der Gegenstände. In der neuen Ausstellung werden koloniale Machtverhältnisse sogar noch verschleiert, indem häufig Formulierungen wie „Handelsbeziehungen“ verwendet werden. Auch der europäische Blickwinkel bleibt bestehen, ohne in der Ausstellung als solcher benannt zu werden. Wieder wird aus europäischer Perspektive heraus definiert, was Kunst ist, und dieser Kunstbegriff schlichtweg auf Afrika übertragen. In ganz Berlin wurde mit dem Slogan „Nur 15 Minuten nach Afrika“ für die neue Ausstellung geworben. Auch darin drückt sich die weiße Machtphantasie aus, Afrika vollständig repräsentieren zu können.
Mit unserer antikolonialen Gegenausstellung versuchen wir, die deutsche Ethnologie, das Ethnologische Museum und seine Sammlungen in ihren historischen Kontext einzubetten. Wir beschäftigen uns mit der Rolle der Ethnologie bzw. des ethnologischen Ausstellens im deutschen Kolonialismus. Doch auch das Fortwirken des Kolonialismus bis heute, der koloniale Blick, mit dem weiße Besucher_innen die Ausstellungen betrachten, ist Thema unserer Gegenausstellung. Neben einer Reihe von Ausstellungstafeln gibt es Hörstationen mit Collagen, die auf Interviews mit Besucher_innen basieren. Sie sollen die Zuhörer_innen auch zu einer Auseinandersetzung mit Rassismus und ihrer eigenen (weißen) Position anregen.
Was wollen wir damit erreichen? Eine unserer Forderungen ist es, die Rückgabe der geraubten Ausstellungsstücke möglich zu machen. Wir betrachten es als die Aufgabe des Museums, die genaue Herkunft der Artefakte zu rekonstruieren und herauszufinden, ob jemand Anspruch auf die Rückgabe hat bzw. geltend macht. Aber das reicht bei weitem nicht aus. Mindestens ebenso wichtig ist die Beschäftigung mit dem Fortwirken des Kolonialismus bis heute. Daraus leitet sich eine weitere Forderung ab: die Umgestaltung des Ethnologischen Museums in ein Museum, das sich mit der kolonialen Geschichte der Sammlungen und der Tradition ethnologischen Ausstellens befasst.
AG (...)
Wir sind eine Arbeitsgruppe der Antirassistischen Initiative Berlin e.V. Die ARI hat sich in der Vergangenheit stark auf den Rassismus der staatlichen Institutionen konzentriert, z.B. die rigide Abschiebepolitik. Unsere AG ist aus dem Wunsch heraus entstanden, mehr den alltäglichen Rassismus in der deutschen Gesellschaft, der seine Wurzeln u. a. im deutschen Kolonialismus hat, zu thematisieren und uns als mehrheitlich weiße Gruppe mit unserer eigenen Verstrickung in rassistische Hierarchien auseinander zu setzen. Uns ist es aber ebenso wichtig, nicht bei der Beschäftigung mit uns selbst stehen zu bleiben, sondern in die Gesellschaft einzugreifen.