Wenn Menschen aus ihrem Land fliehen
müssen, dann fliehen sie vor Krieg, vor Verfolgung, vor Not und Hunger.
Sie sind nicht freiwillig hier, sie mußten ihr Dorf, ihre Stadt,
ihre Wohnung oder ihr Haus zurücklassen. Oft wurden die Familien getrennt
- und es ist oft schwierig, den Kontakt zueinander wiederzufinden. Sie
suchen hier Schutz und Sicherheit, und die Möglichkeit sich von dem
Horror der Verfolgung oder der Flucht zu erholen und zur Ruhe zu kommen
und dann mit neuer Kraft das Leben zu organisieren.
Nun haben sich die deutschen Politiker
Gesetze erdacht, die einzig und allein dazu dienen sollen, diese Menschen
wieder loszuwerden.
Loszuwerden auf dem Wege, daß die
Bedingungen unter denen sie hier leben müssen, so schlecht gemacht
werden und so erniedrigend sind, daß die Flüchtlinge es hier
nicht mehr aushalten und dann von sich aus gehen. Die Rechnung dieser zynischen
Überlegung der deutschen Politik geht allerdings nicht auf, denn die
meisten Flüchtlinge können gar nicht zurück in ihr Herkunftsland.
Dieses Gesetz heißt: Asylbewerberleistungsgesetz.
Ab 1. 9. 98 werden auf der Grundlage dieses Gesetzes Flüchtlinge kurzum
zu Wirtschaftsflüchtlingen gemacht, daß heißt, ihnen wird
unterstellt, daß sie nur in die BRD eingereist sind, um hier Sozialhilfe
zu kassieren. Gleichzeitig gibt es ein Arbeitsverbot für die meisten
Flüchtlinge, so daß sie ob sie wollen oder nicht, finanzielle
Unterstützung vom Staat beantragen müssen, weil sie ja - wie
gesagt - nicht arbeiten dürfen.
Dazu wird das wenige Taschengeld von 80
DM monatlich oft gekürzt - oft ganz gestrichen.
Damit nicht genug:
Die von diesem Gesetz betroffenen Flüchtlinge
sind gezwungen, in Massenunterkünften unter schlechtesten Bedingungen
zu leben. Zusammengepfercht in engen Räumen - die sanitären Anlagen
stinken zum Himmel. Wir reden hier von Heimen des Deutschen Roten Kreuzes,
z.B. vom Heim in der Streitstraße hier in Spandau oder von Heimen
in der Buchholzer oder Blankenburger Straße in Pankow.
Die Heime gehören dem DRK, dem Wohlfahrtsverband,
der gerade auf großen Werbeplakaten mit dem Slogan "Abenteuer Menschlichkeit"
um neue Spendengelder wirbt.
Und es gibt in diesen Heimen die Voll-
Verpflegung - obwohl das Wort auch schon nicht stimmt.
Das Essen ist zu wenig, zu schlecht, zu
eintönig - und das Schlimmste am Essen ist die Tatsache, daß
Du es essen mußt. Wenn Du es nicht verträgst oder nicht magst,
dann mußt Du eben hungern. Für alle BewohnerInnen - also die
Säuglinge ausgenommen - gibt es das Gleiche zu essen. Auf kranke Menschen,
die z.B. Diät essen müssten, wie Zuckerkranke, Magenkranke, wird
keine Rücksicht genommen. Und es gibt Kinder, die das Essen nicht
mögen oder nicht vertragen, die schon mehrere Kilo an Gewicht verloren.
Und es gibt kein Ausweichen. Denn die
Menschen haben ja kein Bargeld. Das heißt, einfach in den nächsten
Laden gehen, kurz einkaufen, und dann selber kochen - das ist nicht vorgesehen
und auch nicht beabsichtigt, denn die Situation hier soll die Menschen
ja zermürben, damit sie schnell wieder gehen.
Direkt gefährlich wird die Situation,
wenn jemand krank wird. Das Gesetz, das AsylbLG, sieht vor, daß nur
die Menschen medizinisch versorgt werden dürfen, die akut erkrankt
sind oder die an großen Schmerzen leiden. Und ob die Kranken dann
ärztlich versorgt werden, das entscheidet dann eine Sachbearbeiterin
oder ein Sachbearbeiter des Sozialamtes, denn die geben die Krankenscheine
aus. Das heißt, Menschen, die keine Ahnung von Medizin haben, entscheiden,
ob Flüchtlinge medizinisch behandelt werden oder auch nicht. Und oft
entscheiden sie gegen die Ausgabe eines Krankenscheines.
Eine entwürdigende und erniedrigende
Situation für Flüchtlinge in dieser Stadt:
Verwahrung und Unterbringung in den miesten
Massenunterkünften,
Ernährung gegen den eigenen Willen
wie in einem Pflegeheim,
Medizinische Versorgung nur wenn es das
Sozialamt erlaubt.
Schikane und Bedrohung auf den Ämtern
und Behörden und
Kriminalisierung der Menschen, die sich
dagegen wehren..
Wer sich in den Heimen beschwert, fliegt
raus;
wer sich auf dem Sozialamt beschwert,
bekommt Hausverbot und unter Umständen noch eine Anzeige wegen Hausfriedensbruchs;
wer ohne Fahrschein mit der BVG fährt,
bekommt eine Anzeige,
wer sich eine Arbeit sucht, ohne eine
Arbeitserlaubnis zu haben, wird wegen Schwarzarbeit verfolgt.
Wir fordern:
Die Flüchtlinge fordern:
- Abschaffung der Fremdverpflegung
!
- Sofortige Auszahlung der Sozialhilfe
in bar !
- Uneingeschränkter Zugang zu
medizinischer Versorgung !
- Freie Wahl der Unterkunft !
- Kein Aushungern und kein Entzug der
Unterkunft von
Flüchtlingen, um die Rückkehr
zu ezwingen !
- Abschaffung des Arbeitsverbotes !
- Weg mit dem Asylbewerberleistungsgesetz
!
Wir sind Menschen
und wir wollen wie Menschen
behandelt werden !
Wir sind nicht freiwillig hier,
sondern zur Flucht gezwungen !
Redebeitrag der Kundgebung und Demonstration
vom Spandauer Sozialamt zum Spandauer Rathaus am 9.9.99
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