Berlin, 07.09.1999
Pressemitteilung
Wir sind Menschen
und wir wollen wie Menschen
behandelt werden !
Flüchtlinge wehren sich:
Kundgebungen gegen menschenverachtende
Behandlung
Am Donnerstag, dem 9.9.99, um 11 Uhr werden
eine Protestkundgebung von Flüchtlingen vor dem Sozialamt Spandau
Flankenschanze 46 und nach einer kurzen Demonstration durch die Moritzstraße
in die Carl-Schurz-Straße eine zweite Kundgebung am Rathaus Spandau
stattfinden.
Das Sozialamt Spandau ist das Amt, das
federführend und stellvertretend für andere Bezirke, Verträge
mit demn Betreibern von Flüchtlingswohnheimen DRK Berlinund AWO ausgehandelt
hat, in denen die Unterbringung auf niedrigstem Niveau mit Fremdverpflegung
statt Selbstversorgung festgeschrieben ist. Von 2317 Bezirkensämtern
haben sich diesen Verträgen bislang 1611 Sozialämter angeschlossen
(Ausnahmen: Kreuzberg, Charlottenburg, Wilmersdorf, Treptow, Lichtenberg,
Marzahn, Hellersdorf).
Immer mehr Menschen in Berlin sind von
einer Politik betroffen, die darauf abzielt, Flüchtlinge durch Schikanen
zur Ausreise zu bewegen. Teil dieser Politik ist die Umstellung von bisher
mindestens fünf Berliner Flüchtlingsheimen von Selbstversorgung
auf Fremdverpflegung. Eine "Versorgung", die den Bedürfnissen der
Betroffenen, insbesondere Kindern und Kranken, in keiner Weise gerecht
wird. Abgesehen von der Qualität des Essens bedeutet die Fertigverpflegung
eine Entmündigung und Isolierung der Flüchtlinge, die nicht mehr
selbst einkaufen und kochen können. Sie bedeutet auch eine starke
psychische Belastung für die vielfach durch Krieg, Flucht und Heimunterbringung
traumatisierten Menschen.
Heimbetreiber wie das DRK-Berlin erhalten
für die Vollverpflegung mit 13,50 DM/Person/Tag fast das Doppelte
von dem Betrag, den die Flüchtlinge vorher zur Selbstversorgung in
bar erhalten haben. Hinzu kommen 21,50 DM für die Unterkunft. Insgesamt
erhält das DRK 35.- DM/Person/Tag bzw. 1050.-/Monat. Für eine
Familie mit 3 Kindern sind das 5250.- DM/Monat für ein Zimmer beim
DRK. Die Übernahme der Miete für eine Zweizimmerwohnung (ca.
1.200.- incl. Nebenkosten) und die Auszahlung des Sozialhilfeanteils für
Ernährung in bar (ca. 1000.- DM) wird von den Sozialämtern unter
Verweis auf das "Sachleistungspinzip" verweigert. Mehrkosten der Abschreckung
von Flüchtlingen durch das Sachleistungsprinzip beim DRK: 3000.- DM/Monat
für eine Familie!
Menschen, die in diesen Heimen leben,
sind darüber hinaus immer häufigerhäufig von Kürzung
oder Streichung des als einzigen Barbetrag verbleibenden monatlichen Taschengelds
(80 DM), von der Verweigerung dervon Beihilfen für Kleidung und der
Verweigerung notwendigervon Krankenscheinen betroffen. Den Flüchtlingen
wird durch die "Voll"verpflegung und die Taschengeldstreichung jegliches
Bargeld entzogen. Sie erhalten auch keine Fahrkarten und werdensind zum
Fahren ohne Fahrschein genötigtzwungen - auch bei den notwendigen
Ämterbesuchen. Auf diese Art werden mit Hilfe des DRK Berlin, das
drei dieser Heime unterhält, Substandards für dieeine men
schenunwürdige Behandlung von Flüchtlingen
etabliert.
In den letzten WochenAllerdings kommtgibt
es zu noch weitergehenden Maßnahmen: Verbunden mit der Aufforderung
zur "freiwilligen Ausreise" werden mehr und mehr Flüchtlingen werden
sogar sämtliche Leistungen, selbst Essen ,und Unterkunft und medizinische
Grundversorgung, vollständig verweigertentzogen. S, sie werden von
den Sozialämtern unter Mißachtung des verfassungsrechtlich geschützten
Menschenwürdegebots, des Sozialstaatsprinzips, des Rechts auf körperliche
Unversehrtheit und des Polizeirechts ohne ärztliche Hilfe gelassen,
ausgehungert und obdachlos ausgesetzt !
Den Flüchtlingen wird zur Begründung
dieser Leistungseinschränkungen unterstellt, nur aus wirtschaftlichen
Gründen nach Deutschland gekommen zu sein - eine Behauptung, deren
Absurdität gerade bei der größten betroffenen Gruppe, AlbanerInnen
aus dem Kosovo, auf der Hand liegt, denn sie sind vor Krieg und Verfolgung
geflohen. Offensichtlich sind Flüchtlinge hier nur auf den Fernsehschirmen
erwünscht, um ihre Schicksale als Rechtfertigung für Kriegszwecke
zu nutzen.
Dieer Protest der BewohnerInnen der drei
DRK-Heime prichtete rotestierten sich zunächst gegen das DRK unter
anderem mit einer Straßenblockade, Essensverweigerung und einem Besuch
in der DRK-Zentrale. Die DRK-Leitung machte daraufhin Zusicherungen, die
allerdings bisher nicht umgesetzt wurden. Das DRK reagierte darauf einerseits
mit Gesprächsangeboten, andererseits mit Repressalien gegen Flüchtlinge
und Hausverboten gegen UnterstützerInnen. Im AWO-HeimIn der Wupperstraße
in Zehlendorf (AWO) traten ca. 60 Flüchtlinge in einen 7 tägigen
7-tägigen Hungerstreik.
Am 13. 8. fand eine Kundgebung vor der
Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales statt. Sozialsenatorin
Hübner signalisierte Gesprächsbereitschaft, betonte aber gleichzeitig,
an ihrer bisherigen Linie der Durchsetzung des Sachleistungsprinzips festhalten
zu wollen.
Unter dem Motto "Wir sind Menschen und
wir wollen wie Menschen behandelt werden" demonstrierten 200 Flüchtlinge
und UnterstützerInnen am 13.8. vor der Senatsverwaltung für Gesundheit
und Soziales gegen "Voll"verpfle-gung und Leistungsstreichungenund Herr
Dr. Klaus Schütz, ehemals regierender Bürgermeister und jetziger
Präsident des DRK BerlinDeutschen Roten Kreuzes, schrieb Ende Augustäußert
sich - entgegen der derzeitigen Praxis des DRK - gegenüber andem den
Flüchtlingsrat: "Mein Bestreben ist es, gemeinsam mit Ihnen einen
Weg zu finden, um zur Bargeldleistung zurückzufinden."
Am Donnerstag werden Flüchtlinge
und UnterstützerInnen auf ein Gespräch mit der Leitung des Sozialamts
Spandau dringen, um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen.n
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Kundgebungen
Ort: Sozialamt Spandau - Flankenschanze
46 (U-Bahn: "Rathaus Spandau") danach
Demonstration
durch die Moritzstraße in die Carl-Schurz-Straße
zum Rathaus Spandau
Wir sind Menschen
und wir wollen wie Menschen
behandelt werden !
Wir wollen unsere Kinder
als Kinder behandeln können!
- Bargeld für alle ! Gleiche Sozialhilfe
wie für Deutsche !
- Abschaffung der Fremdverpflegung und
der Sachleistungen !
- Freie Wahl der Unterkunft !
- Volle medizinische Versorgung !
Wir sind nicht freiwillig hier,
sondern zur Flucht gezwungen
!
Kein Aushungern und kein Entzug der Unterkunft
von Flüchtlingen,
um die Rückkehr zu erzwingen !
- Abschaffung des Arbeitsverbotes !
- Weg mit dem Asylbewerberleistungsgesetz
!
Aufruf von Flüchtlingen aus den Wohnheimen
des Deutschen Roten Kreuzes (DRK):
Streitstraße 5; Blankenburger Straße
141, Buchholzer Str. 34-35 und anderen Menschen, die unter die Aushunger-
und Vertreibungsgesetze fallen.
Unterstützt u.a. vom Flüchtlingsrat
Berlin und dem Bündnis gegen das Asylbewerberleistungsgesetz (Karawane
für die Rechte der Flüchtlinge und MigrantInnen, Frauen-Lesben-Gruppe
für Bleiberecht, Kein Mensch ist illegal - Berlin, Antirassistische
Initiative Berlin - ARI, Initiative gegen das Asylbewerberleistungsge -setz,
Forschungsgesellschaft Flucht und Migration - FFM) und den Parteien Bündnis
90 / Die Grünen und PDS.
V.i.S.d.P. Flüchtlingsrat Berlin,
Fennstr. 31, 12439 Berlin
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