Berlin, den 21.07.1999
Pressemitteilung
Menschenunwürdige
Zustände in drei Berliner DRK-Wohnheimen für Flüchtlinge
Nachdem schon seit 1998 im Flüchtlingswohnheim
Streitstraße 5 in Spandau 400 Plätze mit Vollverpflegung (=
Fremdverpflegung) eingerichtet wurden, werden jetzt auch in anderen Heimen
die Standards und damit die Lebensbedingungen vieler Flüchtlinge auf
Niedrigstniveau heruntergefahren.
Ab 1. Juni 99 wurden auch in Pankow die
DRK-Flüchtlingsheime Buchholzer Straße 34-35 (400 Plätze)
und Blankenburger Weg 141 (150 Plätze) auf Fremdverpflegung umgestellt.
Dieses Vorgehen ist die - vor allem in
Berlin - rigorose Umsetzung des im Herbst 98 verschärften "Asylbewerberleistungsgesetzes"
(AsylbLG). Ziel des Gesetzes ist es, den Flüchtlingen den Aufenthalt
so unerträglich wie möglich zu machen, damit sie möglichst
bald gehen.
Ein Gesetz, das auf Kriegsflüchtlinge,
AsylbewerberInnen und andere Flüchtlinge angewendet wird. So bekommen
z.B. die Kosovo-Flüchtlinge, die vor Beginn der NATO-Bombardements
nach Berlin flüchteten, in vielen Fällen keinen Pfennig Bargeld,
einschließlich Kürzung oder Streichung des Taschengeldes von
80,- DM pro Monat. Sie erhalten meist keine Leistungen für Kleidung,
keine Fahrscheine für die BVG, keine medizinische Versorgung.
Sie werden in vielen Fällen von den
Sozialämtern nach dem § 1a Nr. 1 AsylbLG als "Wirtschaftsflüchtlinge"
bezeichnet und erhalten bzgl. des Essens und Trinkens Fremdversorgung.
Obwohl noch 1998 die Leitung des DRK sich
selbst gegen eine Verschärfung des "Asylbewerberleistungsgesetzes"
öffentlich ausgesprochen hatte, ist sie jetzt federführend für
die rigide Umsetzung dieses rassistischen Gesetzes (Interview Klaus Schütz
"Verhungere oder hau ab", taz 26.3.98).
Anfang Juni protestierten vor allem Flüchtlinge,
die schon seit Jahren in der Stadt leben gegen die Einführung der
Fremdverpflegung (= Wegnahme der Selbstversorgungsmöglichkeit). Menschen
aus DRK-Wohnheim Buchholzer Straße 34-35 verweigerten demonstrativ
die Essensannahme und versuchten durch eine Straßenblockade auf ihre
Situation aufmerksam zu machen. Polizei und Sozialarbeiter überredeten
sie, die Blockade zu beenden.
Einige Familien wurden in andere Heime
verlegt,
während zwei Sozialämter entschieden, den Menschen die katastrophalen
Lebensbedingungen weiterhin zuzumuten. (Zehlendorf, Reinickendorf). Gegen
vier Familien wurde ein Heimverbot ausgesprochen - sie wurden in die Heime
Blankenburger Weg und Streitstraße z.T. mit Polizeigewalt zwangsverlegt.
Wir besuchten alle drei Heime und sprachen
mit vielen Menschen. Beispiel Buchholzer Straße:
Die Flüchtlinge bekommen seit dem
1.6.99 ein derart mangelhaftes Essen, daß einige der Flüchtlinge
sehr stark abgenommen haben und die meisten krank geworden sind. Viele
Menschen leiden unter Bauchschmerzen. Besonders die Kinder verweigern oft
die Nahrungsaufnahme, weil sie das Essen nicht gewöhnt sind und es
ihnen nicht schmeckt. Wir sahen mindestens fünf Kleinkinder mit Ausschlägen
am Gesicht und an verschiedenen Körperstellen, darunter Kinder von
neu aufgenommenen albanischen Kriegsflüchtlingen. Die Flüchtlinge
sind vorwiegend muslimisch und essen demzufolge kein Schweinefleisch. Die
Wurst- und Fleischangebote enthalten keinerlei Hinweis auf die Bestandteile,
ebensowenig ist ein Haltbarkeitsdatum vermerkt. Außerdem gibt es
kaum frische und vitaminhaltige Angebote, fast kein Obst, niemals Salate,
das Mittagessen entspricht einer Kinderportion. Die Erwachsenen bekommen
½ Liter Mineralwasser am Tag. Kleinstkinder erhalten pro Tag ein
Alete-Gläschen und eine kleine Flasche Saft. Ansonsten gibt es für
Kinder (auch für Kleinkinder) bis auf ½ Liter H-Milch keine
andere Verpflegung als für Erwachsene.
Frühstück und Abendbrot bestehen
aus einigen Scheiben Toast- und Mischbrot, halbfetter Margarine, Käse-Scheibletten
und einigen fetten Wurstscheiben.
Auch in den anderen beiden Wohnheimen
ist das Essen von ähnlich schlechter Qualität.
Die Gemeinschaftstoiletten und Duschen
sind unhygienisch und für die Menschen eine Zumutung. Die Toilettenräume
stinken, viele Duschen sind defekt, Waschbecken verstopft, Abflüsse
nicht vorhanden oder Wasserhähne entfernt und Spiegel undurchsichtig
oder kaputt.
Die Familien - oder die zusammen in einem
Raum lebenden jungen Männer - müssen alle Lebensbedürfnisse
miteinander in einem einzigen Raum teilen: schlafen, essen, fernsehen,
spielen, Schularbeiten machen etc. Das Leben wird so zum Dauerstress, führt
zu Schaflosigkeit, Krankheiten, Streitereien, Lärm- und Geruchsbelästigungen.
Kurz, es ist ein menschenunwürdiges Leben.
Die Flüchtlinge aus den drei DRK-Heimen
wollen am Donnerstag den 22.07.99 ihren Protest gegen die Zustände
mit einem öffentlichen Besuch bei den Verantwortlichen deutlich machen.
Das Berliner Bündnis gegen das
"Asylbewerberleistungsgesetz" unterstützt die Flüchtlinge bei
ihrem öffentlichen Besuch und bei ihren Forderungen.
Sie fordern vor allem eine sofortige
Beendigung der zwangsweisen, minderwertigen Fremdverpflegung und die Wiedereinführung
der Selbstverpflegung.
Die Flüchtlinge protestieren gegen
die unhygienischen Bedingungen.
Sie fordern uneingeschränkte medizinische
Versorgung.
Wir fordern darüberhinaus:
- Bargeld für alle Flüchtlinge
- Freie Wahl der Unterkünfte und
das Recht auf Anmietung einer Wohnung
- Uneingeschränkter Zugang zu
medizinischer Versorgung
- Aufhebung des Arbeitsverbots
- Abschaffung des "Asylbewerberleistungsgesetzes"
Anbei eine Pressemappe mit Beschreibungen
der Zustände, wie wir sie bei unseren Besuchen in den Heimen vorfanden
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