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21. März 2003

Pressemitteilung

Weiter Hunger- und Durststreiks,
Selbstverletzungen und Selbsttötungsversuche 
im Abschiebegefängnis Köpenick

Die Protestaktionen der Gefangenen im Abschiebegefängnis reißen nicht ab. Nach dem Ende des im Januar begonnenen kollektiven Hungerstreik haben einzelne Gefangene immer wieder mit Hunger- und Durststreiks gegen ihre Inhaftierung protestiert. Und immer wieder versuchen Gefangene mit Selbstverletzungen und Selbsttötungsversuchen aus ihrer ausweglosen Situation herauszukommen. Bisher kam es seit Mitte Januar zu 17 Selbstverletzungen und 26 Selbsttötungsversuchen durch Erhängen.

Der Umgang mit den psychisch schwer angeschlagenen Menschen durch die Verantwortlichen ist heute schlimmer denn je. Während früher die Gefangenen nach Selbstverletzungen und Selbsttötungsversuchen zur medizinischen Erstversorgung in ein allgemeines Krankenhaus kamen und dann aufgrund ihrer Haftunfähigkeit in einem psychiatrischen Krankenhaus adäquate Hilfe erhielten, sieht es seit dem 24. Februar anders aus. Die Schwerverletzten werden ins Haftkrankenhaus der Justizvollzugsanstalt Moabit gebracht und kommen anschließend zurück in eine der Isolationszellen der Abschiebehaft. Leichter verletzte Menschen kommen gar nicht erst ins Krankenhaus, sondern werden im Sanitätstrakt des Abschiebegefängnisses provisorisch versorgt. Auch sie kommen anschließend in Isolierzellen.

Dieses "Wegsperren" in Isolierzellen, unter intensiver polizeilicher Bewachung und ohne psychologische Betreuung, ist für Menschen, die sich in einer psychischen Ausnahmesituation befinden, weiter traumatisierend. Auch im Isolationstrakt haben Gefangene versucht, sich weiter zu verletzen.

Zynismus und Zerstörungskraft des Apparates

"Inwieweit bei Häftlingen wirklich eine Selbstmordabsicht vorgelegen habe, sei im Einzelfall schwer festzustellen", sagte der Leiter des Abschiebegefängnisses Peter Eggert im Tagesspiegel vom 13. März. 

Es geht jedoch nicht darum, ob jemand "echte" oder "unechte" Selbstmordabsichten hat, wenn er sich aufhängt. Tatsache ist, daß diese Menschen sich nicht verletzt hätten, wenn sie in Freiheit wären. Wenn Menschen sich mit einem Dosenblech die Blutgefäße aufschneiden oder sich an einem Bettlaken in der Toilette aufhängen, 
 dann ist es ihr Weg, um aus einer ausweglosen Situation herauszukommen. Die absolute Hilflosigkeit und das Bewußtsein, unschuldig und rechtlos auf unbestimmte Zeit eingesperrt zu sein treibt die Menschen in diese Verzweiflungstaten. 

Allein am 18. und 19 März kam es zu drei Erhängungsversuchen und vier Selbstverletzungen durch Schnitte. Ein 24-jähriger Litauer schnitt sich mit einer Rasierklinge dreimal in den Hals, dreimal in den linken Arm, sechsmal in den rechten Arm und dann in beide Waden. 
Die drei Menschen, die versuchten, sich zu erhängen sind indische Flüchtlinge - zwei von ihnen hatten am Vortag eine Haftverlängerung bekommen. Es ist bekannt, daß gerade Inder mindestens sechs Monate in Abschiebehaft sitzen und dann entlassen werden müssen, weil die Dokumentenbeschaffung durch die indische Botschaft nicht funktioniert. Trotzdem werden immer wieder neue Haftanträge gegen indische Flüchtlinge von der Ausländerbehörde gestellt. 

Eine 31-jährige Ukrainerin, die sich erlaubt hatte, im Büro der Ausländerbehörde im Abschiebeknast im wahrsten Sinne der Worte auf den Tisch zu hauen, befindet sich "zur Strafe" seit fünf Tagen im Isoliertrakt. Vor vier Tagen begann sie einen Hunger- und Durststreik. Die ohnehin herzkranke Frau leidet jetzt unter heftigen Kreislaufstörungen, Kopfschmerzen, Muskelkrämpfen, und Schmerzen im Brust- und Bauchbereich, ihre Hände zittern. Die "Untersuchungen" der Angehörigen des polizeiärztlichen Dienstes beschränken sich auf Blutdruck- und Gewichtsmessung. Fragen nach Befindlichkeiten und Krankheitssymptomen werden ohnehin nicht gestellt.

Auch kranke Menschen bleiben von der Abschiebehaft nicht verschont. So befindet sich zur Zeit ein 31-jähriger, an einer schweren Infektionskrankheit leidender Roma-Flüchtling im Abschiebegefängnis. Ihm droht die Abschiebung und die Trennung von seiner Frau und seinem vierjährigen Kind. In seiner Verzweiflung hat auch er schon mehrmals Hunger- und Durststreiks gemacht. Dadurch bringt sich der durch die Krankheit schwer angeschlagene Mann immer wieder in lebensbedrohliche Situationen.

Die Abschiebehaft und die Abschiebegefängnisse sind die krassesten Sinnbilder bundesdeutscher Abschottungspolitik. Abschiebehaft bedeutet Freiheitsberaubung für Hunderte von Menschen. Freiheitsentzug, der durch Richterinnen und Richter in Fünf-Minuten-Verhandlungen juristisch "legitimiert" wurde, manchmal ohne Anhörung der Betroffenen und oft ohne Rechtsbeistände. 

Sofortige Abschaffung aller Abschiebegefängnisse!

Für weitere Informationen und für Kontaktaufnahme mit den Inhaftierten:
Antirassistische Initiative - Telefon: 030 785 72 81

Für Hintergrundinformationen
http://www.abschiebehaft.de