Berlin 7.April 2000
Pressemitteilung
Am 48. Hungerstreiktag: Durststreik begonnen
Unabhängige ÄrztInnen appellieren an Innensenator Werthebach
Gestern besuchte Karin Hopfmann, flüchtlingspolitische Sprecherin der PDS-Fraktion im Abgeordnetenhaus von Berlin, zum zweiten Mal die hungerstreikenden Ukrainerinnen im Abschiebegefängnis Berlin-Moabit. In ihrer Gegenwart, sowie in Gegenwart einer Sprachmittlerin, erklärte Soja Schatz, daß sie am Morgen einen Durststreik begonnen habe. Sie sehe in diesem verzweifelten Schritt die einzige Möglichkeit, entlassen zu werden.
Durch die Tatsache, daß Soja Schatz heute nun seit 49 Tagen keine Nahrung zu sich nimmt, wird die zusätzliche Verweigerung von Wasseraufnahme seit gestern für sie jetzt lebensbedrohlich.
Unabhängige Ärztegruppe fürchtet um das Leben der Frauen
Bis heute wird den hungerstreikenden Frauen ihr Recht auf eine unabhängige ärztliche Untersuchung verweigert. Da sich der Gesundheitszustand der Frauen täglich verschlechtert, haben heute drei ÄrztInnen die Frauen besucht. Sie mußten dies als normale BesucherInnen tun, das heißt sie konnten mit den Frauen nur durch eine Trennschreibe sprechen und den körperlichen Zustand nach Augenschein beurteilen. Dies ersetzt selbstverständlich keine medizinische Untersuchung, erlaubt aber die grundsätzlich gemachten Ausführungen.
Die Ärztin und die Ärzte schreiben dazu an den
Innensenator E. Werthebach:
"Sie (die Frauen) leiden unter Herz-, Magen-,
Nieren-, Kopfschmerzen, sowie an Gefühlsstörungen und Muskelkrämpfen.
Bei starker Gewichtsabnahme und Flüssigkeitsmangel besteht eine Kreislaufschwäche,
die sich in wiederholten Kollapszuständen ausdrückt. Mit einer
zunehmenden Verschlechterung ist zu rechnen. Der uns bekannte Mineralstoffmangel
kann zu lebensbedrohlichen Herzrhythmusstörungen führen. Deshalb
ist der Aussage Ihres Sprechers Stefan Paris, daß 'keine Lebensgefahr
bestehe' ausdrücklich zu widersprechen."
Diskreditierung der Hungerstreikenden
Auch in diesem Falle behauptet die Pressestelle der Innenverwaltung, die hungerstreikenden Frauen würden heimlich essen. Damit sollen die Frauen diskreditiert und als unglaubwürdig hingestellt werden. In den letzten Tagen haben jedoch Beamte öfter ihre eigenen Essensabfälle in den Mülleimer der Frauen entsorgt, so daß die nächste Schicht behaupten konnte, die Frauen hätten gegessen.
Gleiches passierte gestern in Gegenwart der Abgeordneten Karin Hopfmann und der Sprachmittlerin. Eine Beamtin stand in der offenen Zellentür, aß eine Tüte Chips und warf die leere Verpackung anschließend in den Mülleimer der Frauen.
Auch die Behauptung, Nahrungsmittel "könnten" durch
Besucherinnen oder Besucher mitgebracht werden, erweist sich schlicht als
falsch, da Besuche grundsätzlich nur mit Trennscheibe erfolgen
und alle mitgebrachten Gegenstände bei dem Wachpersonal
abgegeben werden müssen.
Wir fordern die sofortige Entlassung der hungerstreikenden Frauen
sowie aller Abschiebegefangenen überhaupt und die Abschaffung der
Abschiebegefängnisse.