junge Welt  28.03.2002
 
 

Inland
»Gefährliche Orte«: Die Willkür regiert

Berlin: Polizeiliche Personenkontrolle endete für Nigerianer im Krankenhaus

Maren Cronsnest

Warum behandeln die mich so? Was habe ich getan? Fragen, die der Nigerianer Martin E. sich
im Berliner Elisabeth-Krankenhaus stellen mußte. Vergangenen Freitag war er gegen 18.30 Uhr
zusammen mit einem Bekannten im Europacenter in eine Polizeikontrolle geraten. Offensichtlich
äußere Merkmale - beide sind schwarz - hatten die Beamten wohl motiviert, die Männer nach
ihren Papieren zu fragen. Martin E. war gerade auf dem Weg zur Arbeit, er hatte seinen Paß
nicht dabei, zeigte aber seinen Sozialversicherungsausweis, auf dem ein Foto seine Identität
bestätigt. Dennoch wollten die Beamten von den beiden Männern sofort und vor Ort
Polaroidfotos machen.

Im Gegensatz zu seinem Begleiter verweigerte Martin E. das. Er wollte sich nicht ablichten
lassen, fragte nach den Gründen der Maßnahme. Die Uniformierten »baten« ihn in den
Polizei-Mannschaftswagen. Als der Nigerianer sich am Türrahmen festhielt, wurde die Tür
zugeschlagen. Dabei verletzte sich Martin die rechte Hand. Das war der Beginn einer mehr als
20 Minuten andauernden Mißhandlung des Afrikaners. Seine Hände wurden mit Handschellen
eng auf dem Rücken gefesselt, mindestens vier Beamte sollen ihn geschlagen, getreten und sogar
gewürgt haben. Zeugen hörten seine Schreie aus dem Polizeiwagen.

Ziel der »Behandlung« waren Fotos von dem Familienvater. Als die Polizei den Nigerianer
unter massiver Gewaltanwendung abgelichtet hatte, wurde er freigelassen. Die Beamten teilten
ihm zum Abschied mit, daß Anzeige gegen ihn erstattet wird. Passanten fuhren Martin E.
anschließend ins Krankenhaus, wo seine Prellungen und Würgemale am Hals dokumentiert
wurden.

Zahlreiche Zeugen, die als Demonstranten zur gleichen Zeit an einer Kundgebung der Berliner
Anti-NATO-Gruppe (B.A.N.G.) teilnahmen, hatten die Beamten während der polizeilichen
Maßnahme lautstark aufgefordert, den Gefangenen freizulassen. Als Antwort wurde Verstärkung
angefordert. Etwa fünfzehn Polizisten versuchten schließlich, die Gruppe der Zeugen zu
verjagen. Dabei schubsten sie und brüllten die Leute an. Zwei Zivilbeamte hetzten ihre
Diensthunde an langer Leine und ohne Maulkorb auf die Menschen.

Für Biplab Basu von der »Antirassistischen Initiative« Berlin ist das Geschehen kein Einzelfall.
»Seit der Einrichtung von der Polizei definierter "gefährlicher Orte" in Berlin ist es gang und
gäbe, daß Razzien nach rassistischen Gesichtspunkten stattfinden. In der Hasenheide und am
Hermannplatz stehen alle Afrikaner unter dem Generalverdacht, Drogenhändler zu sein.« Basu
weiter: »Wer sich gegen Kontrollen wehrt, kann leicht Opfer von Mißhandlung werden.«

Kontrollen im öffentlichen Raum, in öffentlichen Verkehrsmitteln, auf Baustellen, in Wohnungen,
sogar in Sprachschulen würden zu einer ständigen Bedrohungssituation für alle führen, die der
Polizei und privaten Sicherheitsdiensten durch »ausländisches Aussehen« auffallen. »Da sich
diese Vorfälle wieder häufen, müssen wir uns mit anderen Gruppen zusammensetzen, um gegen
diese massive Verletzung der Bürgerrechte von seiten der Polizei etwas zu unternehmen.« Der
Nigerianer Martin E. ist ein Mensch, der es nicht hinnehmen will, daß seine Bürgerrechte
verletzt werden. Auf seiner Seite stehen mehr als zehn Zeugen. Ob er Erfolg im Kampf gegen
Polizeiwillkür haben wird, ist offen.