Inland
»Gefährliche
Orte«: Die Willkür regiert
Berlin: Polizeiliche Personenkontrolle endete für Nigerianer
im Krankenhaus
Maren Cronsnest
Warum behandeln die mich so? Was habe ich getan? Fragen, die der Nigerianer
Martin E. sich
im Berliner Elisabeth-Krankenhaus stellen mußte. Vergangenen
Freitag war er gegen 18.30 Uhr
zusammen mit einem Bekannten im Europacenter in eine Polizeikontrolle
geraten. Offensichtlich
äußere Merkmale - beide sind schwarz - hatten die Beamten
wohl motiviert, die Männer nach
ihren Papieren zu fragen. Martin E. war gerade auf dem Weg zur Arbeit,
er hatte seinen Paß
nicht dabei, zeigte aber seinen Sozialversicherungsausweis, auf dem
ein Foto seine Identität
bestätigt. Dennoch wollten die Beamten von den beiden Männern
sofort und vor Ort
Polaroidfotos machen.
Im Gegensatz zu seinem Begleiter verweigerte Martin E. das. Er wollte
sich nicht ablichten
lassen, fragte nach den Gründen der Maßnahme. Die Uniformierten
»baten« ihn in den
Polizei-Mannschaftswagen. Als der Nigerianer sich am Türrahmen
festhielt, wurde die Tür
zugeschlagen. Dabei verletzte sich Martin die rechte Hand. Das war
der Beginn einer mehr als
20 Minuten andauernden Mißhandlung des Afrikaners. Seine Hände
wurden mit Handschellen
eng auf dem Rücken gefesselt, mindestens vier Beamte sollen ihn
geschlagen, getreten und sogar
gewürgt haben. Zeugen hörten seine Schreie aus dem Polizeiwagen.
Ziel der »Behandlung« waren Fotos von dem Familienvater.
Als die Polizei den Nigerianer
unter massiver Gewaltanwendung abgelichtet hatte, wurde er freigelassen.
Die Beamten teilten
ihm zum Abschied mit, daß Anzeige gegen ihn erstattet wird. Passanten
fuhren Martin E.
anschließend ins Krankenhaus, wo seine Prellungen und Würgemale
am Hals dokumentiert
wurden.
Zahlreiche Zeugen, die als Demonstranten zur gleichen Zeit an einer
Kundgebung der Berliner
Anti-NATO-Gruppe (B.A.N.G.) teilnahmen, hatten die Beamten während
der polizeilichen
Maßnahme lautstark aufgefordert, den Gefangenen freizulassen.
Als Antwort wurde Verstärkung
angefordert. Etwa fünfzehn Polizisten versuchten schließlich,
die Gruppe der Zeugen zu
verjagen. Dabei schubsten sie und brüllten die Leute an. Zwei
Zivilbeamte hetzten ihre
Diensthunde an langer Leine und ohne Maulkorb auf die Menschen.
Für Biplab Basu von der »Antirassistischen Initiative«
Berlin ist das Geschehen kein Einzelfall.
»Seit der Einrichtung von der Polizei definierter "gefährlicher
Orte" in Berlin ist es gang und
gäbe, daß Razzien nach rassistischen Gesichtspunkten stattfinden.
In der Hasenheide und am
Hermannplatz stehen alle Afrikaner unter dem Generalverdacht, Drogenhändler
zu sein.« Basu
weiter: »Wer sich gegen Kontrollen wehrt, kann leicht Opfer von
Mißhandlung werden.«
Kontrollen im öffentlichen Raum, in öffentlichen Verkehrsmitteln,
auf Baustellen, in Wohnungen,
sogar in Sprachschulen würden zu einer ständigen Bedrohungssituation
für alle führen, die der
Polizei und privaten Sicherheitsdiensten durch »ausländisches
Aussehen« auffallen. »Da sich
diese Vorfälle wieder häufen, müssen wir uns mit anderen
Gruppen zusammensetzen, um gegen
diese massive Verletzung der Bürgerrechte von seiten der Polizei
etwas zu unternehmen.« Der
Nigerianer Martin E. ist ein Mensch, der es nicht hinnehmen will, daß
seine Bürgerrechte
verletzt werden. Auf seiner Seite stehen mehr als zehn Zeugen. Ob er
Erfolg im Kampf gegen
Polizeiwillkür haben wird, ist offen.